Strategie - Fredmund Malik - E-Book

Strategie E-Book

Fredmund Malik

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Beschreibung

Nur mit der richtigen Strategie lassen sich heute die Entscheidungen treffen, die morgen den verteidigungsfähigen Marktanteil sichern und ein Unternehmen vor dem Untergang bewahren. Denn genau auf dieses künftige Bestehen am Markt zielt die richtige Strategie – nicht auf Gewinnmaximierung. In seinem komplett überarbeiteten Bestseller entwirft Fredmund Malik ein Navigationssystem, mit dem Führungskräfte die richtige Strategie für ihr Unternehmen entwickeln. »Originelle und provozierende Ansichten« manager magazin »Ein mächtiges Werk« Impulse »Fredmund Malik ist einer der erfolgreichsten Managementberater.« Handelsblatt

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Fredmund Malik

Strategie

Navigieren in der Komplexität der Neuen Welt

Campus VerlagFrankfurt/New York

Über das Buch

Die Entwicklung seiner Strategiekonzeption resultiert unter anderem aus Fredmund Maliks früher Erkenntnis, dass Wirtschaft und Gesellschaft durch einen der größten Umwandlungsprozesse gehen, die es historisch je gab. Diesen Prozess nennt Malik »Die Große Transformation21«.

Malik hat die heutigen Finanz- und Schuldenkrisen schon in ihren Anfängen erkannt und aufgezeigt. Als Erster sah er, dass deren Hauptursachen im angelsächsischen Neoliberalismus und in der einseitigen Shareholder-Value-Orientierung lagen. Letztere führte zu falschen Strategien und so zur historisch größten Fehlallokation von ökonomischen und sozialen Ressourcen. Als Folge entwickelte Malik innovative Strategie-Tools, die es möglich machen, die Krise als Beschleunigungsrampe zu nutzen für die Neupositionierungen und Strukturreformen. Maliks Management bildet präzise die Komplexität der strategischen Herausforderungen ab und liefert ein komplettes Instrumentarium für das erfolgreiche Navigieren von Organisationen in allen Wirtschaftslagen.

»Fredmund Malik has become the leading analyst of, and expert on Management in Europe … and a powerful force in shaping it … He is a commanding figure – in theory as well as in the practice of Management.«Peter F. Drucker

Informationen zum Autor

Prof. Dr. Fredmund Malik steht für professionelles Management sowohl in der fundierten wissenschaftlichen Theorie als auch in der praktischen Anwendung. Sein über Jahrzehnte konsequent vom Zeitgeist losgelöstes Verständnis von Management als wichtigste gesellschaftliche Funktion beeinflusst Generationen von Führungskräften. Malik ist an der Schweizer Universität St. Gallen habilitierter Professor em. Für Unternehmensführung, international ausgezeichneter Managementexperte sowie Gründer und Chairman von Malik St. Gallen, der führenden Knowledge-Institution für das Management komplexer Systeme mit Niederlassungen in St. Gallen, Zürich, Wien, Berlin, London, Toronto, Peking und Shanghai. Darüber hinaus ist er als Mitglied und Vorsitzender in Aufsichts-, Verwaltungs- und Stiftungsräten fundierter Kenner der Praxis von Corporate Governance. Malik ist einer der profiliertesten Managementvordenker und vielfach ausgezeichneter Autor von Bestsellern, darunter der Klassiker Führen Leisten Leben, der zu den 100 besten Managementbüchern aller Zeiten gehört.

Für die frühen Denker zielsicherer Navigationund zuverlässiger Strategie für dieGroße Transformation21:Aloys Gälweiler, Cesare Marchetti und Sidney Schoeffler

Inhalt

Vorwort

Die neuen Herausforderungen

Das richtige Wissen

Einführung: Die richtige Strategie für die Große Transformation21

Die Revolution der Großen Transformation21

Die innovativen, intelligenten und richtigen Lösungen

Strategie: Richtig Navigieren durch die Komplexität der Großen Transformation21

Thesen

Sprachgebrauch

Teil IStrategie für die Große Transformation21

1. Wie Strategie aussieht, wenn man die Zukunft nicht kennen kann

2. Die Große Transformation21

Die Alte Welt geht unter, weil eine Neue Welt entsteht

Mega Change in Mega Systemen

Krise als Geburtswehen der Neuen Welt

Ökonomie genügt für das Verstehen der Weltwirtschaftskrise nicht

Zerstörungsmaschine angelsächsische Corporate Governance

Komplexitäts- und Managementkrise: Das Fehlen der Nervensysteme

Der dritte Akt der Krise: Deflation

Das neue Funktionieren: Komplexität meistern

3. Wenn man nicht weiß, was man wissen müsste: Das Minenfeld der strategischen Irrtümer

Strategische Irreführung durch operative Daten

Sieben Merksätze zur Unterscheidung von Operativer und Strategischer Führung

Strategische Denkfallen

Teil IIStrategie als Master Control in den Ganzheitlichen ManagementSystemen

1. Unternehmen zum Funktionieren bringen

Verstärkung der Führungswirkung durch Management Assistant Systems

Richtiges und Gutes Management mit universeller Gültigkeit

Management, Finanzmärkte und Alpinismus

Ein praktischer Tipp für bereits kundige Leser

Was sind Master Controls?

Das Management Basismodell mit seinen Basiskonzepten

Management von Institutionen: Das General Management Modell

Management für Personen: Das Standardmodell der Wirksamkeit oder »Führungsrad«

Das Integrierte ManagementSystem (IMS)

Integrierte Strategie als Top-Querschnittsfunktion

2. Die Richtung weisen mit Unternehmenspolitik und Business Mission

Der richtige Zweck

Die richtige Mission

Die richtige Leistung

Teil IIIKomplexität meistern durch zuverlässiges Navigieren in jeder Lage

1. Die strategische Navigation revolutionieren

Das Malik Gälweiler Navigationssystem

Richtige Strategie für eine unbekannte Zukunft

Ende der Beliebigkeit in der Strategiegestaltung

Ohne Prognosen noch weiter in die Zukunft blicken

Zeitkonstanten und Systemtotzeit

Grenzen der Marktwirtschaft: Warum Ökonomen nicht weit genug sehen

Worauf man achten muss: Die Steuerungs- und Orientierungsgrößen

Zuverlässig funktionieren durch kybernetische Lenkungssysteme

2. Verlässlich lenken durch kybernetisches Navigieren

Erste Systemebene: Die Liquidität

Zweite Systemebene: Der Erfolg

Dritte Systemebene: Die gegenwärtigen Erfolgspotenziale (GEPs)

Vierte Systemebene: Zukünftige Erfolgspotenziale (ZEPs)

3. Die richtige Strategie – unabhängig von der Wirtschaftslage: Die Strategy Map

Das lösungsinvariante Kundenproblem

Lösungstechnologien

Sozio-ökonomische Trends

Marktstellung

Investitionen und Kostensenkungspotenziale

Forschungs- und Entwicklungsziele

Finanz- und Bilanzgrößen

Teil IVDem Wandel folgen – Erfolgsfaktoren für das heutige Geschäft

1. Ende des Blindflugs: PIMS – Die hohe Schule der richtigen Strategie

Strategische Leadership

Die PIMS-Revolution

Strategie auf der Ebene der Strategischen Geschäftseinheit

Die Entdeckung der »Laws of the Market Place«

Die geniale Forschungsidee: Die Struktur bestimmt den Gewinn, nicht die Branche

Neues Benchmarking nach biologischem Muster

Die PIMS-Datenbank-Suiten

Universell gültige Faktoren für 75% des Gewinns

Antworten auf strategische Schlüsselfragen

Die acht bedeutendsten Faktoren für den Erfolg

2. Strategisches Kernwissen: Ein Füllhorn an Erkenntnissen

Marktstellung

Stabilität der Ergebnisse über die Zeit

Scheinbare Anomalie führt zu Entdeckung eines neuen Faktors

Ist Innovieren gut?

Wo viele an Ertragskraft verlieren, ohne es zu merken

Wie wichtig ist das Marktwachstum?

Systemische Vernetzung der PIMS-Faktoren

PIMS und die sechs Central Performance Controls (CPC)

Die Kybernetik der PIMS-Strategie-Entwicklung

Zusammenfassung des Nutzens der PIMS-Erkenntnisse für das Top-Management

Kritik am PIMS-Programm

Was im Geschäft gültig bleibt, wenn sich alles ändert

3. Strategische Schallmauern durchbrechen: Drei PIMS-Pioniermodelle

Das Potenzial des Geschäfts kennen: Das PIMS-PAR-Modell

Von den Gewinnern lernen: Das PIMS-Look-Alike-Modell

Power Tool Customer Value Map – zwei unbestechliche Fixsterne: Kundennutzen und Konkurrenzfähigkeit

Teil VDem Wandel voraus sein – Erfolgsfaktoren für das neue Geschäft

1. Konstanten in den Gezeitenströmen des Wandels

Die Magie der Muster, die verbinden …

Auch wir werden ersetzt … Die Schöpferische Zerstörung

Die Symphonie der S-Kurven: Die Zukunft klar sehen

Einfache Wachstumsprozesse

Vom Wachstum zur Substitution

Wenn mehrere Systeme um ihre Existenz konkurrieren

Den geheimen Antrieb des epochalen Wandels entdecken

Jahrhundertzyklen: Invention – Innovation – Substitution – Exploitation

Hat Kondratieff recht? Der Rhythmus der langen Wirtschaftszyklen

Sich selbst zerstörende und selbst erschaffende Systeme

2. Innovieren für die Große Transformation21: Den Erfolg programmieren, bevor man beginnt

Von der Kunst zum Handwerk des Innovierens

Missverständnisse über das Innovieren

3. Selbst das Unbekannte meistern: Die PIMS-Start up-Strategie

Gesamtkunstwerk Start up-Geschäft: Die Geheimnisse des Innovationserfolgs

Die richtige Umgebung für Start up-Businesses

In der richtigen Umgebung die richtige Strategie wählen: Wissen statt raten

4. Start up-Strategien umsetzen: Die Grundsätze für wirksames Innovieren

1. Ziele auf die Spitze, auf Marktführerschaft und deutliche Veränderungen

2. Schaffe Platz für das Neue

3. Trenne das Neue vom Bisherigen

4. Suche die Chancen in den Problemen

5. Verlange eine zweite »erste« Seite von den Controllern

6. Schreibe deine Erwartungen auf

7. Stelle die Grenzkonditionen fest

8. Du brauchst die besten Leute

9. Mache Tests

10. Konzentriere dich strikt auf weniges

Teil VIRevolution der Managementmethoden – Strategiemethodik ohne Grenzen von Zeit und Raum

1. Direttissima: Der direkteste Weg zur richtigen Strategie

2. Change-Revolution durch die Syntegrationsverfahren

Epoche neuer Leadership: Quantensprung in der Sozial-Technologie des Funktionierens

Change und Innovation – rasch und wirksam

Was ist und was leistet die Syntegrationsmethode?

3. Die Cyber Tools

SensiMod: Das Sensitivitätsmodell als GPS des Unternehmens

EKS: Dynamische Spezialisierung

MSA: Management System Audit – Neues Funktionieren und Umsetzen

Operations Room: Umsetzen mit Real Time Control

4. Wie selbst Giganten das Tanzen lernen: Die HyperSyntegration

Anhang

Konzept und Logik der Reihe »Management: Komplexität meistern«

Das Ganze und seine Teile

Die wissenschaftlichen Grundlagen

Wenn die Sprache an ihre Grenzen stößt

Redundanz

Abbildungen

Browser-Technologie

Die Malik ManagementSysteme und ihre Anwender

Bezeichnungen und Identitäten

Die Anfänge

Entwicklungsgeschichte

Anwendungsbereiche und Wirkungen

Autonomie für Management und Manager

Modularität und Interfaces

ManagementSysteme für Selbstdenker

Mit der Qualifikation steigt das Erfolgspotenzial

Selbstmotivation für Selbstentwickler

Verantwortung versus Anerkennung

Autoren und Danksagung

Was man verstehen muss, um diese Buchreihe zu verstehen

Erfolg programmiert sein eigenes Scheitern

Wenn das Denken nicht mitwächst

Probleme des Erfolgs und Gesetze von Systemen

Alte und neue Quellen von Wissen und Erkenntnis

Kybernetik für das Verstehen der neuen Lösungen

Zwei nötige Evolutionssprünge

Neue Erfolgshebel – das Nutzen von Komplexität

Richtiges Management ist kybernetisches Management

Glossarium

Markenrechtlich und urheberrechtlich geschützte Begriffe

Über den Autor

Mitgliedschaften (Auswahl)

Auszeichnungen (Auswahl)

Literatur

Register

Wie ich Management sehe

Management ist die bewegende Kraft, wo immer viele Menschen gemeinsame Ziele nur durch das Teilen von Arbeit und Wissen erreichen können.

Management ist das Organ der Führung, in all unseren gesellschaftlichen Institutionen – im Wirtschaftsunternehmen ebenso wie in der Universität, im Krankenhaus, in der Stadt und in allen anderen Organisationen.

Management muss der Institution, die es führt, Richtung geben. Es muss die Mission der Institution durchdenken, ihre Ziele festlegen und Ressourcen organisieren für die Resultate, welche die Institution zu erzielen hat.

Management ist jene gesellschaftliche Funktion, die alles zum Funktionieren bringt.

Richtiges und Gutes Management verstehe ich als …

… jene gesellschaftliche Funktion, die die Organisationen und Systeme einer Gesellschaft dazu befähigt, richtig zu funktionieren

Dies schließt auch verantwortliche Leadership und Governance mit ein.

Nur durch Richtiges Management werden die Ressourcen einer Gesellschaft wirksam in sinnvolle Ergebnisse und in Nutzen transformiert. Zu diesem umfassenden Verständnis von Management gehört auch das Befähigen von Menschen, ihren Beitrag zum richtigen Funktionieren ihrer Organisationen zu leisten. So verstandenes Management schafft Zweck, Orientierung, Struktur und Leistungskraft. Dadurch verwirklicht es auch politische und gesellschaftliche Verantwortung und Ethik.

Management – Meistern von Komplexität

Zu den größten Herausforderungen von Management gehören die exponentiell steigende Komplexität und die Dynamik des Wandels der heutigen, global vernetzten Systeme. Die damit verbundenen tiefgreifenden Veränderungen nenne ich »Die Große Transformation21«.

Daher verstehe ich Management auch als das Meistern von Komplexität und habe der auf sechs Bände angelegten Reihe diesen Titel gegeben. Es ist diese Perspektive, die den besten Zugang zu Management in seiner Ganzheit eröffnet, und es ermöglicht, dafür die besten Lösungen zu entwickeln.

Die wissenschaftlichen Grundlagen für meine ManagementSysteme sind die drei Komplexitätswissenschaften Systemik, Kybernetik und Bionik. Die Systemik sehe ich als die Lehre von kohärenten Ganzheiten; die Kybernetik verstehe ich als die Lehre vom Funktionieren; und die Bionik, so wie ich sie anwende, befähigt Führungskräfte dazu, evolutionäre Lösungen der Natur auf ihre Organisationen zu übertragen, um deren Leistungsfähigkeit zu optimieren.

Meine Managementlehre ist daher grundverschieden von konventionellen Ansätzen. Sie schafft Klarheit, wo heute Begriffskonfusion, Widersprüchlichkeit, Beliebigkeit und Moden dominieren. Insbesondere gehe ich damit über Betriebswirtschaftslehre und Business Administration seit langem weit hinaus, was zu grundlegenden Managementinnovationen führte und für zahlreiche Managementprobleme gänzlich neue Lösungen ermöglicht.

Management – Betriebssystem für Organisationen

In seiner Bedeutung und Wirkung ist Management vergleichbar mit dem Betriebssystem von Computern: So wie das richtige Funktionieren eines Computers erst durch das Betriebssystem möglich wird, so wird das richtige Funktionieren von Organisationen erst durch das »Betriebssystem Management« möglich. Richtiges Management sehe ich als evolutionsfähiges »Betriebssystem« für Organisationen jeder Größe und jeder Art.

Management – Beruf der Wirksamkeit

Manager oder Führungskräfte sind jene Personen, die diese gesellschaftliche Funktion verkörpern und als Beruf ausüben. Dazu gehört es, das für eine Organisation Richtige zu tun und dieses gut zu tun. Daher verstehe ich Management auch als den Beruf der Wirksamkeit in komplexen Systemen.

Das Beherrschen der Grundfähigkeiten von richtigem Management und Selbstmanagement ist für die Menschen des 21. Jahrhunderts ebenso bedeutend, wie Lesen und Schreiben für die Menschen seit dem 18. Jahrhundert. Management ist heute jene Schlüsselkompetenz, durch die Menschen beschäftigungsfähig und in Organisationen wirksam werden. Erfolge im Beruf sind in allen Organisationen überwiegend die Folge von Richtigem und Gutem Management. Denn erst dadurch werden weit über die ökonomischen Ressourcen hinaus auch Talent, Intelligenz, Kreativität, Information, Wissen und Erkenntnisse in Resultate transformiert.

Management für Menschen und Management für Organisationen sind die Dimensionen der Anwendung meiner Ganzheitlichen ManagementSysteme®. Mit ihnen werden die Bedingungen dafür geschaffen, dass Menschen ihre eigenen Stärken in Leistung umwandeln können, dass sie dadurch Erfolg haben und darin Sinn sehen und Erfüllung finden können.

Fredmund Malik

St. Gallen, im Mai 2013

Vorwort

Dieses Buch enthält meine strategischen Lösungen für die REvolutionen der Neuen Welt, die zwar bereits in vollem Gange sind, aber noch immer viel zu wenig erkannt werden. Daher sind die bisherigen Maßnahmen weitgehend unwirksam, ja zum Teil sogar gesellschaftszerstörend.

Was ich die Neue Welt nenne, entsteht als Folge einer der größten globalen Umwandlungen von Wirtschaft und Gesellschaft, die ich als »Die Große Transformation21«1 bezeichne.

Die neuen Herausforderungen

In dieser Transformation steckt die Gefahr einer sozialen Kernschmelze, gleichzeitig aber auch die Chance eines neuen Wirtschaftswunders für eine bessere und humane Gesellschaftsordnung mit verlässlich funktionierenden Organisationen.

Welchen Weg die Entwicklung nimmt, hängt unter anderem von den Lösungen, Methoden und Instrumenten ab, die den Führungseliten weltweit zur Verfügung stehen, um diese Herausforderungen zu meistern. Es hängt davon ab, welche der Lösungen sie als solche zu erkennen vermögen, und für welche sie sich entscheiden. Herkömmliche Mittel werden für das Meistern der Komplexität dieser Transformation keinesfalls genügen, denn gerade diese haben die heutige Weltkrisenlage maßgeblich herbeigeführt.

Ein wirksamer Antrieb für die transformierenden Kräfte geht von den strategischen Lösungen selbst aus, die ich hier vorlege. Sie tragen dazu bei, dass sich die Revolutionen rasch, aber – im Gegensatz zu früheren Revolutionen – gewaltfrei und als innovativer Aufbruch vollziehen.

Sie befreien sowohl von längst überholten Management- und Organisationsformen als auch von grotesken Beschränkungen der heutigen sozialen und politischen Problemlösungsprozesse.

Mein »Manifest für Corporate REvolution« steht bereits seit 2008 in Unternehmenspolitik und Corporate Governance, dem zweiten Band meiner Reihe »Management: Komplexität meistern«. Viele der dort und schon früher aufgezeigten Entwicklungen sind inzwischen eingetreten, darunter der beginnende Kollaps des Finanzsystems. Andere tiefgreifende Veränderungen, z.B. in Technologie und Wissenschaft sowie in den sozialen Wertestrukturen der Menschen – insbesondere der jungen Generation –, die Veränderungen ihrer Weltperspektive und ihres Weltgefühls, sind schon so weit fortgeschritten, dass man sie nicht mehr stoppen kann, sondern diese, wo immer möglich, sogar beschleunigen und in konstruktive Richtungen lenken sollte.

Was bei Erscheinen der erwähnten Publikationen von den meisten für völlig unmöglich gehalten wurde, ist bereits binnen kurzer Zeit Realität geworden. Im Jahr 2008 schrieb ich, Wissen werde wichtiger sein als Geld, Information wichtiger als Macht. Die in vollem Gang befindliche Selbstzerstörung des Finanzsystems ist ein Beispiel für Ersteres, und die täglich stärker werdenden globalen Wirkungen der Social Media sind Beispiele für Letzteres. Regieren und Führen werden nie mehr so sein wie bisher.

Über die Finanzkrise selbst werde ich in diesem Buch wenig schreiben, denn dazu habe ich seit mehr als 15 Jahren publiziert – jetzt sprechen die Tatsachen für sich: Meine zum Teil schon in den 1990er Jahren vorgestellten Szenarien sind Realität. Das Grundmuster der Entwicklung heißt »Deflationäre Depression« mit sozialer Verarmung und Revolution – falls Ökonomie und Politik nicht radikal umdenken und anders handeln. Daher dominieren in diesem Buch nicht Analysen, sondern die Lösungen und die dafür richtigen Tools.

Das richtige Wissen

Auch über die Wissensgesellschaft und Komplexitätsgesellschaft im engeren Sinne will ich im vorliegenden Band nur wenig sagen. Diese habe ich in Unternehmenspolitik und Corporate Governance bereits behandelt.

Vielmehr stelle ich hier das nötige Strategiewissen zur Verfügung, mit denen die obersten Führungskräfte aller Arten von Organisationen die Herausforderungen der Großen Transformation21 zuverlässig, schnell und wirksam meistern können. Die Mittel hierfür sind meine ManagementSysteme®2 mit ihren Navigations-, Informations- und Lenkungssystemen sowie meine Strategiekonzepte und rund ein Dutzend neue, um ein Vielfaches bessere Methoden und Tools.

Viele der Pioniere unter den Top-Managern, die meine ManagementSysteme bereits anwenden, sind oft sprachlos, wenn sie sehen, mit welcher Wucht und Geschwindigkeit damit Probleme gelöst und – immer öfter – aufgelöst werden können. Herausragend wirksam sind dabei die Hochleistungsverfahren der sozialen Syntegrationstechnologie, mit denen die ganz großen und hochkomplexen Herausforderungen wie noch nie zuvor gemeistert werden.

So wie in früheren Perioden epochalen Wandels wird sich auch dieses Mal fast alles fundamental ändern. Ging es früher primär um revolutionären Wandel durch Maschinen, so stehen wir diesmal vor einer Revolution durch ein radikal neues Funktionieren der gesellschaftlichen Organisationen, ihres Managements auf allen Stufen, ihrer Strategie und ihrer Methoden – darunter auch die Hebel der kybernetischen Selbstorganisation und Selbststeuerung.

Für die überaus professionelle Unterstützung bei der Neuauflage der bisherigen drei Bände der Reihe danke ich sehr herzlich Frau Mag. Tamara Bechter und Frau Dr. Sonja Böni. Ohne sie wäre die Arbeit für mich kaum zu schaffen gewesen.

Fredmund Malik

St. Gallen, im April 2013

EinführungDie richtige Strategie für die Große Transformation21

Die Große Transformation21, wie ich den fundamentalen Umbruch von der Alten zur Neuen Welt seit langem bezeichne, wird größer als jede andere bisherige Gesellschaftsumwälzung sein, denn sie erfasst die ganze Welt.

Je mehr ich mich mit der Wirk-, aber auch Sprengkraft dieser Großen Transformation21 und den strategischen Lösungen dafür befasste, desto enger zogen sich die Grenzen der Sprache. Die Komplexität global vernetzter Systeme zu beschreiben und die Gleichzeitigkeit ihrer Veränderungsdynamik in Worte zu fassen, ist ebenso schwierig, wie mit Sprache eine Symphonie zu vermitteln. An allen Enden fehlen Begriffe für das Neue, für die vielgestaltigen Dimensionen und vor allem auch für die enorme Geschwindigkeit des Wandels und für das Unwissbare, das er mit sich bringt.

Herkömmliche Superlative – wie die »Supers« und »Megas« – würden, selbst wenn sie nicht abgedroschen wären, bei Weitem nicht ausreichen, das Ausmaß der Großen Transformation21 zu erfassen. Davon abgesehen stammen diese Begriffe aus der Alten Welt und können kaum mehr als deren limitierte Vorstellungskraft transportieren. Gelegentlich muss ich diese Begriffe aber trotzdem verwenden, weil mir bessere noch fehlen.

Wenn z.B. mit den in diesem Buch eingeführten neuen Methoden gerade die komplexesten Entscheidungen regelmäßig 100-mal schneller getroffen und umgesetzt werden als bisher, wenn die Effizienz von Teams um mehr als das 80-Fache verstärkt und Lösungen innerhalb von wenigen Tagen mit Maximalkonsens herbeigeführt werden, wo vorher soziale Gräben auch den kleinsten Kompromiss blockierten, und wenn diese Lösungskraft bereits in Hunderten von Anwendungen ausnahmslos zum Erfolg geführt hat – welche Begriffe würde man für solche Leistungen am ehesten als passend empfinden, wenn einerseits radikal neue Wirkdimensionen verdeutlicht, andererseits aber Großsprecherei und Werbejargon vermieden werden sollen?

Geschichtlich haben bisherige Transformationen ähnlicher Art – insbesondere in Technik und Wissenschaft – immer auch eine neue Sprache hervorgebracht, weil man das Neue nicht mit alter Sprache zu formulieren vermag. In der sozialen und politischen Sphäre hingegen können sich neue Begriffe häufig nur im Gleichklang mit dem Fortschreiten des Wandels selbst oder gar erst mit Verspätung durchsetzen. So wussten die Menschen der Renaissance nicht, dass sie in der Renaissance lebten, für die der Begriff erst im 19. Jahrhundert entstand. Und erst gut zehn Jahre, nachdem Columbus in »Indien« gelandet war (1492), erkannte im Jahre 1503 ein anderer, dass hier etwas vollständig Neues – »Mundus Novus« – entdeckt worden war – was Columbus selbst, der Entdecker, bis zu seinem Tode nicht begriffen hatte. Amerigo Vespucci hatte nie einen Fuß auf den Kontinent »Amerika« gesetzt. Zu Recht aber wurde dieser nach seinem Namen benannt, denn er war der Erkenner.

Die Revolution der Großen Transformation21

Die Große Transformation von der Alten Welt zur Neuen Welt verändert fundamental fast alles, was Menschen tun, warum sie es tun, und wie sie es tun – und sie verändert auch, wer wir sind, und welches Weltbild wir haben.

Die Große Transformation21 revolutioniert das Funktionieren der Gesellschaft und ihrer Organisationen. Doppelt so gut zu funktionieren mit der Hälfte des Geldes, ist eine von vielen Herausforderungen, deren Lösung nur wenige für möglich halten, obwohl sie bereits Praxis ist.

Schon in wenigen Jahren wird man sich verständnislos und mitleidig an die lähmenden politischen Entscheidungsprozesse von heute erinnern, an sich selbst blockierende Parteikoalitionen und sich selbst paralysierende Vorstands- und Aufsichtsratsgremien, an langsam dahinmodernde Change-Prozesse, an Lethargie und Resignation in so vielen Organisationen, an monströse wirkungslose Großkonferenzen sowie an die Hilf- und Ratlosigkeit globaler Institutionen.

Die scheinbar plötzlich wie aus dem Nichts aufgetretenen Herausforderungen, wie die radikale Energiewende, das vermorschte Finanzsystem, die globale Verschuldung und zunehmende Verrottung des sozialen Gewebes zeigen die Grenzen der bisherigen Problemlösungsverfahren so drastisch auf wie nie.

Man wird die Führer dieser Organisationen bedauern, gleichzeitig aber auch dafür bewundern, dass sie selbst unter solch unmenschlichen Bedingungen noch ihr Bestes gegeben und ihre Verantwortung zu erfüllen versucht haben – wenn auch aufgrund der herkömmlichen Methoden immer öfter vergebens; denn selbst der begabteste Rennfahrer kann mit einem veralteten Auto kein Rennen gewinnen.

Die innovativen, intelligenten und richtigen Lösungen

Man wird sich aber auch fragen, warum ihre eigenen Systeme verhinderten, dass sie die neuen Lösungen schon viel früher an die Hand bekamen, obwohl diese von uns längst publiziert waren, und wir sie andernorts bereits hundertfach erfolgreich angewendet hatten. Denn wer diese Lösungen kennt, sieht sofort die neuen Wege, die sie bieten, Krisen rasch zu beenden und diese sogar als Beschleunigungsrampen für den Fortschritt in die Neue Welt zu verwenden.

Für mich ergibt sich daraus unter anderem auch der ethische Auftrag, für die Verbreitung der nötigen Information über diese neuen, global-gesellschaftsrettenden Lösungen zu sorgen.

Mit den Geldern, die durch die neuen Lösungen freigesetzt werden, aber heute noch in alten Strukturen und Prozessen sinnlos und lösungsverhindernd gebunden sind, wird man die Innovationen der Neuen Welt schaffen, statt weiterhin Museen für die überholten Methoden des vorigen Jahrhunderts zu finanzieren.

So wird man beispielsweise – und das am schnellsten außerhalb des heutigen Bildungssystems – den neuen Typus der Hochleistungs-Bildungsorganisation errichten und der nächsten Generation bereits von Beginn ihres Studiums an jene Leadership-Fähigkeiten vermitteln, mit denen die heutige Misere gar nicht entstanden wäre. Dazu gehören die Kompetenz, vernetzt und ganzheitlich zu denken, das Wissen um die Systemik als Lehre von den Ganzheiten, die praktische Anwendungskompetenz für Kybernetik als Wissenschaft vom Funktionieren und die Fähigkeit, mittels der Bionik die besten Lösungen der Evolution auch für das Innovieren der gesellschaftlichen Organisationen zu nutzen.

Dies wäre eine Verstärkung der sozialen Lösungsintelligenz um Zehnerpotenzen, da dies alles in weniger als der Hälfte der Zeit und in einem einzigen, vollkommen kompatiblen und integrierten Studiengang erreicht werden kann.

In diesem Buch – ebenso wie in den anderen Bänden der Reihe »Management: Komplexität meistern« – sind das Wissen und die Methoden dargelegt, wie die drohende Sozialkatastrophe verhindert und eine neue Prosperität sowie eine funktionierende Gesellschaftsordnung jenseits der heutigen politischen Kategorien von Links und Rechts herbeigeführt werden können.

Strategie: Richtig Navigieren durch die Komplexität der Großen Transformation21

In den sechs Teilen dieses Buchs behandle ich zuerst die Dynamik der Großen Transformation21, ihre inhärenten Krisengefahren und Chancenpotenziale sowie die Geburtswehen der Neuen Welt.

Die dann folgenden Themen sind die frappierend effektiven kybernetischen Systeme für das strategische Navigieren und die dazu erforderlichen Strategy Maps sowie die empirische Quantifizierung von bereits bestehenden Geschäften und von noch unbekannten Geschäftsgebieten, mit denen das Neuland des Innovierens erschlossen wird.

Schließlich zeige ich die invarianten Muster in den Gezeitenströmen großer gesellschaftlich-technologischer Transformationsepochen sowie die daraus resultierende Wirtschaftsdynamik und die dafür nötigen Strategien auf.

Im letzten Teil komme ich zu den bis heute revolutionärsten Tools für sozialen Change – zur Sozial-Methodik der Syntegrationsverfahren –, die es möglich machen, bahnbrechenden strategischen Wandel zielsicher und – verglichen mit den heute noch üblichen Vorgehensweisen – mit der Zeitkompression von »Lichtgeschwindigkeit« zu bewerkstelligen. Mit der Syntegrationstechnologie können auch Wachstum und Größe von Unternehmen gerade dort mit Leichtigkeit gemanagt und zu Stärken gemacht werden, wo herkömmliche Methoden hoffnungslos unwirksam sind und die Leistungsfähigkeit von Organisationen paralysieren statt sie zu unterstützen.

Die fast magische Wirkkraft dieser Methoden kommt aus kybernetischen Kommunikationsprozessen, die in bisher unvorstellbarem Ausmaß sowohl kollektive Intelligenz verstärken als auch soziale Energien freisetzen. Durch den simultanen Einsatz von innovativen System Design-Tools entstehen durchschlagend wirksame Intelligenz- und Kraftzentren für das souveräne Meistern der Herausforderungen selbst hyperkomplexer Systeme und für deren effektives Steuern und Regulieren. »Mega Change of Mega Systems with Mega Speed« wird dann – mehr als ein anmaßender Werbeslogan zu sein – für ein Programm, für eine prosperierende Zukunft in einer Neuen Welt stehen.

Die durchgängige Thematik der ganzen Buchreihe ist das Meistern der Großen Transformation21 und ihrer nie dagewesenen Komplexität. Anhand der doppelten S-Kurven in der folgenden Abbildung ist diese Komplexität als Substitution von etwas Bisherigem durch etwas Neues dargestellt: Die Alte Welt wird durch eine Neue Welt verdrängt und ersetzt.

Diese Verdrängung und Ablösung führt zu den revolutionären sozio-politischen und wirtschaftlichen Verwerfungen und Krisen, mit denen wir uns heute konfrontiert sehen. Sie sind die Geburtswehen einer Neuen Welt.

In diesem Buch, dem dritten Band der Reihe »Management: Komplexität meistern«, zeige ich, welchen Beitrag die richtige Strategie für die Lösungsfindung leistet.

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Abbildung 1: Die Große Transformation21

Thesen

Wirtschaft und Gesellschaft gehen durch eine der größten Transformationen, die es geschichtlich je gab. Eine Alte Welt verschwindet, weil eine Neue Welt im Entstehen ist.

Die Weltwirtschaftskrise gehört zu den Geburtswehen der Neuen Welt.

Herbeigeführt wurde die Weltwirtschaftskrise in erster Linie durch die falschen Unternehmensstrategien der Alten Welt und deren überkommene Management- und Corporate Governance-Vorstellungen. Der heutigen Komplexität und Dynamik global vernetzter Systeme waren diese immer weniger gewachsen. Falsche Wirtschaftspolitik spielt dabei nur eine sekundäre Rolle.

Sichtbar wurden die selbstzerstörenden Unternehmensstrategien fast über Nacht durch den Untergang führender Finanzinstitutionen und das Versagen ihrer Lenkungssysteme.

Die falschen bisherigen Strategien basierten auf irreleitenden Scheinerfolgskriterien, die zu einem großflächig systemschädigenden Managementhandeln führten. Dieses verursachte eine historisch noch nie dagewesene globale Fehlsteuerung von Ressourcen sowie die bisher größte Verschuldung aller Gesellschaftssegmente.

Wirksame Lösungen für die Weltwirtschaftskrise müssen daher weit über Regierungsmaßnahmen hinaus ein Neues Funktionieren der gesellschaftlichen Organisationen und eine tiefgreifende Änderung heutiger dysfunktionaler Regelkreise durch neue ManagementSysteme umfassen. Die Lösungen dafür sind die in diesem Buch beschriebenen kybernetisch-ganzheitlichen ManagementSysteme sowie das darin enthaltene Strategiekonzept.

Das beste Modell für das Neue Funktionieren und das dafür nötige Neue Management sind natürliche Organismen und deren Kommunikations- und Kontrollsysteme, ihre Sinnes- und Nervensysteme. Deren kybernetische Funktionsgesetze sind in meinen Ganzheitlichen ManagementSystemen und dem dazugehörigen Strategiekonzept enthalten.

Komplexitätsstrategien haben eine revolutionär andere Logik und andere Orientierungsgrößen als herkömmliche Strategien der Alten Welt. Sie nutzen die Logik der Evolution und sind deshalb für den erfolgreichen Umgang mit dem Unbekannten und Unwissbaren programmiert.

Mein Strategiekonzept hat zwei Schwerpunkte:

Auf der Geschäftsebene des Unternehmens weist es die richtige Richtung mit größter Präzision und mit höchster Geschwindigkeit.

Auf der Managementebene schafft es das Neue Funktionieren durch Flexibilität, Adaptivität, Kohärenz sowie Lebensfähigkeit durch Selbstregulieren und Selbstorganisieren. Das Steuerungsprinzip ist Real Time Control.

Grundlage dafür sind neues Wissen sowie neue Methoden der Intelligenzverstärkung und Innovationen in den Informations-, Kommunikations- und Lenkungsprozessen, basierend auf Erkenntnissen aus Bionik und Kybernetik, die für das Management heute nutzbar sind.

In diesem Neuen Strategiekonzept sind die bisher sinnvollen Navigationsgrößen weiterhin mit enthalten, werden aber in ein weit umfassenderes, ganzheitliches Management- und Navigationssystem integriert. Dort werden sie so rekonfiguriert, dass sie neue Bedeutungen und daher andere Steuerungswirkungen im System der Unternehmenslenkung erhalten. So werden z.B. Gewinn und Wachstum auch in der Neuen Welt weiterhin wichtig sein, dort jedoch eine andere Funktion bekommen.

Über die wirtschaftlichen Dimensionen hinaus werden die Neuen Strategien auch Lösungen für die nicht-wirtschaftlichen Fragen der wachsenden gesellschaftlichen Desorientierung und Instabilität sowie für die Mobilisierung menschlicher Energie, Leistungskraft und Kreativität enthalten. Die Neuen Strategien werden neue Werte kultivieren und so auch eine neue Motivation der Menschen herbeiführen. Ein Fokus der Neuen Strategie wird ein neuer Sinn sein.

Zusammen mit den anderen Elementen meiner ManagementSysteme etabliert die neue Strategiekonzeption auch eine neue Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung. Diese nenne ich den Neuen Funktionismus. Diese neue Ordnung löst sowohl Kapitalismus als auch Sozialismus ab. Denn in deren herkömmlicher Polarität können für die neuen Herausforderungen keine Lösungen gefunden werden. Jedoch wird im Neuen Funktionismus das Beste aus den beiden bisherigen Ordnungen enthalten sein, aus dem Kapitalismus z.B. die Leistungskraft und aus dem Sozialismus die Solidarität.

Sprachgebrauch

Zusätzlich zum Glossarium im Anhang sind für jeden Band dieser Reihe vorab einige Begriffsklärungen wichtig.

Alte Welt und Neue Welt Begriffspaar für den fundamentalen säkularen Wandel, den ich als »Die Große Transformation21« bezeichne. Es ist die Ablösung der bisherigen Ordnung durch eine neue Ordnung.

Bionik ist ein Kunstwort aus Biologie und Technik. Es bezeichnet das interdisziplinäre Forschungsfeld von evolutionär entstandenen Lösungen der Natur, um deren Prinzipien auch für den Menschen anzuwenden. Bisher wurden bionische Erkenntnisse vorwiegend in der Technik angewandt. Lösungen der Natur können aber ebenso für Management angewandt werden, z. B. für das Funktionieren von Organisationen.

Cyber Tools sind Methoden und Instrumente für die Diagnose und Gestaltung der kybernetischen Funktionsfähigkeit von Organisationen.

Direttissima ist meine Bezeichnung für den methodisch schnellsten Weg zu einer richtigen Strategie.

Fristigkeit ist die allgemein übliche Zeiteinteilung in »kurz-, mittel und langfristig«. Die Festlegung von Führungshorizonten nach dieser Einteilung ist jedoch systematisch irreführend und daher hochriskant. Richtigerweise muss unterschieden werden zwischen »operativ« und »strategisch«. Nur dies führt zu richtigen zeitlichen Fristigkeiten, niemals aber umgekehrt. Denn es gibt langfristige Entscheidungen, die weitgehend operativ sind, und es gibt kurzfristige Entscheidungen mit enormen strategischen Auswirkungen.

Funktionieren ist mein allgemeinster Begriff für das zuverlässige und optimale Arbeiten einer Organisation entsprechend ihrem Zweck.

Große Transformation21 die tiefgreifende Jahrhundert-Umwandlung von Wirtschaft und Gesellschaft zur Komplexitätsgesellschaft des 21. Jahrhunderts. Inhaltlich habe ich diesen Makro-Wandel 1990 in dem Buch Krisengefahren in der Weltwirtschaft behandelt, sodann regelmäßig in meinen monatlichen Managementbriefen. Ausdrücklich verwende ich den Begriff in meinem 1997 publizierten Buch über Corporate Governance, Wirksame Unternehmensaufsicht«, wo ich die früh erkennbaren Dimensionen der vor sich gehenden Metamorphose von Wirtschaft und Gesellschaft in einem eigenen Kapitel behandle und meine Vorschläge für richtige und gute Governance maßgeblich darauf aufbaue.

Der Begriff »Great Transformation« wird erstmals 1944 vom ungarisch-österreichischen Wirtschaftssoziologen Karl Polanyi in einem ähnlichen Sinne, aber für eine ganz andere Zeit und daher andere Erscheinungsformen verwendet, insbesondere für die Ausbreitung der Marktwirtschaft und des Nationalstaates. Den Begriff »Transformation« verwendet auch Peter F. Drucker als Überschrift der Einführung zu seinem 1993 publizierten Buch »Post Capitalist Society«, wo er unter anderem die großen Entwicklungslinien vom Kapitalismus zur Wissensgesellschaft und vom Nationalstaat zum transnationalen Megastaat skizziert.

Mit meiner eigenen Begriffswahl vollziehe ich die Integration einiger der bisherigen Bedeutungen in einen verallgemeinerten fundamentalen Umwandlungsvorgang für das 21. Jahrhunderts. Unter anderem ist dieser Prozess durch exponentiell wachsende Komplexität, durch die Entstehung global vernetzter Systeme und durch die Dynamik des sich selbst beschleunigenden Wandels charakterisiert. Dies führt zu historisch vollständig neuen Herausforderungen, deren Meistern vor allem radikal innovative bionische Organisationsformen, kybernetische Systeme für Management, Governance und Leadership sowie revolutionär wirksame Sozialtechnologien erfordert.

Innovation ist das Stadium der beginnenden Wirksamkeit des Neuen in der Gesellschaft durch die Markteinführung.

Institution allgemeinster Begriff für alle Arten von gesellschaftlichen Organisationen sowohl der Wirtschaft als auch der öffentlichen Bereiche, sowie auch Begriff für Systeme von Regeln, die soziales Verhalten lenken. So ist das Wirtschaftsunternehmen sowohl eine Institution als auch eine Organisation.

Integriertes ManagementSystem® (IMS) eines der drei Hauptmodelle meiner ManagementSysteme; die anderen beiden sind das General Management Modell (GMM) und das Managerial Effectiveness Modell® (MEM®), das inzwischen von vielen Anwendern schlicht das »Führungsrad®« genannt wird.

Invention ist im Gesamtumwandlungsprozess das Stadium der Entwicklung von Innovationen von der Erfindung bis zur Markteinführung.

Lösungsinvariantes Kundenproblem ist einer der Schlüsselbegriffe und der »Archimedische Punkt« der Unternehmensstrategie. Er bezeichnet den von vorhandenen Lösungen unabhängigen Kaufgrund. Zum Beispiel ist eine Uhr eine von mehreren möglichen Lösungen für das lösungsinvariante Problem der Zeitanzeige.

Malik Gälweiler Navigationssystem®/(MG Navigator®) ist das vollständige, universell gültige System zur Entwicklung einer richtigen Strategie und für die zuverlässige Lenkung eines Unternehmens.

Master Control(s) sind die grundlegendsten Regelungen, die in einem System als Ganzes bis in seine peripheren Elemente wirksam sind, unabhängig von ihrer Quelle, seien es Naturgesetze, strukturelle Gegebenheiten oder vom Menschen getroffene, regulierende Entscheidungen im Sinne von Prinzipien. Die wichtigsten Master Controls sind Entscheidungen und Prinzipien, die die kybernetischen Selbst-Fähigkeiten eines Systems bewirken, nämlich Selbstregulieren, Selbstorganisieren, Selbststeuern und Selbstlenken.

Management System Audit® (MSA®) ist die Methode zur verlässlichen Analyse meines Integrierten ManagementSystems (IMS) in einer Organisation.

Nachhaltigkeit ist der Begriff für den Versuch, Zeithorizonte des Denkens, Entscheidens und Handelns zu bestimmen Begriff für den Versuch, Zeithorizonte des Denkens, Entscheidens und Handelns zu bestimmen.

Operations Room ist die informationelle, sensorische Umgebung für das Finden und Umsetzen von Real-Time-Entscheidungen.

Operativ, strategisch Begriffe für die beiden Ebenen des zuverlässigen Navigierens eines Unternehmens oder einer Organisation.

Profit Impact of Market Strategy (PIMS®) das weltweit bisher größte empirisch-quantitative Strategieforschungsprogramm, mit dem die »Laws of the Market Place« sowohl für bestehende Geschäfte als auch für neue Geschäfte – Start Ups – entdeckt wurden (Band 3, Teil IV und V).

PIMS Look alike der Begriff der PIMS-Forschung für die Ähnlichkeit von Geschäften.

PIMS PAR der Begriff der PIMS-Forschung für die Potenzialgrößen der Unternehmensstrategie im Gegensatz zu den Ist-Größen.

REvolutionen mein Kombinationsbegriff aus Revolution und Evolution für die sich vollziehenden tiefgreifenden Veränderungen der Großen Transformation21 und zugleich für die nötigen Innovationen in Management, Leadership und Governance, ihren Regeln, Systemen und Tools.

Schöpferische Zerstörung ist der Begriff des österreichischen Ökonomen Joseph Schumpeter für die spezifisch unternehmerische Innovationstätigkeit und die daraus folgenden großen Substitutionsprozesse, die Bestehendes durch Neues ersetzen.

Sensitivitätsmodell® (SensiMod®) ein system-kybernetisches Verfahren zur Modellierung der kybernetischen Regulierungskreisläufe von komplexen Systemen und ihrer Wirkungszusammenhänge. Die frühe Entwicklung wurde von Prof. Frederic Vester geleistet.

S-Kurven das typische s-förmige Verlaufsmuster von gesunden Wachstumsprozessen.

Start up-Geschäft jene Strategiephase, die mit der Vermarktung von etwas Neuem beginnt, nach vorgängig erfolgreicher Erfindung und Entwicklung des Neuen. Mit der Start-up-Phase beginnt die eigentliche Innovation, die immer vom Markterfolg her definiert werden muss und eine spezielle Strategie erfordert.

Steuerungs- und Orientierungsgrößen sind Begriffe im Malik Gälweiler Navigationssystem; Steuerungsgrößen sind jene Faktoren, die man unter Kontrolle bringen muss; Orientierungsgrößen sind jene Informationen, an denen man erkennen kann, ob das Unternehmen unter Kontrolle ist.

Strategie ist richtiges Handeln, auch wenn man nicht weiß, wie die Zukunft sein wird, sowie die dafür nötigen Regeln. Durch Strategie wird die Entwicklungsrichtung einer Institution festgelegt. Mit der richtigen Strategie werden die von der Absicht her dauerhaft wirksamen Grundsätze für die Tätigkeit von Organisationen angelegt. Geändert werden diese, wenn neu auftretende Umstände es erforderlich machen.

Substitution ist das Ersetzen, Ablösen oder Verdrängen von etwas Bisherigem durch etwas Neues (siehe dazu auch »Schöpferische Zerstörung«). Beispiele sind die Ablösung der Analogfotografie durch die digitale Bilderzeugung, das Ersetzen der terrestrischen durch die mobile Telefonie sowie die Verdrängung von manueller Arbeit durch Maschinen.

Syntegrationsverfahren Hochleistungs-Sozial-Methodik für das Meistern von komplexen Herausforderungen und Problemstellungen, wofür das simultane Nutzen von Wissen einer großen Zahl von Personen erforderlich ist. Es besteht aus einem sich selbst koordinierenden kybernetischen Kommunikationsprozess und aus der synchronen Anwendung der Cyber Tools.

Zeitkonstanten und Totzeit sind Schlüsselbegriffe des Malik Gälweiler Navigationssystems. Sie bezeichnen die Zeit, die erforderlich ist vom Erkennen der Handlungsnotwendigkeit bis zum Eintreten der Wirkung von strategischen Maßnahmen, insbesondere für das Entwickeln von neuen Erfolgspotenzialen.

Teil I

Strategie für die Große Transformation21

»Denn, wie ihr wisst, war Sicherheit des Menschen Erbfeind jederzeit.«

William Shakespeare, Macbeth

In Teil I geht es um das Warum für genau dieses Strategische Management, das ich in diesem Buch vorstelle.

In Teil II bis V werden das Was und Womit im Fokus stehen.

In Teil VI werde ich das Wie behandeln.

Kapitel 1Wie Strategie aussieht, wenn man die Zukunft nicht kennen kann

Strategie ist richtiges Handeln, auch wenn wir nicht wissen, wie die Zukunft sein wird, aber dennoch handeln müssen, wobei nichts zu tun ebenso ein Handeln ist.

Strategie heißt, bevor man etwas beginnt, von Anfang an so zu handeln, dass man auf Dauer Erfolg hat.

Strategie handelt nicht von zukünftigen Entscheidungen, sondern von der Zukunftswirkung heutiger Entscheidungen, zu denen auch die Nicht-Entscheidungen gehören.

*

Der erste Satz gibt meine eigene Position wieder. Der zweite stammt von Aloys Gälweiler und der dritte von Peter F. Drucker. Jeder dieser drei Sätze umschreibt auf seine Weise den allgemeingültigen Kern von Strategie, wie er für jede Zeit gilt und immer gegolten hat, unabhängig davon, ob die jeweiligen Entscheider das erkannten oder nicht, denn je nachdem haben diese richtige oder falsche Strategien entworfen.

Strategie ist das Umgehen mit einem nicht zu beseitigenden Mangel an Wissen. Denn wenn wir alles wüssten, was wir für weitreichende Entscheidungen brauchen, dann wäre keine Strategie nötig, sondern nur gewöhnliche Planung, nämlich das Ableiten von Konsequenzen aus vorhandenen Informationen und Daten. Wir können aber nie alles wissen, was wir wissen müssten, weil wir als Führungskräfte in der Hyperkomplexität global vernetzter Großsysteme und der Dynamik ihres sich beschleunigenden Wandels arbeiten und führen müssen. Wir leiden unter einem ständigen Mangel an Information und Wissen, weil solche Systeme prinzipiell nicht durchschaubar sind und weil sie sich oft rascher verändern, als man selbst entscheiden kann.

Wie man im nächsten Abschnitt sehen wird, haben diese drei »Definitionen« von Strategie für die Große Transformation21 eine ganz besondere und historisch wahrscheinlich sogar einzigartige Bedeutung, denn die vor sich gehenden tiefgreifenden Veränderungen schaffen eine Neue Welt mit vielen Unbekannten.

In den drei Positionen wird nicht unterstellt, dass wir über die Zukunft gar nichts wissen oder wissen können. Oft kann man sogar weit mehr wissen, als man für möglich hält, aber dafür muss man sich von inzwischen veralteten Denkweisen und Methoden trennen und neue Methoden anwenden, wie ich sie in diesem Buch vorschlage.

Oft weiß man aber nicht einmal, was im Unternehmen schon an Wissen vorhanden ist, weil es in der ganzen Organisation verteilt ist, man es jedoch nicht zu mobilisieren versteht. Daher liegt erfolgskritisches Wissen häufig ganz oder mehrheitlich brach, wiederum fast immer wegen ungeeigneter Methoden, für die ich hier ebenfalls neue Alternativen vorstelle.

Noch öfter glaubt man aber zu wissen, was man gar nicht wissen kann, z.B. ob die Krise wirklich vorbei ist. Das wiederum führt zu einem trügerischen Gefühl der Sicherheit und zum Festhalten an den alten Systemen.

Der gefährlichste Fall von Nichtwissen ist jedoch, dass wir oft gar nicht wissen, was wir wissen müssten, um eine richtige Strategie zu entwerfen. Dies war es in erster Linie, was zur Wirtschaftskrise führte, denn man hat Strategien auf einer Informationsbasis aufgebaut, die für strategische Entscheidungen völlig ungeeignet und irreführend sind, nämlich auf rein operativen statt auf strategischen Daten. Speziell auch für diesen Fall liegen in diesem Buch die Lösungen vor.

Die Positionen von Gälweiler, Drucker und mir sind Lösungen für die genannten Fälle von Nichtwissen und für die Beseitigung gravierender Irrtümer, die damit zusammenhängen. Diese Irrtümer, zum Teil als Irrlehren systematisch verbreitet, vergiften sowohl Praxis als auch Theorie der Strategie und sind Ursache bisher regelmäßig wiederkehrender Zusammenbrüche von Unternehmen.

Hätte man diese Irrtümer gekannt, so wäre beispielsweise das Debakel der Finanzindustrie nicht möglich gewesen, denn dieses ist fast ausschließlich solchen Irrtümern zuzuschreiben, die dort besonders kunstvoll perfektioniert begangen wurden. Daher ist es schlicht falsch, wenn bedeutungsschwer und mit kundiger Miene gesagt wird, man habe die Krise nicht kommen sehen können, denn diese war in den Strategien vieler Unternehmen längst angelegt, darunter in den meisten Institutionen der Finanzwelt und ihrer Regulierungsbehörden. Auch viele andere einflussreiche und richtungweisende Organisationen wie Rating Agenturen, Consulting Services, Medien und Business Schools fuhren seit langem ein Selbstmordprogramm.

Was diese jahrelang und zum Teil noch Tage vor ihrem eigenen Untergang als rauschenden Erfolg werteten, waren längst die »Zeichen an der Wand« für ihren drohenden Untergang. Sogar das Timing war relativ gut zu bestimmen, allerdings nur mit Instrumenten, die von diesen Irrtümern frei waren. Auch der Niedergang der US-Autoindustrie ist durch falsche Strategien herbeigeführt worden, was keineswegs erst im Nachhinein sichtbar war, sondern sich bereits Mitte der 1970er Jahre abzuzeichnen begonnen hatte.

Es gibt aber auch zahlreiche Beispiele für Unternehmen, in denen diese Irrtümer nicht begangen wurden, sondern die seit vielen Jahrzehnten und länger beispielgebend geführt wurden, wie Nestlé seit Beginn der 1980er Jahre, VW seit Anfang der 1990er und Microsoft seit der Zusammenarbeit mit IBM. Auch BMW und die Berkshire Hathaway-Gruppe von Warren Buffet gehören dazu. In vielen Familienunternehmen – unternehmerisch geführten Unternehmen (UGUs), wie ich sie nenne – sind diese direkten Fehler, die zur Weltwirtschaftskrise führten, kaum gemacht worden, weil diese Firmen nicht dem Druck der Finanzmärkte ausgesetzt waren. Allerdings werden auch solche Unternehmen neue Navigations-, Informations- und Lenkungssysteme brauchen, um die Herausforderungen der Großen Transformation zu meistern.

Meine eigene Position beseitigt neben anderen Missverständnissen den Irrtum der Anmaßung von Wissen, wo dieses uns schlicht fehlt. Strategie muss daher der Umgang mit konstitutivem Nichtwissen sein, das – wie erwähnt – unter anderem aus der Komplexität und der dynamischen Vernetzung heutiger Systeme resultiert, in denen unser Handeln stattfindet. Das Einbeziehen von konstitutivem Nichtwissen eröffnet für die Gestaltung von Strategien eine gänzlich neue Qualitätsdimension und ermöglicht elegante Lösungen gerade dort, wo herkömmliches Strategiedenken versagt.

Die Position Gälweilers räumt unter anderem auf mit Irrtümern, die auf falschen Daten beruhen sowie mit den gänzlich unnötigen und künstlichen Limitierungen der Zeithorizonte von kurz-, mittel- und langfristig, die den Blick auf den offenen Zeithorizont der Zukunft verstellen. Diese Position ermöglicht mit einer neuen Navigationsweise eine auf geradezu magische Weise wirksame Lösung für den Umgang mit komplexen Herausforderungen, die es unter anderem ermöglicht, vom Ende her an den Anfang zu denken statt umgekehrt.

Die dritte Position von Drucker beseitigt den Irrtum, dass die Zukunft schicksalhaft vorherbestimmt eintritt und wir diese daher nur prognostizieren müssen, um zu wissen, was geschieht. In Peter F. Druckers Position, mit dem ich gerade über diesen Aspekt von Management oft diskutierte, findet sich der eminent hoffnungsvolle Gedanke, dass wir die Zukunft aktiv gestalten können und sie nicht passiv erdulden müssen. Für die oberste Führungselite resultiert daraus der ethische Leadership-Auftrag, dies auch zu tun, denn nur sie hat die Mittel und die Macht dazu – und darüber hinaus gibt es heute auch dafür durchschlagend wirksame Methoden, von denen dieses Buch handelt.

Hier integriere ich diese Lösungen zusammen mit weiteren Elementen zu einem neuen Ansatz der Strategischen Unternehmensführung und zeige, was man wissen muss, um auch unter komplexesten Bedingungen zielgenau nach dem richtigen Wissen zu suchen und damit Strategien zu entwerfen und umzusetzen, die unter anderem folgende Bedingungen erfüllen: richtig, präzise und schnell, anpassungsfähig und umsetzungsfähig mit Real Time-Steuerung.

Zuerst jedoch erfolgt ein Überblick über die Große Transformation und ihre treibenden Kräfte.

Kapitel 2Die Große Transformation21

Wirtschaft und Gesellschaft gehen durch eine der größten Transformationen, die es je in der Geschichte gab. Diese Transformation kann man am besten verstehen als den Übergang von einer Alten Welt zu einer Neuen Welt. Was an der Oberfläche wie eine Wirtschaftskrise aussieht, sind in Wahrheit die Geburtswehen dieser Neuen Welt, in der fast alles anders sein wird als bisher.

Als ich 1997 in meinem Buch über Corporate Governance die Bezeichnung »Große Transformation« für den fundamentalen Wandel wählte, der sich bereits deutlich abzeichnete, war schon zu erkennen, dass die meisten Organisationen der Gesellschaft vor radikalen Änderungen stehen und dass jene, die das erfolgreich bewältigen würden, ihre ManagementSysteme und damit ihr Funktionieren grundlegend wandeln werden. Alle Komponenten der ManagementSysteme, wie Strategie, Struktur, Prozesse, Kultur, die Kompetenzen der Führungskräfte selbst, die Policies und Missions sowie die Navigationssysteme, Entscheidungs- und Problemlösungsprozesse und die Kommunikationssysteme würden sich anpassen und zu einem erheblichen Teil radikal und revolutionär ändern müssen. Diese Entwicklung ist seither in vollem Gange und beschleunigt sich nun unter dem Einfluss immer schneller kommender Innovationen auf fast jedem relevanten Gebiet.

Dieser Transformationsprozess ist noch längst nicht zu Ende. Schon in wenigen Jahren wird es viele der heutigen Global Fortune 500-Unternehmen gar nicht mehr oder nicht in ihrer heutigen Form geben. Es gab 2007 in der US-Fortune Liste noch elf Hausbauunternehmen – heute gibt es keines mehr. Fast alle der sogenannten »Masters of the Financial Universe«-Companies, darunter die vornehmsten, sind über Nacht verschwunden. Andere werden noch folgen und neue werden entstehen, die aber ganz anders sein werden. Microsoft wird sich massiv verändern müssen, um seine globale Position auch nur annäherungsweise zu erhalten, und die Pharmaindustrie erlebt weltweit ihre bisher größte Umstrukturierungsepoche.

Das sind nur wenige Beispiele, denn kaum eine Branche wird ausgenommen sein. Noch größer werden die Change-Herausforderungen für die öffentlichen Organisationen sein. Gesundheits- und Bildungswesen, öffentlicher Verkehr, der Energiesektor, die Gewerkschaften sowie Verwaltung und Regierung können mit ihren heutigen Strukturen, Abläufen und Entscheidungsprozessen nicht überleben. Die demokratischen Institutionen werden die tiefgreifendste Umwandlung seit ihrer Entstehung erfahren.

Die Transformation vom 20. in das 21. Jahrhundert ist etwa ähnlich dem Verschwinden der Agrargesellschaft und ihrer Ablösung durch die Industriegesellschaft oder vergleichbar mit der Verdrängung der Feudalgesellschaft durch Rechtsstaat und Demokratie. Aber die schon bisher eingetretenen Veränderungen zeigen auch, dass die Transformation21 noch größer und tiefgreifender sein wird als bisherige gesellschaftliche Umwandlungen. Einige der maßgeblichsten Unterschiede zu bisherigen gesellschaftlichen Transformationen sind die neuen globalen Größendimensionen, der neue weltweite systemische Vernetzungsgrad und das neue rasante Tempo des Wandels. Bisherige Superlative wie Mega Change sind bereits zu klein gegriffen, um die neuen Veränderungsdimensionen zu beschreiben.

Derart tiefgreifende Transformationen ereigneten sich geschichtlich bisher etwa alle 200 bis 250 Jahre. Ein solcher Wandel vollzog sich beispielsweise im 13. Jahrhundert mit der Entstehung der Gotik, der modernen Stadt und den ersten Universitäten als Zentren des geistigen Lebens sowie den Zünften als dominanter Sozialstruktur.

Eine weitere, ähnlich tiefgreifende Umwandlung fand zwischen 1455 und 1517 statt, beginnend mit der Erfindung des Buchdrucks und geprägt durch die Reformation. Meilensteine des Transformationsprozesses waren Renaissance, Entdeckung Amerikas, Entstehung der Wissenschaften, Wiederbelebung der Medizin und Verbreitung des arabischen Zahlensystems.

Die bisher letzte derartige Transformation begann Mitte des 18. Jahrhunderts mit der Aufklärung und wurde deutlich in der amerikanischen Verfassung, der Dampfmaschine und der damit beginnenden Industrialisierung, in der Französischen Revolution und den Napoleonischen Kriegen. Diese Transformation verwandelte nicht nur die politische Struktur Europas, sie schuf auch die moderne Universität, Parteien und ihre Ideologien, und sie brachte eine vollständig neue europäische Gesellschaftsstruktur.

Gemeinsam ist diesen Transformationsperioden, dass sich jeweils innerhalb von etwa 50 Jahren die Gesellschaft, ja die Welt der jeweiligen Zeitgenossen so radikal veränderte, dass später Geborene buchstäblich keine Vorstellung mehr von der Welt ihrer Eltern hatten.

Als Ergebnis der sich gegenwärtig abspielenden Großen Transformation21 werden wir eine grundlegende Änderung von fast allem erleben, was wir tun, wie wir es tun und warum wir es tun. In gewisser Weise wird sich sogar ändern, wer wir sind. So werden wir anders produzieren und konsumieren, transportieren, distribuieren und finanzieren. Ebenso ändern werden sich das Kommunizieren, Lernen und Lehren und fast alle anderen menschlichen Tätigkeiten. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse und technologischen Innovationen für eine neue Zeit sind schon da und einige sind bereits lange genug in Gebrauch, sodass man ihre Änderungskraft sieht, z.B. verändern schon Internet und Smartphone das Leben der Menschen, ihre Arbeits-, Konsum- und Kommunikationsweisen und neue Motive und Werte entstehen. Aber es ist noch vieles in der »Pipeline«, das sich mehr und immer schneller Durchbruch verschaffen wird.

Für das Bewältigen solcher Veränderungen und gleichzeitig auch als treibende Kräfte sind ebenso tiefgreifende Änderungen in den ManagementSystemen, Organisationsstrukturen und Strategien nötig wie im Denken selbst. In fortgeschrittenen Knowledge-Unternehmen beginnen sich Wirkungen der Neuen Welt bereits zu zeigen. Zu diesen gehören unter anderem der Umgang mit Wissen als neuer Ressource, als Werkzeug und als Produkt, die Besonderheiten von Wissensarbeitern und Wissensarbeit und neue Funktionsweisen der Wissensorganisationen.

Die Alte Welt geht unter, weil eine Neue Welt entsteht

Was »da draußen« geschieht, geht daher weit über eine gewöhnliche Finanz- und Wirtschaftskrise hinaus, schon gar eine solche, nach deren »Bewältigung« die Welt zurückkehrt zum vorherigen Status.

Schon jetzt sind Veränderungen so weit fortgeschritten, dass ein Zurück weder möglich noch wünschenswert ist. So wie eine Raupe in einer dramatisch verlaufenden Metamorphose zu einem Schmetterling wird, für den so gut wie nichts mehr so ist wie für die Raupe, wird in der Neuen Welt nur Weniges noch so sein wie in der Alten. So ist die Raupe z.B. den Naturgesetzen der Geodynamik unterworfen, während sich der Schmetterling in der ganz anderen Welt der Aerodynamik behaupten muss. Dafür braucht der Schmetterling ein anderes System des Funktionierens als die Raupe, er braucht andere Sinnesorgane, andere Nervenschaltungen und ein anderes biologisches Navigationssystem. Zwar sind die geodynamischen Gesetze deswegen für ihn nicht ungültig, aber ihre Relevanz hat sich für den Schmetterling gänzlich verändert.

Analog dazu war die Alte Welt vorwiegend durch die Gesetze des Geldes und der Ökonomie geprägt, während die Neue Welt durch die Gesetze von Information, Wissen, Erkenntnis, Komplexität und Dynamik hochvernetzter Systeme dominiert wird.

Schon jetzt kann man das ohne Prognosebedarf an zahlreichen bereits eingetretenen neuen Realitäten festmachen, die sich spätestens seit dem Zusammenbruch des Sowjet-Kommunismus einen Weg in die Strukturen der globalen Gesellschaften zu bahnen begannen und dabei fortgesetzt schneller die Regeln des gesellschaftlichen Funktionierens veränderten. Der Kollaps des Kommunismus ist durch damals bereits wirksamer werdende neue Realitäten ausgelöst, gefördert und beschleunigt worden, zwar versagte auch die Wirtschaftsordnung, aber weit stärker wirkten sich kybernetische Kräfte von Control and Communication aus. Wissen bricht Geld, und Information bricht Macht, wie ich es 2008 in Unternehmenspolitik und Corporate Governance formulierte.

Damit sind wir im Zentrum der Neuen Welt. Eines ihrer beherrschenden Merkmale wird ihre proliferierende, exponentiell wachsende Komplexität sein, die uns durch das ganze Buch hindurch begleiten wird.

Mega Change in Mega Systemen

Die wichtigsten Einflussfaktoren der Großen Transformation gruppiere ich vorerst in fünf komplexe Treiber: Diese sind erstens die Demografie, zweitens der Komplex von Wissen und Technologie, drittens die Ökologie, viertens die alles durchseuchende größte historische Verschuldung als Hauptfaktor der Ökonomie und die aus dem Zusammenwirken dieser vier großen Bereiche resultierende Komplexität.

All diese Faktoren wirken sich gegenseitig verstärkend und erzeugen allein dadurch fortwährend neue Komplexität, die immer mehr Organisationen vor immer größere Überraschungen stellt. Der Störfall wird zur neuen Normalität. Dies wird unter anderem in der Politik passieren, die gerade wegen der proliferierenden Komplexität und dem Festhalten an veralteten Methoden in immer mehr Ländern immer stärker eher zum Problem als zur Lösung zählt. Mit den neuen Methoden würde sich dies hingegen schlagartig ändern.

In diesen Treibern stecken enorme Risiken, vor allem die ökonomische Gefahr einer der größten Deflationen mit dem weitgehenden Kollaps der Sachwerte aufgrund der weltweiten Schuldengebirge. Daher hebe ich diesen einen Aspekt im Wirtschaftsgeschehen besonders hervor, denn er ist der ausschlaggebende ökonomische Punkt. In diesen Treibern stecken aber auch das Wissen und die Kraft, diese Krise zu mildern und zu meistern und eine neue Gesellschaft mit einer neuen funktionierenden Ordnung entstehen zu lassen.

Ein wesentlicher Teil der neuen Lösungen sind ganzheitliche und modulare ManagementSysteme, wie ich sie nach den Vorbildern der höchstentwickelten Lenkungs- und Steuerungssysteme der Natur gebaut und in die wir auch die Naturgesetze des Funktionierens inkorporiert haben. Unter anderem liegen die Lösungen deshalb dort, weil die herkömmlichen Managementdenkweisen unter den sich rasch wandelnden Bedingungen der Neuen Welt immer drastischer versagen. Die neuen ManagementSysteme unterscheiden sich von den bisherigen ähnlich fundamental, wie Nervensystem und Gehirn des Menschen von den einfachen Schaltungen niedriger Organismen.

Krise als Geburtswehen der Neuen Welt

Ob die Geburt der Neuen Welt unter solchen Bedingungen sanft oder schwer sein wird, liegt zu einem Teil in unseren eigenen Händen, denn es kommt maßgeblich darauf an, wie man mit den neuen Herausforderungen umgeht. Es kommt auf die Denkweisen, das Wissen, die Instrumente und Methoden an, die man als Lösungen einsetzt. Dafür ist ein neues Verständnis für das Netzwerk gesellschaftlicher Organisationen nötig und ein neues Management dieser Organisationen als komplexe, dynamisch vernetzte, unberechenbare und unvorhersagbare Systeme. Dies unterscheidet sich wie Tag und Nacht von den herkömmlichen Managementvorstellungen mit ihrer dominanten Orientierung an ökonomischen Kategorien, kurzfristigsten Gewinnen und generell an finanziellen Steuerungsgrößen.

Komplexe Systeme haben ihre eigenen Naturgesetze. Das zeigte ich unter anderem in meinem Buch Strategie des Managements komplexer Systeme3, in dem ich darlegte, dass die Logik einer komplexitätsgerechten Strategie evolutionär sein muss und dass die Strategie selbst eine Strategie der Evolution sein muss. Wenn man das nötige Wissen über die Gesetzmäßigkeiten komplexer Systeme hat, kann man beginnen, diese auf einer Metaebene von einer höheren Sicht zu verstehen, zu steuern, zu gestalten und zu lenken. Dafür braucht man jedoch ein ganz neues Wissen und auf dieses gründen sich meine ganzheitlichen Systeme für ein vollständig Neues Management, das ich in meinem Buch Unternehmenspolitik und Corporate Governance für die oberste Ebene der Unternehmenspolitik dargestellt habe, und auf das ich für dieses Buch über Strategie nun Bezug nehme.

Ökonomie genügt für das Verstehen der Weltwirtschaftskrise nicht

Die direkten finanziellen und wirtschaftlichen Dimensionen der Großen Transformation können an Bedeutung und Risikopotenzial kaum hoch genug eingeschätzt werden. Sie werden das Geschehen für viele Jahre prägen, denn die schwierigsten Phasen der Krise liegen nicht hinter uns, wie die meisten zu glauben scheinen und darin durch die Medien bestärkt werden. Die wirklich großen Turbulenzen stehen uns im Gegenteil noch bevor.

Dies wird aber nicht zu einer Inflation führen, wie die meisten befürchten, sondern zu einer der schwersten Deflationen der Geschichte, wenn weiterhin nur herkömmlich-ökonomische Mittel eingesetzt werden. Schon allein die zum Teil drastischen Sparprogramme der Regierungen haben eine deflationäre, wirtschaftsstrangulierende Wirkung.

Hinzu kommt, dass durch die Sparmaßnahmen das ohnehin wegen ihres Geldmangels schon schlechte Funktionieren vieler öffentlicher Organisationen noch schlechter wird. Alte Systeme können durch Sparmaßnahmen nicht besser, sondern nur schlechter werden. Im herkömmlichen Denken gibt es dafür keine Alternative. Die neuen Methoden hingegen befähigen Organisationen, mit halb so viel Geld sogar doppelt so gut zu funktionieren. Wenn man also akzeptiert, dass die Krise weit mehr als eine ökonomische ist, obwohl sie vordergründig ökonomisch erscheinen mag und so gedeutet wird, dass sie vielmehr weit darüber hinaus eine Krise des Funktionierens selbst ist, dann treten ganz andere und machtvollere Lösungen ins Blickfeld.

Dass die Krise nicht primär eine Wirtschaftskrise ist, ergibt sich auch daraus, dass so gut wie die gesamte Ökonomie den Zusammenbruch vom September 2008 nicht kommen sah, obwohl dieser sich spätestens seit dem Sommer 2007 an den amerikanischen Börsen abzeichnete. Mit den geeigneten Tools waren die drohenden Gefahren schon weit früher, teilweise sogar schon in den 1990er Jahren sichtbar, wie ich in meinem Buch Wirksame Unternehmensaufsicht 1997 sowie in meinen monatlichen Managementletters, meinen anderen Büchern und in zahlreichen Vorträgen publizierte.4

Noch im Sommer 2008, drei Monate vor dem Lehman-Debakel, prognostizierten 98% der amerikanischen Ökonomen sowie die deutschsprachigen Konjunkturinstitute praktisch unisono für 2008 ein Wirtschaftswachstum von 2,5 bis 3,5% und von ganz wenigen, nur selten wahrgenommenen Ausnahmen abgesehen war nirgends ein Hinweis zu hören auf den Sturm, der sich längst zusammengebraut hatte und kurz vor dem Losbrechen war.5 Die Blindheit für das Debakel, das drei Monate später die Welt erschütterte, war aber kaum das Versagen der Ökonomie, wie häufig behauptet wird. Weit eher ist das ein Indiz dafür, dass im Kern eben etwas ganz anderes vor sich geht, was mit den Mitteln der herkömmlichen Ökonomie gar nicht gesehen werden konnte.

Zerstörungsmaschine angelsächsische Corporate Governance

Für eine zutreffende Lagebeurteilung des heraufziehenden Desasters musste man in eine ganz andere Richtung schauen. Man musste die in den frühen 1990er Jahren durch das Aufkommen der Shareholder Value-Doktrin einsetzende systematische Fehlsteuerung von immer mehr Unternehmungen zuvorderst in der Finanzindustrie kennen, die sich enorm schnell auch in den realwirtschaftlichen Unternehmen durchsetzte. Geldgetriebene, an rein finanzwirtschaftlichen Kriterien orientierte Unternehmensstrategien waren nebst billigen Krediten die mächtigste Triebkraft der heutigen Krise, weil sie zur historisch größten Fehlallokation von Ressourcen und zur Entstehung des höchsten Schuldengebirges führten.

Führungskräfte durften sich dabei aus zwei irreführenden Gründen auf dem richtigen Pfad fühlen: erstens wegen des Scheinvorbilds der US-Wirtschaft, die sich als die beste der Welt darstellte, weil nicht ausreichend bekannt war, dass die US-Zahlen wegen einer Statistikumstellung im Jahre 1994 falsch und beschönigend waren. Das konnte allerdings nur Spezialisten auffallen und fand nie Eingang in die Medien. Der zweite Grund ist die globale Verbreitung der Shareholder Value-Lehre durch weltweit Tausende von Business Schools, die durchgängig völlig unkritisch Wertsteigerungs- und Shareholder Value-Strategien als ultimative Wahrheit vertraten. Von den Millionen Führungskräften mit MBA-Ausbildung werden daher jene die Herausforderungen am besten meistern, die jede Chance des Umlernens nutzen, um aus diesen Fehlern zu lernen. Die Lösungen dafür sind bereits vorhanden und jedem zugänglich.

Hinzu kam der längste Bull Market der Geschichte und anhaltendes, scheinbar nachhaltiges Wirtschaftswachstum, das aber in hohem Umfange nicht Wachstum der Realwirtschaft, sondern der Finanzwirtschaft war, und in Wahrheit durch unproduktive und immer weniger besicherte Kredite finanziert wurde. Ferner kamen hinzu die Einflüsse von Rating Agenturen, Consulting Firms, Investment Banks, Private Equity und Hedge Funds, der Beifall von den Medien und als massive Turboverstärker die Bonifizierungssysteme.

Dies alles war in den einzelnen Ländern durch Corporate Governance- Codes legitimiert, die das Kriterium von Best Practice im Zentrum hatten und dabei übersahen, dass Best Practice etwas völlig anderes ist als Right Practice und dieser sogar diametral entgegenstand. Best Practice ist das, was alle tun, weil es jeder tut, und dies ist der Nährboden massenpsychologischer Wahrnehmungsverzerrung und des Lemming-Effekts.

Die wachsenden Instabilitäten im Gesamtsystem der praktizierten Corporate Governance, die man zwar in den Bilanzen nicht finden konnte, erfasste ich bereits Mitte der 1990er Jahre in einem kybernetischen Vernetzungsmodell, zuerst händisch, später auch computergestützt (siehe Abbildung 2). Daraus konnte ich die zuverlässige Aussage ableiten, dass das Corporate Governance-System out of control war: Von 81 vermaschten Regelkreisen waren nur zwei systemstabilisierend, während 79 destabilisierend waren. Unerkannt war eine der monströsesten Selbstzerstörungsmaschinen entstanden, die es wirtschaftsgeschichtlich je gab, die nach außen hin aber als die beste aller Wirtschaften galt.

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Abbildung 2: Das Corporate Governance-Modell

Wenn die im Innern eines Systems sich aufbauenden Instabilitäten groß genug sind, kann das System von einer Sekunde zur anderen kippen. Es explodiert oder implodiert. Diese Art des Systemverhaltens ist Kennern ökologischer Systeme bestens bekannt, ebenso Ärzten und vielen naturwissenschaftlich ausgebildeten Führungskräften, die das Stabilitätsverhalten von Systemen in ihren eigenen Fächern studieren, was hingegen an den Business School kaum geschieht. Dieselben Systemgesetze gelten aber auch für ökonomische Systeme, während man in breiten Kreisen noch immer unberührt von moderner Systemforschung an unbegrenztes lineares Wachstum glaubt.

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Abbildung 3: Die Wachstumsfalle

Komplexitäts- und Managementkrise: Das Fehlen der Nervensysteme

Diese Systemzusammenhänge gehen über ökonomische Dimensionen weit hinaus. Die herkömmlichen ManagementSysteme sind der Komplexität, die sie selbst herbeiführten, nicht mehr gewachsen. Den »Organismen« der Gesellschaft, d.h. ihren wirtschaftlichen und öffentlichen Organisationen, fehlen die geeigneten Sinnesorgane, Steuerungs- und Lenkungssysteme, um die Herausforderungen des Wandels bewältigen zu können. Die Kommunikations- und Entscheidungssysteme funktionieren zu langsam und zeitverzögert, um mit der Geschwindigkeit mitzuhalten, die für richtige Entscheidungen und schnelle Anpassungen nötig wäre. Es fehlen außerdem in vielen Organisationen die nötigen Traktionssysteme, um Entscheidungen umzusetzen.

Mit herkömmlichen Managementvorstellungen können wir, mit einem medizinischen Bild gesprochen, zwar relativ gut die »Anatomie« einer Organisation, d.h. ihre Strukturen in Ordnung bringen, und ebenso gut die »Physiologie« ihrer Prozesse. Hingegen hat im herkömmlichen Denken die »Neurophysiologie« – das Analogon zu den ManagementSystemen – nicht mitgehalten. Genau dies ist aber nötig für das Funktionieren unter den erschwerten Bedingungen der Großen Transformation und ihrer Krisenerscheinungen.

Von der höheren Systemebene der organisationalen Steuerung aus gesehen haben wir es also weit über die ökonomischen Dimensionen hinaus mit einer Krise des bisherigen Funktionierens der Gesellschaft und der sich immer deutlicher zeigenden Unlenkbarkeit und Unregierbarkeit ihrer Institutionen zu tun.

Die herkömmlichen Organisationsformen sowie Planungs-, Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse sind von der Komplexität und Dynamik der heutigen global vernetzen Systeme zum Teil dramatisch überfordert, wie man am Zustandekommen so vieler politischer Entscheidungen und noch häufiger Nicht-Entscheidungen in den hyperkomplexen Organisationsnetzwerken erkennen kann. Die Operating Systems des Funktionierens haben mit dem Komplexitätswachstum nicht Schritt gehalten. Kein Wunder, dass selbst die besten Führungskräfte an ihre Grenzen stoßen, wenn ihnen die nötige Systemunterstützung fehlt. Auch der beste Formel-1-Pilot könnte kein Rennen gewinnen ohne das beste Auto und ein exzellent funktionierendes Support System.

Bildlich gesprochen ist das Problem also nicht nur der »Blutkreislauf« – analog zum Geldkreislauf – der mit dem Untergang der Lehman Bank zunächst kollabiert ist, sondern es ist der drohende Zusammenbruch der gesellschaftlichen »Nervensysteme« und somit des Funktionierens selbst.

Dies betrifft auf je unterschiedliche Weise die Organisationen der Wirtschaft ebenso wie die des Staates, was allein daran zu sehen ist, dass die Bankenwelt ohne sofortige Hilfe durch die Regierungen weitgehend implodiert wäre und die Realwirtschaft mitgerissen hätte. Mehr als eine kurzfristige Stabilisierung und Zeitgewinn können allerdings die Rettungsmittel des Staates kaum leisten. So wichtig dies in der gegebenen Notlage war, so wenig ist es eine nachhaltige Lösung, denn dadurch wurde keine der maßgeblichen Ursachen der Krise beseitigt, sondern es sind im Gegenteil weitere hinzugekommen, darunter die immense Staatsverschuldung, die unter der Oberfläche, wie jeder Kenner weiß, ebenfalls schon lange schwelte, nun aber voll aufgebrochen ist, und auch die relativ gesunden Staaten in den Schuldenabgrund zu ziehen droht.

Die Hilfe der Regierungen gleicht dem Schnaps, den man dem Alkoholiker in seiner schlimmen Lage gab, um ihn ruhig zu stellen, was seine Wirkung auch nicht verfehlte. Vom Alkoholismus ist er deswegen nicht geheilt. Genauso wenig hat sich in der Finanzwelt durch die Tausenden von Milliarden zusätzlicher Finanzmittel Wesentliches geändert, sondern man finanzierte bisher im Gegenteil die Wiederbelegung und Zementierung der alten Strukturen und insbesondere der Verhaltensweisen. Weder haben sich dort die Geschäftspraktiken wesentlich verändert, noch kam es bei den Bonussystemen zu Reformen.

Der dritte Akt der Krise: Deflation