Supernatural Academy: Year One (Supernatural Academy 1) - Jaymin Eve - E-Book

Supernatural Academy: Year One (Supernatural Academy 1) E-Book

Jaymin Eve

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Beschreibung

Eine mysteriöse Gabe. Eine verborgene Akademie. Ein gottgleicher Mitschüler. Maddison James hat an Silvester immer zwei Dinge getan: ein Jahr älter werden und ihre Haarfarbe ändern. An ihrem 22. Geburtstag wird ihr Leben jäh unterbrochen, als ihr eine mysteriöse Frau erklärt, dass sie ein übernatürliches Wesen ist. Mehr noch, sie soll gewaltiges Potenzial besitzen und wird kurzerhand auf eine magische Akademie entführt. Dort weiß nur leider niemand, zu welcher Gattung sie gehört: Vampire, Gestaltwandler, Fey oder Magiewirkende. Als wäre das nicht genug, muss sie sich auch noch mit den Atlantischen Fünf herumschlagen, einer Gruppe unheimlich heißer und mächtiger Kerle. Zu ihnen gehört auch Asher Locke. Arrogant, unerträglich attraktiv und Star der Academy. Und aus unerfindlichen Gründen scheint er sich dafür zu interessieren, warum sie ihre Magie nicht benutzen kann. So unverschämt wie er ist, treibt er Maddie auf jeder Ebene in den Wahnsinn. Bis zu dem Moment, in dem die Wahrheit ans Licht kommt und sie herausfinden, dass nichts in dieser übernatürlichen Welt so ist, wie sie dachten. Einschließlich ihnen beiden. Supernatural Academy – Year Oneist der erste Band einer Serie voller dramatischer Action, unerwarteter Twists und leidenschaftlicher Gefühle. Die New-Adult-Romantasy ist Teil einer Serie, die an einer magischen Akademie spielt, und ist idealer Stoff für Fans von Paranormal-Romance. Knisternd, humorvoll und spannend. 

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Jaymin Eve

Supernatural Academy: Year One

Aus dem Englischen von Larissa Bendl

Eine mysteriöse Gabe. Eine verborgene Akademie. Ein gottgleicher Mitschüler.

Maddison James hat an Silvester immer zwei Dinge getan: ein Jahr älter werden und ihre Haarfarbe ändern. An ihrem 22. Geburtstag wird ihr Leben jäh unterbrochen, als ihr eine mysteriöse Frau erklärt, dass sie ein übernatürliches Wesen ist. Mehr noch, sie soll gewaltiges Potenzial besitzen und wird kurzerhand auf eine magische Akademie entführt. Dort weiß nur leider niemand, zu welcher Gattung sie gehört: Vampire, Gestaltwandler, Fey oder Magiewirkende. Als wäre das nicht genug, muss sie sich auch noch mit den Atlantischen Fünf herumschlagen, einer Gruppe unheimlich heißer und mächtiger Kerle. Zu ihnen gehört auch Asher Locke. Arrogant, unerträglich attraktiv und Star der Academy. Und aus unerfindlichen Gründen scheint er sich dafür zu interessieren, warum sie ihre Magie nicht benutzen kann. So unverschämt wie er ist, treibt er Maddie auf jeder Ebene in den Wahnsinn. Bis zu dem Moment, in dem die Wahrheit ans Licht kommt und sie herausfinden, dass nichts in dieser übernatürlichen Welt so ist, wie sie dachten.

Einschließlich ihnen beiden.

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Content Note

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CONTENT NOTE

Bei manchen Menschen lösen bestimmte Themen ungewollte Reaktionen aus. Deshalb findet ihr am Ende des Buches eine Liste mit sensiblen Inhalten.

Für die Verlorenen, Vertriebenen und Einsamen.

Dieses Buch ist für euch.

Möget ihr euer Licht in dieser Welt finden.

KAPITEL 1

Irgendwo in der Nähe wurde ein lauter Countdown heruntergezählt, und Jubelschreie erklangen, als das neue Jahr begann. In der verdreckten Tankstellentoilette, in deren rissigen, beschmierten Spiegel ich starrte, während ich mir die letzten Reste Haarfarbe auswusch, wurde nicht gefeiert.

In meinem Leben gab es nur sehr wenige Rituale – ich hatte dafür einfach nicht genug Stabilität. Aber da war eine Sache, die ich in jedem der letzten fünf meiner zweiundzwanzig Jahre auf dieser Erde wiederholt hatte: Jedes Jahr zu Silvester – meinem Geburtstag – änderte ich meine Haarfarbe. Das war meine Art, den letzten beschissenen 365 Tagen »Fickt euch« zu sagen. Ich wollte mich nicht durch meine Umstände definieren lassen. Jede Farbe war ein Neuanfang, eine neue Ära … eine neue Chance, mein Leben auf die Reihe zu bekommen.

Und dieses Jahr hielt ich mich zum ersten Mal nicht an die dunkleren Töne.

Es sollte mein Jahr werden. Und es stand im Zeichen der Farbe Rosa.

Nachdem ich meine Haare unter dem ranzigen alten Händetrockner geföhnt hatte, schob ich sämtliche leeren Schachteln sowie die Reste des Peroxids und die Farbtuben zusammen und schmiss sie in einen nahe gelegenen Mülleimer. Im schwachen Licht warf ich einen Blick auf meine neue Haarfarbe und musste lächeln. Das Ergebnis war besser, als ich erwartet hatte: ein schimmerndes Pastellrosa. Zum Glück hatte meine Mutter mir die Fähigkeit vererbt, mit Haaren zu zaubern. Sie war Kosmetikerin und Friseurin gewesen, bevor sie in einem dunklen Loch aus Drogen, Alkohol und Männern, die ihr nicht guttaten, versunken war.

In dem Jahr, als sie starb, verwandelte ich meine silbrig blonden Locken zum ersten Mal in ein orangefarbenes Wellenmeer. Ich hatte so ein Gefühl gehabt, dass sie das gutheißen würde. Seitdem war ich auf mich allein gestellt, zog ständig um und färbte mir alle zwölf Monate die Haare. Wahrscheinlich hatte ich Glück, dass ich überhaupt noch welche auf dem Kopf hatte, aber aus irgendeinem Grund waren sie immer noch lang, dick und gesund. Meine Haare waren gesegnet.

Mein Leben hingegen? Das eher weniger.

Es war wieder an der Zeit, in den erstbesten Bus zu steigen und neu anzufangen. Wahrscheinlich hätte ich inzwischen aufhören können, wegzurennen – niemand suchte mehr nach mir –, aber vielleicht suchte ein Teil von mir immer noch nach der Illusion eines Zuhauses, das alle anderen hatten.

Dieses Jahr würde besser werden. Dieses Jahr würde ich Licht in mein Leben lassen, denn ich hatte lange genug im Dunkeln gelebt. Damit war ich mehr als fertig.

»Rosa wäre nicht meine erste Wahl gewesen, aber ich muss zugeben, dass es dir steht.«

Ich drehte mich um und suchte nach der Person, zu der die Stimme gehörte.

Ich war allein auf der Toilette gewesen, und da ich mich gerade in einer zwielichtigen Gegend von Detroit befand, hatte ich die Tür hinter mir abgeschlossen. Wer auch immer hier drin war, stand gerade außerhalb des kleinen Lichtkegels. Zwar konnte ich erstaunlich gut im Dunkeln sehen, wenn ich mich konzentrierte, aber manchmal hatte ich Probleme, meine unerklärliche Fähigkeit anzuzapfen, also griff ich nach meiner Tasche und zog das Springmesser hervor.

»Was zur Hölle willst du?«, fragte ich mit zusammengebissenen Zähnen und ließ meine Stimme so rau wie möglich klingen. Mit meinen eins achtzig war ich zwar kein zartes Pflänzchen, aber meine Stimme war so süß, dass sie nicht mal im Ansatz zu meinem Inneren passte.

Vielleicht waren rosa Haare doch keine so gute Idee gewesen. Jetzt würde ich wirklich falsch rüberkommen.

Es kam keine Antwort, aber aus dem Augenwinkel sah ich eine Bewegung, und eine junge Frau trat ins Licht. Ich blinzelte ein paarmal und schluckte die Beleidigung, die mir schon auf der Zunge lag, hinunter. Sie war ganz anders, als ich erwartet hatte. Noch größer als ich, und ihre Haut war dunkelbraun und schimmerte im schwachen Licht. Sie hatte leuchtend rote Korkenzieherlocken, dichter als meine. Insgesamt war sie atemberaubend schön, aber nicht einfach wie ein Supermodel – im Gegenteil. Sie war so umwerfend, als wäre sie gerade vom Himmel gefallen: volle kirschrote Lippen, große grüne Augen, hohe Wangenknochen und aristokratische Züge. Hätte ich nicht auf Typen gestanden, wäre ich schon halb in sie verliebt gewesen.

Sie kam noch einen Schritt näher, und ich drückte mich mit dem Rücken gegen das dreckige Waschbecken. Nur weil sie heiß war, hieß das nicht, dass sie nicht gefährlich sein konnte. »Wir suchen schon sehr lange nach dir«, sagte sie, als ihre langen, in Leder gekleideten Beine vor mir zum Stehen kamen. »Du bist echt gut darin, umzuziehen und deine Spuren zu verwischen, aber … deine Kräfte werden immer stärker. Du kannst dich nicht länger verstecken.«

In mir wallte Panik auf. Starke Wellen, die mich fast erdrückten. Vor fünf Jahren hatten die Behörden nach mir gesucht. Ich war nicht nur mit siebzehn weggelaufen, sondern auch von einem Tatort geflohen und hatte die Leiche meiner Mutter zurückgelassen. Aber ich war mir fast sicher gewesen, dass sie mich schon längst aufgegeben hatten.

Offensichtlich nicht.

Auf der Suche nach einem Fluchtweg scannte ich sofort den Raum.

»Willst du nicht mal meinen Namen wissen, bevor du verschwindest?«, fragte sie belustigt. »Irgendwie unhöflich, findest du nicht?«

Ich schloss meine Hand um die Klinge, bereit, sie beim ersten Anzeichen eines Angriffs aufschnappen zu lassen. »Sollte der mich interessieren?« Ich schüttelte den Kopf über sie. »Ich kenne dich nicht. Ich will dich nicht kennen. Ich werde jetzt gehen.« Die falsche Furchtlosigkeit war einen Versuch wert. Vielleicht würde sie einen Rückzieher machen. Aber ihrer Bemerkung »Wir suchen dich schon lange« nach zu urteilen, bezweifelte ich das.

»Ich heiße Ilia«, fuhr sie fort, als hätte ich ihr nicht gerade gesagt, dass sie sich verpissen solle. »Mein Name. Er wird I-L-I-A buchstabiert, aber man spricht ihn aus wie Ei…« Sie hielt inne. »…lia.«

Ich war erstaunt über ihren ruhigen Plauderton, als würden wir uns schon seit zwanzig Jahren kennen und wären alte Freundinnen, die sich austauschten.

»Was willst du von mir, Ilia?« Ich zog ihren Namen genauso in die Länge wie sie. »Was soll das heißen: ›Meine Kräfte werden stärker‹? Ich meine … Kräfte … im Ernst? Bist du wahnsinnig?«

Sie lachte und warf ihren Kopf zurück, während heisere Töne die Luft erfüllten. Mir jagte ein Prickeln über den Rücken, und ich war mir ziemlich sicher, dass es nicht nur daran lag, dass ihr Lachen so sexy war wie sie selbst. Das Geräusch sandte eine Art Energiewelle aus.

»Das mit dem Wahnsinn hängt davon ab, wen du fragst«, antwortete sie schließlich, nachdem sie sich wieder gefangen hatte. »Und an welchem Tag du mich erwischst. Aber um deine andere Frage zu beantworten: Du, meine Freundin, bist keine gewöhnliche Soup.«

Ich blinzelte sie an, meine Hand schwitzte am Griff meines Messers. »Suppe?« Was zum Teufel meinte sie mit Soup? Das Essen? Oder war das eine abfällige Bezeichnung, die ich noch nicht kannte?

Oder … vielleicht eine Gang?

Dabei hatte ich in letzter Zeit mit Gangs nichts am Hut gehabt. So ein Leben war nichts für mich, das hatte ich schnell gelernt, aber manchmal tauchten ihre Mitglieder an den seltsamsten Orten auf. Wie … in den öffentlichen Toiletten von Detroit.

»Du hast was mit Drogen zu tun, oder?«, platzte ich heraus, bevor sie antworten konnte. »Siehst du auch kleine fliegende Drachen und so? Deshalb bist du hier drin und redest von Kräften und Suppe. Ich nehm keine Drogen, weißt du. Die sind nichts für mich. Mein Leben ist auch so schon verrückt genug, also kannst du mit deinem komischen Gerede gleich wieder abhauen.« Mit der freien Hand fuchtelte ich herum und machte ein zischendes Geräusch, um sie zu verscheuchen.

Sie lachte erneut. »Drachen. Woher weißt du von den Drachen?« Sie zwinkerte, als wäre das der lustigste Witz, den sie je gehört hatte. »Es gibt einige davon in Faerie … wo alle Soups herkommen.« Zum ersten Mal, seit sie aus dem Schatten getreten war, rückte sie näher an mich heran und versperrte mir den einzigen Ausweg.

Mein Messer schnappte auf, bevor ich überhaupt darüber nachdenken konnte, doch sie schenkte der scharfen Klinge keine Beachtung.

»Hör zu, ich hätte nicht erwartet, dass du keine Ahnung hast, wer du bist«, fuhr Ilia fort, ihr Ausdruck plötzlich ernst. »Ich hätte es mir denken können, denn wir sind uns ja nicht mal ganz sicher, was du bist … aber in dir ist auf jeden Fall eine Menge Macht verborgen. Die wenigen Male, die du mit deiner Energie in Kontakt gekommen bist, war es auf der ganzen Welt zu spüren. Aber im Moment hältst du deine Kräfte unter Verschluss. Wie machst du das?«

Ich war mit bitte was in Kontakt gekommen? »Ich … was?«

»Deine Kräfte«, fuhr sie fort und gestikulierte, als wollte sie sagen: Komm schon, so schwer ist das doch nicht.

Ich schüttelte den Kopf. »Du bist genauso verrückt wie meine cracksüchtige Mutter, und die hat von Geistern, Gaben und Göttern geschwafelt.«

»Falsch.« Ilia schüttelte ebenso den Kopf. »Deine Mutter war auf keinen Fall cracksüchtig. Crack hat keine Wirkung auf Übernatürliche, und du, meine Liebe, bist zu hundert Prozent eine Soup.«

Übernatürlich wie … Supernatural. Oh, sie meinte Supe und nicht Soup … Ach du Scheiße.

Ich verschluckte mich und hustete. »Hast du gerade übernatürlich gesagt?« Trotz des kühlen Wetters fühlte es sich in dem Raum plötzlich etwas wärmer an.

»Du bist kein Mensch«, sagte Ilia geradeheraus. »Ich weiß allerdings nicht genau, welcher Spezies du angehörst.« Aufmerksam betrachtete sie mich. »Ich dachte, ich würde es merken, sobald ich dir näher komme, aber … es ist schon seltsam.« Sie hielt einen Finger hoch. »Ein Vampir bist du sicher nicht, diesen Teil deines Wesens könntest du nicht so leicht verbergen.« Sie hob einen zweiten Finger. »Du könntest eine Gestaltwandlerin sein mit den unterdrückten Kräften, aber … das bezweifle ich.« Dritter Finger. »Eine Magiewirkende wäre eine plausible Möglichkeit, genauso wie eine Fey. Aber ich glaube nicht, dass wir das herausfinden werden, bevor ich dich zur Academy gebracht habe.« Dann ließ sie ihre Hand fallen und lächelte strahlend. »Ich bin deine übernatürliche Inkassobeauftragte. Es scheint, als wollten sie in der Academy mit dir besprechen … was auch immer du bist. In unserer Welt kann niemand Geheimnisse leiden. Die enden meist für alle schlecht. Du, meine kleine Supe, gehst also wieder zur Schule.«

Wäre ich der Typ dafür, in Ohnmacht zu fallen, wäre mir genau jetzt schwarz vor Augen geworden, und ich hätte mir den Kopf am Waschbecken aufgeschlagen. Aber ich war aus härterem Holz geschnitzt. Jeder, der in denselben Vierteln wie ich gekellnert hatte, würde mir zustimmen. Aber … hatte sie wirklich Vampire und Gestaltwandler gesagt? Also … ernsthaft?

Meine Stimme war monoton. »Ich will, dass du mich jetzt in Ruhe lässt, Ilia. Genau. Jetzt!«

Sie bewegte sich nicht, grinste nur, während sie mich mit ihren glitzernden Augen beobachtete. »Ich mag dich«, sagte sie, und ihr Lächeln wurde breiter. »Ich glaube, wir werden gute Freundinnen sein.«

Unwahrscheinlich. Ich hatte keine Freunde; ich war seit Jahren allein. Am Anfang waren Freunde Verbindlichkeiten gewesen, die ich mir nicht hatte leisten können, und dann war es zur schlechten Angewohnheit geworden, alle auf Abstand zu halten.

Ilia hielt mir eine Hand hin. »Maddison James, du musst mir jetzt genau zuhören …«

Die Bitch kannte meinen Namen. Woher kannte die Bitch meinen Namen?

»Du bist eine Übernatürliche, kein Mensch, und wenn du nicht mit mir kommst und deine Ausbildung antrittst, wirst du eines Tages die Kontrolle verlieren. Du wirst einen Menschen verletzen, und wenn das passiert, wird nicht die Academy hinter dir her sein. Dir werden die übernatürlichen Vollstrecker auf den Hals gehetzt, die unsere Kriminellen jagen und sie hinter Gitter bringen. Glaub mir, du willst nicht im Gefängnis enden.«

Ich hatte das Gefühl, dass mein Hirn gleich explodieren würde, und ich bereute es bereits, mir die Haare rosa gefärbt zu haben. Es fühlte sich ein bisschen so an, als wäre die hübsche Farbe an allem schuld.

Und woher zum Teufel kannte sie meinen Namen?

Trotzdem beschloss ich, vorerst mitzuspielen und dann abzuhauen, sobald sie unvorsichtig wurde. »Ich sage nicht, dass ich dir glaube …« Ich tat so, als würde ich mich entspannen, klappte mein Messer ein und steckte es zurück in meine Tasche. »Aber ich will auch niemanden verletzen. Die seltsamen Dinge in meinem Leben haben sich in letzter Zeit gehäuft« – das war nicht mal gelogen –, »also … vielleicht brauche ich wirklich Hilfe.«

Ilia musterte mich und schürzte dabei die vollen Lippen. Ich bemühte mich, meine Miene möglichst offen und neutral zu halten, aber irgendwas sagte mir, dass es bereits zu spät war. Hau ab.

Ich bewegte mich, doch ich war zu langsam. Sie stürzte sich auf mich, und bevor ich ausweichen konnte, schlossen sich ihre Hände um meine. Sie murmelte ein paar Worte, die definitiv nicht Englisch waren, und ich spürte ein heißes Pulsieren auf meiner Haut. Mit einem Schrei versuchte ich, mich von ihr loszureißen, aber sie war erstaunlich stark.

»Lass mich los, du Miststück!«, rief ich und kämpfte darum, von ihr wegzukommen. Als einen Moment später der Druck auf meinen Händen nachließ und sie sich zurückzog, erstarrte ich verblüfft. Zumindest, bis ich nach unten schaute und sah, dass meine Handgelenke von sich kreuzenden Lichtstrahlen zusammengebunden wurden.

Ilia senkte den Kopf und sah mir in die Augen. »Du wolltest abhauen, Maddison. Verkauf mich nicht für blöd. Damit du mir glaubst, musst du es mit eigenen Augen sehen.«

In mir wallte Panik auf und stach in meinem Bauch und meiner Brust, während ich um jeden Atemzug kämpfte. Ich hasste es, gefesselt zu werden; es war schon zu oft passiert, wenn die Freunde meiner Mutter beschlossen hatten, dass ein verdammt nerviges Kind weder gesehen noch gehört werden sollte.

»Bitte mach meine Hände los«, flehte ich und gab mein Bestes, das Zittern aus meiner Stimme herauszuhalten.

Ilia schüttelte den Kopf. »Tut mir leid. Niemand außer dem Princeps der Academy kann diese Fesseln lösen. Er hat mir die Inkantation beigebracht, die mit ihm verbunden ist. Eine Art Versicherung, dass du mitkommst.«

Mein Herz hämmerte in meiner Brust, und das Blut rauschte mir in den Ohren, während sich mein Sichtfeld verzerrte. Zum ersten Mal sah Ilia mich besorgt an und zog die perfekten Augenbrauen zusammen, als sie sich dichter zu mir beugte.

»Ich hab ein Problem damit, gefesselt zu sein«, gab ich zähneknirschend zu. »Das ist ein Trigger für mich.« Bevor sie mich zurückhalten konnte, wirbelte ich herum und schlug mit den Händen gegen den Rand des Waschbeckens, um die Fesseln zu lösen. Nichts passierte, außer einem stechenden Schmerz, der meine Arme hochschoss. Nach ein paar weiteren Versuchen war klar, dass dies kein normales Material war. Ich konnte es nicht zerbrechen, zerreißen oder meine Hände herauswinden.

Zitternd wandte ich mich wieder Ilia zu, die mich mitleidig ansah.

»Scheiße. Tut mir leid«, sagte sie sanft. »Ich wünschte, ich könnte sie entfernen, aber ich verspreche dir, dass ich dich so schnell wie möglich zur Academy bringen werde.«

Sie griff nach der Tasche, die ich vorhin fallen gelassen hatte, legte einen Arm um mich und zog mich näher an sich heran, während wir aus der Toilette gingen. Draußen schienen die Temperaturen noch weiter gefallen zu sein. Der Wind heulte und wehte kleine Schneeflocken heran. Meine Jacke war in meiner Tasche, und die konnte ich mit gefesselten Händen nicht erreichen, doch zum Glück hatten mir extreme Temperaturen noch nie besonders viel ausgemacht.

»Wie kommen wir zu dieser Akademie?«, fragte ich. Mittlerweile hatte ich mich mehr oder weniger damit abgefunden, dass ich aus dieser Sache nicht so einfach herauskommen würde. Jedenfalls noch nicht. Ich konnte nicht mal meine Hände bewegen. Und um diese Fesseln loszuwerden, hätte ich alles getan – also würde ich noch eine Weile mitspielen müssen.

Apropos Fesseln: Sie waren so bizarr, dass ein Teil von mir anfing, zu glauben, was sie mir erzählt hatte. Erneut schossen mir die Begriffe durch den Kopf: Vampire, Gestaltwandler, Fey und Magiewirkende … Übernatürliche … Akademien … Gefängnisse …

Was zum Teufel hatten mir meine rosa Haare nur eingebrockt?

KAPITEL 2

Ilia führte mich zu einem Auto in der Nähe. Es war zu dunkel, als dass ich das Modell hätte erkennen können, aber es war riesig und sah teuer aus. Sie riss die Hintertür auf und half mir beim Einsteigen – meine gefesselten Hände machten es zu einem ziemlichen Akt, die Balance zu halten.

Genau so hatte man mir schon einmal die Hände gefesselt, und die Erinnerung daran machte es mir schwer, nicht erneut in Panik zu geraten. Mein Kopf pochte, der Schrecken kratzte unaufhörlich an meinem Inneren. Nur durch reine Willenskraft gelang es mir, nicht hysterisch zu schreien.

Ich brauchte eine Ablenkung. Irgendetwas. »Fahren wir den ganzen Weg zu dieser Academy?«, fragte ich sie noch mal, zwar atemlos, aber immerhin verständlich. Mit Sicherheit lag eine Schule voller Vampire nicht einfach in einer normalen Straße in Detroit.

»Durchstieg«, sagte sie schnell, schob mich über die Rückbank und setzte sich neben mich. Wie bitte?

Moment mal … wenn sie mit mir hinten saß …

Ich wandte mich dem Fahrersitz zu und stieß einen kurzen erschrockenen Schrei aus, als ich im Rückspiegel große braune Augen entdeckte.

»Mach, dass sie die Klappe hält«, knurrte eine Stimme.

Was zum Teufel …?

Mit einem verdammten grünen Gnom in einem Fahrzeug gefangen zu sein, war einfach zu viel für mich. Am Rand meines Sichtfeldes wurde es dunkel.

»Sie wird ohnmächtig!«, hörte ich Ilia schreien. »Fahr los, Mossie. Der Durchstieg ist nicht mehr weit, und wir müssen sofort dorthin.«

Mossie. Selbst in meinem hysterischen Zustand war ich noch klar genug, um mich zu fragen, ob der Name auf seine grüne Haut und die spitzen Ohren anspielte.

Die Reifen quietschten, als der Wagen anfuhr, und ich konzentrierte mich darauf, gleichmäßig ein- und auszuatmen. Wir rasten um eine Kurve, und ich fiel quer über die breite Rückbank. Mossie fuhr viel zu schnell; sollten wir eine Vollbremsung hinlegen, würde es mir zum Verhängnis werden, dass ich nicht angeschnallt war.

Als er auf die Bremse trat, legte Ilia mir zum Glück eine Hand an die Schulter und verhinderte so, dass ich mit dem Gesicht voran in den Vordersitz knallte. Kurz darauf wurde ich halb aus dem Auto gehoben, während der eisige Wind um mich herumpfiff. Genervt schüttelte ich Ilia ab.

»Maddison, ich bin nicht deine Feindin«, sagte sie, als sie meine Tasche schulterte – die enthielt alle meine weltlichen Besitztümer.

»Ich wette, das sagst du zu all deinen Entführungsopfern«, pampte ich zurück.

Mossie sprang aus dem Auto und gesellte sich zu uns. Ich wechselte auf Ilias andere Seite, um so viel Abstand zwischen mich und den Gnom zu bringen, wie ich nur konnte.

»Ich bin kein Gnom«, sagte er mit seiner rauen Stimme. »Ich bin ein Kobold. Das ist ein Unterschied.«

Ich stolperte fast über den flachen Boden. »Du kannst meine Gedanken lesen?«, flüsterte ich. »Weißt du, wie verdammt unhöflich das ist?«

Mossie grinste Ilia an, sodass seine spitzen Zähne zu sehen waren. »Sie scheint sich bereits an die übernatürliche Welt zu gewöhnen. Ein Mensch hätte als Erstes gefragt, wie es sein kann, dass ich ihre Gedanken lese, aber nicht Maddison.«

»Ich heiße Maddi«, sagte ich steif. Keiner nannte mich Maddison. »Und ich habe einfach angenommen, dass Gnom… Kobolde Gedanken lesen können.«

Er warf mir einen Blick zu, den ich angesichts der fremden Gesichtszüge nicht entziffern konnte. Seine Haut sah lederartig aus, rau mit Knubbeln auf Wangen und Nase. Sie hatte die Farbe vom Laub eines Regenwaldbaums, nur die Ohren waren khakifarben und etwas heller. Er konnte nicht größer sein als eins zwanzig, aber er war flink und sah kräftig aus.

So was hatte ich bisher nur in Filmen gesehen, und ihn anzustarren, half mir wirklich, mich von der Tatsache abzulenken, dass ich immer noch gefesselt war.

»Wir können nur Gedanken lesen, die auf uns projiziert werden«, erklärte Mossie, als wir uns weiter vom Wagen entfernten. »Wenn du etwas in meine Richtung denkst oder manchmal sogar über mich, dann kann ich den Gedanken auffangen.«

Gut zu wissen. »Ist das was, das alle Supes« – das Wort fühlte sich auf meiner Zunge fremd an – »tun können?«

»Nein«, sagte Ilia und schüttelte den Kopf. »Nur ein paar der Halbfey haben diese Fähigkeit. Und vielleicht einige sehr mächtige Hexenmeister, aber um die musst du dir keine Sorgen machen. Die Gabe ist extrem selten.«

Alles klar. Natürlich. Nur Halbfey und mächtige Hexenmeister.

Was zum verfickten Teufel passiert hier gerade?

»Gleich da vorne ist der Durchstieg, den die Academy geöffnet hat«, sagte Ilia. »Schreist du gleich wieder?« Sie beäugte mich kritisch.

Ich zuckte mit den Schultern. »Ich hab nicht die leiseste Ahnung, was ein Durchstieg sein soll, also ja, wahrscheinlich.«

Mossie grinste und lenkte mich mit seinem gruseligen Aussehen erneut ab. Alles an ihm war beunruhigend, so viel stand fest. Wir bogen um die Ecke, duckten uns unter einem dichten Gebüsch hindurch, und Ilia blieb vor einem … wirbelnden Portal stehen. Anders konnte ich es nicht beschreiben.

»Äh, das fasse ich sicher nicht an«, sagte ich und wich ruckartig zurück. Was nicht ganz ungefährlich war, wenn man gefesselte Hände hatte. Sollte ich stolpern, würde ich meinen Sturz nicht abfangen können.

Ilia folgte meinen Bewegungen und blieb dicht bei mir. »Du hast keine andere Wahl. Wir bräuchten sonst Tage, um zur Academy zu kommen, und wir müssten mit Menschen in einem Flugzeug sitzen, weil unser Privatjet nicht hier ist. Ich bin sicher, du willst nicht, dass deine Hände tagelang gefesselt bleiben.«

»Ich hasse dich«, knurrte ich wütend.

Daraufhin wirkte sie beinahe verletzt. »Ich mache hier nur meinen Job! Jeder hat eine Aufgabe in dieser Welt, und ich bin dafür verantwortlich, dass Supes nicht ohne Ausbildung in der menschlichen Welt festsitzen.«

Fast hätte ich mich schlecht gefühlt, aber die Wahrheit war, dass sie mir mit ihrem Hokuspokus immer noch die Hände gefesselt hatte und nun versuchte, mich zu entführen. Also konnte sie mich mal. Ich hatte mich damit abgefunden, dass ich immer noch alles dafür tun musste, um diese blöden Dinger von meinen Handgelenken zu bekommen, und trat widerstrebend näher an den umherwirbelnden Durchstieg heran.

Mossie wartete geduldig. »Ich zeig es dir«, sagte er, ging zwei Schritte vorwärts und verschwand in dem Wirbel. Ich warf einen Blick hinter das Gebüsch, aber er war nicht einfach hindurchgegangen.

Es hatte ihn irgendwohin transportiert.

Ich keuchte und verschluckte mich an meiner eigenen Panik, als ich versuchte, erneut einen Rückzieher zu machen.

Ilia trat direkt hinter mich und stoppte mich. »Es tut nicht weh«, sagte sie mit einem Stöhnen und klang verzweifelt. »Du wirst es überleben.«

Sie hatte leicht reden, sie war ja offensichtlich an diese Welt gewöhnt. Eine Welt, von der ich nicht sicher war, ob sie wirklich existieren konnte. Hätte ich nicht einen kleinen grünen Kobold als Beweis und gefesselte Hände, die ich befreien musste, wäre ich schreiend davongelaufen.

Aber ein Teil von mir wollte bleiben.

Um Antworten auf die vielen Fragen zu bekommen, die mir unter den Nägeln brannten.

Und die tiefste, dunkelste Wahrheit von allen war … was hatte ich schon zu verlieren? Ein weiteres Jahr kellnern und mich vor allen verstecken? Fuck, vielleicht war das die Veränderung, die ich mir erhofft hatte.

Oder … vielleicht würde ich ermordet und Teil eines Hexenkult-Rituals werden.

Wie auch immer, mein Leben hatte definitiv eine Kehrtwende gemacht.

Ich atmete tief durch, schloss die Augen und setzte einen Fuß in den Durchstieg.

KAPITEL 3

Als ich die Augen öffnete, befand ich mich in einem Winterwunderland. Weiße Felder, mit frischem Pulverschnee bestäubte Bäume und keine Spur von Zivilisation in Sicht.

»Tolle Schule«, sagte ich sarkastisch, als Ilia zu mir aufschloss. »Architektonisch gestaltet, wie ich sehe.«

Mossie schnaubte von irgendwo in der Nähe. Ich drehte mich und entdeckte den Kobold an einem schneebedeckten Baum lehnend. »Du wirst deinen Humor brauchen, um dich in dieser neuen Welt über Wasser zu halten«, antwortete er, noch immer kichernd.

»Wo sind wir jetzt?«, fragte ich. »Immer noch in Amerika?«

Er schüttelte den Kopf. »Nö. Europa. Die Academy ist in der Schweiz versteckt. Schon seit langer Zeit.«

Ich musste husten. Whoa. Meine erste Reise nach Übersee, und ich hatte noch nicht mal ein Flugzeug betreten. Was zum …

Magie.

Ich schluckte schwer, aber bevor ich den Verstand verlieren konnte, hakte Ilia sich bei mir unter und zog mich mit sich. Ich konnte nichts tun, um sie loszuwerden, nicht mit meinen gefesselten Händen.

»Komm, die Academy ist da drüben«, sagte sie aufgeregt. »Du wirst sie gleich sehen.« Sie zwinkerte mir zu. »Und sie wurde von Hexenmeistern entworfen, falls es dich interessiert.«

Ich schnaubte, doch unter dem Schock machte sich ein kleiner Anflug von Vorfreude bemerkbar. Ilia freute sich offensichtlich, wieder hier zu sein, und ich wollte es mit eigenen Augen sehen.

»Wie lange verfolgst du mich schon?«, fragte ich.

Sie zuckte mit den Schultern. »Plus/minus fünf Jahre.«

Ich schluckte, weil mir ein besonderes Datum einfiel. »Seit der Nacht, in der meine Mom gestorben ist?«

Ilia verzog das Gesicht. »In dieser Nacht hat deine Trauer einige deiner übernatürlichen Kräfte getriggert. Du hast eine Energiewelle in die Welt gesandt. Von da an hatten wir dich als unbekannte, mächtige Supe auf dem Schirm. Aber du bist zu schnell wieder verschwunden. Wir sind an dem Fall drangeblieben und haben dich jedes Mal verfolgt, wenn du eine Welle ausgesendet hast. In letzter Zeit ist deine Macht noch stärker geworden, was mir geholfen hat, die Suche einzugrenzen.«

Ich erinnerte mich noch genau an die Nacht, in der meine Mutter gestorben war. Sie hatte sich mit ihrem aktuellen Drecksack-Schrägstrich-Zuhälter-Schrägstrich-Drogenhändler-Schrägstrich-Freund gestritten. Er hatte sie ein wenig zu fest angepackt und ihren Kopf gegen den gläsernen Couchtisch geschmettert. Als ich dreißig Minuten später durch die Tür gekommen war, war er gerade dabei gewesen, ihren Körper in ein Laken einzuwickeln. Meine Schreie hatten seine Aufmerksamkeit erregt, und er war sofort auf mich losgegangen. Irgendwie, mit einer Kraft, die ich nicht hätte haben sollen, stieß ich ihn so hart, dass er gegen die Seite unseres Wohnwagens prallte und bewusstlos wurde.

Vielleicht war das die Energiewelle gewesen? Da hatte sich diese Hitze in meinem Magen ausgebreitet, aber sie war so schnell wieder verschwunden gewesen, dass ich sie als bloßes Adrenalin abgetan hatte.

»Gibt es da draußen noch andere wie mich?«, fragte ich leise. »Supes, die unter Menschen leben?«

Ein Teil von mir schalt mich, dass ich ihr Spiel nicht mitspielen sollte, aber dafür kam es mir zu real vor. Es ergab Sinn. Egal wie durchgeknallt es klang. Außerdem hatte sie einen Kobold und ein magisches Portal vorzuweisen.

Sie nickte. »Ja, es sind viel mehr, als du wahrscheinlich denkst. Aber du warst anders … jedenfalls für mich. Selbst als mein Vorgesetzter mit deinem Fall abgeschlossen hatte, konnte ich es nicht.«

»Warum nicht?«, fragte ich verwirrt.

Ilia zuckte mit den Schultern. »Ich konnte dich nicht so einfach ziehen lassen. Aus irgendeinem Grund hab ich mir Sorgen gemacht, dass du allein auf der Welt bist. Ich hab bei deiner Mom vorbeigeschaut, kurz nachdem sie gestorben war, und … hab eine Verbindung gespürt. Ich hab auch keine Familie mehr. Meine Mutter starb bei meiner Geburt, und meinen Vater kenne ich nicht.«

Ich konnte erkennen, dass es sie Überwindung kostete, das zuzugeben, was sie mir ein bisschen sympathischer machte. »Du hast an der Academy also deinen Platz gefunden? Ein Zuhause?«, fragte ich und versuchte, die Hoffnung zurückzudrängen, die in meinem Herzen aufkeimen wollte.

Hoffnung war eine Killerin. Jedes Mal, wenn ich mir mehr vom Leben erhofft hatte, hatte mich die Enttäuschung, wenn es nicht geklappt hatte, erdrückt. Irgendwann lernte man, gar nicht mehr zu hoffen.

Und die beschissene Realität zu akzeptieren.

»Ein besseres, als ich es je hatte«, antwortete sie. »Halte dich an die Regeln, mach keinen Ärger, und ich glaube, du wirst dort auch deinen Platz finden. Wenn du dich entscheidest, zu bleiben.«

Ich wollte sie nicht als Lügnerin bezeichnen, aber irgendwie bezweifelte ich, dass ich eine Wahl haben würde. Nicht, wenn der Princeps meine Hände magisch gefesselt hatte, nur um mich hierherzubringen. »Gehst du noch zur Schule?«

Ilia schüttelte den Kopf. »Genau genommen, nein. Ich bin siebenundzwanzig und hab letztes Jahr die Grundausbildung abgeschlossen. Ich besuche noch einige Spezialkurse, obwohl ich schon seit ein paar Jahren als Trackerin arbeite.«

»Was für Kurse?«

»Angriffsmagie, Waffenkunde, Zauberei für Fortgeschrittene.« Sie zuckte mit den Schultern, als ob das keine große Sache wäre. Angriffsmagie! »Meine Ausbildung in diesen Bereichen wird noch viele Jahre andauern. Mit einundzwanzig fängt man an der Akademie mit den Grundkursen an, das passt bei dir also perfekt.«

Wir pflügten immer noch durch das Schneefeld. Mossie war etwas weiter vorne und räumte einen schmalen Weg für uns frei. Gerade wollte ich fragen, wie weit die Schule noch entfernt war, da fiel mir ein leichtes Schimmern in der Luft auf.

»Das ist ein Schutzschild«, erklärte der Kobold und blickte zurück. »Er schreckt die Menschen ab und schützt diejenigen, die sich dahinter befinden, vor Gefahren. Nur Übernatürliche können eintreten.«

Er ging zuerst durch, und ich zögerte nicht, ihm zu folgen, denn ich wollte endlich diese Welt sehen. Ich schloss die Augen, und während ich gerade einen Schritt vorwärts machte, fragte ich mich, ob ich vielleicht abgewiesen werden würde. Das hier war der erste Test, ob ich wirklich eine Übernatürliche war.

Ein leichter Luftzug umgab meinen Körper, als ich die Schwelle überschritt, und ich war verblüfft, dass ich es tatsächlich geschafft hatte. Keine Ablehnung …

Ich hob den Kopf und stieß ein Keuchen aus. »Wow …«, hauchte ich.

Die Academy erstreckte sich, so weit das Auge reichte. Vier riesige Türme, die sich in ihrer Struktur und ihrem Design leicht voneinander unterschieden, standen um große Gebäude verteilt. Die Hauptmauern bestanden aus Ziegeln und Stein, und alles war uralt, sowohl im Aussehen als auch in der Gestaltung. Als stünde diese Schule hier schon seit Tausenden von Jahren.

Als wir näher kamen, sah ich, dass sie von einem breiten Wassergraben umgeben war. Aus dem Mauerwerk ragte ein Wappen, eingerahmt von eisernen Schnörkeln. Während ich vorwärtsstolperte und verzweifelt versuchte, dieser neuen Welt näher zu kommen, entdeckte ich immer neue Details.

Weitere in Stein gemeißelte Initialen in der Nähe der Hauptbrücke, Efeu- und Rosenspaliere entlang der Außenmauern, riesige Buntglasfenster, die über das Mauerwerk verteilt waren.

Das Gebäude besaß eine Präsenz, eine Geschichte, die es von anderen Bauwerken abhob. Es hatte eine Menge miterlebt. Und das galt nicht nur für die Bauten. Es lag so ein Gefühl in der Luft, dasselbe, das ich bei Ilia bemerkt hatte, wenn sie mit Leidenschaft sprach. Es erinnerte mich an statische Elektrizität, die mir einen Schlag verpasste und ein Kribbeln über den Rücken jagte.

Ilia legte eine Hand auf meinen Arm, als würde sie diesen Moment mit mir teilen.

»Das hier ist die Supernatural Academy«, sagte sie voller Stolz. »Sie wurde im Jahr 1455 von einer kleinen Gemeinschaft von Supes gegründet, die aus dieser Gegend kamen. Sie wollten einen sicheren Ort für ihre Kinder, damit diese etwas über ihre Welt lernen konnten. Es ist so konzipiert, dass man zunächst die Junior School für Supes besucht und dort die Grundlagen lernt: Lesen, Schreiben, Rechnen und so weiter. Dort übt man auch, wie man sich in die Welt der Menschen einfügt. Wenn man dann älter ist, kann man seine übernatürlichen Fähigkeiten an der Academy ausbauen.«

Ich schüttelte den Kopf. »Aber warum fängt man erst so spät an? Ich meine, warum all die Jahre auf Menschenschulen verschwenden und erst mit einundzwanzig etwas über das Übernatürliche lernen?«

»Die meisten von uns bekommen erst in der Pubertät oder noch später stärkere Kräfte oder Fähigkeiten«, erklärte Ilia. »Ich war damals siebzehn, und die meisten anderen Supes, die ich kenne, waren noch älter. Es gibt also keinen Grund, Fortgeschrittenenkurse für Jüngere anzubieten.«

»Es ist außerdem wichtig, dass man unter Menschen nicht heraussticht«, fügte Mossie mit trockener Stimme hinzu. »Kobolde und die meisten anderen Halbfey brauchen das natürlich nicht mal zu versuchen.« Mit einer Hand strich er über seine unebene grüne Haut. »Aber für die vier anderen Spezies ist es von grundlegender Bedeutung, dass unsere Welten sicher miteinander verbunden bleiben.«

Das ergab wohl Sinn.

»Also wissen die Menschen nicht von euch … ich meine, von uns?«

»Ein paar schon«, sagte Ilia schnell. »Es gibt Gilden, die uns den Weg in die Menschenwelt ebnen, und noch ein paar andere sind in das Geheimnis eingeweiht, aber im Großen und Ganzen wissen die Menschen nichts davon.«

Mossie schnaubte. »Die Gehirne der Menschen können das Wissen um uns nicht wirklich verarbeiten, ohne in den Wahnsinn getrieben zu werden. Es ist besser so.«

Nachdem ich die letzten vierzig Minuten mit dem Versuch verbracht hatte, es selbst zu verarbeiten, verstand ich die Argumentation irgendwie.

Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder der Schule zu. »Ich kann das alles immer noch nicht glauben«, sagte ich. »Die rationale Seite meines Gehirns versucht ständig, das, was ich sehe, anzuzweifeln … plausible Ausreden zu finden, um alles zu erklären.«

Mossie lachte, was wie ein seltsames Bellen klang. »Die Barriere hat dich reingelassen. Es besteht kein Zweifel daran, dass du übernatürlich bist.«

Ich hatte da schon noch ein paar Zweifel.

»Ich bin bereit«, log ich trotzdem und setzte mich wieder in Bewegung. Hierfür wäre niemand bereit gewesen, aber ich war auf jeden Fall bereit, dass meine Hände befreit wurden. Wir gingen einen kleinen Abhang hinunter, unter unseren Füßen befand sich dichtes grünes Gras. »Hier drin schneit es gar nicht, und es ist auch nicht kalt«, bemerkte ich.

Tatsächlich fühlte es sich an wie ein milder Frühlingstag.

»Ja, das Wetter ändert sich hier täglich«, erklärte Ilia und zog die Brauen zusammen. »Was nervt, wenn man versucht, ein Outfit zu planen.«

Ich musste lachen, bevor ich merkte, dass sie es ernst meinte. »Täglich? Warum zum Teufel sollte jemand wollen, dass sich das Wetter täglich ändert?«

Sie tauschte einen Blick mit Mossie und zuckte mit den Schultern. »Vor langer Zeit hat man versucht, es regnen zu lassen, aber der Zauber ging schief. Und jetzt sind wir alle mit wechselhaftem Wetter gestraft. Auf dem Campus lässt sich gar nichts vorhersagen.«

Gut zu wissen. Was für ein beruhigender Gedanke, dass ich im Schlaf von einem zufälligen Ausbruch von Magie getötet werden könnte. Wir überquerten die breite Brücke, die zum Haupteingang führte, und ich starrte hinunter auf das glitzernde blaue Wasser.

»Geh da niemals rein«, warnte Ilia. Bei ihrem Tonfall riss ich neugierig den Kopf hoch. Ich liebte es, zu schwimmen. Ich liebte es sogar sehr. Aber es war schon lange her, dass ich mir diesen Luxus gegönnt hatte.

»Was ist da drin?«, fragte ich.

Sie erschauderte. »Vieles. Meerjungfrauen sind noch unter den zahmsten Kreaturen. Glaub mir, du willst da nicht rein. Das geht nie gut aus.«

Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, waren die Meerjungfrauen hier nicht so, wie sie in der Menschenwelt dargestellt wurden. Gedanklich notierte ich mir das auf der Liste von Dingen, über die ich mehr erfahren wollte.

Die Flügeltüren des ersten Gebäudes, das wir betraten, waren riesig. Sechs Meter hoch und fast so breit – sowohl beeindruckend als auch einschüchternd. Im Inneren befand sich ein offener, kreisförmiger Raum, der von dem Licht erhellt wurde, das durch die steinernen Bögen fiel, die sich an der Decke kreuzten. Zu beiden Seiten von uns standen gemeißelte Statuen in Form von unterschiedlichen Wesen. Bis auf einen Wolf, einen Bären und einen Panther erkannte ich die meisten davon nicht.

»Komm, wir müssen zum Büro des Princeps.« Ilia hakte sich wieder bei mir unter.

Mein Magen schlug einen Salto, während ich mich umsah. Der Eingangsbereich war menschenleer, und ich fragte mich, wo die ganzen Übernatürlichen waren. Der Gedanke, dass ich bald die verschiedenen Spezies sehen würde, von denen sie gesprochen hatte, lähmte mich. Vampire, Gestaltwandler, Fey und Hexen gehörten in Fantasyromane. Oder Gruselfilme.

»Wo sind denn alle?«, fragte ich und zwang mich, nicht länger so ein Schisser zu sein.

Mossie grinste, und dieses Mal zuckte ich nicht mal vor seinen spitzen Zähnen zurück. Ein Fortschritt. »Es ist Frühstückszeit. Sie werden beim Essen sein.«

Frühstück. Zu Hause war es wahrscheinlich schon ein Uhr morgens. Ilia warf mir einen beunruhigenden Blick zu. »O Scheiße. Wenn es Frühstück gibt, müssen wir vielleicht durch die Agora, um zu Princeps Jones zu gelangen. Er frühstückt immer mit seiner Tochter.«

Das klang gar nicht gut, aber bevor ich protestieren konnte, schob sie mich einen mit Fenstern gesäumten Gang entlang, in dem die gewölbten farbigen Scheiben zu meiner Rechten fast bis zur hohen Decke reichten und bunte Lichtstrahlen hereinließen.

Ilia ging schneller, und ich beeilte mich, Schritt zu halten. Mossie schlenderte in einem gemächlicheren Tempo hinter uns her, verlor jedoch nie den Anschluss. Meine Augen konnten sich nicht schnell genug bewegen, um alles zu erfassen. Ich wollte dieses uralte Gebäude unbedingt erkunden; es war anders als alles, was ich je zuvor gesehen hatte. Aber Ilia war auf einer Mission, und zumindest würde ich klarer denken können, sobald ich nicht mehr gefesselt war.

Meine Panik kam und ging in Wellen, und nur weil ich mich auf all den anderen seltsamen Scheiß konzentrieren konnte, saß ich nicht irgendwo in einer Ecke und wiegte mich vor und zurück.

Sobald wir die Agora betraten, schlug mir Lärm entgegen. Überall waren Menschen – Übernatürliche – zu sehen. Und damit meinte ich überall. Der Platz war so groß wie ein Footballstadion. Dutzende riesige Bäume waren in dem Bereich verteilt und Hunderte von Tischen. Sie waren aufgereiht wie in einer Cafeteria, nur dass wir uns im Freien befanden.

»Was passiert, wenn es regnet?«, hauchte ich, die Augen auf die Szene gerichtet, die sich vor mir abspielte. »Gibt es keine überdachte Cafeteria?«

Ilia schüttelte den Kopf, bevor sie mich weiter in das Chaos hineinzog. »Nein, wir essen alle hier. Die Magiewirkenden kümmern sich um den Regen.«

Wir fingen an, Aufmerksamkeit zu erregen, und ich war mir nicht sicher, ob es daran lag, dass ich gefesselt war, dass wir einen Kobold in unserer Mitte hatten oder dass Ilia hier bekannt war. Aber unzählige Augenpaare waren auf uns gerichtet, und der Lärm verstummte.

»Warum starren die uns an?«, flüsterte ich und versuchte, niemanden direkt anzusehen, während ich mit gesenkten Lidern so viel wie möglich in mich aufsaugte. Im Großen und Ganzen sahen alle Übernatürlichen wie Menschen aus. Groß, schön und verdammt unheimlich. Mossie war immer noch das Seltsamste, was ich je gesehen hatte, und ein kleiner Teil von mir entspannte sich.

Ilia drückte sich näher an mich heran. »Sie wissen, dass ich die mysteriösen Fälle herbringe. Sie versuchen nur, aus dir schlau zu werden und deine Energie einzuschätzen.«

Die Energie, die nur gelegentlich auftauchte und offenbar gar nicht leicht zu lesen war. Großartig.

Ich beschloss, nicht länger auf meine Füße zu starren, riss den Kopf hoch und ging mit so viel Selbstvertrauen wie möglich weiter. Als wir etwa die Hälfte der Agora durchquert hatten, erregte ein Tisch mit Mädchen meine Aufmerksamkeit – sie saßen unter einem der größten Bäume mit riesigen rosafarbenen Blüten. Ihre Blicke fühlten sich schwer an, und ich musste mich physisch dazu zwingen, nicht zurückzuschauen. Besser, ich machte mir an meinem ersten Tag in der Welt der Supes keine Feinde.

»Die Clovers«, flüsterte Ilia. »Halt dich von Kate fern; sie ist die Oberbitch und stammt aus einer Linie sehr mächtiger Magiewirkender.«

Man musste kein Genie sein, um herauszufinden, welche von ihnen Kate war. Sie saß in der Mitte, ihre Lakaien waren um sie herum verteilt. Ihr leuchtend rotes Haar lockte sich auf ihren Schultern, aus dunklen Augen sah sie mich finster an.

»Wird sie mich in eine fucking Kröte verwandeln, oder wie?«, zischte ich panisch.

»Keine Magie«, stieß Mossie hervor und schenkte der Oberbitch ebenfalls einen finsteren Blick. »Außerhalb des Unterrichts ist keine Magie erlaubt. Und schon gar nicht gegen andere Schüler.«

Ja genau, hier hielt sich bestimmt jeder an die Regeln. Mal im Ernst, Schulen waren doch die Orte, an denen alle Regeln gebrochen wurden. Bevor ich mich weiter hineinsteigern konnte, schritten wir am Tisch der bösen Mädchen vorbei, und ich richtete meine Aufmerksamkeit nach vorne, auf …

Heilige Mutter Gottes.

Mein Gehirn fühlte sich an, als würde es verbrennen, als ich den steinernen Mienen jener begegnete, die an einem Tisch in der Nähe der Clovers saßen.

Fünf Typen.

Mein Mund wurde trocken, als ich versuchte, mich daran zu erinnern, wie man atmet und gleichzeitig geht.

Sie alle starrten mich an, bis auf den in der Mitte, von dem nichts zu erkennen war außer schwarzes Haar mit silberblonden Strähnen, die im Sonnenlicht schimmerten. Die Nervosität, die ich angesichts Kates und ihres Mädchentrupps verspürt hatte, war nichts im Vergleich zu dem, was ich in diesem Moment fühlte.

Die vier Gesichter, die ich deutlich erkennen konnte, waren alle aus dem gleichen Holz geschnitzt. Mächtig, düster, gefährlich. Ich kannte diesen Blick nur zu gut. Mein ganzes Leben lang war ich davor weggelaufen, denn Mädchen, die sich mit solchen Männern einließen, überlebten in der Regel nicht bis zu ihrem nächsten Geburtstag.

Es war jedoch der fünfte, der sich immer noch nicht die Mühe gemacht hatte, in meine Richtung zu schauen, der einen undefinierbaren Blitz durch meinen Körper sandte. Es war eine Mischung aus Angst und … Faszination. Seine Schultern waren so breit, dass er ein gutes Drittel des Tisches einnahm, und ich wusste, dass er groß war – seine langen Beine waren zur Seite ausgestreckt. Aber es war die mächtige Aura, die ich um ihn herum spüren konnte, die meine Angst noch verstärkte.

Woher ich wusste, dass er eine mächtige Aura hatte, war mir ein Rätsel, aber ich war mir dessen sehr sicher.

»Sieh nicht hin«, sagte Ilia und klang zum ersten Mal so, als wäre auch sie nervös. »Die Probleme, die diese fünf mit sich bringen, willst du nicht. Halt dich von ihnen fern.«

»Wer sind sie?« Das musste ich einfach fragen. Als ich endlich den Blick von den Jungs abwandte, sah ich, dass sie die Augen weit aufgerissen hatte.

»Sie stammen von den alten …« Sie brach ab und schüttelte den Kopf. »Egal. Glaub mir einfach. Sie sind Furcht einflößend und mächtig und kein guter Einstieg in diese Welt.«

Ich nickte, denn ich hatte es bereits verstanden. Ihre Warnung hätte sie sich sparen können; ich hatte es vom ersten Moment an gewusst.

Sie bedeuteten Ärger.

KAPITEL 4

Als wir die Agora verlassen hatten, normalisierte sich mein Herzschlag wieder. Ilia führte uns in ein nahe gelegenes Gebäude, wo meine Augen einen Moment brauchten, um sich an die Lichtverhältnisse zu gewöhnen. Durch eine Tür betraten wir einen kleinen Raum, der aussah wie ein Büro. An einem Schreibtisch saßen ein großer Mann und ein zierliches blondes Mädchen, die sich gerade unterhielten, zwischen ihnen standen Teller und Besteck.

»Princeps Jones«, sagte Ilia und eilte auf ihn zu.

Der Mann erhob sich, und ich war erstaunt, wie jung und gut aussehend er war: dichtes dunkles Haar, dunkelbraune Haut ohne eine einzige Falte und fesselnde blaue Augen.

»Ilia, du hast sie gefunden!« Er beäugte mich ebenfalls. »Rosa Haare«, sinnierte er. »Gefällt mir.« Er trat näher heran. »Es ist schön, dich endlich kennenzulernen, Maddison James.«

Meine neue Haarfarbe hatte ich schon fast vergessen. Unsicher fuhr ich mit den Fingern hindurch. »Ja … es war Zeit für eine Veränderung. Und es ist … auch schön, Sie kennenzulernen, Princeps Jones.« Trotz der Entführung meinte ich das tatsächlich ernst. Zum ersten Mal hatte ich nicht das Gefühl, nur einen weiteren beschissenen Tag zu durchleben.

Er bedeutete mir, näher zu kommen, und erst als ich vor ihm stand, bemerkte ich, dass seine Eckzähne etwas zu spitz waren. »Vampir?«, platzte ich heraus, bevor ich schnell die Lippen zusammenpresste.

War das unhöflich gewesen? Ich hatte keine Ahnung, was in dieser Welt akzeptabel war.

Als er lächelte, machte sich Erleichterung in mir breit. »Wie ich sehe, findest du dich gut zurecht. Wusstest du schon von unserer Welt?«

Ich schüttelte den Kopf und starrte immer noch auf seine Zähne.

»Tja, du liegst richtig. Ich bin ein Vampir, genau wie meine Tochter Larissa.«

Sie stand auf und stellte sich neben ihren Vater. Als ich in ihre großen blauen Augen blickte – wie die ihres Vaters –, kämpfte ich gegen den Drang an, sie in meine Arme zu ziehen, um sie vor der Welt zu beschützen. Mit ihren eins fünfzig war sie zierlich, ganz anders, als ich es von einem Vampir erwartet hätte, hatte braune Haut und weißblondes Haar, was sie gleichzeitig ätherisch und süß wirken ließ.

Mein Blick fiel auf den Tisch, auf dem ihr Frühstück stand, und ich fragte mich, warum sie hier mit ihrem Vater aß und nicht draußen in der Agora.

War er besonders streng?

Er wirkte entspannt, aber der erste Eindruck täuschte oft.

»Hey«, sagte sie, ihre Stimme so zart wie ihr Gesicht. Sie senkte den Blick, was sie noch schüchterner wirken ließ. Entweder das oder sie wurde regelmäßig verprügelt – das hatte ich schon bei vielen Mädchen gesehen.

Ich starrte den Princeps an und fragte mich, ob sich hinter seiner Heiterkeit ein Monster verbarg. Er war ein Vampir. Vielleicht war es Teil ihrer Kultur, ihre Kinder zu misshandeln oder so.

Er starrte mich neugierig an, und ich wedelte mit den gefesselten Händen. »Würden Sie mich vielleicht von meinen Ketten befreien?«

Jetzt, da ich seine Tochter gesehen hatte, kamen die Worte etwas abgehackter rüber als ursprünglich geplant.

Er schenkte mir ein Lächeln, das aufrichtig wirkte. »Bitte entschuldige. Mir gefällt es gar nicht, dich so zu zwingen, aber diejenigen, die unter Menschen aufgewachsen sind, brauchen länger, um … die Wahrheit zu akzeptieren. Ich wollte nur, dass du ihr eine Chance gibst.«

Da konnte ich nicht widersprechen. Ich wäre abgehauen, hätte es keine magischen Fesseln gegeben.

Sobald meine Hände frei waren, löste sich die Anspannung, und ich konnte endlich frei atmen.

»Und was jetzt?«, fragte ich und rieb mir die Handgelenke, obwohl sie nicht mal schmerzten.

»Jetzt … musst du eine Entscheidung treffen, Maddison Marie James«, sagte Princeps Jones und benutzte meinen vollen Namen. »Willst du hier an der Academy bleiben, wo du die nächsten vier Jahre damit verbringen wirst, etwas über deine Fähigkeiten und dein übernatürliches Erbe zu erfahren? Du würdest Freunde fürs Leben finden und mehr lernen, als du dir je vorstellen kannst.« Er hielt inne. »Oder willst du das alles aus Angst wegwerfen?« Erneut hielt er inne. »Sei jedoch gewarnt. Wenn du dich nicht für diese Akademie entscheidest, musst du trotzdem in unserer Welt bleiben, bis wir herausfinden, welcher Spezies du angehörst, und dich ausgebildet haben. Die nächstgelegene Stadt, die das übernehmen kann, ist in Deutschland. Ich fürchte, unter Menschen zu leben, ist für dich nicht mehr sicher oder praktikabel.«

Tja, wenn er es so ausdrückte …

In mir kämpften widersprüchliche Gefühle, denn ich fühlte mich manipuliert. Andererseits war ich eh schon hier, und an der Academy zu bleiben, schien mir eine bessere Entscheidung zu sein als in einer unbekannten Stadt in Deutschland.

»Was genau hat diese Schule mir zu bieten«, fragte ich vorsichtig, »und wie viel kostet sie?«

Princeps Jones lächelte; allen war klar, dass sie mich am Haken hatten, aber mein Motto war, es den anderen nie zu leicht zu machen.

»Gut, dass du fragst. Ich gebe dir jetzt einen kurzen Überblick, und dann können wir uns morgen vor dem Unterricht in meinem Büro treffen, und ich werde mehr ins Detail gehen.«

Das klang wie ein Plan, bei dem ich mitgehen konnte.

»Du wirst dein eigenes Zimmer im Turm der Magiewirkenden bekommen«, begann Princeps Jones. »Jede Spezies hat ihren eigenen Turm, und da wir nicht wissen, wo du hingehörst, gehen wir vorerst einfach mal davon aus, dass du zu den Hexen gehörst. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich Vampire und Gestaltwandler ausschließen kann. Du bist also eine Hexe oder eine Fey … oder beides, falls du eine gemischte Spezies bist. Wie auch immer, wir werden es früher oder später herausfinden.«

Hexe oder Fey. Ich ließ mir beides durch den Kopf gehen und versuchte, eine Verbindung zu einem von ihnen herzustellen.

»Du wirst an Kursen deiner Wahl teilnehmen«, fuhr er fort, »zusammen mit einigen grundlegenden, die wir dir zuweisen – Bausteine für deine Zukunft in dieser Welt. Sobald wir deine Spezies kennen, können wir genauer werden. Wie ich schon sagte, wirst du Freunde finden, die so sind wie du, wirst etwas über deine Geschichte erfahren, und du wirst deinen Platz finden, wie du es in der menschlichen Welt nie könntest.«

Weil ich kein Mensch war.

»Haben Übernatürliche einen Job? Also … nachdem sie mit der Schule fertig sind?« Ich fragte mich, wozu das alles dienen sollte.

Er nickte. »Ja. Einige arbeiten im übernatürlichen Strafvollzugssystem, aber es gibt noch viele andere Aufgaben, die über unsere Gemeinden verstreut sind. Das hängt von deiner Spezies ab.«

»Also was sagst du?«, drängte Ilia, trat näher an mich heran und legte ihren rechten Arm um mich. »Bitte sag, dass du bleibst. Ich könnte eine echte Freundin gebrauchen; alle aus meinem Jahrgang haben gerade ihren Abschluss gemacht, und mir bleiben nur noch gehässige Bitches wie Kate.«

Die Lippen des Princeps zuckten, aber er verkniff sich das Lächeln und rügte sie nicht wegen ihrer Wortwahl. Das gefiel mir. Eher fror die Hölle zu, als dass ich aufhören würde, zu fluchen.

»Ich bin mir immer noch nicht ganz sicher«, gab ich ehrlich zu. »Das ist eine Menge zu verarbeiten. Ein Großteil von mir glaubt, dass das hier ein Traum ist, aus dem ich gleich aufwache.« Ich erntete mehr als ein mitfühlendes Lächeln. »Es macht mir Angst, dass Sie nicht sagen können, welcher Spezies ich angehöre, aber ich will auch … nicht weglaufen. Sie hatten recht, als Sie gesagt haben, ich hätte keinen Platz in der Menschenwelt. Ich würde gern herausfinden, ob es hier anders ist.«

Ilia klatschte in die Hände und sprang ein paarmal auf und ab. Larissa schenkte mir ein schüchternes Lächeln.

»Fantastisch. Ich freue mich sehr, dass du unserer ehrwürdigen Schule beitreten wirst.« Er lächelte breit. »Wir können uns morgen vor dem Unterricht in meinem Büro treffen. Es wird der erste Unterrichtstag im neuen Schuljahr sein.« Er warf seiner Tochter einen Blick zu. »Ich schicke dir Larissa vorbei, sie wird dich begleiten.«

Das Mädchen schluckte schwer, diskutierte aber nicht mit seinem Vater.

»Sie ist genauso alt wie du«, fuhr er fort, als stünde sie nicht direkt vor ihm. »Aber sie ist im zweiten Jahr, ihr werdet also nicht dieselben Kurse belegen, trotzdem wird sie dir eine große Hilfe sein.«

»Sind Sie sicher, dass es wirklich um die Grundlagen gehen wird?«, fragte ich, weil ich langsam nervös wurde. »Ilia hat mir gesagt, dass man normalerweise zuerst auf die Junior School geht, aber … wenn alle mit dem Wissen aufgewachsen sind, dass sie Supes sind, und in übernatürlichen Gemeinden gelebt haben, dann hinke ich mit Sicherheit weit hinterher. Auch im ersten Jahr.«

Ich konnte mir nicht vorstellen, wie ich mit erwachsenen Supes, die diese Welt schon ihr ganzes Leben lang kannten, Kurse besuchen sollte.

Der Princeps schüttelte den Kopf. »Wir verbringen unsere Kindheit damit, die gleichen Konzepte wie Menschen zu lernen. Lesen, Schreiben, Naturwissenschaften. Wir müssen in der Menschenwelt existieren, deshalb ist es wichtig, dass sich unsere Kinder bei Bedarf integrieren können. Erst in der weiterführenden Schule konzentrieren wir uns mehr auf die übernatürlichen Aspekte unserer Welt.«

Ziemlich genau das, was Ilia gesagt hatte, was mich ein wenig beruhigte. Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, dass sie ihre Geschichte vielleicht ein bisschen ausgeschmückt haben könnte, damit ich blieb.

»Du schaffst das schon«, sagte Larissa leise. »Du wirst schnell aufholen.«

Das bezweifelte ich. »Ich will einfach nicht auffallen«, gab ich zu.

Larissa kicherte süß, und ich blinzelte sie an. Ich war nicht die Einzige. Sogar ihr Vater machte große Augen. Irgendwann wurden ihr unsere Blicke zu viel, und ihr Lachen verstummte.

»Du wirst nie in der Menge untergehen«, sagte sie leise. »Ich kann jetzt schon sehen, dass du einzigartig bist. Deine Kräfte und deine Spezies sind vielleicht noch nicht ganz klar, aber dein Blut riecht stark und fremd.« Sie deutete auf mein Haar. »Und du hast Sommersprossen und wunderschönes rosa Haar. Hier färben sich nicht viele die Haare, damit wirst du also besonders auffallen.«

Ilia nickte. »O ja, du bist außerdem verdammt heiß. Das mit den Sommersprossen … ich bin neidisch. Es besteht nicht die geringste Chance, dass du in der Menge untergehst. Selbst wenn du dir Mühe gibst.«

Ich schnaubte. »Soweit ich sehen kann, sind alle Supes verdammt heiß, also glaube ich nicht, dass mein Aussehen da herausstechen wird.« Dass sie so auf meine Sommersprossen abfuhren, brachte mich zum Lachen. Früher hatte ich sie gehasst wie die Pest, aber mittlerweile hatte ich gelernt, sie zu akzeptieren. Selbst wenn ich Make-up trug, deckte ich sie nicht mehr ab.

Ich wartete darauf, dass alle zustimmen und in mein Lachen mit einstimmen würden, aber niemand tat es. »Du hast etwas Anziehendes an dir«, sagte Mossie. »Normalerweise fühle ich mich nur zu Halbfey hingezogen, aber du, Mädchen … irgendwas an dir ist besonders.«

Toll, ich hatte also etwas Anziehendes an mir. Das würde mich sicher auf keinen Fall in Schwierigkeiten bringen.

»Wie kommt es, dass ich da draußen keine anderen Halbfey gesehen habe?«, fragte ich. »Alle sahen so aus … wie ich.«

Und Mossie sah definitiv nicht aus wie ich. »Wir haben unsere eigene Schule«, sagte er knapp. »Auf der anderen Seite des Wassers. Gegenüber der Stelle, wo wir reingekommen sind. Halbfey ziehen es vor … ihre Kurse selbst zu gestalten.«

Ich nickte, weil ich keine Ahnung hatte, was ich erwidern sollte.

Ein lautes Glockenspiel ertönte, und Princeps Jones setzte sich in Bewegung. »Ich habe eine Besprechung, aber wir sehen uns morgen, Maddison. Passt auf sie auf«, rief er seiner Tochter und Ilia zu.

Dann verschwand er durch die Tür, und wir vier starrten uns an.

»Ich muss auch zurück zur Halbfey Academy«, sagte Mossie. An meiner Seite hielt er inne und stupste mich an. »War schön, dich kennenzulernen, Maddi.«

»Äh, gleichfalls«, sagte ich und meinte es überraschenderweise ernst. In der kurzen Zeit, seit ich zum ersten Mal seine fremdartigen grünen Gesichtszüge gesehen und daraufhin geschrien hatte, hatte sich viel für mich verändert. Ich konnte fast nicht glauben, dass es erst eine Stunde oder so her war.

War es normal, sich so schnell anzupassen? Darüber konnte ich mir wohl später noch Sorgen machen.

Nachdem er gegangen war, standen wir drei etwas unbeholfen herum. Larissa starrte wieder auf den Boden, und da ich von Natur aus unverblümt war, trat ich in ihren persönlichen Bereich ein. Ihr Kopf ruckte hoch.

»Schlägt dich dein Vater?«, fragte ich und hoffte inständig, dass ich mich irrte. Vor allem, weil ich nicht glauben wollte, dass Princeps Jones so tun könnte, als wäre er ein liebevoller Vater, und auch, weil ich niemals auf eine Schule gehen würde, deren Direktor ein Missbrauchstäter war.

Ich wartete darauf, dass sie es leugnete – fast alle Opfer leugneten es. Sie wussten, dass noch mehr Missbrauch auf sie zukommen würde, wenn ihre Peiniger jemals herausfänden, dass sie darüber geredet hatten.

Es ging vor allem darum, auf die kleinen Reaktionen zu achten, die mehr sagten als Worte. Zugegeben, ich kannte Larissa noch nicht gut, aber oft waren die Anzeichen ziemlich offensichtlich.

Sie schüttelte den Kopf und blinzelte mich an. In ihrem Blick lag keine Panik, sie sah schockiert aus, völlig fassungslos, dass ich sie das gefragt hatte. »O Götter! Nein! Niemals! Er würde jeden umbringen, der mir wehtut.«

Meine Erleichterung war riesig. Sofern sie nicht sehr, sehr gut schauspielern konnte, sagte sie die Wahrheit.

Sie rieb sich mit einer Hand über das Gesicht und seufzte. »Mein Vater beschützt mich. Ich bin zwar ein Vampir, aber ich bin schwach. Meine Mutter ist gestorben, als ich noch klein war, ihre Halsschlagader wurde von einem Rivalen meines Vaters zerfetzt. Überall war Blut … Als es an der Zeit war, mich von der Vene zu ernähren, schaffte ich es nicht. Alles, woran ich mich erinnern konnte, war der Geruch ihres Blutes überall.« Hustend schüttelte sie den Kopf. Ihr Schmerz war spürbar. »Deshalb ernähre ich mich nur von abgefülltem Blut«, endete sie.

»Und die meisten anderen Vampire …?«, fragte ich leise.

Larissa nickte. »Jep. Die beißen in die Vene und trinken das Blut direkt.«

Alles klar. Das hätte ich mir denken können. Immerhin hatte ich schon ein oder zwei Vampirgeschichten gelesen.

»Das mit deiner Mutter tut mir so leid«, sagte ich ehrlich. »Ich hab auch die Leiche meiner Mutter gefunden. Ich weiß genau, was es mit einem macht.«

Larissa schenkte mir ein trauriges Lächeln, und dabei kam mir eine Erkenntnis. So wie Ilia vorausgesagt hatte, dass wir Freundinnen werden würden, wusste ich irgendwie, dass auch Larissa meine Freundin sein würde.

»Du sitzt ab jetzt bei mir«, verkündete ich. Ich hasste es, dass sie hier drin so isoliert war, weit weg von allen anderen.

»Und bei mir«, fügte Ilia hinzu.

Ich lächelte sie an. »Du bleibst hier?«



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