Summa Theologica, Band 3: Prima Pars, Quaestiones 84- 119, Secundae Partis 1 - 10 - Thomas von Aquin - E-Book

Summa Theologica, Band 3: Prima Pars, Quaestiones 84- 119, Secundae Partis 1 - 10 E-Book

Thomas von Aquin

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Beschreibung

Die Summa Theologica (übersetzt "Zusammenfassung der Theologie"), oft einfach als Summa bezeichnet, ist das bekannteste Werk von Thomas von Aquin (1225-1274), einem scholastischen Theologen und Kirchendoktor. Sie stellt ein Kompendium der wichtigsten theologischen Lehren der katholischen Kirche dar, das als Leitfaden für Theologiestudenten, Seminaristen und Laien dienen soll. Die Themen der "Summa", in denen die Argumentation für fast alle Inhalte der christlichen Theologie im Abendland dargelegt wird, folgen dem folgenden Zyklus: Gott, die Schöpfung, der Mensch, die Bestimmung des Menschen, Christus, die Sakramente und zurück zu Gott. Obwohl sie unvollendet ist, gehört die "Summa" nicht nur zu den Klassikern der Philosophiegeschichte, sondern ist eines der einflussreichsten Werke der abendländischen Literatur und bleibt Aquins vollkommenste Schrift, die Frucht seiner reifen Jahre, in der sich das Denken seines ganzen Lebens verdichtet. Der Autor zitiert immer wieder christliche, muslimische, hebräische und heidnische Quellen, darunter die Heilige Schrift, Aristoteles, Augustinus von Hippo, Avicenna, Averroes, Al-Ghazali, Boethius, Johannes von Damaskus, Paulus der Apostel, Pseudo-Dionysius, Maimonides, Anselm von Canterbury, Platon, Cicero und einige andere. Dies ist Band drei von zehn mit den Quaestiones 84 - 119 der Prima Pars sowie 1 - 10 der Secundae Partis.

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Seitenzahl: 906

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Summa Theologica

 

Band 3

 

Quaestiones 84 – 119 (Prima Pars) & Quaestiones 1 – 10

(Prima Pars/ Secundae Partis)

 

THOMAS VON AQUIN

 

DIE SCHRIFTEN DER KIRCHENVÄTER

 

 

 

 

 

 

 

Summa Theologica, Band 3, Thomas von Aquin

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849663896

 

Cover Design: Basierend auf einem Werk von Andreas F. Borchert, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=35892522

 

Der Text dieses Werkes wurde der "Bibliothek der Kirchenväter" entnommen, einem Projekt der Universität Fribourg/CH, die diese gemeinfreien Texte der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Die Bibliothek ist zu finden unter http://www.unifr.ch/bkv/index.htm.

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

Quaestio 84. Die Kenntnis der Seele rücksichtlich dessen, was tiefer steht als sie.2

Quaestio 85. Über die Art und Weise des vernünftigen Erkennens.28

Quaestio 86. Die Vernunft und das Stoffliche an sich.48

Quaestio 87. Die Selbstkenntnis der vernünftigen Seele.54

Quaestio 88. Wer die Kenntnis der Seele mit Rücksicht auf das, was über ihr ist.62

Quaestio 89. Über die Kenntnis, welche die vom Leibe getrennte Seele hat.69

Quaestio 90. Die Hervorbringung des Menschen und zwar seiner Seele.82

Quaestio 91. Die Hervorbringung des menschlichen Leibes98

Quaestio 92. Über die Art und Weise, wie das Weib hervorgebracht worden.106

Quaestio 93. Über den Zweck bei der Hervorbringung des Menschen oder über das Bild Gottes im Menschen.112

Quaestio 94. Über die Lage und den Zustand des ersten Menschen mit Rücksicht auf die Vernunft.128

Quaestio 95. Über den Willen des ersten Menschen.135

Quaestio 96. Über die Herrschaft des ersten Menschen.141

Quaestio 97. Aber die Erhaltung des Lebens der einzelnen menschlichen Person.147

Quaestio 98. Die Erhaltung der Gattung „Mensch“. 153

Quaestio 99. Die Verhältnisse der Nachkommenschaft mit Beziehung auf den Körper.157

Quaestio 100. Das Verhältnis der Nachkommen zur Urgerechtigkeit.160

Quaestio 101. Verhältnis der Nachkommenschaft im Stande der Unschuld zur Wissenschaft.163

Quaestio 103. Über die Weltregierung im allgemeinen.170

Quaestio 104. Über die Wirkungen der göttlichen Weltregierung im besonderen.191

Quaestio 105. Über die Veränderung in den Dingen, soweit eine solche von Gott kommt.199

Quaestio 106. Die verursachende, bestimmende Kraft der Engel.211

Quaestio 107. Das Sprechen der Engel.225

Quaestio 108. Über die Hierarchie oder Rangordnung und über die Chöre der Engel.231

Quaestio 109. Die Rangordnung in den bösen Engeln.248

Quaestio 110. Die Leitung, welche die Engel rücksichtlich der körperlichen Kreatur ausüben.252

Quaestio 111. Über den Einfluss der Engel auf die Menschen. 259

Quaestio 112. Über die Sendung der Engel.265

Quaestio 113. Über die Schutzengel.272

Quaestio 115. Die Wirksamkeit der körperlichen Natur.288

Quaestio 116. Das Schicksal oder Fatum.301

Quaestio 117. Über die Tätigkeit des Menschen.306

Quaestio 118. Über die Fortpflanzung des Menschen mit Rücksicht auf die Seele.315

Quaestio 119. Die Fortpflanzung des Menschen mit Rücksicht auf den Körper.323

Prima Pars Secundae Partis. 336

2. Hauptteil. Die Sittenlehre.337

1. Abteilung. Die allgemeinen Prinzipien der Sittenlehre.337

5. Band. Erste Abhandlung. Der sittliche Charakter der menschlichen Handlungen und die menschlichen Leidenschaften.337

Prooemium... 337

Quaestio 1. Der letzte Zweck des Menschen im allgemeinen.338

Quaestio 2. Seligkeit besteht nicht im Besitze irgendwelchen geschaffenen Gutes.351

Quaestio 3. Über das Wesen der Seligkeit.364

Quaestio 4. Die zur Seligkeit erforderlichen Güter380

Quaestio 5. Über die Art und Weise, die Seligkeit zu erreichen.398

Quaestio 6. Über das Freiwillige und Unfreiwillige.411

Quaestio 7. Über die Umstände der menschlichen Handlungen.425

Quaestio 8. Der Gegenstand des Willens.438

Quaestio 9. Der den Willen bewegende Grund.449

Quaestio 10. Über die Art und Weise, wie der Wille bewegt wird.459

Summa Theologica, Band 3

Bibliographische Angaben:

Summe der Theologie / Die katholische Wahrheit oder die theologische Summa des Thomas von Aquin deutsch wiedergegeben durch Ceslaus Maria Schneider. Verlagsanstalt von G. J. Manz, Regensburg 1886-1892. [12 Bände] 1880

Vorwort des Herausgebers

Sehr geehrter Leser,

die "Summa Theologica" war in ihrer Gänze sicher das herausforderndste Werk innerhalb der Reihe "Die Schriften der Kirchenväter." Es gibt kaum eine Textvorlage, ganz speziell von dieser Schneider-Übersetzung, die diesen Begriff – "Vorlage" – verdient hätte.

Wir haben versucht, so viele Fehler wie möglich auszumerzen. Dennoch ist dieses Werk nicht perfekt, da ein komplettes Korrektorat schlicht nicht wirtschaftlich ist. Bitte sehen Sie uns nach, wenn Sie an der einen oder anderen Stelle über einen Fehler stolpern, insbesondere bei der Umsetzung von griechischen Buchstaben. Thomas von Aquinas war nicht perfekt, seine "Summa" mitnichten, wir sind es schon gar nicht. Wir glauben dennoch, dass das Preis-Leistungsverhältnis dieser Ausgabe stimmt und jeder interessierte Leser auf seine Kosten kommen wird.

Herzlich Grüße,

Ihr Jazzybee Verlag (Jürgen Beck)

 

Quaestio 84. Die Kenntnis der Seele rücksichtlich dessen, was tiefer steht als sie.

 

Überleitung.

 

„Die Berge bedeckte sein Schatten: und seine Äste wie die Zedern des Libanon. Seine Zweige streckte er aus bis zum Meere: und bis zum Strome seine Schösslinge. Warum hast Du zerstört seine Umzäunung: dass Trauben von ihm abreißen alle die vorübergehen auf dem Wege? Der wilde Eber aus dem Walde hat ihn zerstört; und das einzelne Raubtier hat ihn verwüstet.“ (Ps 79 .) So beschreibt der Psalmist die Schönheit und die ausgedehnte Macht des menschlichen Geistes unter dem Bilde eines Weinberges; und zugleich, welch wilden Feinden er offensteht. Der Engel der Schule hat die philosophische Erklärung gegeben. Denn was ist der Schatten, mit welchem die menschliche Seele die Berge bedeckt, anderes als die wirkende Kraft Gottes, welche in der „einwirkenden“ Vernunft wie ein Siegel der Seele aufgeprägt erscheint. Das ist jener Schatten, unter dem die heilige Braut sitzt: „Unter dem Schatten dessen, nach dem ich verlangt habe, saß ich.“ Dieser Schatten hat den Propheten erquickt, als er den Niniviten gepredigt. „Und sein Schatten umhüllte sein Haupt, und beschützte ihn; und Jonas freute sich darob in hohem Grade.“ Wie soll dieser hocherhabene Schatten nicht die höchsten Berge umhüllen, da auch die größten Geschöpfe der wirkenden Kraft Gottes das Dasein und ihre Fortdauer verdanken! Wie sollen wir nicht uns freuen und hoffen in diesem Schatten, da selbst die Macht der Feinde unserer Seele ihre Grenze findet in ihm; nicht weiter darf sie wie Gott es erlaubt! Der Schatten, welcher in dieser Weise vom Weinberge unserer Seele ausstrahlt, bedeckt die Berge. Denn diese selbe wirkende Kraft Gottes, welche in uns von den Phantasiebildern die Hülle nimmt und sie damit fähig macht, im reinsten Glanze des Geistigen den Stoff zu leiten, erreicht und umschließt die reichsten und hervorragendsten Kreaturen, die wie Berge hervorragen über die menschliche Schwäche. Unter diesem Schatten fand Schutz jener, der da rief: „Unter dem Schatten Deiner Flügel beschütze mich;“ und er fasste Hoffnung, mochten auch bergehoch die Beängstigungen der Seele auf ihm lasten und ihn die Feinde umringen wie die Umwallung eine Feste: „Im Schatten Deiner Flügel will ich hoffen, bis die Ungerechtigkeit vorübergeht.“ Wie ein Traum; so zart erscheint der Schatten der Flügel Gottes. Das wirkliche Sein der Geschöpfe erscheint nach außen so schwach und wechselvoll in sich; heute blüht die Blume des Feldes, morgen ist sie welk. Aber dieser Schatten ist stärker wie alle Gewalten, alle Vermögen, alle Kräfte. Das geringste wirkliche Sein macht erst offenbar und wirksam die verliehenen Vermögen. Fruchtbar wird unter dem Schatten Gottes Alles, was die Seele in sich schließt. Hoch steigt hinauf die Vernunft von dem niedrig Stofflichen, das sie umgibt, sie steigt hinauf bis zu Gott. Nicht wie jener „Gottlose“ ist sie, den der Psalmist „sah . . . hinaufragend wie die Zedern des Libanon“. Nein; über „alle Zedern des Libanon ist sie erhaben“. (Jes 2.) Und mag die Kreatur noch so hoch dastehen; mögen es die wunderbaren Sternmassen da oben sein oder auch selbst die geistigen Gewalten bis zu den höchsten Spitzen hinauf, wo sie zu verschwinden scheinen in ungeahnte Fernen hin; Alles, Alles wird überragt von der Vernunft im Menschen! In welcher Weise? Der Psalmist sagt so bezeichnend: „Ihre Äste wie die Zedern Gottes;“ nicht wie „die Zedern des Libanon“, nicht wie „die Zedern an den Wassern“ (Num 24, 6.); nein, wie „die Zedern Gottes“. Gott hat es in die Natur der Seele gelegt, dass sie ein Anrecht darauf besitzt, ein Vermögen in sich zu enthalten, wonach die wirkende Kraft der allerhabensten Vernunft unmittelbar selbst den Mantel der Beschränktheit und Sichtbarkeit von den Kreaturen nimmt und sie in ihrer Reinheit als Vermögen für alle beliebige weitere Bestimmung zeigt. Gott hat dieses Fundament in die Natur der Seele gelegt; Gott will kraft seiner heiligen Güte in der Seele leuchten je nach dem Vermögen, das Er ihrer Natur verliehen. Gott will sie krönen bei sich selber; und gibt ihr deshalb die Macht und das Vermögen, Ihn in allem zu erkennen; Sonne, Mond und Sterne in deren Wirkungen zu ihrem Wohle und zu seiner Ehre zu gebrauchen; in die Wirksamkeit der niedrigen veränderlichen Kreaturen je nach ihrem Bedarf, nach ihrem, der Seele, wahrhaften Nutzen als entscheidendes Element einzugreifen; und selbst in den reinen erhabenen Geistern ihre Dienerschaft zu sehen, sobald es auf ihr Wohl, auf das einzige ewige Wohl der Seele in Gott ankommt. So streckt die Seele aus ihre leuchtenden Ideen wie überaus starke Äste ohne weitere Vermittlung, allein unter Gottes wirkendem Einfluss nach Gott selber hin: „Ihre Äste gleich den Zedern Gottes.“ Sie, diese hoheitsvolle menschliche Seele, „sitzt wohl auf dem Libanon und hat ihr Nest auf den Zedern,“ wie der Prophet sagt (Jer 22.), aber ihr Flug geht höher hinauf. Sein Nest hat „der Adler in den Felsenlöchern“; aber sein Flug geht der Sonne entgegen, in deren Licht er scharfen Blickes sein Auge taucht. Alles Erhabene in der sichtbaren Kreatur kommt zusammen, um der Libanon für die Seele zu werden; um den Körper nämlich zu formen, das Abbild der ganzen sichtbaren Welt; jenen Abriss gewissermaßen aller sichtbaren Kräfte, dem der Odem Gottes selber Leben eingehaucht hatte. Auf diesem Libanon „sitzt die Seele“; sie ist kraft der Natur innigst verbunden mit dem Körper und erblickt darin den sichtbaren Träger des menschlichen Seins und der menschlichen Tätigkeit. Und was im Körper wieder das Edelste ist, gleichsam das Mark des Körpers, das dient den geistigen Kleinen, den reinen Ideen, als warmes Nest. „In den Zedern des Libanon nistet sie.“ Alle körperlichen Kräfte erblicken ihre höchste Aufgabe darin, dass sie zum Phantasiebilde beitragen und so unter die unmittelbare Leitung jener Kraft treten, die sie erschaffen hat. Aber nur ein Nest wird von dieser höchsten Entwicklung alles Körperlichen, die allein unter der einwirkenden Kraft der reinsten Vernunft möglich ist, nur ein Nest wird dadurch hergestellt für die geistigen Jungen der Seele. Bald werden diese Jungen flügge und erheben sich über allen wechselvollen Stoff und dessen Einfluss hinaus zur Betrachtung der unwandelbaren Wahrheit. Sie kehren zum Neste immer wieder zurück; aber nur deshalb, um weiteres Sichtbare zu holen, es zu entkleiden der Hülle der Nacht und es zum ewigen Lichte, woher alles gekommen, emporzutragen. „Ihre Äste gleich den Zedern Gottes; bis zum Meere dehnt sie aus ihre Zweige und bis zum Strome ihre Schösslinge.“ Nun kann die Seele mit Sicherheit ihr Wohl und ihren Endzweck suchen; sie kann selber tätig sein. Der Psalmist sagt hier treffend: „Sie dehnt (selber) aus.“ Thomas hatte dies oben in den Worten ausgedrückt: „Nicht jeder Auffassung der Vernunft geht eine Willensbewegung vorher; vielmehr ist das erste Prinzip des Auffassens und des Erwägens etwas Höheres wie unsere Vernunft.“ Gott selber hat der Natur der Seele den Stempel seines Lichtes aufgedrückt. Er selber will die „Umzäunung seines edlen Weinberges herstellen.“ In ihrer Natur hat die Seele die Bürgschaft, dass sie selbsttätig ihrem endlichen Wohle zustreben kann. Vermittelst ihrer Natur hat sie die wirkende Kraft der reinen, göttlichen Vernunft als Wächter bei sich für das Paradies ihres freien selbständigen Willens. Niemals kann die Seele die Natur ihrer Freiheit verlieren. Warum? Weil die wirkende Kraft Gottes selber dem Wesen der Vernunft anhaftet und es in erster Linie macht, dass diese die Geschöpfe in deren Allgemeinheit zeige und sonach mit der Fähigkeit, der Seele wie diese will zu dienen. Das ist der kräftige Zaun unserer Seele. Da ist kein bloßer Cherub Wächter, dass niemand ohne Erlaubnis hineindringe. Gott selber wacht mit seiner wirkenden Kraft darüber, dass seiner Natur die Möglichkeit bleibe, dem Adel ihrer Vernunft gemäß zu handeln. Thomas drückt sich hier mit unübertrefflicher Feinheit aus. Hat der Wille in sich einen einwirkenden Willen gleichwie die Vernunft sich in eine „einwirkende“ und in eine „mögliche“ teilt? Nein! Die Vernunft wohl schließt es ihrer Natur nach ein, dass die wirkende Kraft Gottes für die allgemeine Vernunft die Erkenntnisgegenstände zu vernünftig erkennbaren mache. Denn die Vernunft muss einen Erkenntnisgegenstand haben; sie selbst aber vermag als reines Vermögen, was von Natur tätig sein kann oder auch nicht sein kann, sich diesen Gegenstand nicht herzustellen, wäre sie doch dann eher tatsächlich erkennend als sie betätigt wäre; sie wäre und wäre zugleich nicht. Dieser Grund aber existiert für den Willen nicht und er kann zuvörderst für ihn gar nicht existieren. Denn sagen, der Wille hätte seiner Natur nach in sich die wirkende Kraft für den einzelnen Willensakt, hieße dasselbe, als Gott müsste auf den Willen immerdar und bis zum Schlusspunkt jedes Aktes in erster Linie einwirken; wie Er vermittelst seiner wirkenden Kraft vom Phantasiebilde den Schleier des Einzelnen und Stofflichen lösen muss, damit die Vernunft ihren naturgemäßen Gegenstand habe. Damit könnte aber nicht die Freiheit des geschöpflichen Willens bestehen; ebenso wenig wie der Erkenntnisakt an und für sich frei ist. Es gibt sodann aus dem Grunde tatsächlich keinen „wirkenden“ Willen als ein besonderes natürliches Vermögen im Willen, weil dies nicht notwendig ist. „Der Wille hat seinen Gegenstand,“ sagt Thomas, „in der Vernunft.“ Denn auf das Gute im allgemeinen ist der Wille von Natur aus gerichtet; und das besondere Gute stellt ihm die Vernunft vor mit allen Eigenschaften, die das eine vor dem anderen auszeichnen. „Das besondere Gute ist ja eine Wahrheit,“ wiederholt Thomas des öfteren; „also fasst es der Verstand auf; und das einzelne Wahre trägt an sich den Charakter des Guten, des Einzelseins und deshalb kann der Wille es wollen.“ Vermag man sich eine stärkere Umzäunung des Adels der menschlichen Freiheit vorzustellen. Unzerreißbar ist sie für alle Kreatur; undurchdringlich für alle beschränkten Kräfte. Als unbestechlicher Wächter steht Gottes Kraft da in der „einwirkenden“ Vernunft als Prinzip aller Freiheit. Er zeigt selber die kreatürlichen Wesen in ihrer reinen allgemeinen Möglichkeit, ohne dass darin irgend welche einzelne Wirklichkeit eintrete als ob eine solche notwendig mit denselben verbunden wäre. Er zeigt sie als allein Ihm unterworfen in all ihrer Wirklichkeit und in ihrem entsprechenden Gebrauche. Da ist ohne den freien Willen selbst kein Einbruch möglich in den Zaun der Freiheit. Von der Seite des Willens aber her steht hier vor uns die eigenste Natur des Willens, welche jedes besondere und beschränkte Gut von sich abweisen und auf alles Gut ohne Ausnahme sich richten kann. „Bis zum Meere“ der Unendlichkeit „dehnt so in ihrem freien Tätigsein die Seele ihre Zweige aus“. Jedes einzelne Gut, das sie begehrt, erhält von ihr das Gepräge der Unendlichkeit auf der Rückkehr zu Gott, wie es dieses Gepräge trug bei seinem Ausgange von Gott. Wie jedes Gut von Gott ausgeht in der Weise, dass es noch größer, noch weiter, noch mit endlos vielen anderen verbunden sein kann; gleichwie es ausgeht als Ring in der Kette aller Kreaturen; — so nimmt es der Wille und er begehrt seine Schönheit nicht als letzten, von allem Anderen getrennten Zweck, sondern als Stufe für das Gesamtwohl. „Und bis zum Strome reichen ihre Schösslinge.“ Diese zahlreichen Schösslinge, die aus dem so reich fruchtbar gemachten Willensakte entspringen! Da regelt sich unter dem Willensakte als dem Guten im allgemeinen zugewendet der Strom der Vernunft und nimmt seine ganz bestimmte Richtung, fließt in ganz bestimmter Breite und Fülle. Da regeln sich die Phantasiebilder, wie Thomas oben sagte: „Die Vernunft kann selber Phantasiebilder zweckgemäß sich bilden.“ Da werden plötzlich lebendig die kleineren Flüsse des Gemeinsinnes, der Abschätzung des Besonderen, des Gedächtnisses. Über Berg und Stein der stofflichen Wirklichkeit springen vom Banne gleichsam losgelöst fröhlich herunter wie fröhliche Sturzbächlein das Hören, das Sehen, das Riechen, das Fühlen, das Schmecken. Und wer könnte zählen die Vielfältigkeit all dieser Ströme, Flüsse, Bäche! Zähle die Kreaturen, die ins Auge eintreten; zähle die Töne, die das Ohr hört; zähle die Worte, die der Mund spricht; die Ideen, die in der Phantasie, in der Vernunft sich abspiegeln; die Dinge, welche das Gedächtnis umfasst! Nein; zähle die Macht Gottes, die außen das Wirkliche herstellt und innen im Willen es zu sich zurückführt und vollendet. Denn, so Thomas, „der freie Wille ist kein Zustand, der von vornherein zu etwas Gutem oder zu etwas Bösem Neigung hätte; wie etwa die Vernunft kraft einer bestimmten abgeschlossenen Wissenschaft, die sie hat, von vornherein lieber geneigt ist, das besser zu erkennen als jenes.“ Der Wille muss bis zu seinem Ake, soll er anders kraft dieses Aktes dann Alles im Menschen lebendig machen und allen Vermögen den Anstoß zur Tätigkeit geben, vollständig allgemeines, durch und durch indifferentes Vermögen sein; sonst verlöre er seine Natur als freier Wille. Es darf in seinem Innern vor dem Akte nichts als in etwa bestimmendes Moment vorhanden sein. Und von wem soll dann der erste Anstoß dafür ausgehen, dass derselbe lieber das wählt wie jenes; dass er auf ein ganz bestimmtes einzelnes Gut sich wendet? Nicht von ihm selber; denn er ist seiner Natur nach als Vermögen auf alles Gute gleichmäßig gerichtet. Nicht von der Vernunft; denn da ist die wirkende Kraft Gottes selber die natürliche Bürgschaft, dass nur Allgemeines und das Einzelne immer unter dem Gesichtspunkte des Allgemeinen vorgestellt wird. „Gott,“ sagt wieder Thomas, „gibt im Innern des Willens selber den ersten Anstoß zur Tätigkeit; und von Ihm bewegt und bestimmt, bewegt sich und bestimmt sich der Wille selbst.“ Und anders kann es nicht sein! Denn nur Gott schließt in seinem Wesen das Einzeln-Wirkliche und das Allgemeine der reinsten Tatsächlichkeit nach in sich ein. Gott allein also bestimmt wie Er will den Willen zum einzelnen Akte, insoweit derselbe auf etwas Einzelnes geht; und zugleich bewahrt Er im Willen das Vermögen für Alles. Er bestimmt nicht so, wie etwa der Arbeiter zuerst den Marmorblock behaut und dann ihn dem Künstler überlässt, dass dieser jene einzelne Figur aufpräge, welche ihm gefällt. Nicht so bestimmt Gott den Willen für den allgemeinen Zweck des Ganzen, dass der Wille nur etwa einen ganz indifferenten vieldeutigen Anstoß tätig zu sein von Ihm erhielte und dass dann der Wille selber sich die einzelne Vollendung suche. Nein; Gott ist der souveräne Künstler im Willensakte. Er bestimmt denselben gemäß seinem eigensten Grunde von vornherein zu jener über alles Denken einzelnen Vollendung, welche derselbe einhalten soll. Und inmitten des einzelnen Willensaktes hält Gott wieder unmittelbar das allgemeine Vermögen aufrecht; dass alles Einzelne immer das Vermögen behalte zum Gesamtwohle hin. Unter dieser Bestimmung Gottes im Willen, welche die Richtung auf das einzelne Gut in sich enthält, belebt und bewegt nun der Wille sich selbst in bestimmtester freiester Weise; denn diese Freiheit von allen geschöpflichen Schranken garantiert ihm der schrankenlos Unendliche. Der Wille bestimmt und bewegt nun von seiner eigenen Tätigkeit aus alle anderen Vermögen, dass sie für die Erreichung dieses selben einzelnen Gutes arbeiten. Und was in dieser Tätigkeit, sei es vom Willen sei es von den übrigen Vermögen, so kommt, dass es auch nicht kommen kann; was da so aus dieser Quelle kommt, dass es in seinen Grenzen es ausschließt, etwas Anderes im einzelnen zu sein; insofern also im einzelnen die Verneinung liegt oder die Möglichkeit anders bestimmt zu werden; — davon ist allein der Wille die Ursache oder jegliches Vermögen, je nachdem es vom Willen betätigt worden ist. Und demgemäß wiederholt Thomas des öfteren wie auch oben: „Der Wille bestimmt sich, einmal von der ersten Ursache in Tätigkeit gesetzt, in der Weise, dass er ein besonderes Gut dem anderen tatsächlich vorzieht; er erwählt etwas so, dass er von sich aus das andere ausschließt, es verneint.“ Der Wille ist nicht davon die erste Ursache, dass er im tatsächlichen Wollen des einen besonderen Gutes zugleich alle anderen dem Vermögen nach will. Das verursacht Gott in ihm; dieses Vermögen für das Allgemeine erhält Gott unmittelbar in ihm. Dem Willen an sich gehört es an, das besondere einzelne Gut so zu wollen wie dasselbe geschöpflicher Weise ist; nämlich so, dass das andere nicht gewollt wird; von dieser Beschränkung als einer solchen ist der Wille die erste Ursache für alle anderen Ursachen. Dass dieses einzelne besondere Gut als Glied des Ganzen gewollt wird als in tatsächlicher Beziehung zum Gesamtwohl; das verursacht Gott innerhalb des Willens. Davon enthält Gott den Grund in Sich allein, wie Er überhaupt von allem Einzelnen in Sich allein den ausreichenden Grund hat; allgemeine, mehr oder minder indifferente Vermögen sind in den Kreaturen die Gründe ihres Seins. Wie treffend wieder sagt der Psalmist: „Was hast du zerstört ihre Umzäunung!“ Mensch! Du allein von allen sichtbaren Geschöpfen stehst unter der unmittelbaren Macht Gottes nicht bloß in deinem Sein, nicht bloß in deinem Wesen, nicht bloß in einigen Vermögen, sondern zugleich und zwar ebenso unmittelbar im Handeln! Die unerschütterliche Macht Gottes allein in ihrer Gerechtigkeit könnte den Zaun lösen, den sie um deine Seele in väterlicher Liebe geschlungen. Hefte dein Herz an Gott und der Zaun wird bleiben! Wühle nicht, soweit dein Auge reicht, was vor dir selber, vor deinem eigenen Urteile gegen die Stimme Gottes, gegen dein eigenes Wohl ist! Wähle nicht so, dass damit die Verneinung des ewigen Zweckes verbunden ist! „Es kam nicht bis zum Ende das Urteil,“ klagt der Prophet. Dein Urteil komme immer zum naturgemäßen Abschluss; es ende immer in Gottes Gesetze als der maßgebenden Richtschnur! Nicht seine Umzäunung zerstört Gott, wenn Er erlaubt, dass der Sünder falle. Seine Ehre, seine Freiheit bleibt immerdar unberührt. Der Mensch behält vor der ganzen Welt und vor sich selbst immerdar die Kraft seiner Freiheit. Und nur wenn Gott es in seinem unerforschlichen Ratschlüsse erlaubt; wenn Er beschließt, es zuzulassen, dass der Sünder habe, was er sündhaft will; erst dann fällt die Umzäunung, d. h. aber nur die Umzäunung in dir, soweit der einzelne sich selber schadet. Dann fluten die Wogen der Leidenschaften über die gottverlassene Seele. Die am Wege der Zeit vorübereilenden Güter reißen an sich die Früchte, die Gott dir anvertraut hatte. Das Gold reißt mit sich fort die Vernunft und die Sinne des Geizigen. Die Lust nimmt mit sich das Wollen und das Verstehen und das Sinnen des Wollüstigen. Lächerlich kleine Gegenstände: eine kleine Summe Geldes, ein Kleid, ein elender Trunk, bekleiden sich mit den Werken deiner erhabenen Freiheit, deines Denkens, deines Schauens, Hörens, Fühlens, Schmeckens. Der wilde Eber im Walde, der stolze Teufel, hat Freude an deinem Tun; er sättigt seinen Neid an deiner Tätigkeit; er verwüstet deine Seele, dass sie kein Vergnügen mehr habe in Gott, keine Freude mehr im Gebete, keinen Trost mehr in der göttlichen Hoffnung. Das Elend jedoch ist und einzig und allein das deine; es bleibt allein in dir, für die betreffende Tätigkeit; soweit du willst ist für dich der Zaun durchrissen. Gottes Gerechtigkeit verherrlichen gezwungenermaßen auch deine Feinde; und Gottes Barmherzigkeit erfahren jene, die unter deinem Stolze, unter deiner Vergnügungssucht, unter deinem Zorne geduldig leiden! Wem gehört die Schuld der Sünde? Gott, der zugelassen hat, dass der böse Wille beim gewünschten Gute stehen bleibe? Gott, weil Er nicht Knecht des Menschen sein wollte? Weder Gott noch du, o Mensch, wärest frei; wenn Gott von irgend welcher Seite her immer verpflichtet wäre, jedes Fallen zu hindern. Von Lohn und Strafe könnte dann keine Rede sein! Nein! Du hast den Gegenstand der Sünde gewollt; du hast ihn genossen, wie es dem Sünder möglich sein kann zu genießen; du hast dich getäuscht. Unfrieden hast du geerntet; und Frieden hattest du gegen das göttliche Gebot gewollt. Schmerz ist dein Anteil geworden; und Freude hast du gegen den Willen Gottes gewollt. Dauerhaft sollte dein Glück sein ohne Gott; und schneller wie der Wind ist es verflogen! Aber hast du nicht gewusst, von woher deine Kraft: dein Wollen, dein Erkennen, dein Sinnen und Trachten kommt? Hast du es nicht wissen können? Hat nicht der Glaube, die Vernunft, die Erfahrung dir genugsam gezeigt, wo Friede, Freude, Dauer allein sein kann. Die Gaben Gottes in dir missbrauchen, stehen bleiben bei elenden Kreaturen mit dem Wollen, was Gott dir gegeben, mit dem Erkennen, was in Gott seine Kraft hat; das ist nichts Anderes als das Bäumchen zur Erde beugen, welches seiner Natur nach zum Himmel strebt; das ist nichts Anderes, als vor dem Lichte die Fenster schließen und dann arbeiten wollen. Es ist dies gegen die Natur des Erkennens, gegen die Natur des Wollens. Zu Gott fließt die Ehre; denn die Kraft, womit du die Sünde vollbringst, sei es der Wille oder die Vernunft oder der Sinn oder der Körper, sie gehört Gott und „sie schreit“ mitten im Missbrauche „zu Gott um Nahrung“. (Ps 103 .) Dir, o Sünder, allein die Schande; denn den Missbrauch dieser Kraft, dein Elend hast du allein verschuldet. „Ein einzelnes Raubtier hat den Weinberg abgeweidet.“ Das ist das Ende der Sünde. Der Mensch hat in sich eine seiner sinnlichen Natur entsprechende Hauptneigung. „Keine einzige Hinneigung aber im sinnlichen Teile des Menschen,“ sagte oben Thomas, „kann ihrer Natur nach der Freiheit schaden; ebenso wenig wie eine Wissenschaft in der Vernunft diese benachteiligt.“ Vielmehr untersteht dies Alles der Verfügung des freien Willens und soll dienen dem Gesamtwohle des Menschen. Mag der Musiker ein noch so großes Talent haben; er kann es benutzen, um tiefer einzudringen in die Kunst, um die anderen Künste und Wissenschaften damit zu verbinden, um Gott zu finden; und dasselbe gilt vom Arzt, vom Landmann, vom Bildhauer, vom Philosophen, vom Maler etc. Tut er dies; folgt er der Anregung, welche diese Neigung selber ihm gibt, um sich und sie selber wahrhaft zu vervollkommnen; so wird sie das Mittel seines Heiles. Opfert er aber die Vollendung der eigenen Kunst und des eigenen Talentes schnödem, augenblicklichen Geldgewinne; frönt er damit der Lust der Sinne allein; will er die Himmelstochter missbrauchen zur Befriedigung seiner Rache, seines Zornes; so wird gerade diese Hauptneigung ein wildes, reißendes Tier. Und woraus der Mensch eine Quelle machen konnte, um in den Zedern des Libanon sein Nest zu bauen und von da in Himmelshöhen zum Throne Gottes emporzusteigen, das wird für ihn ein „gräuliches Raubtier“, das, nimmer satt, „den Weinberg seiner Seele verwüstet.“ Anstatt dass der Efeu seiner Seele ihm Schatten gebe, um wie der Prophet darunter zu ruhen, frisst dieser Wurm die frischen Blätter, die Früchte aller Tätigkeit der hohen Seelenvermögen ab, dass die Seele nun von der Glut der Leidenschaft getroffen, in wildem Wehe mit dem Propheten (Jon. ult.) ausruft: „Besser ist es mir, zu sterben, als zu leben.“ Was Gottes Kraft allein zu erheben vermag; das fällt unter das Joch der Knechtschaft und des Elends, wenn es von Gott getrennt ist. Seien wir immerdar und überall der Weinberg, wie ihn der Psalmist beschreibt: „Und sein Schatten wird die Berge bedecken: und seine Äste werden gleich sein den Zedern Gottes. Er wird ausstrecken seine Zweige bis zum Meere und seine Schösslinge bis zum Strome.“ Die Zedern des Libanon aber, alle unsere körperlichen Kräfte, auf denen die Seele thront, anstatt „verzehrt zu werden vom Feuer, das von den Disteln der irdischen Güter ausgeht“ (Judic. 9, 15.), „werden satt werden“ (Ps 103 .); „vervielfältigt werden sie werden“ (Ps 91, 13 .), „Frucht werden sie hervorbringen und zu erstaunlicher Größe heranwachsen“ (Hes 17, 23.); „freuen werden sie sich mit allen anderen Prachtbäumen der Schöpfung“ (Jes 14, 8.) in der ewigen Verherrlichung bei Gott. Thomas führt jetzt Alles zurück zur Vernunft und zeigt, wie dieselbe nun in Verbindung mit dem Willen kraft ihrer Tätigkeiten und Zustände zum Selbsterkennen kommt.

 

Erster Artikel. Die Körper sind Erkenntnisgegenstände für die menschliche Vernunft.

 

a) Dem entgegen sagt: I. Augustinus (2 Soliloq. cap. 4. ): „Körper können vermittelst der Vernunft nicht begriffen, nur mit den Sinnen kann Körperliches wahrgenommen werden.“ Und 12. sup. Gen. ad litt.  23. setzt er auseinander, wie das vernünftige Schauen dem gilt, was kraft seines Wesens in der Seele ist; dies aber kann vom Körper nicht gesagt werden. Die Seele also erkennt vermittelst ihrer Vernunft nichts Körperliches. II. Wie der Sinn sich verhält zum vernünftig Erkennbaren, so die Vernunft zum Gegenstande der Sinne. Der Sinn nimmt aber den Gegenstand der Vernunft nicht wahr; also auch die Vernunft nicht das Sinnliche oder Körperliche. III. Der Gegenstand der vernünftigen Kenntnis ist das Notwendige und immer gleichmäßig sich Verhaltende. Die Körper aber sind beweglich und veränderlich.

Auf der anderen Seite besteht in der Vernunft allein Wissenschaft. Soll also es eine Naturwissenschaft geben, so muss die Vernunft Körper erkennen.

b) Ich antworte; die ältesten Philosophen meinten, nur Körper hätten Sein in der Welt. Und da sie sahen, wie alles Körperliche in beständigem Fluss sei, so hielten sie dafür, es gäbe überhaupt keine Gewissheit rücksichtlich der Wahrheit der Dinge. Denn was beständig dahinfließt; das kann nicht erfasst werden, da es früher verflossen als aufgefasst ist. Deshalb meinte Heraklit, es sei nicht möglich, das Wasser, welches im Fluss dahinströmt, zweimal zu berühren; immer sei es nämlich ein anderer Tropfen, den man berühre. (4 Metaph. Arist.) Über diese hinaus ging Plato, der annahm, außer diesen körperlichen Dingen, die uns umgeben, beständen stoff- und bewegungslose Substanzen, Ideen oder Gattungsbilder, wie er sie nannte; und nur im Grade der Teilnahme an diesen gewinne jegliches sinnlich wahrnehmbare Einzelding Sein, dass es Pferd sei oder Mensch oder dergleichen. Diese stofflosen Ideen nun erkenne die Vernunft, bestimme danach mit Zuverlässigkeit und Gewissheit begrifflich das Körperliche und habe von selbem Wissenschaft. Nicht also die Körper erkenne die Seele, sondern diese Ideen, von denen das Sein in die Körper flösse. Das ist aber in doppelter Weise falsch; 1. weil dadurch der Stoff und die Bewegung vom Wissen ausgeschlossen würde; denn diese Ideen sind stoff- und bewegungslos. Gerade aber den Stoff und die Bewegung hat die Naturwissenschaft als Gegenstand; und sie beweist auf Grund stofflicher und bewegender Kräfte. 2. Erscheint es lächerlich, dass, wenn wir nach der sicheren Kenntnis dessen fragen, was offen vor unseren Augen liegt, wir zur Erklärung anders geartete Wesen herbeibringen, welche von allem Sichtbaren dem Sein nach sich unterscheiden und somit dessen Substanz nicht sein können. Würden wir also selbst diese vom Stoffe getrennten Substanzen wirklich erkennen, so genügte das noch nicht, um Gewissheit über das Körperliche uns zu verschaffen. Platos Grundirrtum scheint nun der zu sein, dass er meint, die Dinge außen müssten genau dieselbe Seinsweise haben, welche sie innen in der Vernunft besitzen. Denn er sah, dass die Form des aufgefassten Dinges in der Vernunft ist als eine allgemeine, vom Stoffe losgelöste und unverrückbare, was aus der Tätigkeit des Erkennens schon erhellt, die sich auf Allgemeines, in sich gewissermaßen Notwendiges richtet; das Tätigsein aber entspricht der inneren Form dessen, der tätig ist. Und deshalb meinte er, auch außen im wirklichen Sein müssten die erkannten Gegenstände als stofflose, allgemeine, unbewegliche subjektiv existieren. Das aber ist ein Irrtum. Wir sehen das nämlich bereits in den sinnlich wahrnehmbaren Dingen, dass die maßgebende Form in dem einen nicht dieselbe Seinsweise hat wie im anderen. Die weiße Farbe z. B. tritt da kräftiger und durchdringender auf wie dort und ist da mit Süße verbunden, dort aber nicht. Und so ist auch die sinnliche Erkenntnisform in anderer Weise innerhalb des Sinnes als Form der sinnlichen Tätigkeit wie in der Sache selber, welche wahrgenommen wird, wie z. B. die Farbe des Goldes im Auge ist ohne das Gold. Ähnlich nimmt die Vernunft die Gattungsbilder der Körper, welche da außen stofflich und beweglich sind, nach ihrer Seinsweise in sich auf, nämlich als unbewegliche und stofflose. Denn das, wovon ein Wesen aufgenommen wird, enthält dieses Wesen in sich nach seiner eigenen, des aufnehmenden, Seinsweise. So also muss man sagen, dass die Seele vermittelst der Vernunft die Körper erkennt in stoffloser, auf das Allgemeine und Notwendige gerichteter Weise.

c) I. Die Worte Augustins sind dahin zu verstehen, dass die Vernunft nicht vermittelst eines Körpers, also nicht vermittelst eines stofflichen Organs auffasst; sie wollen aber nicht sagen, dass Körper nicht Erkenntnisgegenstand der Vernunft sind. Stofflose Bilder der Körper sind in der Seele, nicht stoffliche; diese sind in den Sinnen. II. Die höhere Erkenntniskraft erstreckt sich auch auf die Gegenstände der niedrigeren; nicht aber umgekehrt. Die Vernunft also im Menschen, die Engel und Gott erkennen das Körperliche; der Sinn aber erkennt nicht das Geistige, (Aug. 22. de civ. 29. ) III. Von jeder Bewegung wird etwas Unbewegliches vorausgesetzt. Denn wenn die Eigenschaften eines Dinges sich ändern, so bleibt unbeweglich das Wesen; wie, wenn der Mensch aus einem kleinen ein großer wird, immer das Wesen „Mensch“ dasselbe bleibt. Und wird aus einem Dinge dem Wesen nach ein anderes, wie aus dem Samen die Frucht, so bleibt das Grundvermögen des Stoffes unbeweglich. Zudem sind den beweglichen Dingen unbewegliche Beziehungen eigen; — wie z. B. Sokrates wohl nicht immer sitzt; trotzdem aber es eine unverrückbare Wahrheit ist, dass, wenn er sitzt, er an ein und demselben Orte bleibt. Und so steht dem nichts entgegen, dass von den beweglichen Dingen ein unverrückbares Wissen bestehen kann.

 

Zweiter Artikel. Nicht kraft ihres Wesens versteht die Seele das körperliche.

 

a) Das scheint doch wohl, dass die Seele durch ihr Wesen die Körper versteht. Denn: I. Augustinus sagt (10. de Trin. 5 .): „Die Seele rollt zusammen die Bilder der Körper und reißt sie, nachdem sie dieselben in sich vollendet, von sich selber los; denn sie verleiht ihnen, indem sie formt, etwas von ihrer, der Seele, Substanz.“ Die Seele aber versteht eben durch entsprechende Bilder oder Ähnlichkeiten das Körperliche. Also erkennt sie letzteres durch ihr Wesen, das sie jenen in ihr selbst geformten Bildern mitteilt und aus dem heraus sie dieselben formt. II. Aristoteles sagt (3. de anima ): „Die Seele ist gewissermaßen Alles.“ Da also das Ähnliche nur verstanden wird, scheint die Seele durch sich selbst die Körper zu erkennen. III. Die Seele steht im Sein höher wie die körperlichen Kreaturen. Die niedrigen Dinge aber sind in den höheren in hervorragenderer Weise wie in ihrem eigenen Sein, nach Dionysius. (12. de coel. hier.) Also existieren alle körperlichen Kreaturen in erhabenerer Weise im Wesen der Seele als in sich selber. Also durch ihr Wesen kann die Seele sie erkennen.

Auf der anderen Seite sagt Augustin (9. de Trin. 3 .): „Der vernünftige Geist sammelt Kenntnisse von den körperlichen Dingen vermittelst der Sinne des Körpers.“ Die Seele selber aber ist nicht erkennbar durch die Sinne des Körpers. Also erkennt sie nicht das Körperliche durch ihre Substanz.

b) Ich antworte; die alten Philosophen nahmen an, die Seele erkenne kraft ihres Wesens die Körper. Denn das ist gemeinhin allen Seelen eingeprägt, dass Ähnliches durch Ähnliches erkannt wird. Sie meinten aber, dass die Erkenntnisform in der nämlichen Weise innen in der Seele ist, wie sie außen im gekannten Dinge sich vorfindet. Nun durchschaute Plato, dass die vernünftige Seele stofflos sei und in stoffloser Weise erkenne. Also, meinte er, seien auch die erkannten Gegenstände in ihrem wirklichen Sein außerhalb der Seele stofflos. Die früheren Philosophen aber meinten umgekehrt, weil die erkannten Dinge körperlich seien, deshalb müssen sie auch in der Seele in stofflicher Weise sich vorfinden. Deshalb nahmen sie an, die Seele habe ihre Natur gemeinsam mit allen Dingen und demgemäß erkenne sie alle Dinge. Und weil die Natur der abgeleiteten verursachten Dinge aus den Elementen oder Prinzipien gebildet wird, so legten sie der Seele die Natur der Elemente oder Prinzipien bei. Der da also das Feuer als das Urelement annahm, sagte, die Seele sei Feuer; und ähnlich andere, welche Wasser oder Luft als Urelement betrachteten. Empedokles aber, der vier stoffliche Elemente annahm und zwei bewegende Prinzipien, behauptete, daraus bestehe nun auch die Seele. Da also in diesem Sinne die Dinge stofflicherweise in der Seele waren, so nahmen diese Philosophen auch an, jede Kenntnis sei stofflich und machten keinen Unterschied zwischen Sinn und Vernunft. Das Alles aber ist falsch aus folgenden Gründen: 1. In den Elementen oder Prinzipien existieren die Dinge nur dem Vermögen nach, weil sie daraus werden können. Nichts aber wird erkannt gemäß dem, dass es etwas sein kann, sondern insofern es tatsächlich ist; so dass ein Vermögen selber allein für sich gar nicht erkennbar ist, außer vermittelst seiner Tätigkeit. Also würde es gar nicht genügen, der Seele die Natur der Elemente oder Prinzipien beizulegen, damit sie Alles erkenne; sie müsste denn zugleich die Dinge auch gemäß ihrem tatsächlichen Sein in sich enthalten oder dieselben sein, also was diese Elemente in Wirklichkeit geworden, in sich tragen; — sie müsste z. B. Fleisch sein, Knochen etc., damit sie das Tatsächliche durch das ihm Ähnliche erkennen könne. In dieser Weise beweist Aristoteles gegen Empedokles. (l. de anima.) 2. Wäre es notwendig, dass die erkannte stoffliche Sache dem Stoffe nach in der Seele sich fände, so würde gar kein Grund bestehen, warum diese Sache nicht ebenfalls, auch soweit sie außerhalb ist, erkannte. Wenn also z. B. die Seele durch das Feuer Feuer erkannte, so müsste auch das Feuer, welches außen besteht, Feuer erkennen. Es bleibt also nur übrig, dass die erkannten stofflichen Dinge wohl im Erkennenden existieren; nicht aber stofflicher-, sondern vielmehr unstofflicherweise. Und der Grund davon ist dieser: Die Tätigkeit des Erkennens umfasst das, was außerhalb des Erkennenden ist. Denn wir erkennen auch das, was wir selber nicht sind. Durch den Stoff aber ist etwas so das Eine, dass es nicht das Andere umfasst, dass nur es selbst ist und in keiner Weise Anderes. Also ist es ganz klar, dass die Natur des Erkennens entgegengesetzt ist der Natur der Stofflichkeit. Wenn also ein Wesen nur in stofflicher Weise Formen in sich aufnimmt, so ist es keineswegs erkennend; wie z. B. die Pflanze. Umgekehrt aber je stoffloser ein Wesen die Form der erkannten Sache in sich aufnimmt, desto vollendeter ist sein Erkennen. Somit erkennt die Vernunft, welche die Gattungsform ablöst und zwar nicht nur vom Stoffe, sondern auch von allen Einzelbedingungen der wirklichen Existenz, vollendeter wie der Sinn; der da wohl den Stoff nicht in sich aufnimmt, jedoch die Form zusammen mit den Einzelbedingungen der wirklichen Existenz von Zeit und Ort zum Beispiel. Und unter den Sinnen ist die Sehkraft umfassender im Erkennen, weil sie vom Stoffe mehr entfernt ist; unter den Verstandeskräften aber ist jene vollendeter, welche stoffloser ist. Daraus ist also klar, dass wenn es eine Vernunft gibt, die da durch ihr Wesen Alles erkennt, dieselbe in stoffloser Weise ihrem Wesen nach Alles in sich enthalten muss; ähnlich wie die Alten meinten, das Wesen der Seele sei zusammengesetzt aus den Prinzipien aller Dinge, damit sie Alles erkenne. Das aber ist Gott allein eigen, dass sein Wesen stofflos Alles umgreift; insofern die Wirkungen von vornherein existieren in der Kraft ihrer Ursache, in ihrem ersten Prinzip. Gott allein also erkennt Alles durch sein Wesen.

c) I. Die Seele bildet nach Augustin in der Einbildungskraft sich die Bilder der Körper; und indem sie dieselben formt, gibt sie ihnen etwas von ihrer Substanz, insofern sie selbige trägt. Und so macht sie aus sich selbst heraus derartige Bilder; nicht als ob die Seele oder etwas von derselben derart verwandelt würde, dass sie dieses oder jenes Bild sei; sondern wie vom Körper gesagt wird, es werde aus ihm etwas Farbiges, insoweit er durch die Farbe bestimmt wird oder Träger derselben ist. Dies ergibt sich aus dem, was folgt. Denn Augustin sagt, die Seele „behalte etwas“, was nämlich nicht durch ein solches Bild geformt ist und vermittelst dessen urteile sie frei über die Gestalt und Form solcher Bilder; dieses „Etwas“ sei die Vernunft; — was aber vermittelst dieser Bilder geformt worden, nämlich die Einbildungskraft, das sei uns und den Tieren gemeinsam. II. Aristoteles meint nicht, die Seele sei tatsächlich zusammengesetzt aus Allem, wie die alten Naturphilosophen, sondern sie sei „gewissermaßen Alles“; insofern sie nämlich durch die Sinne das Vermögen hat für alles sinnlich Wahrnehmbare und durch die Vernunft das Vermögen für alles geistig Erkennbare. III. Jegliche Kreatur hat ein begrenztes und allseitig bestimmtes Sein. Wenn deshalb auch das Wesen der höheren Kreatur eine gewisse Ähnlichkeit hat mit dem der niedrigeren, insoweit beide in derselben „Art“ übereinkommen; so ist doch diese Ähnlichkeit keine vollständig erschöpfende. Denn die höhere Kreatur gehört einer bestimmten Gattung an und außerhalb dieser Gattung steht die Gattung der niedrigeren Kreatur. Das Wesen Gottes aber ist die vollendete Ähnlichkeit von Allem mit Rücksicht auf Alles, was in den Kreaturen sich findet; denn es ist das allgemeine Prinzip von allem.

 

Dritter Artikel. Die Seele erkennt nicht vermittelst angeborener Ideen.

 

a) Das Gegenteil scheint zu behaupten: I. Gregorius der Große (hom. 29.), der da sagt: „Der Mensch kommt im Erkennen mit den Engeln überein.“ Die Engel aber erkennen durch angeborene Ideen. II. Die materia prima oder der Urstoff ist von Gott zugleich mit den Wesensformen geschaffen, wozu sie das Vermögen hat. Also muss dies auch von der vernünftigen Seele gelten, die höheres Sein hat wie der Urstoff; sie muss von Gott geschaffen sein mit den tatsächlichen Erkenntnisformen und so erkennt sie das Körperliche vermittelst angeborener, von Natur eingeprägter Ideen. III. Es kann jemand nicht die Wahrheit antworten außer rücksichtlich dessen, was er weiß. Aber auch ein Idiot, der sich keine Wissenschaft erworben, antwortet in einzelnen Dingen die Wahrheit; wenn er nur richtig gefragt wird, wie Plato im Menon erzählt. Also hat jemand Kenntnis von den Dingen, ehe er sich Wissenschaft erworben hat. Das aber könnte nicht sein, wenn er keine angeborenen Ideen hätte.

Auf der anderen Seite sagt Aristoteles (3. de anima ): „Die Vernunft ist wie eine unbeschriebene Tafel.“

b) Ich antworte: Da jegliche Form ein Prinzip für entsprechendes Tätigsein ist, so verhält sich ein Wesen in derselben Weise zur Form, wie es sich zu jener Tätigkeit verhält, welche aus dieser Form folgt. Wenn z. B. etwas nach der Höhe hin sich bewegt, weil es leicht ist; so muss das, was nichts als Möglichkeit einschließt, nach der Höhe hin sich zu bewegen, auch nur dem Vermögen nach leicht sein; bewegt es sich aber tatsächlich nach der Höhe, so ist es auch dem tatsächlichen Sein nach leicht. Wir sehen nun aber, dass der Mensch zuweilen nur im Zustande des Vermögens sich befindet für das Erkennen, sei es für das sinnliche Erkennen oder für das vernünftige. Und von einem solchen Zustande des Vermögens geht er über zur Tätigkeit; so zwar, dass er tatsächlich empfindet, weil sinnlich Wahrnehmbares auf ihn einwirkt, und dass er tatsächlich vernünftig erkennt auf Grund des Unterrichts oder eigener Forschung. Also muss man annehmen, die erkennende Seele sei von Natur im Zustande des Vermögens sowohl für die Ähnlichkeiten, welche die Prinzipien für sinnliches Empfinden sind, als auch für die Ähnlichkeiten, welche die Prinzipien sind für vernünftiges Erkennen. Und deshalb nahm Aristoteles an, die Vernunft, vermittelst deren die Seele erkennt, habe keine von Natur angeborenen Ideen, kraft welcher sie ohne weiters tatsächlich erkannte; sondern sie sei im Beginne nur Vermögend für die Aufnahme von geistigen Erkenntnisformen und demgemäßes Erkennen. Plato jedoch meinte, dass die menschliche Vernunft von Natur angefüllt sei mit Ideen, dass aber die Einheit mit dem Körper ein Hindernis sei für das entsprechende tatsächliche Erkennen; wie z. B. das, was tatsächlich leicht ist, gehindert werden kann, zur Höhe hin sich zu bewegen. Das aber scheint nicht wahr zu sein. Denn erstens scheint es nicht wohl möglich, wie die Seele, welche von Natur die Kenntnis von Allem hätte, insoweit vergesse, dass sie in keiner Weise davon etwas wisse, sie habe diese Kenntnis in sich. Denn niemand vergisst, was er von Natur aus weiß; wie z. B. dass das Ganze größer sei wie ein Teil u. dgl. Die Unzuträglichkeit wird noch dringlicher, wenn die Verbindung der Seele mit dem Körper eine auf der Natur begründete ist. (Vgl. Kap. 76, Art. 1.) Denn es wäre ein voller Widerspruch, dass die natürliche Tätigkeit eines Dinges gehindert werde durch das, was ihm natürlich ist. Zweitens aber geht das Falsche der Annahme Platos offenbar daraus hervor, dass, wenn ein Sinn fehlt, auch das entsprechende Wissen alles dessen mangelt, was durch diesen Sinn erfasst wird; wie z. B. der Blindgeborene keine Wissenschaft von den Farben haben kann. Das könnte nicht sein, wenn die vernünftige Seele von Natur die Erkenntnisformen in sich hätte, durch welche sie alles erkennt.

c) I. Der Mensch erkennt vernünftig wie der Engel; aber die hervorragende Kraft der Vernunft des letzteren hat er nicht. So sind ja auch die niedrigeren Körper, welche eben nach Gregor (I. c.) nur Sein haben, nicht so vollkommen wie die höheren. Denn der Stoff in den niedrigeren Körpern ist nicht durchaus geformt und betätigt durch die Wesensform; vielmehr bleibt er vermögend für andere Formen, die er dem tatsächlichen Sein nach nicht hat. Der Stoff aber der Himmelskörper ist durchaus vollendet in seiner Form und trägt in sich kein Vermögen mehr, um etwas Anderes zu werden. In der Sonne ist kein Vermögen, Mond zu werden; während im Körper des Menschen das Vermögen ist, Staub zu werden. So ist nun auch die Vernunft des Engels von Natur aus tatsächlich vollendet durch Erkenntnisformen; die Vernunft des Menschen aber ist im Vermögen zu solchen Formen und zur entsprechenden Tätigkeit. II. Der Urstoff hat das Sein überhaupt nur vermittelst der Wesensform. Deshalb musste er mit diesen Formen geschaffen werden; er kann doch nicht geschaffen werden und nicht Sein haben. Trotzdem jedoch ist er, während er tatsächlich unter einer Wesensform sich findet, zugleich vermögend, um andere Formen zu tragen. Die Vernunft aber im Menschen hat kein substantiales für sich bestehendes Sein vermittelst der Idee; sie ist und bleibt nur immer Vermögen der Substanz „Mensch“. Deshalb besteht hier nicht die Analogie, welche der Einwurf voraussetzt. III. Wenn richtig gefragt wird, so geht man von allgemein bekannten Sätzen aus und kommt zum Besonderen. Dadurch aber wird das Wissen in jenem, der gefragt wird, verursacht. Antwortet er also richtig, so geschieht dies nicht, weil er früher es gewusst, sondern weil er es eben jetzt gelernt hat.

 

Vierter Artikel. Die Ideen in uns fließen nicht aus in die Seele von stofflosen, getrennt für sich bestehenden Substanzen.

 

a) Das Gegenteil scheint wahr. Denn: I. Was nur teilnimmt an einer Vollkommenheit, das lässt sich auf etwas zurückführen, in dessen Wesen diese Vollkommenheit enthalten ist; wie das, was glühend ist, sich ableitet vom Feuer, was seiner Natur nach glüht. Die vernünftige Seele nun nimmt, soweit sie tatsächlich erkennt, teil an den erkennbaren Dingen; denn die tatsächlich erkennende Vernunft ist das tatsächlich Erkannte. Also jene Substanzen, welche an und für sich und ihrem Wesen nach tatsächlich erkannt sind, bilden die Ursache, dass unsere Seele tatsächlich erkennt. Solche Substanzen aber ihrem Wesen nach sind stofflose Formen. Von ihnen also fließen die Ideen in unsere Seele. II. Das sinnlich Wahrnehmbare, was tatsächlich außerhalb der Seele ist, verursacht das sinnlich Wahrnehmbare in uns, womit wir empfinden. Also werden auch die Ideen in unserer Vernunft, womit wir erkennen, verursacht von einigen Wesen außerhalb der Seele, die tatsächlich erkannt und ihrem ganzen Wesen nach erkennbar sind. Solche Wesen aber sind die stofflosen Substanzen. III. Was im Zustande des Vermögens ist, geht zur Tätigkeit über auf Grund von etwas, was tatsächliches Sein hat. Also muss, wenn unsere Vernunft aus dem Vermögen zur Tätigkeit übergeht, dies verursacht werden von einer immer und ihrer Natur nach tatsächlich erkennenden Substanz; das sind aber die vom Stoffe durchaus getrennten Substanzen.

Auf der anderen Seite würden wir in dem berührten Falle der Sinne nicht bedürfen; und das ist falsch, denn fehlt ein Sinn, so mangeln die entsprechenden Ideen.

b) Ich antworte, dass man in zweifacher Weise annahm, die Ideen kämen von stofflos existierenden Substanzen. Denn Plato meinte, es beständen die allgemeinen Wesensformen der sichtbaren Dinge für sich getrennt vom Stoffe; es gäbe also einen „Normalmenschen“ oder eine substantielle Idee „Mensch“ etc. An derartigen stofflosen Substanzen nehme 1. der Stoff teil und werde dadurch etwas Einzelnes, wie „dieses Pferd“, „dieser Stein“; und 2. nehme dann die menschliche Vernunft daran teil und werde damit eine das Pferd, den Stein, den Menschen tatsächlich verstehende. Die Teilnahme aber an der Idee geschehe durch eine gewisse Ähnlichkeit im Erkennenden in der Weise, wie an einem Modell teilgenommen wird durch die Ähnlichkeit dessen mit ihm, was nach ihm gemacht ist. Sowie Plato also annahm, es fließen von den für sich bestehenden stofflosen Ideen die eine Art Ähnlichkeiten als sinnliche Formen aus, um im Stoffe Sein zu haben, so nahm er an, diese Ideen teilten ebenso eine andere Art Ähnlichkeit mit, damit sie Erkenntnisform in der Vernunft seien. Und deshalb führte er die Wissenschaften und Begriffsbestimmungen, wie Art. 1 gesagt worden, auf diese Stofflosen Substanzen zurück. Avicenna (7 Metaph. ) aber hielt es mit Recht als gegen die Natur der sichtbaren Dinge verstoßend, dass ihre Wesenheiten als stofflose bestehen sollten. Und so behauptete er, dass die geistigen Erkenntnisformen, vermittelst deren die sichtbaren Dinge vernünftig erfasst werden, nicht zwar ohne Stoff für sich beständen; dass sie aber in stoffloser Weise vorher beständen in den reinen Vernunftkräften, die vom Stoffe in ihrem ganzen wirklichen Sein durchaus getrennt wären. Und zwar entflössen von der ersten dieser Verstandeskräfte dergleichen Erkenntnisformen in die zweite und von da in die dritte und so weiter bis zur letzten dieser Verstandeskräfte, welche er „die einwirkende Vernunft“ nannte; von dieser nun kämen die Ideen in unsere Seele und die Formen der sichtbaren Formen in den Stoff. So ist Avicenna mit Plato darin einig, dass von getrennt bestehenden Verstandeskräften die Ideen in unsere Vernunft fließen. Sie weichen voneinander ab: 1. Darin, dass nach Plato eine jede dieser Verstandeskräfte für sich bestehe und eine jede unmittelbar gemäß ihrer Beschaffenheit Ideen in uns sende; nach Avicenna aber wären alle Ideen zusammen in der „einwirkenden Vernunft“ und diese bildete für alle diese Ideen die Vermittlung, dass wir daran teilnehmen; — 2. darin, dass Avicenna meint, die so uns mitgeteilten Ideen blieben nicht in uns, wenn wir aufhörten, tatsächlich zu erkennen, sondern unsere Vernunft müsse sich dann von neuem zur „einwirkenden Vernunft“ wenden. Er nahm also nicht wie Plato eingeborene Ideen an, die unverrückbar in der Seele bleiben. Nach diesen Ansichten gibt es jedoch keinen hinreichenden Grund, weshalb die vernünftige Seele mit dem Körper vereint sei. Dies kann nicht sein um des Körpers willen; denn nicht die Form ist da wegen des Stoffes, wie der Maler nicht da ist wegen der Leinwand, sondern vielmehr umgekehrt. Und zumal scheint der Körper eben wegen der vernünftigen Tätigkeit für die Seele notwendig zu sein, da sie in ihrem Sein vom Körper nicht abhängig ist. Erhält sie aber die geistigen Ideen von Natur aus für sich allein betrachtet von stofflosen Substanzen, ohne dass die Sinne erforderlich sind für deren Erzeugung; so wäre die Verbindung mit dem Körper eine durchaus zwecklose. Wird gesagt, dass die Sinne gleichsam die Seele wie vom Schlafe erweckten (wie Plato meint, der die Seelen als eine schlaftrunkene bezeichnet und deshalb der Vergesslichkeit zugänglich), so würden die Sinne nur dazu dienen, um für das tatsächliche Erkennen ein Hindernis zu entfernen, welches eben wieder von den Sinnen, d. h. von der Verbindung mit dem Körper käme. Erwidert Avicenna, die Sinne seien deshalb der Seele notwendig, weil sie durch dieselben veranlasst wird, sich zu der „einwirkenden Vernunft“ zu wenden, von der sie ihrer Natur nach die Ideen empfängt, so genügt das nicht. Denn wenn es in der Natur der Seele bereits liegt, dass sie durch solche von der „einwirkenden Vernunft“ ausfließenden Ideen versteht, so könnte sie sich auch vermöge ihrer Natur und absehend von allen Sinnen zu dieser Vernunft wenden; oder sie könnte von selbiger Erkenntnisformen erhalten, von denen der entsprechende Sinn nicht in ihr besteht, wie z. B. die Ideen der Farben, trotzdem sie der sinnlichen Sehkraft ermangelt, was falsch ist. Demnach muss gesagt werden, die Ideen in unserer Vernunft fließen nicht von stofflosen Substanzen unmittelbar aus in unsere Seele.

c) I. Die geistigen Erkenntnisformen in unserer Vernunft werden zurückgeführt auf die reine wesentliche Vernunft, auf Gott. Von diesem Prinzip gehen sie aus vermittelst der Formen in den stofflichen, sichtbaren Dingen und aus diesen sammeln wir unsere Wissenschaft, wie Dionysius sagt. (7. de div. nom. ) II. Die stofflichen Dinge können nach ihrem Wirklichsein außerhalb der Seele tatsächlich sinnlich wahrnehmbare sein; sie sind aber nicht als tatsächlich für die Vernunft erkennbare außerhalb der Seele. Die Analogie also fehlt hier zwischen Sinn und Vernunft. III. Unsere Vernunft geht vom Vermögen zur Tätigkeit über vermittelst eines tatsächlichen Seins, nämlich der „einwirkenden“ Vernunft. Diese ist jedoch ein Vermögen unserer Seele; und nicht etwas Stoffloses, von uns Getrenntes. Die entfernte Ursache aber, dass wir tatsächlich erkennen, ist die ihrem Wesen nach reine Vernunft: Gott.

 

Fünfter Artikel. Die vernünftige Seele erkennt das Stofflose in den ewigen Seinsgründen.

 

a) Dem scheint nicht so. Denn: I. Wodurch ich etwas erkenne, das erkenne ich zuerst und mehr. Die vernünftige Seele aber erkennt die ewigen Seinsgründe nicht während ihres irdischen Lebens, denn sie erkennt nicht das Wesen Gottes, worin selbige sind; sondern „mit Gott wird sie verbunden, wie mit etwas Unbekanntem“, wie Dionysius sagt. (I. de myst. theol.) Also erkennt sie nicht Alles in den ewigen Ideen. II. „Das Unsichtbare wird durch das erkannte Sichtbare erfasst,“ heißt es Röm 1. Also die ewigen Seinsgründe selber werden als etwas Unsichtbares vermittelst der Erkenntnis des Sichtbaren erkannt. III. Augustin sagt (83. Qq. 9 , 46.): „Die Ideen sind die festen und dauerhaften Seinsgründe der Dinge, die da in der Vernunft Gottes existieren.“ Also muss man zur Annahme Platos zurückkehren, dass alle Wissenschaft von Ideen sich ableite, die getrennt von uns stofflos bestehen, wenn die vernünftige Seele Alles in den ewigen Ideen erkennen soll.

Auf der anderen Seite sagt Augustinus (12. Conf. c. 25. ): „Wenn wir beide sehen, es sei wahr, was du sagst; und wir beide sehen, es sei wahr, was ich sage; wo doch, frage ich, sehen wir dies. Du siehst es nicht in mir und ich nicht in dir, beide aber sehen wir es in der unwandelbaren Wahrheit, welche über all unsere Vernunft hervorragt.“ Die unwandelbare Wahrheit aber ist in den ewigen Seinsgründen enthalten. Also alles Wahre kennt die Seele in den ewigen Ideen.

b) Ich antworte gemäß dem, was Augustin sagt (2. de doctr. christ. 40 .): „Wenn diejenigen, welche Philosophen genannt werden, etwas Wahres und unserem Glauben Angemessenes gesagt haben, so müssen wir es von ihnen als den unrechtmäßigen Besitzern wegnehmen und für uns gebrauchen. Dann hat jedoch die heidnische Philosophie andererseits auch so manches Abergläubische, was den Schein der Wahrheit trägt. Das müssen wir in jeder Weise von uns fernhalten.“ Und deshalb hat Augustin, was er Wahres in der Philosophie der Platoniker, in welcher er unterrichtet worden, fand, für die Stützung der Wahrheit in Anspruch genommen; was er aber als offenbar dem Glauben Feindliches fand, dem hat er eine bessere Seite abgewonnen. Nun hatte Plato, wie bereits bemerkt, für sich bestehende stoffliche Substanzen angenommen, welche durch Mitteilung von Sein die stofflichen Dinge hervorgebracht hätten, so aber, dass sie immer das innere Wesen des Stofflichen blieben. Das aber erscheint als dem Glauben entgegen, dass solche Substanzen, wie das „Pferd im allgemeinen“, der „Mensch an und für sich“, die „Weisheit als für sich bestehende“, das „Leben als stofflose selbständige Idee“ schaffende sind, wie Dionysius hervorhebt. (11. de div. nom. ) Deshalb nahm Augustin an (83. Qq. 46 .), dass alle diese Ideen in der göttlichen Vernunft als Exemplarideen der sichtbaren Dinge beständen und dass nach ihnen Alles in der Wirklichkeit geformt sei und so auch die Seele erkannte. Wenn also gefragt wird, ob die Seele in den ewigen Ideen erkenne, so hat das einen doppelten Sinn. Es kann einmal heißen, es werde Alles in diesen Ideen erkannt wie im erkannten Gegenstande; wie z. B. im Spiegel das gesehen wird, dessen Abbild darin widerstrahlt. Und so werden die Dinge in den ewigen Ideen nicht gesehen, während die Seele noch auf Erden pilgert. Dann kann es heißen, es werde alles in den ewigen Ideen gesehen, wie im Prinzipe von allem; wie z. B. in der Sonne alles gesehen wird, was durch die Sonne sichtbar geworden ist. Und so muss die Seele Alles erkennen in den ewigen Ideen, weil diese in uns die Kenntnis verursachen. Denn unser Verstandeslicht selber ist nichts Anderes wie eine Mitteilung von seiten des ungeschaffenen Lichtes, wodurch wir letzterem ähnlich werden. Im ungeschaffenen Lichte aber sind die ewigen Seinsgründe enthalten; wie im Psalm (4, 6. ) gefragt wird: „Wer zeigt uns die wahrhaften Güter?“ und darauf die Antwort kommt: „Gesiegelt ist über uns das Licht Deines Antlitzes,“ als ob er sagen wollte: Weil die Ähnlichkeit des göttlichen Lichtes uns aufgeprägt worden, deshalb wird uns Alles gezeigt. Weil aber außer dem Verstandeslichte in uns Erkenntnisformen sein müssen, die wir durch die Sinne den sichtbaren Dingen entnehmen, um von letzterem als Einzelnem Wissenschaft zu haben; deshalb haben wir nicht einzig und allein und unmittelbar vermittelst der Einwirkung des ungeschaffenen Lichtes oder der ewigen Ideen Kenntnis von stofflichen Dingen, wie dies die Platoniker annahmen; sondern kraft der einwirkenden Vernunft Gottes nehmen auch die sichtbaren Dinge teil an der Erzeugung unserer Ideen. Deshalb sagt Augustin (4. de Trin. 16 .): „Denn konnten etwa die Philosophen, die da mit den zuverlässigsten Beweisen dartun, alles Zeitliche geschehe vermöge der ewigen Seinsgründe, deshalb in diesen letzteren selber erkennen oder aus ihnen schließen, wie viele Arten von Tieren existieren; wie vielgestaltet deren Samen ist! Haben sie dies Alles nicht zu erkennen gesucht, indem sie die verschiedenen Zeiten und Orte erforschten?“ Dass aber Augustin in der betreffenden Stelle durchaus nicht sagen will, wir sähen die ewigen Ideen selber und erkannten kraft dieser Erkenntnis das Sichtbare, geht aus 83. Qq. qu. 66. hervor, wo er sagt: „Nur die heiligen und reinen Seelen würden zum Schauen dieser ewigen Ideen zugelassen.“

c) Die Einwürfe sind damit beantwortet.

 

Sechster Artikel. Die vernünftige Kenntnis vermitteln die sichtbaren Dinge.

 

a) Dem entgegen schreibt: I. Augustin (83. Qq. qu. 9.): „Man muss die aufrichtige einfache Wahrheit nicht von den Sinnen her erwarten.“ Und er beweist dies: 1. daraus, dass jedes Körperliche, was der Sinn erreicht, beständigem Wechsel unterliegt; zum Auffassen des Wahren aber wird auf seiten des Gegenstandes Beharrlichkeit, Dauer erfordert; — und 2. daraus, das wir auch in Abwesenheit des Körperlichen, wie es in der Wirklichkeit besteht, die Bilder desselben in uns wahrnehmen, wie im Traume oder im Wahnsinn. Durch die Sinne jedoch können wir nicht unterscheiden, ob wir das sinnlich Wahrnehmbare wirklich oder bloß ein Bild desselben oder auch eine falsche Ähnlichkeit empfinden. Was aber vom Falschen nicht unterschieden werden kann, das wird nicht von der Vernunft aufgefasst. Die Vernunft nun erkennt die Wahrheit. Also erhält sie selbe nicht von den Sinnen. II. 12. sup. Gen. ad litt.  16. schreibt Augustin desgleichen: „Man soll nicht meinen, das Körperliche könne in etwa auf den Geist einwirken, als ob der Geist dem auf ihn einwirkenden Körper unterstehe, wie der Stoff dem Künstler. Denn der da einwirkt steht höher wie jener, der empfängt und bestimmbar ist. Der Geist aber ist höher wie der Körper. Also, so schließt er, „macht das Bild des Körpers im Geiste nicht der Körper, sondern der Geist macht es in sich selbst.“ Nicht also von den Sinnen geht die Kenntnis der Vernunft aus. III. Die Wirkung reicht nicht weiter wie die Kraft ihrer Ursache. Wir verstehen vermittelst der Vernunft aber nicht bloß das Körperliche, sondern auch das von den Sinnen Entfernte. Also nicht die Sinne verursachen unsere Kenntnis.

Auf der anderen Seite sagt Aristoteles (Poster. lib. 2.): „Unsere Kenntnis beginnt vom Sinne aus.“

b) Ich antworte; in diesem Punkte bestanden drei Meinungen bei den Philosophen. Demokrit nämlich meinte nach Augustin (ep. ad Dioscorum), es bestehe keine andere Ursache für jegliche Kenntnis auf unserer Seite als die, dass von den Körpern aus, welche Gegenstand unserer Gedanken sind, Bilder oder Ähnlichkeiten abgehen und in unsere Seele eintreten. Ebenso sagt Aristoteles, Demokrit habe gelehrt, jede Kenntnis geschehe durch Ausflüsse vom Körperlichen und durch demgemäße Abbilder desselben, (De somno et vigil. c. 2.) Der Grund dieser Meinung war, dass die Alten nicht einen Unterschied anerkannten zwischen Vernunft und Sinn; und wie sie sahen, dass der Sinn in wahrnehmbarer Weise vom Gegenstande aus für die verschiedene Tätigkeit stofflich geändert wird, so meinten sie, jede unsere Kenntnis vollziehe sich vermittelst einer von den Sinnesgegenständen ausgehenden Veränderung in den Organen. Und diese Änderung leitete Demokrit von da her ab, dass Bilder in stofflicher Weise ausflössen von den sinnlichen Dingen. Plato aber nahm an, die Vernunft sei verschieden vom Sinne; und zwar sei die Vernunft eine völlig stofflose Kraft, welche gar keines stofflichen Organs für ihre Tätigkeit bedarf. Und da Stoffloses nicht beeinflusst und verändert werden kann von Stofflichem, so hatten nach Plato die sichtbaren Dinge keinen Anteil an der Ideenbildung; sondern diese vollzog sich durch Teilnahme an stofflosen Substanzen. Auch der Sinn besaß nach ihm eine vom Stofflichen unabhängige Kraft; seine Tätigkeit stand stofflos für sich da. Nicht die sinnliche Kenntnis, da auch diese eine stofflose, geistige sei, wurde nach ihm verursacht durch die Änderung, welche der Einfluss der sichtbaren Dinge in den Organen hervorbringt; sondern infolge dieser Veränderung wird die Seele aufgeweckt, auf dass sie in sich selber unabhängig die Bilder des Sinnlichen forme. Und diese Meinung scheint Augustin zu berühren (12. de Gen. ad litt. c. 24.), wenn er sagt: „Der Körper empfindet nicht, sondern die Seele durch den Körper; sie bedient sich desselben wie eines Boten, damit sie in sich selber formt, was von außen her angekündigt wird.“ So geht nach Plato weder die sinnliche noch die vernünftige Kenntnis von den Sinnen aus, sondern die sinnlich wahrnehmbaren Dinge wecken die sinnliche Seele auf, dass sie in sich selbst empfinde; und ähnlich wecken die Sinne die vernünftige Seele, dass diese Geistiges erfasse. Aristoteles schlägt den Mittelweg ein. Er nimmt mit Plato an, dass die Vernunft vom Sinne sich unterscheide; und mit Demokrit, dass die sinnlich wahrnehmbaren Dinge nicht zwar vermittelst eines gewissen unbestimmten stofflichen Ausflusses der entsprechenden Dinge, jedoch vermittelst ihrer Tätigkeit den sinnlichen Eindruck direkt hervorbringen; denn die sinnliche Tätigkeit hat nach ihm ihren Träger in der Verbindung von Leib und Seele, nicht im Leibe allein und nicht in der Seele allein. Die Vernunft aber vollzieht nach Aristoteles ihre wesentlich vernünftige Tätigkeit ohne Teilnahme eines körperlichen Organs. Nun kann aber etwas Körperliches nicht eine Form dem Geiste einprägen. Und deshalb, damit die vernünftige Tätigkeit verursacht werde, genügt nicht der alleinige Eindruck und Einfluss des Körperlichen; sondern etwas Höheres wird dazu erfordert, da ja das Einwirkende oder Bestimmende höher steht wie das Leidende oder Bestimmbare. Dieses Höhere aber sind nicht die stofflichen Substanzen Platos, die für sich allein unmittelbar in die Vernunft hineinwirken, sondern es ist die „einwirkende“ Vernunft als Vermögen der Seele selber. Diese „einwirkende“ Vernunft löst die in der Phantasie befindlichen Bilder des Körperlichen ab vom Stofflichen und macht sie so zu tatsächlich erkennbaren. Die Phantasiebilder selber aber kommen vermittelst der Sinne von der Tätigkeit der äußeren sichtbaren Dinge. Demnach geht das Verursachen seitens der Sinne und der sichtbaren. Dinge für das vernünftige Erkennen von den Phantasiebildern aus. Da aber diese für sich allein nicht genügen, dass der Vernunft eine Erkenntnisform eingeprägt werde, sondern die Phantasiebilder selber erst durch die „einwirkende“ Vernunft als tatsächlich erkennbare hingestellt werden; so kann man nicht sagen, das Körperliche sei für sich allein die vollendete Ursache für die vernünftige Tätigkeit; vielmehr rührt vom Körperlichen gewissermaßen der bestimmbare, und erkennbar zu machende Stoff für die „einwirkende“ Vernunft her, est materia causae.

c) I. Die Wahrheit kommt also nicht in vollendeter Weise von den Sinnen, so dass wir damit unverrückbar die Wahrheit der beweglichen und veränderlichen Dinge erkennen und die Dinge von ihren Ähnlichkeiten unterscheiden; dazu bedarf es noch der „einwirkenden“ Vernunft. II. Augustin spricht von der Kenntnis, deren Sitz und Subjekt die Einbildungskraft ist. Und weil nach Plato die Einbildungstraft eine vom Stoffe durchaus getrennte, der sinnlichen Seele allein zukommende Tätigkeit hat, so benutzt dies Augustin, um zu zeigen, wie nicht die sichtbaren Dinge unmittelbar ihre Bilder in die Einbildungskraft einprägen, sondern wie dies die Seele tut. Aristoteles beweist aus demselben Grunde, weil nämlich das Wirkende höher im Sein steht als das entsprechende Leidende und Empfangende (3. de anima ), die Existenz einer „einwirkenden“ Vernunft als eines Seelenvermögens. Ohne Zweifel müsste jedoch dann nach Augustin in der Einbildungskraft ebenfalls nicht allein ein empfangendes, bestimmbares Vermögen sein, das die von außen kommenden Bilder aufnimmt, sondern auch ein entsprechend einwirkendes, das die Bilder in die Einbildungskraft einprägt. Nach Aristoteles aber besteht da keine Schwierigkeit. Denn der sinnlich wahrnehmbare Körper steht höher im Sein wie das einfache sinnliche Organ; wie z. B. das Farbige, was tatsächlich die Farbe hat, höher und edler ist in dieser Beziehung als die Pupille, die nur Vermögen hat für die Farbe. Somit kann, wenn die Verbindung von Leib und Seele das Subjekt der sinnlichen Tätigkeit ist, unmittelbar der Körper das sinnliche Bild einprägen in die Einbildungskraft. Trotzdem könnte noch gesagt werden, dass wohl das erste Einprägen des Phantasiebildes vom sichtbaren Gegenstande unmittelbar herkommt; dass aber dann die eigene Tätigkeit der Seele die entsprechenden Bilder miteinander verbindet oder voneinander trennt; und so hätte die Stelle aus Augustin ebenfalls Wahrheit, denn das Ergebnis dieser Verbindung und Trennung käme nicht unmittelbar von dem sinnlich Wahrnehmbaren. III. Die Kenntnis der Sinne ist nicht die volle Ursache der vernünftigen Tätigkeit; und letztere kann sich somit weiter erstrecken als die Kenntnis der Sinne.

 

Siebenter Artikel. Die Vernunft kann nicht tatsächlich erkennen, trotzdem sie die Ideen in sich hat, wenn sie sich nicht zu den Phantasiebildern wendet.