Stress – Freund oder Feind? - Ludwig Bieser - E-Book

Stress – Freund oder Feind? E-Book

Ludwig Bieser

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  • Herausgeber: UTB
  • Kategorie: Bildung
  • Sprache: Deutsch
Beschreibung

Dieses Buch vermittelt allgemeinverständliche Informationen zum Phänomen Stress mit fundiertem medizinischen Hintergrund. Es unterstützt das Selbstcoaching und führt zu einem gesunden Rhythmus zwischen Anspannung und Entspannung. Die neuesten Entwicklungen in der Arbeitswelt wie Digitalisierung, Homeoffice und New Work werden berücksichtigt. Für Studium und Praxis gleichermaßen geeignet.

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Seitenzahl: 296

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Ludwig Bieser

Stress – Freund oder Feind?

Finden Sie Ihren perfekten Stress-Rhythmus

expert verlag · Tübingen

Umschlagabbildung: © iStock.com/Jorge Salmerón López

Autorenfoto: © privat

 

DOI: https://doi.org/10.36198/9783838560748

 

© expert verlag 2023— ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetztes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

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Internet: www.expertverlag.deeMail: [email protected]

 

Einbandgestaltung: siegel konzeption | gestaltung

 

utb-Nr. 6074

ISBN 978-3-8252-6074-3 (Print)

ISBN 978-3-8463-6074-3 (ePub)

Inhalt

Für Anja, Laura, Jan ...1 Der Stressbogen2 Erfolg und Erfüllung3 Präventives personenorientiertes Stressmanagement4 Stressbremsen, Boxenstopps und Time-out4.1 Boxenstopp 1 – Wir müssen bei uns selbst anfangen4.2 Boxenstopp 2 – Was ist mein Ziel?4.3 Boxenstopp 3 – Wie wichtig ist das für uns in einem Jahr?4.4 Boxenstopp 4 – Wir müssen nicht immer gleich Position beziehen4.5 Boxenstopp 5 – Alle Lösungen sind in uns4.6 Boxenstopp 6 – Entspricht das unserer Werthaltung?4.7 Boxenstopp 7 – Den Akku aufladen und Energie tankenTime-out – Zeit is(s)t Leben4.8 Ein schlechtes Gewissen haben wir nicht verdient!4.9 Wer beansprucht unsere Zeit?4.10 Der erste Schritt: Prioritäten setzen4.11 Das Leben ist zu kurz, um etwas dem Zufall zu überlassen4.12 Wie sehen wir uns selbst?5 Stressmanagement-Programme in Organisationen5.1 Ist Stressmanagement eine Organisationsverantwortung?5.2 Ist Stressmanagement eine Führungsverantwortung?5.3 Raus aus dem Hamsterrad!5.4 Ein Blick auf die individuelle Stressresistenz5.5 Stressresistenz von Organisationen5.6 Führen im digitalen Zeitalter5.7 Selbstführung6 Ausblick7 Weiterführende Literatur8 DankInspirationen für den Alltag

Für Anja, Laura, Jan und Elvira

Vorwort

Die Violinspielerin auf dem Titelbild ist eine Metapher für den positiven Umgang mit Belastungen und Stress. Um mit einer Geige stimmungsvolle Musik zu spielen, ist es entscheidend, wie wir mit ihr umgehen. Es bleibt uns auch nichts anderes übrig, als das Instrument selbst in die Hand zu nehmen. Die Violinspielerin weiß, was und wie sie etwas zu tun hat. Sie konzentriert sich ganz auf das Violinspiel. Sie ist nicht abgelenkt. Bei ihr besteht zwischen inneren Wünschen und äußeren Anforderungen hohe Übereinstimmung. Vermutlich jeder Mensch hat solche Erfahrungen gemacht, sei es in der Kindheit beim Spielen, in der Freizeit als Sportler oder bei der Arbeit. Menschen können bis an die Grenze ihrer physischen, psychischen und mentalen Belastbarkeit gehen oder sogar über sich hinauswachsen, wenn sie positiver Stress wie ein guter Freund beflügelt. Positiver Stress entsteht, wenn Intention, Intuition und Aktion im Einklang stehen und der Wechsel zwischen Anstrengung und Entspannung in einem gesunden Rhythmus erfolgt. Mit präventivem Stressmanagement und der Boxenstoppstrategie bringen wir Stress und Belastungen in Einklang. Geistesgegenwärtig konzentrieren wir uns voll Hingabe auf das Wesentliche. In gespannter Gelöstheit sind wir kreativ. Unsere Fähigkeiten wachsen mit den Anforderungen. Wir sammeln Kraft und Energie für einen Perspektivwechsel und wagen mutig den Schritt über den Abgrund, um den eigenen Weg zu gehen.

Negativer Stress führt zu unbewusstem und unreflektiertem Handeln. Wenn Gedanken und Handeln auseinanderfallen, sind wir zerstreut und nicht voll präsent. Wir verschwenden Zeit mit planlosem Aktionismus, operativer Hektik und endlosem Gekeife. Wir verstricken uns in einen Kleinkrieg. Das Paradoxe an unserem Verhalten ist, je ungewisser der Ausblick, umso stärker sind wir ständig dort auf der Suche nach Stabilität, wo wir sie nicht finden. Wir verzetteln uns in einem Übermaß an Trivialem und gönnen uns keine Ruhe. Freiwillig setzen wir uns unter Dauerstress und holen uns in Form von Dauerberieselung mit Katastrophenmeldungen aus den Medien den Säbelzahntiger ins Haus. Die Angst um unsere Sicherheit versetzt uns unter Strom und ständige Alarmbereitschaft. Wir bewegen uns mit Höchstgeschwindigkeit in die falsche Richtung und versuchen dort Sicherheit zu finden, wo es keine Sicherheit gibt. Wir erwarten bessere Ergebnisse, obwohl wir immer wieder das Gleiche tun, und keinen Schritt vorankommen. Der Blick für Zusammenhänge und der Sinn gehen uns verloren, weil wir die Dinge nur noch mit dem berühmten Tunnelblick wahrnehmen. Wesentliches verlieren wir aus den Augen und mit der Zeit auch die Orientierung. Wer immer nur beschleunigt, wer stets nur mit Höchstdrehzahl rast, schädigt sich selbst.

Mit präventivem Stressmanagement kann man Dauerstress vermeiden und negativen Stress in positive Lebensenergie umwandeln. Dafür gibt es in diesem Buch Stressbremsen und Boxenstopps, denn Anhalten ist wichtig. Wer nicht anhalten kann, kann nicht zu sich kommen und den Stresskreislauf unterbrechen. Wir müssen innehalten, uns auf uns selbst besinnen und bei einem Boxenstopp Kraft und Energie tanken, und lernen, negativem Stress im täglichen Leben aus dem Weg zu gehen. Wir wissen, Mut ohne Bewusstsein führt zu unreflektiertem Handeln, Bewusstsein ohne Vertrauen führt zu unentschlossenem Handeln, Vertrauen ohne Kraft verhindert die konsequente Umsetzung, Kraft ohne Konzentration führt zu Verzettelung, Konzentration ohne Ausdauer ist wie Strohfeuer und lässt den Mut sinken. Niemand wird den Weg für uns gehen, wir müssen es selbst tun. Wir nehmen ab heute das Steuerrad unseres Lebens selbst in die Hand. Wir kommen in einen gesunden Rhythmus zwischen Anstrengung und Entspannung und erreichen mit einem gesunden Maß an positivem Stress schwungvoll unsere persönlichen Ziele.

Total im Stress

„Ach, ich bin total im Stress.“ Wie oft war dieser Stoßseufzer in den letzten Wochen und Monaten von uns zu hören? Oder war es gar kein Stoßseufzer, sondern ein durchaus positiv gemeintes Signal, dass wir überall gebraucht und geschätzt werden?

Stress ist etwas, das uns alle immer häufiger betrifft. Es gibt Tage, an denen wir nicht wissen, wie wir mit allem fertig werden sollen. Unser Leben scheint immer komplizierter und hektischer zu werden. Dennoch wollen wir alles am liebsten selbst machen und dann noch perfekter als perfekt sein. Wir werden nervös, wenn wir mal nichts Sinnvolles tun, und haben verlernt uns zu entspannen. Dann ist es höchste Zeit, auf die Stressbremse zu treten. Indem wir STOPP zu uns selbst sagen, wirken wir dem Burn-out-Syndrom entgegen und gewinnen Lebensfreude und Lebensqualität zurück.

Es gibt verschiedene Arten von Stress: Den negativen, krankmachenden, der mit dem Gefühl der Überforderung einhergeht. Aber auch den positiven, gesunden, der uns lebendig und aktiv erhält. Entscheidend ist, dass wir wissen, wo die Grenze zwischen beiden Stressformen für uns verläuft, und dass wir wirkungsvolle Mittel kennen, um auf die Stressbremse zu treten. Bei einem Boxenstopp machen wir uns über die praktische Erfahrung Gedanken: Warum wird es dem Fahrer nie schlecht, sondern nur dem Beifahrer?

Ja ein guter Fahrer weiß aus Erfahrung, wie er mit Gefahren umgehen kann. Er lässt sich auch nicht unter Druck aus der Bahn werfen und fliegt beim Überholen nicht so leicht aus der Kurve. Schon bevor er losfährt, weiß er, dass schwierige Überholmanöver auf ihn zukommen können. Doch er hat Erfahrung und weiß, wie er damit umgehen muss. In der Formel 1 erkennt man den guten Piloten erst im Hauptrennen. Erst wenn das Stressbarometer auf Sturm zeigt, trennt sich auch beim Umgang mit Stress die Spreu vom Weizen. Wir erkennen schnell, ob jemand den Stress beherrscht oder vom Stress beherrscht wird. Wenn wir stürmische Zeiten gut überstehen möchten, haben wir auf jeden Fall bessere Chancen dort anzukommen, wohin wir wollen, wenn wir das Steuer selbst in die Hand nehmen und wir Richtung und Kurs bestimmen.

Im Leben gibt es viel zu viel, in immer kürzerer Zeit zu tun und dieser Druck erzeugt Stress. Stress durch Unwägbarkeiten im Leben können wir auch nicht verhindern, wir können aber lernen, wie wir mit Stress durch Ungewissheit fertig werden. Wenn wir wissen, was uns stresst, können wir uns in Ruhe darauf einstellen, um in Gefahr cool reagieren zu können. Ein kühler Kopf schützt uns nicht vor allen Gefahren im Leben, doch wir werden ganz sicher weniger oft unangenehm überrascht sein, wenn plötzlich ein Hindernis oder ein Ungeheuer vor uns auftaucht. Für einen Sieg in der Formel 1 sind gute Bremsen und Boxenstopps genauso wichtig wie eine hohe Geschwindigkeit auf der Geraden. Gute Boxenstopps machen den Unterschied zwischen einer Achterbahnfahrt und einem Sieg in der Formel 1. Bei einem Boxenstopp Energie zu tanken und den Akku aufzuladen, ist für eine rasante Aufholjagd unabdingbar. Ohne eine gute Boxenstoppstrategie kann eine Fahrt auf der Überholspur plötzlich auf dem Standstreifen enden. Alle Menschen sind von Stress betroffen. Stressbremsen und Boxenstopps sind deshalb für alle Menschen wichtig. Die Boxenstoppstrategie zeigt, wie wir mit Belastungen positiv umgehen können. Im Selbsttraining lernen wir, negativen Stress zu vermeiden oder in positive Energie umzuwandeln. Schwungvoll nehmen wir das Steuerrad in beide Hände und geben unserem Leben auf einem sinnvollen und erfolgreichen Kurs Richtung und Orientierung. Was auch immer auf uns zukommt, als Fahrer wird es uns nie schlecht. Schwindelig wird es nur dem Beifahrer.

Gutes Stressmanagement macht den Schwachen stark und den Starken stärker. Das Ziel des Buches ist nicht, Stress zu beseitigen, sondern ein optimales und gesundes Stressniveau zu erreichen. Wenn Sie die vielen praktischen Hinweise aus diesem Buch nach und nach umsetzen, werden Sie selbst zum Gestalter Ihres eigenen Fühlens, Denkens und Handelns. Nutzen Sie das Buch als Inspirationsquelle für Ihren ganz persönlichen und den gemeinsamen Erfolg mit anderen Menschen im Leben! Stress hat man nicht – man macht ihn sich. Entscheidend ist wie wir damit umgehen. Ich wünsche Ihnen, dass Sie nicht immer aber immer öfter in die Pole-Position kommen. Ob es so kommt, liegt an Ihnen!

Warming up

Die Zeit der Covid-Pandemie hat vermutlich bei jeder und jedem von uns zu einem Wechselbad der Gefühle geführt. Einmal schlug das Pendel in Richtung existenzbedrohender Ängste aus, dann wieder in den Bereich zukunftsorientierter Zuversicht zurück. Auch wenn uns immer neue und zum Teil wirre Durchhalteparolen aufgetischt wurden, das war alles andere als eine beruhigende Nervennahrung. Angesichts einer neuen Situation ohne Erfahrungswerte wurden wir alle Getriebene tagesaktueller Ereignisse und hatten manchmal das Gefühl in einem fahrenden Zug auf den Abgrund zuzurasen.

Der Mensch ist ein Gefühlswesen und Glaubenswesen, dies umso mehr, je bedrohlicher ihm ein Geschehen erscheint und je unsicherer die Faktenlage ist. Ängste, die im Verborgenen sind, können plötzlich offen in Form von Aggressionen an die Oberfläche kommen. Es kann zu einer psychischen Regression kommen, in der es nur noch Freund oder Feind sowie Gut oder Böse gibt. Eine zunehmende Polarisierung der Gesellschaft quer durch alle Schichten der Bevölkerung ist die Folge. Hinter der Angst steckt die grundsätzliche Sorge, die Kontrolle um den eigenen Status-quo zu verlieren. Es ist die gesellschaftliche und individuelle Angst davor, dass das eigene Leben nicht mehr gut sein wird.

Die Angst vor Kontrollverlust führt auch dazu, dass wir unsere Manieren verlieren oder gar in egoistischer Angst verrohen. Was sollen wir von Menschen halten, die aus Ansteckungspanik den chronisch Kranken die Atemmasken und Desinfektionsmittel in Krankenhäusern weggeklaut haben? Die zähnefletschend sich die Hamsterbacken mit Klopapier vollgestopft und Sagrotan gehortet haben und vergeblich versuchten sich die Kontrolle über eine bedrohlich empfundene Situation zurückzukaufen. In Krisen reagieren Menschen nach einem archaischen Muster. Sie haben Angst vor einem apokalyptischen Ungeheuer, sie kämpfen, sie schlagen und sie beißen zu. Sie beißen sich auf die Zähne oder legen sich einen Panzer zu. Sie laufen davon und rennen weg. Sie verfallen in Teilnahmslosigkeit, Resignation, erstarren, sind wie gelähmt, stellen sich tot oder dumm, machen sich klein oder möchten am liebsten im Boden versinken. Sie verdrängen oder führen in Form von sinnlosem und schädlichem Aktionismus einen Art Totentanz auf, um sich und andere zu beruhigen.

Wenn unser Körper mit Stresshormonen überflutet ist, sind wir müde, ausgelaugt und die Fähigkeit zu guter Selbstwahrnehmung wird deutlich eingeschränkt. Trotz alledem wollen wir uns wohlfühlen. Wir belohnen uns dann mit Stimmungsaufhellern in Form von Süßigkeiten, Rauschmitteln oder anderen Betäubungs- und Ersatzaktivitäten. Ein realistisches Selbstbild löst offensichtlich keine Glücksgefühle aus, ein übersteigert positives Selbstbild hingegen schon. Wir filtern heraus, was wir hören wollen. Uralte Mythen von Schuld und Sühne sind verführerisch und ansteckend. Besser esoterisch und abgehoben als depressiv. Doch in Ausnahmesituationen kann es fatale Auswirkungen haben, wenn wir falsche Schlussfolgerungen ziehen. Es fühlt sich doch gut an, etwas tun zu können und die Kontrolle wieder an sich zu reißen. Wenn wir allerdings unbewusst in eine Überkontrolle rutschen, verschlimmert sich die Situation nur noch. Niemand kann einen Virus mit komplizierten Verboten und zum Teil unsicheren Tests besiegen. Wir müssen uns von dem Gefühl frei machen, alles im Griff haben zu können und müssen lernen auch mit Unsicherheit klarzukommen. Aktionismus ist mit Torschlusspanik vergleichbar. Wir konzentrieren uns nur noch darauf, die bedrohliche Situation schnell zu überleben. Im Feuerwehrmodus und mit Scheuklappen übersehen wir allerdings leicht, wie sich unsere Entscheidungen auf lange Sicht auswirken. In Krisen neigen Menschen dazu, sich allein von ihrem Bauchgefühl leiten zu lassen. Im Normalfall ist das kein Problem oder sogar hilfreich. Intuition und Bauchhirn sind aber in Situationen ohne Erfahrungswerte kein verlässlicher Ratgeber. Im Feuerwehrmodus können wir keine klaren Gedanken fassen und schon gar nicht gute langfristige Lösungen kreieren.

In der Corona-Pandemie wurden Unternehmen und Schulen dazu gezwungen, Mitarbeiter und Schüler ins Homeoffice und Homeschooling zu schicken. Abgesehen von den negativen Folgen für die informelle Kommunikation zeigte sich, wie wichtig eine effiziente digitale Organisationsstruktur ist, um Unternehmen und Schulen nicht nur erfolgreich durch die Krise zu manövrieren, sondern am besten noch gestärkt und wettbewerbsfähiger aus ihr hervorgehen zu lassen.

Die digitale Transformation ist in allen Bereich unseres beruflichen und privaten Alltags angekommen. Dabei zentriert sich die Diskussion überwiegend auf technische und arbeitsmarktpolitische Aspekte: Wie können wir uns besser vernetzen und unseren Datentransfer erhöhen? Wann werden welche Arbeitsplätze wegfallen und in welchen Bereichen entstehen neue Berufsfelder? Diese Fragen werden ohne jeden Zweifel auch noch länger Zeitungen füllen und Talkshows beherrschen. Ich bin davon überzeugt: Nie war es sinnvoller und notwendiger, sich digital zu organisieren als jetzt. Mindestens ebenso wichtig ist allerdings auch die Frage zu beleuchten: Welche Auswirkungen die Digitalisierung auf den Menschen hat. Was macht die universelle Verfügbarkeit von Informationen mit unserer Fähigkeit zu denken? Wie beeinflusst der digitale Konsum unsere Lern- und Gedächtnisleistungen? Was macht die ständige Ablenkung durch die Informationsflut aus uns? Irrlichtern wir im Informationsdschungel, macht uns das Informationsgestöber irre und schwindlig, so dass wir die psychosoziale Kompetenz und ethische Orientierung verlieren? Virulente Hasscocktails aus der Giftküche sogenannter sozialer Medien verwirren und vergiften jetzt schon die Sinne mancher Zeitgenossen wie KO-Tropfen. Schöpferische Auszeiten sind in einer digitalen, reizüberfluteten, schnellen und lauten Welt wichtiger denn je, in der digitale Begleiter allgegenwärtig sind. Schon beim Frühstück werden Mails, Nachrichten und Termine gecheckt, wird gelesen, gepostet und gechattet. Für nicht wenige Menschen geht es so den lieben langen Tag weiter bis zum Schlafengehen. Knapp drei Stunden nutzen viele täglich allein ihr Smartphone. Alle 18 Minuten aktivieren sie es, um beispielsweise Mails oder Nachrichten zu lesen oder eine App zu nutzen. Viele Arbeitnehmer meinen, sie müssten rund um die Uhr für den Chef ansprechbar sein. Permanente Erreichbarkeit und fehlende Abgrenzung zwischen Beruf und Privatleben stresst viele Menschen und bringt ihre Work-Life-Balance zum Kippen. Die digitale Welt führt dazu, dass wir unsere Aufmerksamkeit verhackstücken. Eine geistige Kernkompetenz des Menschen ist die Konzentration. Es ist Fähigkeit unsere Aufmerksamkeitsscheinwerfer eng zu stellen und in der Flut von Informationen auszuwählen. Fokus und Konzentration gehören zu jenen Fähigkeiten, von denen andere Intelligenzleistungen wie logisch-deduktives Denken, Problemlösekompetenz und gute Handlungsplanung in besonderer Weise abhängig sind. Ständige Unterbrechungen durch Tablet und Smartphone verhindern, sich auf das Wesentliche und Wichtige voll zu konzentrieren. Wenn wir uns ständig aus unserem Tun und Denken herausreißen lassen, hat das gravierende Folgen auf Konzentration, Denken, intelligentes Handeln und die Produktivität. Die Aufmerksamkeit bestimmt unsere Realität. Mit einem hohen Maß an Aufmerksamkeit können wir unsere Umwelt präziser wahrnehmen, klarer denken, Informationen nachhaltiger speichern und uns in andere Menschen einfühlsamer hineinversetzen. Allerdings ist eine kluge Steuerung unserer Aufmerksamkeit in einer reizdurchfluteten Welt nicht so leicht. Statt von Wichtigem und Relevantem wird unsere Aufmerksamkeit von Trivialem absorbiert. Der unkritische Konsum von Informationen verstopft unsere Köpfe, verwirrt unseren Geist und lädt uns mit destruktiven Emotionen auf. Es ist deshalb wichtig, auf die Stress-Bremse zu treten, das Steuer in die Hand zu nehmen und zur Steuerfrau und zum Steuermann unserer Aufmerksamkeit zu werden. Es reicht nicht aus, auf Reset zu drücken, um Normalität und den scheinbaren Idealzustand der Vergangenheit wieder zu erlangen. Wir müssen lernen, in einer immer digitalen werdenden Welt gut zu navigieren, um mit Informationen und den Technologien so umzugehen, dass sie uns nicht schaden und ihre unbestreitbaren Vorteile die Nachteile überwiegen. Einfach mal bei einem Boxenstopp abschalten, auf digitale Diät gehen und bewusst analoge Freiräume schaffen ist wichtig. Die alles entscheidende Maßnahme in dieser Situation kann nur lauten: Ruhe bewahren, klare Gedanken fassen, nüchtern analysieren und sinnvolle Maßnahmen einleiten.

Wegweiser

Kann ein Selbsttraining so hilfreich sein wie ein echter Coach oder gar Therapeut aus Fleisch und Blut? Es kann im Zweifelsfall sogar besser sein. Es kommt auf die Konstellation, den Coach oder Therapeuten an. Wie in jedem Beruf gibt es gute, schlechte und mittelmäßige Leute. Menschen mit tiefgreifenden psychischen Erkrankungen brauchen die Hilfe der kurativen Medizin durch einen Therapeuten. Gesunde Menschen dagegen wissen, wo sie der Schuh drückt und was sie dagegen tun können. Gesunde Menschen haben auch wenig Zeit und sind selten motiviert ein Buch von vorn bis hinten durchzulesen. Doch gesunde Menschen spüren genau, was sie runterzieht. Es gibt immer wieder Themen, die sie beschäftigen und oft auch blockieren. Im Bereich der Prävention kann man mit Selbsttraining weit kommen, wenn man Stressbremsen hat und einen Boxenstopp macht. Im Abschnitt präventives personenorientiertes Stressmanagement finden Sie alle Stressbremsen, die Ihnen bei Dauerstress weiterhelfen. Machen Sie es wie bei Ihrem Besuch im Baumarkt. Nehmen Sie zuerst nur die Stressbremse, die Sie momentan brauchen. Sie kaufen ja auch nicht den ganzen Baumarkt, sondern nur das, was Sie brauchen. Am besten fangen Sie mit der Stressbremse gegen ihren Hauptstressor an. Sie ist für Sie so etwas wie eine Art PIN-Code, der Ihnen hilft, bei einem Boxenstopp ab- und umzuschalten. Nach der Auszeit haben Sie klar vor Augen, was ihnen guttut und wohin sie wollen. Außerdem haben sie dank der neuen Perspektive einen kühlen Kopf. Die Boxenstoppstrategie unterstützt Menschen, ihr volles Potenzial zu erkennen und auszuschöpfen, sprich ihre PS auf die Straße zu bringen. Wer die Stressbremsen verinnerlicht, gewinnt die Kompetenz, die es ermöglicht, innezuhalten, stillzuhalten und den Moment zu genießen. Wir schaffen sie es dann, den Blick für das Wesentliche zu schärfen. Denn es geht um das Wichtigste, was wir besitzen: unsere Gesundheit und das Immunsystem für Leib und Seele.

Die gute Nachricht zum Schluss: Wir können uns selbst coachen, denn Resilienz lässt sich trainieren! Sie ist wie ein Muskel, den man mit einfachen Übungen aufbauen und stärker machen kann.

Du kannst einen Menschen nichts lehren.

Du kannst ihm nur helfen, es in sich selbst zu entdecken.

Galileo Galilei

1Der Stressbogen

Saiten sind eine anschauliche Metapher für Stress. Ohne Spannung in den Saiten einer Violine ertönt kein harmonischer Akkord und ohne Spannung in den 242 Saiten eines Flügels erklingt kein stimmungsvolles Klavierkonzert.

             Ludwig Bieser

Ähnlich verhält es sich auch mit einem Bogen zum Abschießen von Pfeilen. Damit der Pfeil sein Ziel erreicht, darf der Bogen weder zu lasch noch zu fest gespannt werden.

Die Spannung im Stressbogen entspricht der Energie, die ein Pfeil benötigt, um das Ziel zu erreichen. Der Stressbogen muss unter Spannung stehen, um überhaupt das Ziel erreichen zu können. Das Ausmaß, in dem der Bogen gespannt werden kann, hängt von der Qualität des Bogens ab. Die Qualität des Bogens kann für die menschliche Fähigkeit stehen mit Anforderungen umzugehen oder mit Stressoren fertigzuwerden. Die Menge an Stress, die wir oder eine Organisation bewältigen können, ist abhängig von unserer Flexibilität oder Resilienz. Je flexibler der Bogen ist, desto stärker kann er gespannt werden und umso weiter kann der Pfeil fliegen.

Ein lascher Bogen hat nur wenig Rückstellkraft. Ein starker, geschmeidiger und flexibler Bogen kann einen kraftvollen Zug ohne weiteres verkraften und viel Spannung aufbauen, so dass ein Pfeil weit fliegen kann. Der Flug des Pfeils steht für unsere Motivation, Effektivität und Kreativität, welche die Voraussetzung für Leistung und Erfolg sind. Der Zug am Bogen symbolisiert die Anforderungen, die wir selbst an uns und unser Umfeld, bei der Arbeit und in der Freizeit stellen. Zusammengefasst: Der Flug des Pfeiles oder unser Erfolg ist abhängig von der Qualität des Bogens und der Kraft des Zuges.

Wo bin ich auf meinem Stressbogen?

Am Gipfel des Stressbogens steht die meiste Energie zur Verfügung, mit der ein Pfeil sein Ziel bzw. wir unsere Ziele erreichen können. Wenn wir uns im grünen Bereich unseres Stressbogens befinden, dann setzen wir unsere Fähigkeiten nicht nur optimal ein, sondern entwickeln sie auch weiter. Sind wir jenseits des Bogengipfels im gelben Bereich bewirkt zusätzlicher Druck einen Verlust an Leistungsfähigkeit. Wenn zu wenig von uns verlangt wird, verschlechtert sich unsere Leistung mit der Zeit auch. Der Stressbogen von Menschen ist verschieden. Anforderungen können für eine Person höchst motivierend und herausfordernd sein, während sie eine andere Person bereits überfordern. Der Stressbogen bricht, wenn er zu stark gespannt wird.

Wir sollten achtsam sein und wissen, wo wir uns und wo sich die anderen auf der Stresskurve befinden. Stellen wir uns vor, wir sind noch im grünen Bereich, während die anderen schon im gelben oder roten Bereich sind. Unter solchen Umständen könnten wir gut zusätzliche Aufgaben verkraften, während sich die Leistung der anderen bei zusätzlichen Aufgaben verschlechtert. Die Anforderungen zu vergrößern, solange wir uns im roten oder schwarzen Bereich rechts auf der Stresskurve befinden, macht keinen Sinn.

Sobald der Stress für uns zu viel und zu negativ wird, gehen bei uns in Gedanken, in Gefühlen und auch im Körper die gelben Warnlampen an. In der Tabelle sind die emotionalen, mentalen, physischen und motorischen Warnsignale aufgelistet und wie sie sich im Verhalten zeigen. Keines dieser Signale ist für sich allein ein Grund durchzudrehen. Wir sollten sie allerdings ernst nehmen. Zeigen sie uns doch an, dass wir an der Grenze unserer Fähigkeiten angekommen sind.

Wenn die Warnlampen konstant oder immer wieder aufleuchten, könnten sie die ersten Anzeichen für etwas Schlimmeres sein. In diesem Fall tun wir gut daran, die Warnsignale ernst zu nehmen.

Zugegeben, es ist nicht einfach, Stresssignale bei sich und bei anderen Menschen wahrzunehmen. Viele Signale sind unsichtbar. Auch wer bereits leidet, nimmt die Signale nicht immer bewusst wahr, sondern bekommt nur unbewusst die Folgen zu spüren. Wenn wir empfindsam und achtsam für uns selbst und andere sind, können wir die Warnsignale bewusst wahrnehmen. Das gelingt auch, wenn wir in unserem Umfeld ein Klima schaffen, in dem stresssensible Menschen es wagen können, über die Veränderungen bei sich zu sprechen.

Wenn wir zu wenig achtsam sind, können wir auf der Stresskurve so weit nach unten rutschen, dass es schwierig wird, wieder auf ein gesundes Niveau hochzukommen. Werden Warnsignale zu lange übergangen, werden sie zu Alarmsignalen.

In der Tabelle sind die emotionalen, mentalen und physischen Alarmsignale aufgelistet und wie sie sich im Verhalten zeigen. Hohe Fehlzeiten, Sabotage, Vandalismus und anderes destruktives Verhalten können die Folge sein, wenn nicht rechtzeitig gegengesteuert wird. Präventives Stressmanagement ist dann nicht mehr ausreichend. Professionelle Hilfe und kurative Maßnahmen sind dann unausweichlich.

2Erfolg und Erfüllung

Wenn Anforderungen und Belastbarkeit bei uns ausgeglichen sind, ist unsere Leistung optimal. Wenn unsere Anforderungen größer als unsere Belastbarkeit sind, schlägt die Waage nach rechts aus. Wenn wir unterfordert sind nach links.

Stress beginnt in unserem Kopf. Unter Stress sind unsere Gefühle gemischt, gut oder schlecht. Unsere Gedanken allerdings bestimmen, wie wir die Stresssituation wahrnehmen, angehen und wie wir unsere Fähigkeiten einsetzen. Sie haben einen starken Einfluss auf unsere psychische, physische und soziale Belastbarkeit. Kurzum die größte Quelle von Stress liegt in unseren Gedanken.

Eine andere starke Waffe gegen negativen Stress ist auch unsere physische Kondition. Fester Grundbestandteil unserer physischen Kondition sind die Voraussetzungen, die unveränderbar sind, wie z. B. unsere Größe, unser Cholesterinstoffwechsel oder eine physische Behinderung. Es gibt auch einen erworbenen Anteil. Der erworbene Anteil, den wir über die Jahre aufbauen, und der verändert werden kann, wird zum Großteil durch unseren Lebensstil bestimmt. Unser Lebensstil hat enormen Einfluss auf unsere Belastbarkeit. Entscheidenden Anteil haben körperliches Training, regelmäßige Entspannung, gesunde Essgewohnheiten, Nichtrauchen, moderates Alkohol-Trinken, gesunde Schlafgewohnheiten und gutes Zeitmanagement mit gesunden und klaren Prioritäten. All das fällt in den Bereich unserer eigenen Verantwortung und Kontrolle. Ein klarer Beweis für den Einfluss des Lebensstils auf die Belastbarkeit wird uns von Frauen vorgelebt. Statistiken zeigen, dass Frauen länger leben als Männer: Das kommt nicht nur daher, dass Frauen oft einen gesünderen Lebensstil haben und resistenter gegenüber Stresskrankheiten sind, sie verarbeiten Stress auch besser, weil sie mit Emotionen besser umgehen. Wenn Frauen den männlichen Lebensstil übernehmen, und besonders wenn sie sich auch riskant verhalten, verlieren sie ihren Vorsprung in Bezug auf Stress-Belastbarkeit und Lebenserwartung. Es lohnt sich daher den Lebensstil daraufhin zu überprüfen, ob er die Belastbarkeit stärkt oder verschlechtert.

Bei der sozialen Komponente geht es um unsere Rolle als Ehemann/-frau, Partner, Eltern, Familienmitglied oder Freund und den sozialen Anforderungen bei der Arbeit. Eine Quelle für positiven oder negativen Stress ist auch die Organisation, in der wir arbeiten. Ein Unternehmen, das starke soziale Unterstützung für seine Mitarbeiter bereitstellt, kann höhere Anforderungen stellen als ein Unternehmen, das wenig oder keine anbietet. Mit einem kooperativen Führungsstil erreichen Unternehmen auf lange Sicht bessere Ergebnisse als Unternehmen mit einer auf interner Konkurrenz basierenden Kultur. Da die Arbeit unsere sozialen Beziehungen zu einem beträchtlichen Ausmaß bestimmt, ist es sinnvoll, gutes Stressmanagement in die Personalentwicklung zu integrieren. Wir können mit einer starken Belastung fertig werden, wenn wir unsere physische und psychologische Belastbarkeit verbessern.

Eine Zeit mit starken psychologischen oder intellektuellen Anforderungen kann nicht allein dadurch bewältigt werden, mehr zu studieren oder härter zu arbeiten, sondern auch dadurch, dass wir mehr soziale Unterstützung suchen und annehmen. Wenn wir mit schweren psychologischen Anforderungen konfrontiert werden, hilft es auch, mehr für unsere körperliche Fitness zu tun. In langen, schwierigen und ermüdenden Verhandlungen sind eine gute physische Verfassung und das Gefühl, in der schwierigen Situation sozialen Rückhalt zu haben, wichtige Faktoren, um eine psychologische und intellektuelle Erschöpfung wie Burn-out zu verhindern. Das Problem ist jedoch, dass in Zeiten mit viel Stress genau das Gegenteil passieren kann. Viele lassen sich gehen und die Sache treiben. In schweren Zeiten mit viel Stress vernachlässigen sie regelmäßiges Training und soziale Beziehungen. Sie rauchen und trinken, statt mehr für ihre Fitness zu tun.

Stressmanagement-Programme

Stress spielt sich an der Schnittstelle zwischen uns und unserem Umfeld ab.

Bei personenorientiertem Stressmanagement unterscheiden wir zwischen präventiven und kurativen Maßnahmen. Was nützlich bei der Verhütung von Krankheiten ist, ist nicht immer der beste Weg, um sie zu kurieren. Das ist eine wichtige Hygieneregel. Wenn wir an Durchfall mit hohem Fieber erkrankt sind, brauchen wir ein Antibiotikum. Zur Vorbeugung von Durchfall Antibiotika über das Essen zu streuen oder ins Wasser zu kippen, ist teuer und schädlich. Für die Prävention von Durchfall brauchen wir sauberes Wasser zum Trinken und hygienisch einwandfreie Speisen zum Essen.

Wichtig ist, das Thema Stress ganzheitlich anzugehen. Ziel ist, Mensch und Umfeld als Ganzes nachhaltig in den grünen Bereich zu bringen. Das setzt voraus, dass das Individuum und sein Umfeld grundsätzlich im Einklang sind. Präventives Stressmanagement kann ein schlecht funktionierendes Umfeld nicht heilen oder retten. Wichtig ist, dass Umfeld und der Einzelne gemeinsam die Verantwortung dafür übernehmen, negativem Stress wo auch immer vorzubeugen. Es gilt ein optimales Stressniveau zu erreichen, bei dem jeder Einzelne Stress als Antrieb für Wachstum und Entwicklung wahrnimmt. Stress ist unvermeidbar und gehört einfach zu unserem Leben. Das Ziel, Stress grundsätzlich zu beseitigen, ist sinnlos. Professionelles Stressmanagement verhindert, dass Stress destruktiv wirkt, denn positiver Stress ist notwendig als ein Hauptantrieb für die Weiterentwicklung von Menschen und Organisationen. Gute präventive Stressmanagement-Programme bewahren Menschen und Organisationen davor, in eine Situation zu geraten, in der nur noch kurative Maßnahmen helfen. Wenn wir schlecht mit Stress umgehen, wird er zu einer Bürde, die alles andere untergräbt. Wenn wir den Stress gut managen, wird Stress ein Erfolgsmotor für uns selbst und unser Umfeld.

Wenn nicht jetzt, wann dann? Im nächsten Abschnitt blicken wir in den Spiegel. Es geht um die Frage: Was stresst uns? Was triggert uns? Was löst Alarmbereitschaft in uns aus? Dann schauen wir genauer hin: Welche konkreten Reaktionen können wir beobachten? Im weiteren Verlauf lernen wir, auf die Stressbremse zu treten und wie wir bei einem Boxenstopp mit kurzfristigen und langfristigen Strategien unsere Stresskompetenz steigern können. Kurzfristig bedeutet: Was können wir im Notfall gegen zu viel Stress machen? Langfristig meint, wie werden wir befähigt, unser Leben so zu verändern, dass wir nicht mehr so oft in die Stressfalle tappen? Eine geistige Kernkompetenz des Menschen ist die Konzentration. Es ist die Fähigkeit unsere Aufmerksamkeitsscheinwerfer eng zu stellen und aus der Flut von Möglichkeiten und Informationen auszuwählen. Fokussieren ist auch bei der Vielfalt von Stress Programmen angebracht. Wir konzentrieren uns deshalb zuerst auf den Menschen und dann auf sein Umfeld. Der Mensch steht bei uns im Mittelpunkt und mit dem fangen wir an.

3Präventives personenorientiertes Stressmanagement

Menschen sind keine Maschinen, Menschen machen Fehler. Doch egal wie die Umstände sind, Menschen machen den Unterschied. Die Persönlichkeit ist der Schlüssel zum Erfolg.

In der Ruhe liegt die Kraft

In Gefahr ist es besser, Ruhe zu bewahren, klare Gedanken zu fassen, den Ist-Zustand zu analysieren und vor allem die Situation realistisch wahrzunehmen. Harmoniesoße über reale Bedrohungen zu kippen, naives Gesundbeten, Verdrängen und Selbstmitleid helfen in solchen Momenten auch nicht weiter.

Die Lage ist vergleichbar mit Patienten auf einer Intensivstation. Dort müssen vom Fachpersonal mit kühlem Kopf lebenswichtige Parameter überwacht werden. Gefragt ist eine engmaschige Überwachung, um möglichst zeitnah angemessen reagieren zu können. Ziel ist es, die aktuelle Situation zu verbessern. Es geht nicht darum, auf „Reset“ zu drücken, um den scheinbaren Idealzustand der Vergangenheit wieder zu erlangen. Es geht um neue Lösungen für die gegenwärtige Situation im Hier und Jetzt. Die alles entscheidende Maßnahme in dieser Situation kann nur lauten: Ruhe bewahren, klare Gedanken fassen, nüchtern analysieren und notwendige Maßnahmen einleiten.

Ist unsere Wahrnehmung negativ verseucht?

Die negative Nachrichtenspirale dreht sich ohne Ende. Tagein tagaus rauben negative Nachrichten über Kriege, Krankheiten und ökonomische Krisen uns wertvolle Energie. Nach verheerenden Klimaereignissen, wie der Flut im Ahrtal, und der Isolation, Angst und Unsicherheit in Zeiten der Corona-Pandemie folgte der Krieg in der Ukraine, von Inflation und Preissteigerungen ganz zu schweigen. Die Auswirkungen der Ereignisse auf unsere seelische Gesundheit sind schwerwiegend. Immer mehr Menschen fühlen sich bedrückt und verzweifelt. Manche haben sogar einen Teil ihrer Lebensfreude verloren. Sie sehnen sich nach Glück und Unbeschwertheit.

Unsere Aufmerksamkeit bestimmt unsere Realität

Durch ein hohes Maß an Aufmerksamkeit können wir unsere Umwelt präziser wahrnehmen, klarer denken, Informationen nachhaltiger speichern und uns in andere Menschen einfühlsamer hineinversetzen. Unsere Aufmerksamkeit kommt uns leider leicht abhanden, wenn wir ständig von außen beeinflusst, gelenkt oder von Nebensächlichkeiten absorbiert werden.

Der Konsum von Wegwerf-Informationen rund um die Uhr verstopft unsere Köpfe, verwirrt unseren Geist und lädt unsere Seele mit Emotionen auf. Gedanken machen Gefühle und Gefühle machen Gedanken – negative wie positive. Negaholiker blockieren nonstop unsere Stressbremse. Die Folge: Durch negative Informationen verseucht, stehen wir ständig unter Strom und agieren permanent im Feuerwehrmodus. Die Folge: Wichtiges und Relevantes kommt in unserem Leben zu kurz.

Eine kluge Steuerung unserer Aufmerksamkeit in der Informationsflut ist deshalb sehr wichtig. Weniger ist mehr, so heißt unsere Stressbremse.

Wir entscheiden seelenruhig 

Wir sind Steuerfrau bzw. Steuermann unserer Aufmerksamkeit. Wir sollten unseren medialen Konsum hinterfragen und dürfen die Dauerbeschallung mit Informationen nicht anderen überlassen.

Angst und Depression sind die zwei Seiten einer Medaille. Ständige Horrormeldungen sorgen für eine bleierne Stimmung und führen zu einem verschleierten Blick auf die Zukunft. Sie sind eine Booster-Impfung für Realitätsverzerrung und Trübsal blasen. Eine uneingeschränkte Sicht auf die Zukunft und all die noch bevorstehenden Herausforderungen ist vonnöten. Ein klarer Blick ist ausschlaggebend, und macht uns wesentlich widerstandsfähiger gegenüber äußeren Umständen. Wollen wir ein erfolgreich erfülltes Leben führen und nachhaltigen Erfolg haben, müssen wir frei von naivem positivem Denken zum Gestalter unseres eigenen Lebens werden.

Anstatt aus Angst, etwas zu verpassen, dauernd in Bildschirme zu starren und kostbare Lebenszeit zu verschwenden, sollten wir uns selbst und unseren Mitmenschen die Aufmerksamkeit schenken, die wir und sie verdienen. Es ist zu hoffen, dass wir in einer zunehmend digital werdenden Welt lernen, mit Informationen und Technologien so umzugehen, dass sie uns nicht schaden und dass ihre unbestreitbaren Vorteile die Nachteile überwiegen. Wir treten auf die Stressbremse, machen einen Boxenstopp und gönnen unserer Aufmerksamkeit eine mediale Auszeit. Wir schenken uns und unseren Mitmenschen stattdessen mehr Aufmerksamkeit und Achtsamkeit.

Stress – Gift oder Mitgift,  Freund oder Feind

Was fällt den meisten Menschen zum Thema Stress ein: zu viel Arbeit, Hetze, Kopfschmerzen, Konflikte, Herzattacken, Schlafstörungen, zu viel trinken und rauchen. Viele Menschen verbinden mit dem Thema Stress nur Unerfreuliches. Eine negative Assoziation zum Thema Stress ist aber nicht hilfreich; denn, wenn wir denken, Stress ist etwas Negatives, dem wir mit allen Mitteln aus dem Weg gehen müssen, dann wird uns das nicht gelingen. Ganz im Gegenteil: Wir laufen Gefahr, noch mehr Stress zu bekommen. Entscheidend ist also, wie wir mit Stress umgehen: positiv oder negativ.

Wer beim Thema Stress nur negativ denkt, schadet sich selbst. Positiver Stress dagegen kann stimulierend auf unsere Kreativität, Leistung und Motivation wirken. Stress in der richtigen Intensität, hält Körper und Geist in Form. Menschen ohne eine gesunde Dosis Stress werden öfter krank und sterben früher: Allein die Dosis macht das Gift. Erfolgreiches Stressmanagement macht Stress zu einem guten Freund, der uns unterstützt und beflügelt.

Stressor ist nicht gleich Stress

Wichtig ist, Stressoren – d. h. Stressverursacher – von der Stressreaktion zu unterscheiden. Dieser Unterschied hat eine große Bedeutung. Er hilft uns, besser mit Stress umzugehen, so dass wir in Zukunft stressige Situationen leichter, einfacher und besser gelaunt überleben können.

Wenn Stressoren uns auf die Palme bringen, passieren in unserem Körper vor allem in unserem Oberstübchen wundersame Dinge. Wir können nicht mehr so gut denken, wir reagieren in einer Art und Weise, die wir gar nicht wollen. Die bewusste Kontrolle über das, was wir sagen und über das, was wir tun wollen, geht uns vorübergehend verloren. Und je höher das Stressniveau, desto geringer wird die Leistung unseres Großhirnes. Im Großhirn sitzt unsere Kultur, unser Wissen, unsere Bildung, unsere bewusste Reaktion, unsere Kontrolle, unsere gute Erziehung, unsere Manieren, und all das nimmt stark ab, je größer der Stress wird. Unser Stammhirn steht dagegen stark unter Strom und steuert uns wie ein Autopilot.

Unsere Leidenschaft

Ein Zahnarztbesuch kann ein entsetzlicher Stress sein. Manch einer würde lieber drei Reden auf einem Kongress halten als zum Zahnarzt zu gehen. Der Unterschied besteht darin, dass wir unseren Job in der Regel mögen. Wir üben unseren Beruf, unser Hobby mit Leidenschaft aus. Und alles, was wir mit Leidenschaft machen – z. B. senkrechte Wände hochklettern – kann zwar unvorstellbaren Stress bedeuten, aber nicht für uns, weil wir es uns freiwillig ausgesucht haben. Alles, was wir gerne tun, macht den Unterschied zwischen Eu- und Distress aus.