Summa Theologica, Band 1: Prima Pars, Quaestiones 1 - 42 - Thomas von Aquin - E-Book

Summa Theologica, Band 1: Prima Pars, Quaestiones 1 - 42 E-Book

Thomas von Aquin

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Beschreibung

Die Summa Theologica (übersetzt "Zusammenfassung der Theologie"), oft einfach als Summa bezeichnet, ist das bekannteste Werk von Thomas von Aquin (1225-1274), einem scholastischen Theologen und Kirchendoktor. Sie stellt ein Kompendium der wichtigsten theologischen Lehren der katholischen Kirche dar, das als Leitfaden für Theologiestudenten, Seminaristen und Laien dienen soll. Die Themen der "Summa", in denen die Argumentation für fast alle Inhalte der christlichen Theologie im Abendland dargelegt wird, folgen dem folgenden Zyklus: Gott, die Schöpfung, der Mensch, die Bestimmung des Menschen, Christus, die Sakramente und zurück zu Gott. Obwohl sie unvollendet ist, gehört die "Summa" nicht nur zu den Klassikern der Philosophiegeschichte, sondern ist eines der einflussreichsten Werke der abendländischen Literatur und bleibt Aquins vollkommenste Schrift, die Frucht seiner reifen Jahre, in der sich das Denken seines ganzen Lebens verdichtet. Der Autor zitiert immer wieder christliche, muslimische, hebräische und heidnische Quellen, darunter die Heilige Schrift, Aristoteles, Augustinus von Hippo, Avicenna, Averroes, Al-Ghazali, Boethius, Johannes von Damaskus, Paulus der Apostel, Pseudo-Dionysius, Maimonides, Anselm von Canterbury, Platon, Cicero und einige andere. Dies ist Band eins von zehn mit den Quaestiones 1 - 42 der Prima Pars.

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Seitenzahl: 1239

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Summa Theologica

 

 

Band 1

 

Quaestiones 1 -42

(Prima Pars)

 

THOMAS VON AQUIN

 

DIE SCHRIFTEN DER KIRCHENVÄTER

 

 

 

 

 

 

Summa Theologica, Band 1, Thomas von Aquin

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849663889

 

Cover Design: Basierend auf einem Werk von Andreas F. Borchert, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=35892522

 

Der Text dieses Werkes wurde der "Bibliothek der Kirchenväter" entnommen, einem Projekt der Universität Fribourg/CH, die diese gemeinfreien Texte der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Die Bibliothek ist zu finden unter http://www.unifr.ch/bkv/index.htm.

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

1. Hauptteil. Über Gott und seine Werke in der Natur. 2

1. Band. Erste Abhandlung. Der einige Gott und seine Vollkommenheiten. 2

Prolog [Prooemium]. 2

Quaestio 1. Die Beschaffenheit und der Umfang der heiligen Wissenschaft. 3

Quaestio 2. Das Dasein Gottes. 23

Quaestio 3. Die Einfachheit Gottes. 35

Quaestio 4. Gottes Vollkommenheit. 55

Quaestio 5. Das Gute im allgemeinen. 62

Quaestio 6. Die Güte Gottes. 73

Quaestio 7. Die Unendlichkeit Gottes. 82

Quaestio 8. Die Existenz Gottes in den Dingen. 93

Quaestio 9. Die Unveränderlichkeit Gottes. 103

Quaestio 10. Die Ewigkeit Gottes. 110

Quaestio 11. Die Einheit Gottes. 125

Quaestio 12. Die Art und Weise, Gott zu erkennen. 134

Quaestio 13. Die Namen Gottes. 165

Quaestio 14. Das Wissen Gottes. 198

Quaestio 15. Die Ideen oder Vorbilder in Gott. 232

Quaestio 16. Die Wahrheit Gottes. 242

Quaestio 17. Über das Falsche. 259

Quaestio 18. Das Leben Gottes. 271

Quaestio 19. Wollen Gottes. 283

Quaestio 20. Die Liebe Gotte. 307

Quaestio 21. Die Gerechtigkeit und Barmherzigkeit Gottes. 318

Quaestio 22. Die Vorsehung Gottes. 328

Quaestio 23. Die Vorherbestimmung von seiten Gottes. 339

Quaestio 24. Das Buch des Lebens. 359

Quaestio 25. Die Allmacht Gottes. 368

Quaestio 26. Die Seligkeit Gottes. 384

2. Band. Zweite Abhandlung. Die heilige Dreieinigkeit. 392

Quaestio 27. Das Ausgehen der göttlichen Personen. 392

Quaestio 28. Die Relationen oder wechselseitigen Beziehungen in Gott. 404

Quaestio 29. Die drei göttlichen Personen. 419

Quaestio 30. Die Mehrheit der göttlichen Personen. 437

Quaestio 31. Einheit und Mehrheit in Gott. 449

Quaestio 32. Die Erkenntnis der drei göttlichen Personen. 462

Quaestio 33. Die Person des Vaters. 479

Quaestio 34. Die Person des Sohnes. 493

Quaestio 35. Das Bild Gottes. 506

Quaestio 36. Über die Person des heiligen Geistes. 514

Quaestio 37. Über den Namen „Liebe“, den der heilige Geist trägt. 528

Quaestio 38. Der heilige Geist als Geschenk. 537

Quaestio 39. Das Verhältnis der drei Personen zum Wesen. 543

Quaestio 40. Das Verhältnis der göttlichen Personen zu den Relationen oder Eigenheiten. 566

Quaestio 41. Das Verhältnis der Personen zu den fünf notionalen Tätigkeiten. 580

Quaestio 42. Die Gleichheit und Ähnlichkeit der göttlichen Personen. 596

Summa Theologica, Band 1

Bibliographische Angaben:

Summe der Theologie / Die katholische Wahrheit oder die theologische Summa des Thomas von Aquin deutsch wiedergegeben durch Ceslaus Maria Schneider. Verlagsanstalt von G. J. Manz, Regensburg 1886-1892. [12 Bände] 1880

Vorwort des Herausgebers

Sehr geehrter Leser,

die "Summa Theologica" war in ihrer Gänze sicher das herausforderndste Werk innerhalb der Reihe "Die Schriften der Kirchenväter." Es gibt kaum eine Textvorlage, ganz speziell von dieser Schneider-Übersetzung, die diesen Begriff – "Vorlage" – verdient hätte.

Wir haben versucht, so viele Fehler wie möglich auszumerzen. Dennoch ist dieses Werk nicht perfekt, da ein komplettes Korrektorat schlicht nicht wirtschaftlich ist. Bitte sehen Sie uns nach, wenn Sie an der einen oder anderen Stelle über einen Fehler stolpern, insbesondere bei der Umsetzung von griechischen Buchstaben. Thomas von Aquinas war nicht perfekt, seine "Summa" mitnichten, wir sind es schon gar nicht. Wir glauben dennoch, dass das Preis-Leistungsverhältnis dieser Ausgabe stimmt und jeder interessierte Leser auf seine Kosten kommen wird.

Herzlich Grüße,

Ihr Jazzybee Verlag (Jürgen Beck)

1. Hauptteil. Über Gott und seine Werke in der Natur.

1. Band. Erste Abhandlung. Der einige Gott und seine Vollkommenheiten.

Prolog [Prooemium].

Da der Lehrer der katholischen Wahrheit nicht nur jene unterrichten soll, welche bereits in der Kenntnis der Lehre weiter vorangeschritten sind, sondern auch die Anfänge, wie der Apostel sagt (1 Kor 3, 1.): „Wie Kindern in Christo habe ich Milch euch gegeben, nicht feste Speise;“ lassen wir uns bei dem vorliegenden Werke durch die Meinung leiten, alles das, was zur christlichen Religion gehört, hier in einer Weise zu erklären, wie es für die Belehrung von Anfängern sich geziemt. Wir haben nämlich überlegt, wie die Novizen dieser Wissenschaft in dem, was von verschiedenen Autoren geschrieben wurde, sehr große Hindernisse finden müssen: teils wegen der Menge der Quästionen, Artikel und Argumente; teils weil das, was jene wissen müssen, nicht in entsprechend angepasster Ordnung vorgetragen wird, sondern je nachdem es die Eigenheit der betreffenden Schrift oder die Gelegenheit der aufgeworfenen Streitfrage mit sich bringt; teils aber auch, weil die häufige Wiederholung der gleichen Dinge Überdruss und Verwirrung in solchen Herzen erzeugt. In der Absicht also, dies und ähnliches zu vermeiden, werden wir versuchen im Vertrauen auf den göttlichen Beistand, kurz und klar, sowie es eben der Stoff mit sich bringen wird, alles auseinanderzusetzen, was zur heiligen Lehre gehört.

 

 

Quaestio 1. Die Beschaffenheit und der Umfang der heiligen Wissenschaft.

 

Damit wir unsere Aufgabe in scharfer Begrenzung erfassen, ist zuerst von der heiligen Wissenschaft selbst zu handeln, indem wir untersuchen: was sie sei und auf welche Dinge sie sich erstrecke. Darüber sind zehn Fragen zu stellen: 1. Ist eine solche Wissenschaft notwendig? 2. Ist sie eine [wahre] Wissenschaft? 3. Ist sie nur eine oder umfasst sie in sich mehrere? 4. Ist sie eine spekulative oder praktische? 5. Wie verhält sie sich zu ändern? 6. Ist sie Weisheit? 7. Was ist ihr Gegenstand? 8. Geht sie beweisend vor? 9. Darf sie sich auf bildliche und symbolische Redeweise stützen? 10. Sind die Texte der Hl. Schrift, aus der sie schöpft, in mehrfachem Sinne zu verstehen?

 

Erster Artikel. Die Notwendigkeit der heiligen Wissenschaft.

 

a) Gegen die Behauptung, dass die heilige Wissenschaft für den Menschen notwendig sei, scheint die Schrift, die Vernunft und die Erfahrung zu sprechen. Denn die Schrift warnt: „Forsche nicht nach dem, was über deine Vernunft und über deine Natur hervorragt.“ (Eccle. 3. ) Die Vernunft ferner hat zum Gegenstande ihrer Forschung das Sein im allgemeinen; dieses Sein aber erläutern nach allen Richtungen hin die philosophischen Wissenschaften, also erscheint eine weitere Wissenschaft als diese letztgenannten nicht notwendig. Dazu kommt, dass gemäß der Erfahrung aller Jahrhunderte es immer ein Wissen über Gott bereits gegeben hat, welches demnach auch „theologia“, Theodicee, genannt worden ist. Es scheint also eine Notwendigkeit für die Existenz einer besonderen „Theologie“, einer sogenannten heiligen Wissenschaft, gar nicht zu bestehen.

Auf der anderen Seite aber heißt es 2 Tim 3, 16.: „Jegliche, von Gott eingegebene Schrift ist nützlich, um zu lehren, zu überzeugen, zu bessern, zu erziehen zur Gerechtigkeit.“ Die Heilige Schrift aber, welche hier als Quelle einer gewissen Kenntnis genannt wird, ist außerhalb aller Zweige der Philosophie, die von der natürlichen menschlichen Vernunft erfunden worden sind. Also erscheint eine solche Kenntnis, die nicht zur natürlichen Philosophie gehört, wenigstens als nützliche.

b) Ich antworte, es sei für das Heil der menschlichen Natur notwendig, dass außer den philosophischen Wissenszweigen, welche die menschliche Vernunft zum Gegenstande hat, eine Wissenschaft bestehe, die sich auf die göttliche Offenbarung stützt und in dieser ihr leitendes Prinzip sieht. Die Gründe sind folgende: 1. Der Mensch hat zu Gott Beziehung als zu einem Endzwecke, welcher die Begriffskraft der Vernunft überragt. Denn es steht geschrieben: „Das Auge hat nicht geschaut, o Gott, ohne Dich, was Du bereitet hast denen, die Dich lieben.“ (Jes 64.) Der Endzweck aber, soll anders der Mensch seine innere Meinung und sein Handeln danach einrichten und zum betreffenden Zwecke hinlenken, muss notwendigerweise vorher erkannt werden. Deshalb war es eine Notwendigkeit, dass, diesen Endzweck vorausgesetzt, dem Menschen einige Wahrheiten durch Offenbarung mitgeteilt wurden, welche die Begriffskraft der menschlichen Vernunft überragen. 2. Zudem war es auch nach einer anderen Seite hin notwendig, dass der Mensch durch Offenbarung von seiten Gottes unterrichtet würde: nämlich für das leichtere Verständnis der rein natürlichen Wahrheiten. Denn was für Wahrheiten die menschliche Vernunft über Gott erforscht hat, das wissen verhältnismäßig nur wenige; und zwar erkennen sie es mit Zuverlässigkeit erst nach längerer Zeit; und noch dazu unter Beimischung mannigfacher Irrtümer; — und doch hängt von der Kenntnis dieser Wahrheiten das Gesamtwohl des Menschen ab, das ja in Gott besteht. Damit also die Menschen ihr Heil mit mehr Sicherheit und größerer Leichtigkeit finden, war es notwendig, dass sie über die göttlichen Dinge vermittelst der göttlichen Offenbarung unterrichtet würden. Somit erhellt die Notwendigkeit, dass außer den rein philosophischen Wissenschaften, in denen die natürliche Vernunft Maß und Richtschnur ist, auch eine heilige Wissenschaft es gebe, welcher als Stütze, Maß und Richtschnur die Offenbarung dient.

c) Daraus ergibt sich zugleich die Erwiderung auf die Gegengründe. Was die Schrift betrifft, so erklärt sie sich an der bezeichneten Stelle selber. Denn sie sagt unmittelbar darauf: „Vieles, was die auf die Sinne angewiesene natürliche Vernunft des Menschen übersteigt, ist dir gezeigt worden.“ Die Vernunft wäre allerdings gegen die Notwendigkeit der heiligen Wissenschaft in dem Falle, dass diese auf Prinzipien sich stützte, welche bereits die reine natürliche Vernunft an die Hand gibt; nach dieser Seite hin wäre nämlich durch die verschiedenen philosophischen Wissenszweige vorgesorgt. Dieser Fall tritt aber hier nicht ein. Vielmehr sind die Prinzipien, aus denen die heilige Wissenschaft vorgeht, von Gott im Glauben offenbart; und liegt der Vernunft in der heiligen Wissenschaft nur ob, dieselben auf die verschiedenen natürlichen Verhältnisse anzuwenden. Wo aber die Prinzipien, welche einem Wissen zu Grunde liegen, verschieden sind, da ist auch das Wissen selber verschieden. Was schließlich auf Grund der Erfahrung entgegengehalten worden ist, das hält auch nicht die Probe aus. Denn die Verschiedenheit der Wissenschaften hängt ab, wie eben gesagt wurde, von der Verschiedenheit der maßgebenden Beweisgründe oder Prinzipien. Sowohl der Astronom als auch der bloße Naturphilosoph z. B. beweist, dass die Erde rund ist. Aber der erstere beweist dies aus mathematischen Gründen, also durch Prinzipien, die an und für sich von einem bestimmten Stoffe absehen; der Naturphilosoph aber, der sich mit den stofflichen Dingen als bestimmt stofflichen, d. h. unter den Schranken von Zeit und Ort stehenden Dingen beschäftigt, beweist diese selbe Wahrheit mit solchen Gründen und vermittelst solcher Prinzipien, welche unmittelbar aus dem bestimmten Stoffe geschöpft sind, somit vom bestimmten Stoffe nicht absehen, sondern ihn als solchen voraussetzen. Deshalb sind die Astronomie und die Naturphilosophie immerdar verschiedene Wissenschaften, mag auch das Ergebnis ihres Forschens. materiell derselbe Satz sein; denn von verschiedenen Arten von Gründen geht in ihren Beweisen die eine und die andere aus. Somit kann wohl auch die natürliche Philosophie über göttliche Dinge forschen und über sie Behauptungen aufstellen; und trotzdem ist sie deshalb nicht die gleiche Wissenschaft wie die heilige, selbst mit Rücksicht auf die für beide gemeinschaftlichen Behauptungen, wie z. B. die Existenz Gottes dies ist. Denn die Prinzipien für eine jede von beiden sind verschieden: bei der einen „Theologie“ sind diese Prinzipien reine Erzeugnisse der natürlichen Vernunft; bei der anderen sind sie vom Glauben geoffenbart.

 

Zweiter Artikel. Die heilige Wissenschaft hat den Charakter wahrer Wissenschaft.

 

a) Dass die heilige Wissenschaft wahrhaft Wissenschaft sei, scheint aus zwei Gründen geleugnet werden zu müssen. I. Dem Wissen als solchem ist es wesentlich eigen, vom Bekannteren zum Unbekannteren vorzuschreiten; und daraus folgt, dass schließlich jeglicher wahren Wissenschaft Prinzipien zu Grunde liegen müssen, welche durch und aus sich allein anerkannt sind, nämlich keinerlei weiteren Beweises bedürfen, also als allgemein bekannt vorausgesetzt werden; wie z. B. „das Ganze ist größer als einer von seinen Teilen“ oder „ein und dasselbe kann nicht zugleich tatsächlich bestehen und nicht bestehen“. Die heilige Wissenschaft aber geht von den Glaubensartikeln als ihren Prinzipien aus, die nicht aus und durch sich selbst klar, also nicht allgemein bekannt sind; denn „nicht alle haben den Glauben“, heißt es 2 Thess 3. II. Dem Wissen ist es ferner wesentlich eigen, dass es sich nicht auf das Einzelne, sondern auf das Allgemeine richtet. Nicht z. B. ist der einzelne Mensch Petrus an und für sich Gegenstand des Wissens, sondern der einzelne Mensch ist es auf Grund der allgemeinen Gattung „Mensch“; soweit der einzelne nämlich an dieser Gattung teilnimmt und in ihr den formalen Grund seines Seins hat. Die heilige Wissenschaft aber behandelt einzelne Tatsachen als einzelne und nicht unter dem Gesichtspunkte der Allgemeinheit wie z. B. die Handlungen Abrahams, Isaaks und Jakobs und ähnliche. Also scheint ihr der Charakter wahrer Wissenschaft nicht zuzukommen.

Auf der anderen Seite sagt jedoch Augustin (14. de Trin. 1 .): „Dieser Wissenschaft kommt alles jenes zu, wodurch der im höchsten Grade heilbringende Glaube erzeugt, genährt, verteidigt, gestärkt wird.“ Das kommt aber keiner anderen Wissenschaft zu als eben der heiligen. Nach Augustin also und ebenso gemäß dem Grunde, den er anführt, muss die heilige Wissenschaft den Charakter wahren Wissens haben.

b) Ich antworte, dass die heilige Wissenschaft wirklich eine Wissenschaft ist. Es muss dabei bemerkt werden, dass es eine doppelte Art von Wissenschaften gibt. Denn die einen, wie die Arithmetik, Geometrie und ähnliche, gehen von Prinzipien aus, welche durch und aus sich klar und somit für das natürliche Licht der Vernunft annehmbar sind. Andere Wissenschaften aber gehen von Prinzipien aus, die nur kraft des Lichtes einer höheren Wissenschaft an und durch sich bekannt, d. h. evident sind; wie z. B. die Perspektive von Prinzipien ausgeht, welche die Geometrie ihr leiht und die nur in der letzteren wissenschaftlich gerechtfertigt werden; die also in der Wissenschaft der Perspektive nicht erwiesen, sondern als gewiss vorausgesetzt sind; und in eben solchem Verhältnisse steht die Musik zur Arithmetik. Zur Art dieser an zweiter Stelle genannten Wissenschaften gehört die heilige Wissenschaft. Denn sie geht aus von Prinzipien, die zwar nicht von ihr begriffen und erwiesen werden, also ihr auch nicht speziell aus sich allein heraus bekannt sind; — sondern ihre Prinzipien sind aus sich heraus klar nur im Lichte einer höheren Wissenschaft; nämlich der Gottes und der Seligen. Gleichwie daher die Musik annimmt und glaubt jene Prinzipien, welche die Arithmetik ihr gibt; so nimmt die heilige Wissenschaft an und glaubt die Prinzipien, welche von Gott geoffenbart worden.

c) I. Es wird demgemäß auf den ersten Gegengrund erwidert, dass die innerhalb einer Wissenschaft maßgebenden Prinzipien entweder aus sich heraus bekannt sind oder dadurch, dass sie auf eine höhere Wissenschaft zurückgeführt werden, in welcher sie evident sind und von welcher die untergeordnete Wissenschaft sie empfängt. Zu der Art der letzteren gehören die Prinzipien der heiligen Wissenschaft; sie verbinden unmittelbar mit Gott, denn da, nämlich in Gott, wird geschaut, was hier geglaubt wird; und der einzige feststehende Grund in der heiligen Wissenschaft ist die Evidenz der Glaubensartikel in Gott. II. Was aber die einzelnen Tatsachen anbelangt, welche in der heiligen Wissenschaft vorkommen; so ist es zurückzuweisen, wenn gemeint werden sollte, dieselben seien Hauptgegenstand der heiligen Erkenntnis. Sie werden vielmehr nur als Beispiele benützt, wenn es sich um ein tugendhaftes Leben handelt, wie in der Moralwissenschaft; oder sie dienen zur Empfehlung der Autorität jener Männer, welche die sichtbaren Träger der Offenbarung gewesen.

 

Dritter Artikel. Die heilige Wissenschaft ist eine durchaus einheitliche.

 

a) Es scheint zuvörderst gegen einen Grundsatz des Aristoteles zu sein, dass der heiligen Wissenschaft wesentliche Einheit innewohnen sollte. I. Denn, sagt Aristoteles, „nur dann ist die Wissenschaft eine einige, wenn ihr Gegenstand oder Subjekt von einer und derselben Art ist.“ In der heiligen Wissenschaft aber wird gehandelt vom Schöpfer und von den Geschöpfen. Da kann also gewiss nicht von einer einheitlichen Art des Subjekts die Rede sein. II. Dasselbe geht hervor aus der Analogie mit den philosophischen Wissenschaften. Denn die heilige Wissenschaft handelt von den Engeln, von den körperlichen Geschöpfen und von den Sittenregeln für die Menschen. Über dieselben Gegenstande aber handeln verschiedene philosophische Wissenschaften, wie die Metaphysik, Physik, Ethik. Also scheinen auch verschiedene heilige Wissenschaften angenommen werden zu müssen.

Auf der anderen Seite sagt jedoch die Schrift: „Und Er gab ihm die Wissenschaft der Heiligen“ (Weish 10.), spricht also wie von einer durchaus einheitlichen Wissenschaft.

b) Ich antworte, dass die heilige Wissenschaft nur eine sei. Es ist nämlich allerdings die Einheit eines Vermögens oder einer Fähigkeit gemäß dem entsprechenden Gegenstande des Vermögens oder der Fähigkeit zu beurteilen; — jedoch darf dieser Gegenstand nicht nach seinem einzelnen subjektiv-materialen Bestande genommen werden, sondern danach, was in ihm der Natur oder dem Wesen der betreffenden Fähigkeit oder des fraglichen Vermögens entspricht. So z. B. besteht im Menschen, im Esel und im Steine gleichmäßig der Formalgrund für den Gegenstand des Auges: das Farbigsein; — und danach sind diese verschiedenen Materialobjekte alle zusammen ein einziges Formalobjekt für das Auge, insofern sie alle farbig sind und das Auge ein jedes von denselben nur sieht auf Grund der Farbe. Nun betrachtet aber die Heilige Schrift und demgemäß auch die heilige Wissenschaft alle ihre Gegenstande unter dem formalen Gesichtspunkte des von Gott Geoffenbarten; denn gerade die Offenbarung liefert ihr die maßgebenden Prinzipien und somit den ganzen Grund ihres Seins. Und somit ist allem, was dem Geoffenbarten untersteht und von ihm sich ableitet, oder was ihm unterstehen und von ihm sich ableiten kann, gemeinsam der formale Gesichtspunkt für die Offenbarung oder für die Beziehung dazu. Deshalb ist also gemäß diesem einheitlichen Formalobjekt des Geoffenbarten auch die darauf gerichtete heilige Wissenschaft nur eine.

c) I. Danach fällt der erste Gegengrund. Die heilige Wissenschaft betrachtet nämlich Gott und die Geschöpfe nicht, insofern Gott ein eigenes selbständiges Sein hat und die Geschöpfe ebenfalls ein eigenes Sein, wie etwa das Auge sieht und das Ohr hört; sondern die Geschöpfe sind nur darum Gegenstand der heiligen Wissenschaft, weil sie zu Gott als ihrem ersten wirkenden Grunde und ihrem letzten Zwecke Beziehung haben. II. Aus der Analogie mit den philosophischen Wissenschaften kann gleichfalls das Gewünschte nicht geschlossen werden. Denn nichts steht dem entgegen, dass mehrere niedrige Fähigkeiten erfordert sind für mehrere Gegenstande, wie das Tischlerhandwerk für die Holzarbeit, das Schmiedehandwerk für die Eisenarbeit; während eine einzige höhere Fähigkeit all diese Gegenstände unter einem einheitlichen Gesichtspunkte auffasst, wie dies im gegebenen Beispiele die Baukunst tut. So ist auch der Gegenstand des Auges die Farbe, der des Ohres der Ton; der Gemeinsinn, sensus communis, aber im Innern des Menschen erstreckt sich auf alle Sinne, weil er eine höhere Fähigkeit ist, er urteilt über Farbe, Ton, Geschmack, Gefühl, Geruch; indem er das eine vom anderen unterscheidet (vgl. später Kap. 78, Art. 8). In derselben Weise fasst die heilige Wissenschaft als die höhere die zahlreichen Gegenstande der verschiedenen philosophischen Wissenschaften unter einem gemeinsamen einheitlichen Gesichtspunkte auf. Ihr Formalgrund und deshalb ihr Haupt- und leitender Gegenstand ist das Geoffenbarte und was zu demselben in Beziehung treten kann. In diesem Sinne ist sie eine alle Gegenstände der Kunst und Wissenschaft umfassende; denn alles kann Bezug haben zur Offenbarung. Und trotzdem ist sie eine streng einige; denn sie betrachtet alles unter einem einigen formalen Gesichtspunkte. Sie ist ein reines Abbild der göttlichen Wissenschaft, die im höchsten Grade einfach ist und doch alles durchdringt.

 

Vierter Artikel. Die heilige Wissenschaft ist vorzugsweise betrachtend (spekulativ), jedoch kommt es ihr auch zu, praktische Lebensweisheit zu enthalten.

 

a) Es scheint auf den ersten Blick, die heilige Wissenschaft sei rein praktischer Natur. I. Denn, sagt Aristoteles (II. Metaph.), „der Zweck des praktischen Wissens ist das Tätigsein.“ Gerade aber die Regelung der menschlichen Tätigkeit ist von der heiligen Wissenschaft bezweckt; heißt es doch bei Jacobus (1, 22 .): „Erfüllet das Wort des Herrn in eueren Werken und seid nicht bloße Hörer.“ Also scheint die heilige Wissenschaft rein praktische Lebensweisheit zu sein. II. Das wird offenbar bestätigt durch die Einteilung der heiligen Wissenschaft in das Alte und Neue Gesetz. Denn „Gesetz“ heißt nichts anderes als Richtschnur unseres Handelns. Das aber ist jedenfalls das Zeichen einer praktischen, zum Wirken unmittelbar hin geordneten Wissenschaft.

Auf der anderen Seite erstreckt sich die praktische Wissenschaft auf Dinge, die von der menschlichen Tätigkeit herrühren; wie z. B. die Moralwissenschaft auf die menschlichen Handlungen; die Baukunst auf Bauwerke. Die heilige Wissenschaft aber handelt an erster Stelle von Gott, dessen Werke vielmehr die Menschen sind. Also scheint dieselbe vielmehr rein betrachtend zu sein.

b) Ich antworte, dass, wie im vorigen Kapitel gezeigt worden, die heilige Wissenschaft in ihrer Einheit sich auf alle jene Gegenstände erstreckt, welche von verschiedenen philosophischen Wissenschaften ebenfalls erforscht werden; und zwar ist dies der Fall auf Grund des einen Formalgrundes, der für die heilige Wissenschaft maßgebend ist; insoweit dieselbe nämlich unter dem Gesichtspunkte der Beziehung auf das göttliche Licht, auf das durch die Offenbarung Erkannte, alle diese Gegenstände auffasst. Es mag deshalb wohl von den philosophischen Wissenschaften die eine rein betrachtend, spekulativ sein wie die Metaphysik; und die andere praktisch, auf das Tätigsein gerichtet. Die heilige Wissenschaft aber begreift in sich sowohl das spekulativ betrachtende, als auch das praktische, die menschliche Tätigkeit regelnde Element. Sie ist nach einer Seite hin eine spekulative; nach der anderen Seite hin, immer einheitlich in sich bleibend, eine praktische Wissenschaft; wie ja auch vermittelst ein und derselben einfachen Wissenschaft Gott sowohl Sich selbst (spekulativ) erkennt als auch (praktisch), was Er nach außen hin tut. In höherem Grade ist die heilige Wissenschaft jedoch betrachtend; denn sie handelt hauptsächlich von Gott, der kein Gegenstand menschlicher Tätigkeit ist. Auf die menschlichen Handlungen erstreckt sie sich nur, insoweit der Mensch durch dieselben zur vollkommenen Erkenntnis Gottes geführt wird, worin die Seligkeit des Menschen besteht.

c) Damit ist zugleich jedem Teile der Einwürfe genuggetan.

 

Fünfter Artikel. Die heilige Wissenschaft überragt an innerem Adel alle anderen Wissenschaften.

 

a) Das scheint nicht so zu sein. Denn der Adel jeglicher Art Wissenschaft hängt ab I. von dem Grade der Gewissheit, die sie beanspruchen kann; und II. vom Grade ihrer Selbständigkeit. I. Was die zuverlässige Gewissheit anbelangt, so erscheinen die Philosophischen Wissenschaften in demselben Grade damit mehr ausgestattet, als ihre leitenden Grundprinzipien unzweifelhaft sind, wie z. B. das Widerspruchsprinzip: Von einem und demselben Dinge kann nicht zugleich und im selben Sinne Sein und Nichtsein ausgesagt werden. Die Glaubensartikel aber, also die Prinzipien der heiligen Wissenschaft, können bezweifelt werden. I. Mit Rücksicht auf die Selbständigkeit steht eine Wissenschaft auf einer niedrigen Stufe, welche von einer anderen ihre Beweisgründe entlehnt. Letzteres tut aber die heilige Wissenschaft gegenüber den philosophischen Wissenschaften. Denn so sagt Hieronymus (ep. 84.): „Die älteren Lehrer in der Kirche hätten ihre Bücher mit so vielen Belegstellen aus der Lehre der Philosophie angefüllt, dass du nicht weißt, was in denselben mehr zu bewundern ist, ob die Kenntnis der profanen Wissenschaften oder die der Heiligen Schriften.“ Somit scheint die heilige Wissenschaft nach beiden Seiten hin tiefer zu stehen, wie die anderen.

Auf der anderen Seite jedoch heißt es in den Sprichwörtern (9,5 .): „Sie (die göttliche Weisheit) sandte aus ihre Mägde, damit sie den einladenden Ruf ertönen ließen, zur Burg zu kommen;“ wobei unter den „Mägden“ die Profanen Wissenschaften zu verstehen sind, die mit daran teilnehmen sollen, die Menschen zur Eroberung der festen Burg der ewigen Herrlichkeit einzuladen.

b) Ich antworte, dass die Wissenschaft, um welche es sich hier handelt, schon deshalb an Adel alle anderen, sowohl die spekulativen als die praktischen Wissenschaften, weit überragt, weil sie in ihrer Einheit das spekulative Element und zugleich das praktische in sich begreift. Denn der Adel einer spekulativen Wissenschaft bemisst sich nach der Stufe der zuverlässigen Gewissheit, auf der sie steht; und ebenso nach der Erhabenheit ihres Gegenstandes. Nach beiden Seiten steht die heilige Wissenschaft höher als alle übrigen. Denn die letzteren leiten ihre Gewissheit ab vom natürlichen Lichte der menschlichen Vernunft, die da irren kann; unsere Wissenschaft hier aber hat ihre Stütze im Lichte des göttlichen Wissens, wo ein Irrtum unmöglich ist. Aber auch der Gegenstand der heiligen Wissenschaft ist erhaben über den aller übrigen. Denn sie behandelt in erster Linie das, was kraft seiner Erhabenheit alles menschliche Denken und Begreifen übersteigt. Unter den praktischen, auf die menschliche Tätigkeit gerichteten Wissenschaften aber, steht jene höher an Würde, welche dem höheren Zwecke dient. So erkennt z. B. die Militärwissenschaft die politische als die höhere an; denn letztere verfolgt als Zweck das Wohl des gesamten Staates, während die andere zunächst nur auf das Wohl des Heeres gerichtet erscheint. Die heilige Wissenschaft aber verfolgt den ohne weiteres höchsten Zweck, die Erreichung der ewigen Seligkeit, wohin die Zweckrichtungen aller anderen Wissenschaften leiten. Also ist die heilige Wissenschaft unter allen Umständen an Adel die vornehmste.

c) Die Gegengründe widerlegen sich damit leicht. I. Der erste unterscheidet nicht zwischen der Gewissheit, insoweit sie für uns, nämlich wegen der Schwäche unseres Verstandes, keine zuverlässige ist und der Gewissheit, insoweit sie an sich betrachtet in der reinsten Evidenz besteht, also in ihrer Natur die höchste Zuverlässigkeit verbürgt. „Unserem Verstände ist es ja eigen,“ sagt Aristoteles (II. metaph.), „dass er zu dem, was der inneren Natur nach am klarsten ist, in demselben Verhältnisse steht, wie das Auge der Eule zum Lichte der Sonne.“ Unser Verstand kann eben zu große Lichtfülle nicht ertragen; denn er ist an den Stoff gebunden und erkennt die Wesenheit nur, insoweit diese mitten im Stoffe ist; während die reine Erkennbarkeit um so größer wird, je mehr sie vom Stoffe sich entfernt. Nicht also, weil ihr Inhalt an sich nicht zuverlässig sei, werden Glaubensartikel bezweifelt, sondern weil die menschliche Vernunft für das reine Licht zu schwach ist. Und doch ist es nach Aristoteles mehr wert, auf der geringsten Stufe irgendwie die erhabensten Dinge zu erkennen, als die sicherste und zuverlässigste Kenntnis zu haben von den tiefsten Dingen. (11. de anima.) II. Auch ist es durchaus nicht wahr, dass diese Wissenschaft von den philosophischen Wissenschaften etwas empfange, weil sie dessen bedürfte. Aber sie bedient sich der profanen Gelehrsamkeit, um ihre Wahrheiten dem Geiste der Hörer näher zu bringen und sie ihnen gemäß dem, was letztere bereits kennen, deutlicher zu machen. Denn sie entlehnt ihre Prinzipien nicht der natürlichen Wissenschaft, sondern sie hat dieselben vermittelst der Offenbarung. Vielmehr gleichwie die Baukunst sich der Schreinerei und Schlosserei u. s. w. bedient, wie die Politik die Militärwissenschaft zu ihrem Zwecke gebraucht, wie die Königin ihre Mägde hat; — in diesem Verhältnisse steht die heilige Wissenschaft zu den übrigen. Sie benutzt dieselben wegen der Schwäche unseres Verstandes, der vermittelst dessen, was er an natürlichem Wissen hat, leichter befähigt wird für die Auffassung dessen, was über die Vernunft ist.

 

Sechster Artikel. Die heilige Wissenschaft ist Weisheit.

 

a) Als Weisheit scheint die heilige Wissenschaft nicht betrachtet werden zu können. Denn: I. Keine Gattung Wissenschaft verdient diesen Namen, welche ihre Prinzipien anderswoher entlehnt und nicht selbe aus ihrem eigenen Innern schöpft; sagt doch bereits Aristoteles (I. met. prooem.): „Dem Weisen sei es eigen, anderes zu leiten;“ also nicht, von anderem geleitet zu werden. Diese Wissenschaft aber, von der jetzt die Rede, entlehnt ihre Prinzipien anderswoher und schaut sie nicht als evidente Wahrheiten in sich selbst. Somit darf sie nicht als Weisheit bezeichnet werden. II. Zudem gebührt es der Weisheit als jenem Erkennen, in welchem der erste Grund im Bereiche des betreffenden Wissens unmittelbar, maßgebende Richtschnur und hauptsächlicher Beweisgrund ist, die leitenden Prinzipien der anderen untergeordneten Wissenschaften, als richtige zu erweisen; wie z. B. die Arithmetik die Grundsätze beweist, welche für die Musik maßgebend sind. Daher wird die Weisheit auch die oberste und das Haupt aller Wissenschaften genannt. (6. Eticor.) Die heilige Wissenschaft aber beschäftigt sich nicht damit, die maßgebenden Prinzipien aller anderen Wissenschaften als richtige nachzuweisen. Sie ist also demgemäß keine Weisheit. III. Wollte man sagen, es sei hier jene Weisheit gemeint, welche zu den sieben Gaben des heiligen Geistes gehört, so hat das ebenso wenig Wert für die Sache. Denn als Gabe des heiligen Geistes wird die Weisheit nicht durch langes Studium erlangt, sondern kraft Eingießens, kraft unmittelbarer Eingebung von seiten Gottes. Diese hier vorliegende Wissenschaft aber wird durch Studium gewonnen.

Auf der anderen Seite heißt es jedoch Dtn 4, 6.: „Das ist unsere Weisheit und unser Verständnis vor den Völkern;“ und darunter wird unsere Wissenschaft hier verstanden.

b) Ich antworte, die heilige Wissenschaft sei im Vergleiche zu allen Wissenschaften im höchsten Grade Weisheit; und zwar ist sie dies ohne irgend welchen beschränkenden Zusatz und in Beziehung auf alle Arten Kenntnis. Denn dem Weisen gebührt es, zu leiten und zu urteilen; jedes Urteil aber wird gefällt nach Maßgabe einer höheren allgemeinen Ursache über das Tiefere und Beschränktere. Daher gilt im Bereiche einer einzelnen Seinsgattung jener als weise, der nach Maßgabe der höchsten Ursache in dieser Seinsgattung sein Urteil fällt. So ist im Baufache z. B. weise der Leiter des ganzen Baues, der dem Ganzen die Form gibt; er wird „Architekt“, erster oder Erstanfertiger genannt im Verhältnisse zu jenen, Welche das Holz sägen oder die Steine bereit machen. In diesem Sinne sagt Paulus: „Als ein weiser Baumeister habe ich das Fundament gelegt.“ (1 Kor 3.) Und ebenso wird im Bereiche des gesamten praktischen Lebens der Menschen jener ein Weiser genannt, der mit Klugheit die menschlichen Handlungen zum letzten gebührenden Zwecke hinlenkt; wie es in den Sprichwörtern heißt (prov. 10.): „Weisheit ist für den Mann Klugheit.“ Der nun aber die unumschränkt und unbedingt höchste Ursache des ganzen Alls, der also Gott als Regel und Richtschnur betrachtet, wird natürlich auch ohne Beschränkung auf eine gewisse Seinsgattung, er wird unbedingt im höchsten Grade ein Weiser genannt werden müssen; so dass Augustinus die Weisheit kurz als „Kenntnis der göttlichen Dinge“ bezeichnet. (12. de Trin. 14 .) Die heilige Wissenschaft nun hat zum unmittelbaren Gegenstande eben Gott, insoweit Er die höchste Ursache ist; und zwar nicht nur als ein durch die Kreaturen erkennbares Wesen, wie dies bei den Philosophen der Fall ist und wie dies Paulus (Röm 1.) ausdrückt: „Was von Gott aus den Geschöpfen heraus bekannt ist, ist ihnen offenbar,“ — sondern als ein in Sich selber erkanntes und begriffenes Sein, insofern Gott Sich selber erkennt und anderen diese Kenntnis von Sich offenbart. Deshalb muss die heilige Wissenschaft im höchsten Grade Weisheit sein.

c) I. Auf den ersten Gegengrund genügt es deshalb zu erwidern, dass allerdings die heilige Wissenschaft keine in sich evidenten Prinzipien hat und dieselben anderswoher entlehnt. Aber dieses „Anderswoher“ ist kein natürliches oder menschliches Wissen; sondern unmittelbar das rein göttliche. Das göttliche Wissen aber ist eben der erste und höchste Grund aller anderen Arten von Kenntnis. Also die Wissenschaft, die daraus ihre Prinzipien schöpft, muss ohne weiteres im höchsten Grade Weisheit sein. II. Der zweite Grund übersieht ebenfalls diesen Unterschied zwischen den Eigentümlichkeiten göttlicher und menschlicher Wissenschaft. Bei der letzteren nämlich tritt allerdings der Fall ein, dass jene Wissenschaft, deren maßgebende Prinzipien nicht aus sich selber evident sind, ihre Prinzipien von einer anderen höheren her entlehnt, welche da, in der höheren, strikte bewiesen werden; wie z. B. die Arithmetik die Richtigkeit der Prinzipien für die Musik beweist. Der heiligen Wissenschaft aber ist ganz und gar und ausschließlich der Umstand eigen, dass ihr die maßgebenden Prinzipien und der formale Beweisgrund nicht durch die natürliche Vernunft vermittelt werden, sondern durch tatsächliche Offenbarung. Ihr gehört es deshalb nicht zu als de, höheren, die Prinzipien aller anderen Wissenschaften zu beweisen; sondern über sie kraft der tatsächlichen Offenbarung zu urteilen. Was nämlich in allen anderen Wissenschaften der in dieser, in der heiligen Wissenschaft, erfassten Wahrheit widerstreitet, das alles wird als falsch verworfen. Deshalb sagt der Apostel (2 Kor 10.): „Wir zerstören alle Ratschlüsse und jede Höhe, die sich erheben möchte gegen die Wissenschaft Gottes.“ III. Das Urteil gebührt freilich dem Weisen. Es kann dasselbe aber in doppelter Weise betrachtet werden. Jemand kann nämlich urteilen auf Grund seiner Hinneigung. So urteilt jener, der vollkommen eine Tugend besitzt, über alles das richtig, was gemäß jener Tugend getan werden soll. Deshalb sagt Aristoteles: „Der Tugendhafte ist das Maß und die Richtschnur der menschlichen Handlungen.“ (10. Ethic. c. 3.) Ferner urteilt auch jener, welcher die gehörige Kenntnis besitzt; wie z. B. derjenige, der die Moralwissenschaft kennt, über die Akte der betreffenden Tugend bestimmen kann, auch wenn er dieselbe nicht selber im Besitze hat. Die erste Art zu urteilen gebührt jener Weisheit, welche von Gott eingegossen wird und ist das donum Spiritus sancti, die Gabe der Weisheit; von ihr sagt Paulus: „Der geistige Mensch beurteilt alles“ (1 Kor 2.), und Dionysius (12. de div. Nom. ): „Hierotheus hat nicht nur die göttlichen Dinge gelernt, sondern auch erlitten,“ d.h. „erfahren“. Die zweite Art zu urteilen aber gebührt jener Weisheit, welche durch Studium erworben wird und deren Prinzipien geoffenbart sind.

 

Siebenter Artikel. Gott ist der Gegenstand der heiligen Wissenschaft.

 

a) Diese Behauptung scheint gegen das tiefste Wesen jeder Wissenschaft zu sein. Denn die erste Voraussetzung dafür, dass überhaupt eine Wissenschaft bestehe, ist die, dass man weiß, was denn eigentlich der Gegenstand, den sie behandelt, seiner Natur nach sei. Das quid est von einem Gegenstande muss nach Aristoteles (2. Posterior.) gewusst werden, damit dieser Gegenstand für eine Wissenschaft Subjekt sei. Gottes Natur oder Wesen aber ist hier auf Erden unbekannt. Damascenus drückt dies mit den Worten aus: „Zu sagen, was Gott seinem Wesen nach sei, ist unmöglich.“ (3. de fid. 24.) Also fehlt jede Voraussetzung dafür, dass Gott für die heilige Wissenschaft Subjekt oder Gegenstand sein könne. Davon bildet zumal die Heilige Schrift selber das einschneidendste Zeugnis. Denn sie handelt nicht nur von Gott, sondern von vielem anderem, wie z. B. von den Geschöpfen und von den Sitten der Menschen.

Auf der anderen Seite aber wird „Subjekt einer Wissenschaft“ jenes Sein genannt, von welchem hauptsächlich die Rede ist. In der heiligen Wissenschaft aber ist hauptsächlich die Rede von Gott; sie heißt demnach auch Theologie. Also ist Gott das „Subjekt dieser Wissenschaft“.

b) Ich antworte, dass Gott das „Subjekt“ oder der Gegenstand der heiligen Wissenschaft ist. Denn so verhält sich das Subjekt zu einer Wissenschaft wie der Gegenstand der Tätigkeit zu einem Vermögen oder einem Zustande. Nun wird Gegenstand eines Vermögens jenes genannt, unter dessen Gesichtspunkte alles Übrige zum selben Vermögen Beziehung hat; wie z. B. der Mensch und der Stein zur Sehkraft Beziehung haben unter dem Gesichtspunkte und dem Formalgrunde des Farbigseins; das Farbigsein also ist der Gegenstand der Sehkraft. Alles aber wird in der heiligen Wissenschaft behandelt unter dem Gesichtspunkte Gottes. Denn entweder handelt sie über Gott selber oder über das, was auf Gott Beziehung hat als auf den Urgrund und den letzten Endzweck. Daraus folgt, dass Gott das „Subjekt“ dieser Wissenschaft ist. Dieses selbe wird auch offenbar aus den Prinzipien dieser Wissenschaft, welche die Glaubensartikel sind. Denn diese sind ganz und gar über Gott. Ein und dasselbe „Subjekt“ aber gilt für die Prinzipien einer Wissenschaft und für die ganze Wissenschaft; da ja in den Prinzipien die ganze Wissenschaft der Kraft nach wie in einem Samenkorne enthalten ist. Manche gaben nun allein acht auf das, was in der heiligen Wissenschaft behandelt wird; nicht aber, unter welchem Gesichtspunkte dies alles behandelt wird. Sie bezeichneten deshalb ein anderes Sein als „Subjekt“ dieser Wissenschaft: nämlich den wirklichen Inhalt und die äußeren Zeichen (Sakramente); oder die Tätigkeit der Erlösung; oder den ganzen Christus, Haupt und Glieder. Davon ist allerdings wohl die Rede in dieser Wissenschaft; aber nur insoweit dies alles Beziehung hat auf Gott.

c) Es verschlägt deshalb durchaus nichts, wenn wir von Gott als dem „Subjekte“ der heiligen Wissenschaft nicht wissen, was Er seiner Natur nach ist. Er bleibt trotzdem immer nach seinem wirklichen Sein, nach seiner reinsten, alles überragenden Tatsächlichkeit und nicht bloß als Grund dessen, dass etwas über die natürliche Vernunft hinaus offenbart werden kann, das „Subjekt“ der Theologie. Es handelt sich ja in unserer Theologie hier auf Erden zuvörderst darum, dass wir überhaupt Gott finden. Und dazu ist es vollauf genügend, wenn wir auf Grund der Offenbarung wissen, wie alles zu Gott zu führen geeignet ist, wie alles zu Gott Beziehung hat als zum unerschöpflichen Urgrunde und zum letzten Endzweck. Wir gebrauchen also in dieser Wissenschaft nicht zwar das Wesen oder die Natur Gottes selber als Ausgangspunkt und Grundlage, sondern die Beziehungen, welche die Werke Gottes, sei es im Bereiche der Natur sei es im Bereiche der Gnade, zu Ihm haben. Das geschieht aber auch in so manchen philosophischen Wissenschaften, dass betreffs der Ursache etwas bewiesen wird auf Grund der Wirkung, dass man also anstatt der Begriffsbestimmung oder des inneren Wesens der Ursache die Wirkung setzt. Das angerufene Zeugnis der Schrift hat hier gar keinen Belang. Denn in der heiligen Wissenschaft ist alles andere, alles, was außer Gott existiert, mitinbegriffen; nicht etwa wie selbständige Teile derselben oder als Untergattungen oder wie zum Wesen des Gegenstandes der Theologie von außen her hinzutretende Eigenschaften; wie etwa die Mathematik geteilt wird in Geometrie, Trigonometrie, Stereometrie etc.; — vielmehr ist alles andere Gegenstand der Theologie, weil es in irgend einer Weise auf Gott zeigt.

 

Achter Artikel. Die heilige Wissenschaft geht beweisend vor.

 

a) Das Gegenteil scheint wahr zu sein, dass nämlich Beweise in der Heiligen Schrift keine Stätte finden. Dies behauptet ausdrücklich Ambrosius, der da sagt: „Verzichte auf Beweise, wo Glauben erfordert wird.“ In der heiligen Wissenschaft aber wird vor allem Glauben erfordert, weshalb es bei Johannes (20, 31 .) heißt: „Das ist geschrieben, damit ihr glaubt.“ Aber auch angenommen, die Theologie gehe beweisend vor, so ruht ihre Beweiskraft entweder in der angerufenen Autorität oder in der Vernunft. Das erstere passt jedenfalls nicht zu ihrem Adel; denn, wie Boetius sagt, sind Beweise, welche allein auf Autorität, also auf den Ausspruch irgend eines anderen sich berufen, die wenigst wertvollen (com. super Topica Cic. lib. 6.), locus ab auctoritate est infirmissimus. Soll aber die Beweiskraft der Theologie sich auch auf die Vernunft stützen, so scheint das gegen ihren Zweck zu verstoßen. Denn „der Glaube hat da kein Verdienst, wo die menschliche Vernunft den Beweis führt“, wie Gregor der Große sagt (hom. 26. in Eu.). So würde man also schließen müssen, dass die heilige Wissenschaft auf wirkliche Beweise verzichtet.

Auf der anderen Seite aber sagt der Apostel (ad Tit. l. 19.) vom Bischofe, „er solle danach streben, mit größter Treue auszudrücken, was die wahre Lehre in sich enthält, damit er so geeignet sei, zu ermahnen auf Grund gesunder Lehre und die, welche entgegen sind, mit Beweisen zu widerlegen.“

b) Ich antworte, dass keine Wissenschaft Beweise hat, um ihre Prinzipien, von denen sie nämlich ausgeht, und auf die allein sie sich stützt, als wahre darzutun; jede vielmehr beweist in ihrem Bereiche aus ihren Prinzipien heraus andere Punkte. So auch will die Theologie keineswegs ihre Prinzipien, also die Glaubensartikel, durch Beweise als wahre dartun; sondern sie geht umgekehrt von ihnen aus, um etwas anderes zu beweisen. So z. B. beweist der Apostel (1 Kor 15.) aus der Auferstehung des Herrn Jesus Christus die allgemeine Auferstehung des Fleisches. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die untergeordneten philosophischen Wissenschaften weder ihre Prinzipien beweisen noch gegen denjenigen, der sie leugnet, disputieren, sondern dies der höheren überlassen, welche diese Prinzipien beweist; wie z. B. die Arithmetik dies tut gegenüber den Prinzipien der Musik. Die höchste philosophische Wissenschaft aber, die Metaphysik, führt nur dann Beweise ins Feld; sie disputiert gegen jenen, der ihre Prinzipien leugnet, nur dann, wenn der Gegner wenigstens etwas zugibt. Gibt derselbe jedoch gar nichts zu, so hört jeder Streit auf, der mit Gründen geführt werden soll; denn es ist keinerlei gemeinsamer Boden mehr da. Sie kann nur die Gründe des Gegners als nichtige dartun. Ähnlich verhält es sich mit der Heiligen Schrift oder Theologie. Da sie keine untergeordnete Wissenschaft, sondern vielmehr die höchste ist, stellt sie demjenigen, der ihre Prinzipien, also die Glaubensartikel, leugnet, Gründe ihrerseits entgegen, wenn der Gegner etwas zugibt von dem, was der Offenbarung gedankt wird. So z. B. kämpfen wir gegen die Irrlehren und ihre Anhänger kraft der Aussprüche der Heiligen Schrift und der Väter; kraft dessen nämlich, was beide Teile als maßgebend anerkennen; und den einen gemeinsam anerkannten Glaubensartikel stellen wir jenem entgegen, welcher den anderen leugnet, ohne welchen schließlich der erste gemeinsam anerkannte auch nicht bestehen bleiben kann. Glaubt aber der Gegner gar nichts von dem, was geoffenbart ist, so können ihm von seiten der heiligen Wissenschaft positive Gründe nicht mehr entgegengestellt werden; nimmt er doch nichts vom Fundamente und von der einzigen Existenzberechtigung der letzteren an. Es bleibt dann nur übrig, jene Gründe, welche er gegen den Glauben anführt, als nichtige darzulegen. Das aber ist immer und zwar von vornherein — a priori möglich. Denn da der Glaube auf der unveränderlichen Wahrheit beruht, die niemals irren kann, so ist es offenbar, dass die Gründe, welche gegen seine Wahrheit ins Feld geführt werden, keine wirklichen Beweise enthalten, sondern nichtig und in ihrer Wertlosigkeit darzulegende Argumente sind.

c) Demgemäß verwechselt der Gegengrund, welcher an erster Stelle steht, die Glaubensartikel als Prinzipien der heiligen Lehre mit den Anwendungen derselben auf anderes. Ihre eigenen Prinzipien beweist keine Wissenschaft und also auch nicht die Theologie. Wohl aber beweist dieselbe aus ihren Prinzipien die Existenz anderer Wahrheiten. Was nachher entgegnet wird, ist wohl der Sache nach richtig, aber es wird dabei übersehen, dass es sich nicht um eine menschliche, sondern um die göttliche Autorität als den Ausgangspunkt und die Stütze der theologischen Beweise handelt. Nun ist wohl sehr schwach und ohnmächtig, was in der Autorität menschlicher Aussprüche, also in der Vernunft eines anderen Menschen, begründet ist; was aber seinen Halt und sein Fundament in der Offenbarung besitzt, das ist überaus fest und entbehrt nicht im mindesten der Würde und des Adels. Gleichwohl bedient sich die heilige Wissenschaft nicht bloß der göttlichen Autorität, sondern auch der menschlichen Vernunft; zwar nicht, um die Glaubensartikel zu beweisen; ein solcher Beweis würde allerdings jegliches Verdienst des Glaubens ausschließen; — sondern um manches andere deutlich zu machen, was von der heiligen Wissenschaft gelehrt wird. Da also die Gnade durchaus nicht die Natur zerstört, sondern sie vielmehr vollendet; so muss auch die natürliche Vernunft dem Glauben dienen, gleichwie die natürliche gute Neigung des Willens der der Liebe nachfolgt. Deshalb sagt auch der Apostel (2 Kor 10.): „Wir nehmen gefangen jeglichen Verstand, auf dass derselbe Christo diene.“ Und da her kommt es, dass die heilige Lehre auch die Aussprüche der Philosophen verwertet in Fällen, wo sie mit ihrer natürlichen Vernunft die Wahrheit erkennen konnten; wie z. B. Paulus (Apg 17, 28.) als Beleg seiner Worte einen Ausspruch des Philosophen Aratus anführt: „So haben ja auch manche euerer Dichter gesagt: Das Geschlecht Gottes sind wir.“ Dergleichen Aussprüche gebraucht jedoch die heilige Lehre bloß als von außen her gegebene, gleichsam fremde, nicht aus ihren eigenen inneren Prinzipien von selbst fließende und deshalb nur als etwelche Wahrscheinlichkeit verleihende Beweisgründe. Der Stellen der kanonischen Schriften. bedient sich die Theologie als zwingender und maßgebender Autoritätssprüche. Stellen aber aus den anderen Lehrern der Kirche führt sie an, wohl als Autoritäten, die ihrem eigenen Schatze, dem der heiligen Lehre nämlich, entnommen sind und nicht als ihr äußerliche, fremde; jedoch trotzdem will sie damit keinen zwingenden Schluss zuwege bringen, sondern nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit begründen. Denn unser Glaube stützt sich auf die Offenbarung, welche den Aposteln und den Propheten geworden; — und nicht auf etwaige andere Offenbarungen, welche einzelne Lehrer der Kirche erhalten hätten. Deshalb sagt Augustin (ad Hier. ep. 19. cap. 1.): „Nur jenen Schriften habe ich gelernt, volle und geminderte Ehrfurcht zu erweisen, welche kanonische genannt werden; von ihnen glaube ich mit aller Festigkeit, dass keiner von jenen, der sie geschrieben, geirrt hat. Andere Schriftsteller lese ich in der Weise, dass, mögen sie auch große Heiligkeit und tiefe Gelehrsamkeit besitzen, ich doch deshalb nicht ohne weiteres für wahr halte, was sie behauptet oder geschrieben.“

 

Neunter Artikel. Die Heilige Schrift gebraucht mit Recht Bilder und Figuren.

 

a) Dieser Gebrauch scheint nicht gerechtfertigt werden zu können. Denn: I. kann jener Wissenschaft, welche den höchsten Platz beansprucht, nicht das gebühren, was der niedrigsten eigen ist. Der Gebrauch verschiedener Gleichnisse und Figuren aber ist der niedrigsten aller Wissenschaften eigen, nämlich der Poetik. Also scheint dies von der höchsten ausgeschlossen werden zu müssen; II. wird durch einen solchen Gebrauch die Wahrheit verborgen, so dass nur der tiefer Blickende sie wahrnimmt. Dagegen ist es die Aufgabe der heiligen Wissenschaft, die Wahrheit gemeinverständlich zu offenbaren; und denen, welche dieser Aufgabe gerecht werden, ist Belohnung verheißen, wie Ekkli. (Sir 24, 2) sagt: „Die mich offenbar machen, werden das ewige Leben besitzen;“ III. erscheint es durchaus passend, dass, um das Göttliche zu er klären, die erhabensten Kreaturen, soweit man sie erreichen kann, benützt würden; denn sie sind Gott ähnlicher, haben deshalb mehr von Göttlichem in sich und können somit das Göttliche auch besser erklären. Solche Bilder und Figuren in der Heiligen Schrift aber sind vorzugsweise aus den niedrigsten Geschöpfen und geschöpflichen Verhältnissen entnommen.

Auf der anderen Seite sagt der Prophet Oseas (Hos 12, 10.): „Ich habe ihnen vervielfältigt die Geschichte und Erscheinungen und vermittelst der Propheten habe ich ihnen Ähnlichkeiten meines Seins gezeigt.“ Lehren aber etwas in Geschichten, Erscheinungen und vermittelst Ähnlichkeiten heißt nichts anderes als Bilder und Figuren gebrauchen. Also erscheint für die Theologie der Gebrauch von Bildern und Figuren als gelechtfertigt.

b) Ich antworte, dass es durchaus passend ist, wenn die Heilige Schrift oder überhaupt die heilige Wissenschaft Göttliches und Geistiges unter dem Bilde körperlicher Dinge lehrt. Denn Gott sorgt für alle seine Kreaturen gemäß der Natur einer jeden. Es ist aber für die Natur des Menschen ganz und gar angemessen, dass er an der Hand des sinnlich Wahrnehmbaren emporsteigt zu Geistigem, da ja alle unsere vernünftige Kenntnis von dem, was die Sinne wahrnehmen, ihren Anfang nimmt. Deshalb ist es nach jeder Richtung hin zuträglich, dass in der Heiligen Schrift die rein geistigen Wahrheiten unter der Hülle von Bildern gelehrt werden, die aus der Körperwelt entnommen sind. Und, dies meint Dionysius, wenn er schreibt (de cael. hier. c. 2.): „Anders kann de Strahl des göttlichen Lichtes uns nicht leuchten als ringsum verhüllt durch die mannigfachsten heiligen Hüllen.“ Zudem ist die Heilige Schrift dazu da, dass sie allen vorgelegt werde, wie der Apostel sagt (Röm 1, 14.): „Den Weisen und den Einfachen gegenüber bekenne ich mich als Schuldner.“ Zu diesem Zwecke aber geziemt es sich, das Geistige unter dem Bilde körperlicher Dinge vorzulegen; damit so die Einfachen ebenfalls ein Verständnis gewinnen, da sie zum unmittelbaren Erfassen des Geistigen nicht befähigt sind.

c) Danach ergibt sich die Antwort auf das, was entgegengehalten worden ist.

I. Der Unterschied zwischen der Poetik im Gebrauche von Bildern und Figuren einerseits und der Heiligen Schrift andererseits liegt auf der Hand. Jene gebraucht solche Figuren, damit sie durch die schöne Darstellungsform ergötze; diese aber wegen der Notwendigkeit und dem Nutzen, den sie dann sieht. II. „Weit entfernt davon,“ schreibt Dionysius (d cael. hier. c. 11.) gegen den zweiten Einwurf, „dass der Strahl göttlichen Lichtes erlöscht und zerstört werde durch die Bilder aus der Körperwelt, mit denen er um hüllt erscheint, bleibt er vollauf im Glanze seiner Wahrheit; damit er nicht zulasse, dass die Vernunft, an welche die Offenbarung gerichtet ist, im Bilde stehen bleibe, sondern damit er sie erhebe zur Kenntnis geistiger Dinge und dass dann vermittelst dieser Vernunft andere erleuchtet würden.“ Daher kommt es auch, dass die Heilige Schrift, was sie an der einen Stelle unter Bildern und Figuren lehrt, an der anderen mit klaren ausdrücklichen Worten wiedergibt. Das Verbergen selbst aber des Geistigen unter Figuren ist eine Übung für den Geist der Begabteren, die sich unterrichten wollen; und zugleich ein Schutz dafür, dass das Heilige, von den Ungläubigen nicht verspottet werde. Darum heißt es Mt 7, 6: „Wollet das Heilige nicht den Hunden vorwerfen.“ III. Auf den dritten Gegengrund hat gleichfalls Dionysius schon geantwortet (de cael. hier. c. 11.): „Es ist weit passender, dass die Heilige Schrift unter dem Bilde niedriger und verächtlicher Körper, (wie z. B. bei den Sakramenten durch das Wasser, das Öl etc.) das Geistige ausdrückt als unter dem Bilde von Körpern, die hervorragender sind; und zwar zuvörderst: weil dadurch der menschliche Geist mehr der Gefahr des Irrtums fern bleibt. Denn offenbar wird dieses Niedrige nicht als wirkliche Eigenschaft der Gottheit ausgesagt und somit ist der Wortsinn ausgeschlossen. Größer wäre schon die Gefahr, wenn unter dem Bilde mehr hervorragender Körper das Göttliche beschrieben würde, zumal für jene, die nichts Höheres als jene Körper sich auszudenken vermögen. Ferner: weil diese Art und Weise des Gebrauches von Figuren und Bildern jener Art Kenntnis von Gott mehr entspricht, welche wir in diesem Leben haben. Denn wir wissen vielmehr, was Gott nicht ist als was Er ist; und deshalb erzeugen die Bilder jener Körper, welche von Gott weiter abstehen und Ihm weniger ähnlich sind, in uns eine der Tatsächlichkeit mehr entsprechende Wertschätzung Gottes und zeigen mehr, was das eigentlich sei, was wir über Gott denken oder sprechen, dass es nämlich vielmehr Nichtkenntnis sei wie wirkliche Kenntnis. Endlich: weil durch diese Art Gebrauch das Göttliche vor den Unwürdigen leichter verborgen wird.“

 

Zehnter Artikel. Außer dem Wortsinn hat die Heilige Schrift noch unter ein und der nämlichen Ausdrucksweise verschiedene Arten von Sinn.

 

a) Gegen Diese Behauptung wird geltend gemacht zuvörderst: I. dass in der Heiligen Schrift verschiedenartiger Sinn ein und der nämlichen Ausdrucksweise gar nicht untergelegt sein kann; und II. dass, wenn dies auch selber angenommen wird, die vier Hauptarten des Sinnes der Heiligen Schrift nicht die folgenden sind: 1. der Wortsinn, 2. der allegorische, 3. der moralische, 4. der anagogische. I. Ein verschiedenartiger Sinn ein und derselben Stelle ist schon deshalb nicht zulässig, weil dadurch Verwirrung und Unklarheit hervorgebracht werden muss; man wüsste ja nie, welchen Sinn man den verschiedenen Worten unterlegen solle. Es müsste dadurch alle Beweiskraft der Schriftstellen nichtig werden, da die Irrlehrer stets mit Recht behaupten könnten, sie legten die betreffende Stelle nach dem oder jenem Sinne aus und sie wiesen den anderen Sinn zurück. Die Heilige Schrift muss aber klar und wirksam sprechen und ohne jeglichen Schein der Täuschung. Es kann also mit jeder Stelle nur ein Sinn verbunden werden. II. Augustin erkennt jene Einteilung nicht an. Er sagt vielmehr (in lib. de utilit. credendi c. 3.): „Die Schrift, welche das Alte Testament heißt, wird nach vier Seiten hin erklärt: nach der Geschichte, nach der Ätiologie, nach der Analogie und der Allegorie.“ Diese vier Arten von Schrifterklärung stimmen aber offenbar nicht mit der oben angeführten Einteilung. Also gilt letztere nicht oder ist wenigstens nicht unanfechtbar; zudem außer den vier genannten noch der parabolische Sinn existiert.

Auf der anderen Seite sagt Gregor der Große (20 moralia, c. 1. ): „Die Heilige Schrift ragt vor allen Wissenschaften hervor durch die besondere Art ihrer Redeweise; denn mit ein und demselben Ausdrucke erzählt sie, was geschehen und offenbart zugleich ein Geheimnis.“

b) Ich antworte, dass der Verfasser der Heiligen Schrift Gott ist, dessen Gewalt sich nicht nur darauf erstreckt, dass Er Worte gebraucht, um etwas Bestimmtes zu bezeichnen (was ja auch der Mensch kann), sondern dass Er zudem die Ereignisse, die Tatsachen selber diesen Worten und ihrer Bezeichnung anpasst. So geschieht es, dass hier ein durchgreifender Unterschied vorliegt zwischen der Ausdrucksweise in den anderen Wissenschaften und in der heiligen Wissenschaft. In allen anderen Wissenschaften nämlich bezeichnen nur die Worte etwas; hier aber, in der heiligen Wissenschaft, dienen auch die Ereignisse, die Tatsachen dazu, um Zeichen von etwas anderem zu sein. Jene erste Bezeichnung also, wonach die Worte gleichwie in den anderen Wissenschaften etwas ausdrücken, gehört zum ersten Sinn: dem Wort- oder historischen Sinn. Jene andere Bezeichnung aber, wonach die durch die Worte ausgedrückten Tatsachen und Ereignisse wieder Zeichen von etwas anderem sind, ist der geistige Sinn, der sensus spiritualis. Derselbe ist begründet auf dem Wortsinn und setzt diesen voraus. Der geistige Sinn aber wird wieder dreifach geteilt. So nämlich sagt der Apostel (Heb 7.): „Das Alte Gesetz ist die Figur (also das Zeichen) des Neuen“ (und Kor. 8.: sed heac omnia in figuram contingebant illis). „Das Neue Gesetz aber ist,“ wie Dionysius sagt (eccl. hier. c. 5.), „die Figur der zukünftigen Herrlichkeit.“ Innerhalb des Neuen Gesetzes nun selber ist alles das, was am Haupte, Christus geschehen ist, ein Zeichen oder eine Figur dessen, was wir tun müssen. Gemäß dem also, dass das im Alten Gesetze Enthaltene Zeichen und Figur ist dessen, was im Neuen enthalten ist; besteht der allegorische Sinn. Gemäß dem, dass dasjenige, was an Christo geschehen oder an dem, was Christum vorbildete, Zeichen und Figur ist dessen, was wir tun müssen; besteht der moralische Sinn. Soweit aber dies alles Zeichen und Figur ist dessen, was in der ewigen Herrlichkeit enthalten ist; besteht der anagogische Sinn. Da nun der Wortsinn jener ist, welchen der Autor meint, als der Autor der Schrift aber Gott dasteht, der mit seiner Vernunft alles umfasst, so „ist es gar nicht unzulässig“, wie Augustinus sagt (12 Conf. c. 18.), „wenn selbst der Wortsinn in ein und der nämlichen Stelle der Schrift ein mehrfacher ist.“

c) Daraus ergibt sich I. dass durch den verschiedenartigen Sinn der Heiligen Schrift keine Verwirrung, keine Unsicherheit in der Bedeutung der Worte entstehen kann; denn diese Verschiedenartigkeit besteht nicht deshalb, weil ein einzelnes Wort Vieles und Verschiedenes bezeichnet, sondern weil die durch die Worte bezeichneten Tatsachen und Ereignisse wieder Zeichen und Figuren anderer Dinge sein können. Damit ist auch gesagt, dass jeglicher andere Sinn sich auf den Wortsinn stützt; und nur aus diesem letzteren kann ein Beweis geführt werden, nicht aber aus der Allegorie, wie Augustin sagt (ep. 43. contra Vincentium Donatistam). Und wiederum geht damit nichts der Heiligen Schrift verloren, dass der allegorische Sinn als Ausgangspunkt und Prinzip eines Beweises nicht gelten kann; denn nichts für den Glauben Notwendiges ist im allegorischen Sinne enthalten, was nicht an einer anderen Stelle in offenbarer Weise nach dem Wortsinne gelehrt würde. II. Der Gegensatz zur Einteilung Augustins ist nur ein scheinbarer. Der historische, ätiologische und analogische Sinn nämlich gehören alle drei zum Wortsinne. So schreibt Augustin selber: „Der geschichtliche Sinn besteht darin, dass ein Ereignis oder eine Tatsache einfach erzählt wird; — der ätiologische, dass die Ursache mit angegeben wird; wie dies der Herr tut, da Er z. B. erzählt, Moses hätte die Erlaubnis gegeben, die Ehefrau fortzuschicken, und hinzufügt: wegen euerer Herzenshärte; — der analogische Sinn aber will nichts anderes als zeigen, dass die Wahrheit der einen Schriftstelle der der anderen nicht widerspricht. Nur den allegorischen Sinn stellt Augustin als den geistigen auf und fasst in diesem Worte die drei oben angeführten Arten zusammen.“ So begreift auch Hugo a S. Victore unter dem allegorischen den analogischen Sinn mit und stellt deshalb nur drei auf: den historischen, den allegorischen und tropologischen (3 Sententiar.: prol. lib. 4. de sacr. c. 4.). Der zuletzt im Einwürfe erwähnte parabolische Sinn ist miteinbegriffen im Wortsinne. Denn die Worte drücken Manches recht eigentlich aus, so dass sie wie sie dastehen, aufgefasst werden müssen; manches Andere aber drücken sie unter einer Figur aus. Und dann ist nicht die Figur selber der Wortsinn, sondern das durch die Figur Ausgedrückte. So ist, wenn ich sage, „Heinrich der Löwe,“ der Wortsinn nicht, dass Heinrich ein Löwe sei, sondern das durch die Figur „Löwe“ Ausgedrückte; der Wortsinn ist: Heinrich der Starke oder der Großmütige. Ebenso; wenn die Heilige Schrift den „Arm des Herrn“ nennt, so ist der Wortsinn nicht, dass Gott einen körperlichen Arm hätte, sondern das, was durch dieses Glied ausgedrückt wird: die Tatkraft. So wird offenbar, wie mit dem Wortsinne der Heiligen Schrift niemals etwas Falsches bestehen kann.

 

 

Quaestio 2. Das Dasein Gottes.

 

Überleitung.

 

Da nun die heilige Lehre hauptsächlich durch die Absicht beherrscht wird, die Kenntnis Gottes zu verbreiten, und zwar nicht nur, insoweit Er in Sich ist, sondern auch insoweit Er als Urgrund und Endzweck aller Kreatur dasteht und zumal der vernünftigen, so werden wir handeln I. über Gott, II. über die Hinbewegung der vernünftigen Kreatur zu Gott, III. über Christus, der als Mensch für uns der Weg zu Gott hin ist. Die Untersuchung über Gott teilt sich wieder in drei Teile. Denn erstens wird erwogen werden müssen das, was auf das Wesen Gottes Bezug hat; zweitens die Verschiedenheit der drei göttlichen Personen; drittens das Ausgehen der Geschöpfe von Gott. Die Behandlung des Wesens Gottes schließt in sich 1. die Frage, ob Gott ist, 2. wie Er ist oder vielmehr wie Er nicht ist, 3. alles jenes, was erforderlich ist, um zu wirken, also sein Wissen, Wollen und Können. „Wie die ungestüme Gewalt vieler Wasser, die da überschwemmen und sich verbreiten über die weite Erde“ (Jes 28), so erscheint überflutet die Erde mit allen ihren Geschöpfen von den Wassern des Heiles nach der oben gegebenen Erörterung über den Umfang und Zweck und die Verfahrungsweise der heiligen Wissenschaft. „Die Schleusen des Himmels sind geöffnet und ausbrechen alle Quellen des Abgrundes.“ Unter dem Herabströmen des fruchtbaren Regens der Offenbarung eilen die Kreaturen herbei, um desgleichen Quellen heiliger Kenntnis und Träger göttlichen Lichtes zu werden. Weit öffnet Thomas in den vorhergehenden Artikeln die Tore der Schöpfung und die Kreaturen bereiten sich vor, „einzutreten in den himmlischen Palast mit lautem Jubel und zu bekennen mit Freudegesängen“ das Dasein und die Herrlichkeiten des Dreieinigen. }„Soweit etwas Beziehung hat zum Urgründe und zum Endzwecke, gehört es zu dieser Wissenschaft.“ So hatte Thomas den Umfang der Heiligen Theologie bezeichnet. Aber was hat nicht Beziehung zum Urgründe und zum letzten Zwecke? Vom höchsten der erhabenen Geister an bis zum letzten Wurme, der kaum am Boden zu kriechen vermag; von der glänzenden Sonne und den gewaltigen Fixsternen an bis zum Staubkörnchen, das jeder Hauch des Windes bewegt; Licht und Finsternis, Leben und Tod, Anfang und Ende; überall bewegt, lebt, wirkt der allbarmherzige Urgrund. „Das Himmelreich ist gleich einer Frau, welche einen Drachmen verloren und die das Licht anzündet und in jede Ecke von oben bis unten hineinleuchtet.“ So, geradeso leuchtet hinein in die Schöpfung die geoffenbarte Wahrheit. Wo auch immer etwas Geschöpfliches, wo auch immer ein wenn auch noch so schwaches Sein ist, wo auch immer sich etwas regt, in die verborgensten Winkel hinein leuchtet die ewige Leuchte. Die Frau, welche die Leuchte hineinhält in alle Ecken und Winkel der Schöpfung, ist die heilige Wissenschaft. Der freie Willensakt erscheint in ihr angetan mit dem Herrschergewande der Gnade; die Vernunft glänzt und strahlt da im Hochzeitskleide des Glaubens; die natürliche Klugheit wird Weisheit, die Gerechtigkeit Liebe, die Stärke unüberwindliche Beharrlichkeit, die Mäßigkeit Herrschaft über sich selbst und alle Kreaturen. Heilige Theologie! Leuchte nur immer hinein in die tiefsten Tiefen der Kreatur; du bringst dem Wissen vermehrte Herrlichkeit und dem Wollen vollendete Festigkeit. Der flüchtige Gedanke selber entflieht dir nicht. Du sagst ihm: „Wir sind nicht imstande, etwas wie aus uns selber zu denken.“ Das leicht gesprochene Wort, du hältst es fest und sagst ihm: „Für jedes Wort müssen wir Rechenschaft geben.“ Und selbst die Sünde erscheint schamvoll vor dir. Du verkündest dem Sünder Erlösung und zeigst in der Sünde selber, wie Gott sie nur zugelassen, damit Er sich aller erbarme. „Gott hat alles in Unglauben eingeschlossen, damit Er sich aller erbarme!“ }Dass niemand erwarte, die Offenbarung werde sich der natürlichen Forschung feindlich zeigen, die Gnade werde die Freiheit zerstören und das Gesetz Gottes alle übrigen Gesetze überflüssig machen. Was auch immer von Gott kommt, das kann nur jenes erhalten und stärken, was Gott selber geschaffen. Und wenn der Dreieinige nicht etwa bloß einzelne Geheimnisse, sondern geradezu Sich selber, sein eigenes Sem und Wesen offenbart, so kann in der geoffenbarten Wahrheit für alle andere Wahrheit und für alles Sein nur das schließliche Heim und die endliche Vollendung geboten werden. }Wonach strebt das Wissen? Nach Zuverlässigkeit, nach Klarheit. Hier nun in der Theologie wird ihm als tiefster Grund und als durchdringende Stütze geboten die göttliche Autorität, das Wesen Gottes selber. Wonach strebt die Freiheit? Nach Selbständigkeit. Nun hier, in der Theologie, gibt ihr die Hand das ewige Selbst, die Selbständigkeit von innerster Natur aus. Wonach strebt der Sinn? Nach Freude. Hier, in der Theologie, tritt mit der sinnlichen Natur in Gemeinschaft die ewige Freude und verheißt, indem sie sich selbst als Pfand anbietet, dem Fleische sogar unvergängliches Wohl. Nein; unser Gott ist kein Fremder für uns. Er ist kein Fremder für irgend welche Kreatur. Was Er tut, was Er offenbart, das ist jedem seiner Geschöpfe innerlich, innerhalb der ihm verliehenen Natur. „Mein Gott,“ ruft der Psalmist aus, „auf Ihn habe ich gehofft.“ .Und wiederum: „Dein bin ich, errette mich.“ Er selber, unser Gott, hat die Schleusen des Himmels geöffnet und siehe da; überschwemmt ist worden die Erde, und zwar wunderbarerweise nicht nur von oben her, sondern auch von unten auf. Schaue den heilsamen Regen, wie er vom Himmel herabströmt: Träger jener Fruchtbarkeit ist er, welche die leuchtenden Substanzen da oben für die wartende Erde enthalten. In den Boden überall dringt er hinein, in jeden Winkel, in jede Ecke; es vereinigt sich mit ihm die dort befindliche irdische Feuchtigkeit, von ihm lässt sie sich durchdringen, seine Kraft nimmt sie an und hält sich nun bereit, hundertfältige Frucht zu bringen. So etwa geht es mit den hochgewaltigen Wassern der Offenbarung. Kein Zwang, keine Öde, keine Pein kann von da oben kommen, wo nur Freiheit, Freude, Seligkeit ist. Wohl aber macht die Einwirkung von oben erst zu etwas Wirklichem das, was vorher nur vermögend war; nur in ihr ist wahrhaft Ruhe; sie allein verleiht jenen „Frieden, den niemand nehmen kann“. }Sieh’; wie selbst die geringsten Kreaturen Glanz erhalten durch die geoffenbarte Wahrheit; ja wie nach den Worten des heiligen Dionysius gerade die niedrigeren Kreaturen als bevorzugt erscheinen, um das Göttliche zu verdeutlichen, zu befruchten, zu veranschaulichen. Einfaches Wasser tilgt alle Sünde; einfaches Brot dient zur Sättigung der Seele; gewöhnlichster Wein dringt bis ins Herz, um da unversiegliche Freude zu bereiten. Kein Wunder, wenn nun alle Künste gleichsam vom Todesschlafe aufwachen und freudig beginnen, den übrigen niedrigen Stoff so zu formen, dass er „die Ehre Gottes erzählt und seinen Ruhm laut verkündet“. }Auch der Sünde wird ihr schmutziges Gewand gewissermaßen abgezogen und es wird stofflich ausgedrückt, wie auch sie, soweit sich in ihrem positiven Sein Gottes Einwirken offenbart, dem Ewigen und seinem Zwecke dient. Die Kunst hat begriffen den Wert der göttlichen Offenbarung. Drachen halten den Taufstein fest. Bevor der Christ das Innere der herrlichen Kathedrale sehen darf, muss er auf „Schlangen und Basilisken treten“, welche vor dem Portal am Boden ausgemeißelt sind. .Die Sinnbilder der Sünde verrichten Sklavendienste im Hause Gottes; denn gezwungen dient der Sünder Gott. }So ist wahrlich „weit geworden die Erde, über welche sich in heilsamer Überschwemmung“, um alle Ode fruchtbar zu machen und „alles zu retten, was verloren war“, „die von oben gesandten Wasser der Offenbarung ergießen.“ „Jene Wasser, die über dem Firmamente waren,“ vereinigen sich in der heiligen Wissenschaft mit jenen, „die unter dem Firmamente sind,“ und vollenden nun sowohl die Geisterwelt als auch die Menschennatur sowie den dunklen Stoff selber. Der heilige Kirchenlehrer hat durch die glänzende Zeichnung der Vorzüge der heiligen Theologie uns mit Begierde erfüllt, kennen zu lernen, was nun unter so erhabener Führung die Kreaturen uns verkünden werden. „Gott ist!“ Das ist ihr erster, über alles klarer Ruf. „Gott ist!“ Dies wiederholen sie so oft und mit solcher Entschiedenheit, dass die Väter lehren, die Kenntnis Gottes sei in unsere Natur eingepflanzt, miterzeugt, oder wie Damascenus sagt (de fide orth. c. 3. ), „eingesät,“ Gott ist!“ Das ist die Kenntnis, welche nach den Worten Gregors des Großen „jeder Mensch aus der Tatsache selbst, dass er ein vernünftiges Wesen ist, schöpfen muss“ (moral. 27. c. 3. ). Allsogleich dass der Mensch zum Bewusstsein gekommen, melden ihm zu allererst diese Wahrheit die Geschöpfe und wie etwas Selbstverständliches schließt er sie aus ihnen. Fällt er von dieser Wahrheit ab, so ist es seine Schuld. „Das ist ein Kapitalverbrechen,“ sagt Cyprian (de venit. idoli), „denjenigen nicht anerkennen wollen, über den du nicht in Unkenntnis sein kannst.“ „Denn,“ fügt Augustin hinzu, „überall ist Gott unsichtbarerweise; aber überall ist er offen erkennbar. Niemand kann Ihn erkennen so wie Er ist; und niemandem ist es erlaubt; von Ihm nichts zu wissen“ (in psal. 83.). Deshalb klagt die Schrift: „Gieße aus Deinen Zorn über die Völker, die Dich nicht kennen und über die Reiche, die Deinen Namen nicht anrufen.“ (Ps 78 .) Und sie gibt den Grund der Schuld an: „Aus der Größe und Schönheit der Natur konnte vermittelst der Vernunft auf den Schöpfer geschlossen werden.“ (Weish 9.) }Der heilige Thomas geht in der Beweisführung betreffs der Existenz Gottes wie immer den Mittelweg. Gott ist nicht vom inneren Wesen der Kreatur selbst heraus erkennbar; der Mensch erkennt nicht mit natürlicher Notwendigkeit, nicht a priori Gott. Er erkennt vielmehr Gott, weil die Kreaturen als Wirkungen Gottes auf die Existenz ihrer Ursachen schließen lassen. Im ersten Falle wäre ja das „Sprechen im Herzen: Es ist kein Gott“ (Ps 10 .), unmöglich. Im zweiten Falle ist die Behauptung, es gäbe keinen Gott, wohl möglich; jedoch mit der größten Leichtigkeit kann aus den Kreaturen nachgewiesen werden, dass dieselbe völlig grundlos ist, und dass die gegenteilige von allen Kreaturen und den allgemeinsten kreatürlichen Zuständen und Eigenschaften aus einstimmig aufgestellt wird. Ehe Thomas an diese Darlegung herangeht, gibt er an, wie er seine ganze Summa einteilt.

 

Erster Artikel. Das Dasein Gottes wird nicht mit Naturnotwendigkeit erkannt. Vgl. Schneider: „Natur, Vernunft, Gott“, Nr. 87, 98.