Survival Quest: Der Weg des Schamanen - Vasily Mahanenko - E-Book
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Survival Quest: Der Weg des Schamanen E-Book

Vasily Mahanenko

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Beschreibung

Daniel Mahan wurde reingelegt: Statt ein gespiegeltes und damit harmloses Sicherheitssystem zu hacken, wie vereinbart, dringt er unwissentlich ins echte System ein. Er wird zu acht Jahren Haft verurteilt, die er aber nicht im Gefängnis, sondern innerhalb des Online-Computerspiels Barliona absitzen muss. Dort soll Daniel Zwangsarbeit in einer Mine leisten. Doch es gibt Möglichkeiten, die Strafzeit in der Mine zu verkürzen und sogar ins normale Hauptspiel zu gelangen. Fortan setzt Daniel alles daran, diese Queste zu meistern!

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Inhalt

CoverÜber dieses BuchÜber den AutorTitelImpressumKapitel 1: EinleitungKapitel 2: Die Pryke-Mine. Der AnfangKapitel 3: Die Pryke-Mine. Der erste TagKapitel 4: Die Pryke-Mine. Die erste WocheKapitel 5: Die Pryke-Mine. Die ersten Monate: Teil 1Kapitel 6: Die Pryke-Mine. Die ersten Monate: Teil 2Kapitel 7: Die Pryke-Mine. Die ersten Monate: Teil 3Kapitel 8: Die Pryke-Mine. Die ersten Monate: Teil 4Kapitel 9: Die Dolma-Mine: Teil 1Kapitel 10: Die Dolma-Mine: Teil 2Kapitel 11: Der DungeonKapitel 12: Die Rückkehr

Über dieses Buch

Daniel Mahan wurde reingelegt: Statt ein gespiegeltes und damit harmloses Sicherheitssystem zu hacken, wie vereinbart, dringt er unwissentlich ins echte System ein. Er wird zu acht Jahren Haft verurteilt, die er aber nicht im Gefängnis, sondern innerhalb des Online-Computerspiels Barliona absitzen muss. Dort soll Daniel Zwangsarbeit in einer Mine leisten. Doch es gibt Möglichkeiten, die Strafzeit in der Mine zu verkürzen und sogar ins normale Hauptspiel zu gelangen. Fortan setzt Daniel alles daran, diese Queste zu meistern!

Über die Autorin

Vasily Mahanenko wurde 1981 im russischen Severodvinsk geboren. Er gehört zu den erfolgreichsten Autoren des neuen Genres LitRPG, das Elemente des Online-Gamings mit SF- und Fantasyliteratur kombiniert. Während seiner Studienjahre an der Belgorod State University, wo er Physik und Mathematik studierte, war Mahanenko selbst begeisterter Gamer. Er lebt mit seiner Frau und seiner Tochter in Moskau.

VASILY MAHANENKO

DER WEG DES

SCHAMANEN

SURVIVAL QUEST

Roman

Aus dem Russischen von Carola Kern

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Deutsche Erstausgabe

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2015 by Vasily Mahanenko

Copyright © 2015 by Magic Dome Books

Titel der russischen Originalausgabe: »Мир Барлионы 1: Путь Шамана. Начало Пути«

Agreement by Wiedling Literary Agency

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Dr. Frank Weinreich, Bochum

Titelillustration: © Valdimir Manyukhin

Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München | www.guter-punkt.de

eBook-Erstellung: hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7325-6093-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Kapitel 1: Einleitung

»… Befindet das Gericht den Angeklagten Daniel Mahan für schuldig, das Kontrollprogramm der städtischen Kanalisation gehackt und damit die Abschaltung des gesamten Systems verursacht zu haben. Er wird gemäß Artikel 637, Abschnitt 13 des Strafgesetzbuches zu acht Jahren Haft in einer Strafkapsel und zum Abbau von Bodenschätzen verurteilt. Der Haftort des Angeklagten wird automatisch vom System zugewiesen. Sollte der Sträfling die Bedingungen erfüllen, die in Artikel 78, Abschnitt 24 des Strafgesetzbuches festgelegt sind, erhält er die Möglichkeit, in die Hauptspielwelt zu wechseln. Dem Angeklagten werden vom Gericht folgende Eigenschaften zugewiesen: Volk: Mensch, Klasse: Schamane, Hauptberuf: Juwelier. Die Sinnesfilter der Kapsel werden für die gesamte Haftzeit abgeschaltet. Eine vorzeitige Entlassung ist möglich, wenn der Angeklagte die Gesamtsumme von 100 Millionen Goldmünzen bezahlt. Das Urteil ist rechtskräftig, es kann kein Einspruch eingelegt werden.«

Man sagt, Gott ist Wahrheit. Ich weiß es nicht. Vielleicht stimmt es, doch ich habe mich noch nie damit beschäftigt, und daher werde ich mich nicht darüber streiten. Denn jeder Streit ist übel, richtig übel. Das ist eine Wahrheit, die sich nicht bestreiten lässt. Ein Wortspiel, wenn ihr so wollt.

Erlaubt mir, mich vorzustellen. Wie bereits erwähnt wurde, ist mein Name Daniel Mahan. Ich bin ein dreißig Jahre alter Experte für IT-Sicherheit und alles, was damit zusammenhängt. Ich bin Freiberufler und wurde bis zu dem Zeitpunkt, als ich verurteilt wurde, regelmäßig von Unternehmen damit beauftragt, Exploits – also Programme, die Sicherheitslücken in Computersystemen finden – in dem Onlinecomputerspiel Barliona aufzuspüren. Dieses Spiel hat die ganze Welt eingenommen und ist für manchen Nutzer seine ganze Welt. Ich behaupte nicht, dass ich der beste Sicherheitsexperte war, doch ich war bestimmt auch nicht der schlechteste. Ich befand mich irgendwo zwischen genial und völlig nutzlos.

Jedes Jahr mussten alle Experten, die offiziell mit der Suche nach Exploits in dem Spiel beauftragt wurden, an einer Fortbildung teilnehmen. Worin wir fortgebildet werden mussten, blieb uns ein Rätsel. Die Suche nach Exploits war für viele von uns die einzige Einkommensquelle, doch das Unternehmen hatte strenge Anforderungen: Wer nach Schwachstellen suchen wollte, ohne gegen das Gesetz zu verstoßen, musste an dieser Fortbildung teilnehmen. Um das Ganze auf die Spitze zu treiben, ging es vor allem um neue Gesetze, die die Strafen für Hacker erhöhten, anstatt uns Hilfsmittel und Methoden an die Hand zu geben, um Exploits zu finden. Das Unternehmen hatte strenge Kontrollmaßnahmen ergriffen, um zu verhindern, dass internes Know-how an Außenstehende durchsickerte, schon gar nicht an uns. Heute waren wir vielleicht ehrlich und folgten den Regeln, doch schon morgen mochte sich schließlich jeder von uns als bösartiger Angreifer entpuppen und versuchen, Barliona zu hacken.

Bei einer dieser Fortbildungen ergab es sich, dass ich mit einer ausgesprochen attraktiven Frau an einem Tisch saß und eine Unterhaltung mit ihr begann. Leider war natürlich auch sie eine freischaffende Künstlerin. Alle, die nach Spiel-Exploits suchten, nannten sich so, egal ob sie irgendwo fest angestellt waren oder nicht. Ich war drauf und dran, mit hochtrabenden und obskuren Fachbegriffen um mich zu werfen in der Erwartung, die Frau würde mir, begeistert von meinem brillanten Verstand, in die Arme fallen. Doch weit gefehlt. Marina war intelligent und hatte reichlich berufliche Erfahrung: In ihrem Hauptberuf war sie für die Informationssicherheit des städtischen Kanalisationsnetzes verantwortlich, während die Suche nach Spiel-Exploits für sie nur ein Hobby war.

Ich hätte es besser wissen müssen. Sag einer Frau nie – besonders einer intelligenten Frau nicht –, ihr Job sei eines freischaffenden Künstlers nicht würdig. Unweigerlich kam es zu einem Streitgespräch. Schließlich, als mir nichts Besseres mehr einfiel, warf ich ihr mein Totschlagargument an den Kopf, warum man nicht bei der Kanalisation arbeiten sollte. Ich war sicher, damit den Sieg davonzutragen: »Da stinkt es!«

Offensichtlich hatte ich sie mit diesem Kommentar einmal zu oft geärgert. Sie wurde sogar so wütend, dass sie den Tisch verließ und unsere Bekanntschaft beendete, bevor sie richtig begonnen hatte. Wie schade. Ich hatte schon gewisse Pläne gemacht. Dann eben nicht. So vertiefte ich mich in einen weiteren Bericht darüber, wie das neue Gesetz das Strafmaß für das Hacken und Zerstören von Programmen erhöhte. Nicht zu glauben! Jetzt bekam man schon acht Jahre fürs Hacken. Das war echt übel.

In der Pause zwischen den Seminaren saß Marina wieder neben mir. »Du meinst also, dass mein Job von jedem Amateur erledigt werden kann?«, fragte sie in spitzem Tonfall, und ich bemerkte, wie sich eine Gruppe von Schaulustigen um uns versammelte.

»Etwas Derartiges habe ich nie behauptet. Ich habe nicht gesagt, dass du eine Amateurin bist. Ich meinte lediglich, dass diese Art von Arbeit einer Expertin deines Kalibers nicht würdig sein kann.«

»Das ist das Gleiche. Wenn ich dort arbeite, heißt das, ich bin nicht gut genug, um woanders zu arbeiten, und das bedeutet, dass ich eine Idiotin bin und kein Talent habe!« Es ist sinnlos, sich mit einer wütenden Frau zu streiten. Man kann sie nicht mit Argumenten überzeugen, und am Ende steht man vor allem als Trottel da.

»Lass uns über etwas anderes reden. Es ist meine Schuld. Ich entschuldige mich für die unglückliche Wortwahl. Ich lade dich zu Waffenstillstandsverhandlungen bei einer Tasse Tee oder Kaffee oder was immer du möchtest ein. Ich will mich nicht mit einer so schönen, bezaubernden Frau wie dir streiten«, versuchte ich, Marina den Wind aus den Segeln zu nehmen. Besser, sie war über meine Komplimente empört als über die Bemerkungen, die ich über ihre Arbeit gemacht hatte.

»Bist du verheiratet oder hast du eine Freundin?«

Die Frage ließ mich unfreiwillig erschauern, und ich schüttelte automatisch den Kopf. Marina ging offenbar zum Angriff über, und jetzt war ich es, dem der Wind aus den Segeln genommen wurde. Meine Befürchtungen wurden bestätigt, als mich ihre nächste Frage fast umhaute: »Würdest du gern mit mir ausgehen? Magst du mich?«

Verdammt, was ist mit den Frauen von heute los? Jetzt sind sie es, die sich den Männern an den Hals werfen, dachte ich still, musste dann aber zugeben, dass mir dieser »Angriff« ziemlich gut gefiel. Marina war wirklich eine attraktive Frau mit einer süßen Stupsnase, weshalb ich unbedacht nickte.

»Alle mal herhören!«, rief Marina plötzlich. »Wenn Daniel es schafft, innerhalb einer Woche das Sicherheitssystem zu hacken, das ich für den Imitator des städtischen Kanalisationssystems installiert habe, verspreche ich feierlich, mindestens einen Monat lang seine Freundin zu sein! Ich würde es auf keinerlei Art und Weise zeigen, falls ich irgendetwas unangenehm fände. Aber falls er es nicht schafft, muss er einen Monat lang bei der Kanalreinigung arbeiten und die Sperrwerke reinigen. Wie sieht’s aus? – Bist du für diese Wette bereit, Daniel? Es wird ein Test-Server mit einer vollständigen Kopie des Arbeitssystems für dich eingerichtet, und dein Hackversuch wird offiziell als Test unseres Sicherheitssystems aufgezeichnet. Bis morgen hast du alle nötigen Dokumente, die sicherstellen, dass du in den Augen des Gesetzes eine reine Weste behältst«, erklärte Marina und streckte die Hand aus, damit ich einschlagen konnte.

Wer zwang mich, diese Wette anzunehmen? Ich hätte die ganze Sache als Witz abtun und die Unterhaltung unter den Teppich kehren können. Wir hätten zusammen ein Bier trinken gehen und alles friedlich ausdiskutieren können. Aber Marinas Blick durchbohrte mich mit einer solchen Macht, dass ich unfreiwillig die Hand vor mir schüttelte.

»Großartig! Morgen bekommst du den Scan des Auftrags, die Sicherheit unseres Systems zu prüfen, und die virtuelle Adresse. In genau einer Woche werde ich wieder hier sein; entweder mit einem weniger schönen Job für dich oder bereit für eine Verabredung. Die Zeit läuft, du Held!«

Ein zustimmendes Murmeln ging durch die Menge, die sich um uns herum versammelt hatte, während ich völlig benommen dastand. Marina verließ den Raum, und sowohl Bekannte als auch Unbekannte kamen nach und nach zu mir, schlugen mir auf die Schulter, schüttelten meine Hand und boten mir ihre Hilfe beim Hacken an. Diese tolle Frau hatte angeboten, einen ganzen Monat mit mir zu verbringen, also wollten alle helfen. Und falls ich es nicht schaffen sollte, ging der Spaß auf meine Kosten und ich würde Sperrwerke reinigen.

Es stimmt, was die Leute sagen: Die bedeutendste Freundschaft im Leben ist die Freundschaft mit der eigenen inneren Stimme. Was hatte mich davon abgehalten, der meinen Beachtung zu schenken? Doch nachdem ich einmal in die Wette eingewilligt hatte, gab es kein Zurück mehr. Ich verbrachte die nächsten zwei Tage damit, Informationen über das »I. I.«, das Intelligenz-Imitationsprogramm des städtischen Kanalisationssystems, und über Marina zu sammeln, danach machte ich mich an die Arbeit.

Es klang übertrieben, ein Programm »I. I.« zu nennen. Jeder würde sofort denken, dass es sich um echte künstliche Intelligenz handelte, sich aufregen und ausrufen, dass in unserer Welt so etwas nicht möglich wäre. Und falls doch, käme die Menschheit auch ohne diesen »Segen« aus, weil sie sonst durch Maschinen ersetzt würden und wir alle ausstürben.

Man sollte jedoch nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, denn diese Imitationsprogramme verfügten über keine Persönlichkeitsmatrix. Wenn sie richtig programmiert wurden, zeigten sie Gefühle, Charakterzüge und was es da sonst noch so gab. Man konnte sie sogar dazu bringen, so überzeugend zu agieren, dass es bei einem Zusammentreffen mit ihnen schwierig war, sofort zu erkennen, dass man es mit einem Programm zu tun hatte. Doch die wichtigste Komponente, das Bewusstsein des eigenen Ichs, die fehlte ihnen.

Deshalb würde ein Programm niemals Fragen stellen wie: »Wer bin ich? Warum bin ich hier? Wie hoch ist mein Verdienst? Wann ist endlich Urlaub?« So etwas würde es nie tun – es sei denn, solche Parameter wären von Anfang an mit aufgenommen worden. Das bedeutete, dass es sich keine Sorgen um seinen Platz in der Welt machte und alle Funktionen haargenau ausführte.

Nach und nach waren diese sogenannten Imitatoren in allen Bereichen des menschlichen Lebens eingesetzt worden und an die Stelle von Menschen getreten. Nicht nur Menschen waren ersetzt worden, sogar Haustiere hatten Robotern, die wie Tiere aussahen, weichen müssen, die damit zu einem festen Bestandteil unserer Welt geworden waren. Natürlich gab es immer noch Leute, die an den alten Zeiten festhielten und die echten Fellbündel zu Hause hielten, doch jedes Jahr wurden es weniger. Hättest du nicht gern ein Haustier, das gleichzeitig als Wecker, Staubsauger, Bügeleisen, Wachmann und so weiter und so fort dienen kann, ohne dabei Haare zu verlieren, den Teppich zu verschmutzen und die Möbel zu ruinieren? Einen Gefährten, der all das kann und sich obendrein genauso verhält, anfühlt und aussieht wie deine vertraute Hauskatze? Ruf uns an … Verdammt, ich schweife ab.

Es hieß, dass die Menschheit durch die Entwicklung von Intelligenz-Imitatoren nur noch einen Schritt von der Verwirklichung echter KIs, also eines vollständigen Roboter-Verstands entfernt war, aber das war nur Spekulation. Immerhin gab es Gerüchte, dass künstliche Intelligenzen schon vor einiger Zeit irgendwo in militärischen Laboratorien entwickelt worden wären, sie zurzeit auch schon eingesetzt würden und sehr nützlich wären. Grundsätzlich war das Leben durch die Imitatoren glücklich und sorglos geworden. Andererseits war die daraus resultierende Arbeitslosigkeit für niemanden Grund zur Freude, wodurch die Spannungen in der Gesellschaft als Folge der Verbreitung von Imitatoren ständig zunahmen …

Richtig, ich schweife wieder ab. Zurück zum Thema.

Ich gewann die Wette. Zwei Tage lang sammelte ich alle Informationen, die ich im Internet über Marinas Bildungshintergrund und die Seminare und Fortbildungen, an denen sie teilgenommen hatte, finden konnte. Was sie eingerichtet hatte, musste auf dem Wissen basieren, das sie sich bereits angeeignet hatte, anstatt das Rad ganz neu zu erfinden. Ich hatte mir neue Hardware zugelegt, um mein geliebtes Notebook vor den Sicherheitssystemen zu schützen, die die Computer von glücklosen Hackern aggressiv angriffen, und begann mit dem eigenen Hack. Ich versuchte nicht einmal, mich hinter einer Kette von Servern zu verstecken, wie es Hacker-Genies für gewöhnlich tun. Warum auch? Ich arbeitete streng nach Auftrag, und nur eine einzige Person konnte meine Aktivitäten auf dem Test-Server verfolgen, und das war Marina. Ich war davon überzeugt, dass sie die ganze Woche an ihrem Arbeitsplatz sein und auf meinen Angriff warten würde. Darum gab es keinen Grund, irgendetwas zu verschlüsseln.

Für den eigentlichen Hack brauchte ich nur einige Stunden. Ich behielt recht: Sie hatte ein sehr seltenes, jedoch effektives Sicherheitsprogramm benutzt. Wie naiv von ihr. Der Entwickler dieser Software war einer meiner Bekannten, und als ich ihn kontaktierte und ihm die Situation erklärte, weihte er mich ein, wie ich es umgehen konnte. Dabei verriet er mir nicht nur, wie man es umging, sondern auch, wo ich den Angriff ansetzen sollte.

»Die Sicherheit ist solide, doch es kommt auf die Zugangseinstellungen an«, meinte mein Freund. »In Großstädten ist das ein Problem, besonders wenn es eine Reihe von idiotischen Vorgesetzten gibt, von denen jeder andere Forderungen stellt. Während der Erstinstallation mag noch alles in Ordnung sein, doch sobald das Programm läuft, treten Sicherheitslücken auf – sogenannte ›tote Seelen‹, die Zugangsrechte zum Setup haben. Ein einfacher Administrator kann hier nicht viel tun, denn solche Sicherheitslücken liegen jenseits seiner Zuständigkeit!«

Am Ende war es genauso, wie er es gesagt hatte. Es dauerte nur ein paar Stunden, bis das Analyseprogramm mehrere potenzielle Lücken identifiziert hatte, mit denen ich arbeiten konnte. Nun bedauerte ich es, mir die neue Hardware angeschafft zu haben, weil ich fälschlicherweise angenommen hatte, dass die Sache kompliziert und gefährlich werden würde. Ich verbrachte zwei Tage damit, den Angriff auf das Passwort akribisch vorzubereiten. Danach hatte ich kaum Zweifel an meinem Erfolg.

Ein kluger Mensch sagte einmal, dass der Teufel im Detail steckt.

Es stellte sich heraus, dass mehrere Zahlen in der extrem langen Nummer des Test-Servers (346.549.879.100011.011101.011011.110011) verwechselt worden waren. Wem der Fehler unterlaufen war – mir beim Eingeben oder Marina, als sie mir den Brief schrieb – blieb unklar. Tatsächlich aber brach ich nicht in das Testsystem ein, sondern in das echte System, welches das Kanalisationsnetz der ganzen Stadt kontrollierte.

Darum stand ich nun vor Gericht und vernahm das Urteil, das über mich gesprochen wurde.

Ich hackte den Server und brachte dabei das I. I. des städtischen Kanalisationsnetzes komplett zum Absturz. Sobald der Imitator nicht mehr funktionierte, verwandelte sich der große See im Stadtzentrum gegenüber dem Rathaus in ein übel riechendes Gewässer.

Das Unvorhersehbare war passiert: Die administrativen Parameter des I. I. waren ausgeschaltet worden, was zu einem Druckanstieg führte, sodass die Sammelrohre unterhalb der Stadt an mehreren Stellen platzten. Die unterirdischen Lecks fielen der Mehrheit der Bevölkerung nicht auf. Doch das Leck in der Mitte des Sees blieb von den Leuten, die sich für gewöhnlich vor dem Rathaus versammelten, um für ein Verbot von Imitatoren zu demonstrieren, nicht unbemerkt. Und sie erinnerten sich plötzlich daran, dass sie woanders etwas ganz Dringendes zu erledigen hatten. Das Gleiche galt für die Leute im Rathaus, und auch die Bewohner des Stadtzentrums hatten plötzlich das Verlangen, ihre Verwandten auf dem Land zu besuchen, wo die Luft frisch und sauber war.

Der Fall erregte große öffentliche Aufmerksamkeit, und man war der allgemeinen Auffassung, dass man es mit einem terroristischen Angriff zu tun hatte. Es fand eine Demonstration statt, bei der ein Ende der von Imitatoren betriebenen Dienstleistungen gefordert wurde, und die Ermittler nahmen ihre Arbeit auf, um den Schuldigen zu finden.

Da ich nicht einmal versucht hatte, meine Spuren zu verwischen, war es keine besondere Herausforderung für sie, mich zu finden.

Ich versteckte mich auch nicht. Sobald mir die Konsequenzen klar geworden waren, und ich wusste, dass die Polizei nach dem Täter suchte, stellte ich mich und gestand. Ich erwartete keine harte Strafe; vielleicht eine Verwarnung oder ein Bußgeld. Bestimmt nicht mehr.

Doch da hatte ich mich gewaltig geirrt!

Die Polizei hatte so viel Material zusammengetragen, dass ich vor Erstaunen den Kopf schüttelte, als ich es las. Eine Person war von dem Gestank krank geworden und verklagte deswegen die Stadt. Jemand anderem gefiel nicht, wie der See nach meiner »Aktualisierung« aussah, und er reichte eine Klage gegen die Stadt ein. Mehrere Leute verklagten die Stadt einfach, weil es der allgemeinen Stimmung entsprach. Im Großen und Ganzen beliefen sich die Verluste der Stadt auf etwa 100 Millionen, die mir voll und ganz angelastet wurden. Ich versuchte, mich auf das Dokument zu berufen, in dem stand, dass ich angeheuert worden war, um diesen Test durchzuführen. Doch die Anwälte der städtischen Kanalisation machten all meine Hoffnungen zunichte, indem sie erklärten, das Dokument wäre von einer Person unterzeichnet worden, die gar nicht die Befugnis besaß, externe Experten einzustellen. Der Vertrag sei somit gegenstandslos.

Das bedeutete, dass ich in der Tat einen Hackerangriff ausgeführt hatte und die Konsequenzen dafür tragen musste – und die hatten es in sich.

Ich wurde für alle Schäden verantwortlich gemacht und obendrein wegen Hackens angeklagt. Da ich mich gestellt hatte, durfte ich die Zeit während der Ermittlungen zu Hause verbringen, nachdem ich schriftlich erklärt hatte, keinen Fluchtversuch zu unternehmen. Um mich abzulenken, beschäftigte ich mich eingehend damit, wie ich mir in Barliona helfen konnte. Doch je mehr ich las, desto klarer wurde mir, dass mir dort gar nichts helfen konnte, überhaupt nichts.

Nun verhielt es sich so, dass die Aufrechterhaltung von Gefängnissen für die Regierung mit hohen Kosten verbunden war. Ja, ich spreche von nur einer Regierung, denn ab einem bestimmten Zeitpunkt hatte die territoriale Zersplitterung unserer Welt ihr Ende gefunden. Das alles war vor meiner Zeit passiert. Die Vereinigung hatte vor meiner Geburt stattgefunden, und im Geschichtsunterricht wurde gelehrt, dass dies der gemeinsame Wille aller Bürger gewesen wäre. Der Wille der Bürger? Es war wohl eher so, dass die Staatsoberhäupter sich untereinander geeinigt und die Leute vor vollendete Tatsachen gestellt hatten. Doch belassen wir es dabei, das spielte keine Rolle mehr. Jedenfalls war es so, dass, sobald die Imitatoren zu einem etablierten Bestandteil unserer Welt geworden waren und die Zahl der Arbeitslosen gestiegen war, sich die Gefängnisse in einem katastrophalen Ausmaß zu füllen begannen. Die Regierung stand vor der weltweiten Frage: Wie lösen wir das Problem der sozialen Unruhen und der steigenden Anzahl von Kriminellen? Man brauchte ein »Zuckerbrot«.

Und dann trat Peter Johnson mit einem Vorschlag vor die Regierung. Ihm gehörte die Fabrik, die Kapseln für virtuelle Spiele herstellte, einschließlich eines Spiels namens Barliona. Es war ein gewöhnliches Spiel, designt im »Schwert & Magie«-Stil einer mittelalterlichen Umgebung ohne Feuerwaffen oder Verbrennungsmotoren. Stattdessen gab es Magie, Orks, Zwerge, Elfen, Drachen und viele andere Dinge, die in der realen Welt nicht existierten. Wie bei ähnlichen Spielen dieser Art tauchte man bei Barliona voll in das Spiel ein, wobei die totale Immersion durch virtuelle Kapseln gewährleistet wurde. Eben die Kapseln, die in Johnsons Fabrik hergestellt wurden.

In der Kapsel verband sich der Spieler untrennbar mit seinem Charakter und fühlte alles, was der Charakter im Spiel fühlte, einschließlich Geschmack, der Form von Objekten, Freude, Müdigkeit und Schmerz. Die Aufsichtsbehörden verlangten jedoch, dass alle Sinnesempfindungen, die Spieler in Barliona wahrnehmen konnten, erst einmal blockiert wurden. Um die Sinneswahrnehmung einzuschalten, musste man sich einer psychologischen Begutachtung der psychischen Belastbarkeit unterziehen, um das Ausmaß des persönlichen Empfindungsvermögens feststellen zu lassen. Damit wurde festgelegt, bis zu welchem Grad die Sinneswahrnehmung in der Kapsel zugeschaltet werden konnte. Das Unternehmen kümmerte sich um seine Spieler.

Die Kapseln wurden für jede Person individuell kalibriert und versorgten die Spieler mit allem, was für einen langen Aufenthalt nötig war: von Nahrungsmitteln bis zum körperlichen Training durch Muskelstimulation über elektrische Impulse. Spieler konnten Monate oder sogar Jahre in einer Kapsel verbringen, ohne beim Verlassen unter körperlichen Beschwerden zu leiden.

Wie sah nun Mr Johnsons Vorschlag aus? Alle Sträflinge sollten gegen eine geringe Gebühr in seinen Kapseln an bestimmte Orte in Barliona geschickt werden, wo sie ihre Haftzeit mit sinnvollen Aktivitäten wie dem Gewinn von Rohstoffen aller Art verbringen würden. Diese Idee gefiel der Regierung, und nach einem einjährigen Experiment mit diesem virtuellen Gefängnis kauften sie die Rechte an Barliona und ernannten Johnson zum Generaldirektor eines neuen Staatsunternehmens. Man verabschiedete alle nötigen Gesetze, um den Status von Barliona als staatliches Spiel zu sichern, und die Regierung selbst agierte als Garant für die Spielwährung und ermöglichte den kostenlosen Umtausch in reales Geld. Es folgte eine Werbekampagne, woraufhin die Gelder in das Spiel zu fließen begannen.

Praktisch jeder, der mit seinem Leben unzufrieden war, rannte nach Barliona, um die Regierung zu betrügen, indem er mit dem Lösen von Quests, also Aufgaben innerhalb des Spiels, dem Abbau von Bodenschätzen oder dem Töten von Mobs, also Monstern aller Art, Geld verdiente, um anschließend sorgenfrei leben zu können. Wie naiv! Für das Abschließen von Quests bekam man zwar Spielgeld, das man leicht in echtes Geld umtauschen konnte, doch jede Handlung innerhalb des Spiels musste bezahlt werden, wenn auch nur mit kleinen Beträgen. Wollte der Spieler in ein Gasthaus einkehren, musste er bezahlen. Wollte er etwas haben, so kostete das Bares. Eine der wichtigsten Erfindungen, um den Spielern Geld zu entziehen, waren somit die Banken.

Eine von Barlionas Grundregeln besagte, dass ein Spieler beim Tod seines Charakters 50 % des Geldes verlor, das er erspielt hatte. Beim nächsten Tod verlor er weitere 50 % usw. Wenn ein Charakter von einem Mob getötet wurde und nach einigen Stunden wieder ins Spiel zurückkehrte, konnte er an den Ort seines Todes gehen und das verlorene Geld einsammeln, das dort auf dem Boden lag. Es sei denn, ein anderer Spieler hatte es sich bereits geholt.

Doch für gewöhnlich starben Spieler nicht durch Mobs, sondern wurden von anderen Spielern getötet, die es sich zum Ziel gesetzt hatten, durch diese sogenannten Player Kills Geld zu verdienen. Gegen solche Spieler wurden verschiedene Strafen verhängt: So war es erlaubt, sie bis zu acht Stunden nach jedem Tötungsversuch zu eliminieren. Wenn man jemanden, der Spieler tötete, einen Player Killer, kurz PK, umbrachte, erhielt man eine Belohnung, die man sich bei einem beliebigen Behördenvertreter abholte. Außerdem konnte ein PK nach einem Kill acht Stunden lang keine Erfahrungspunkte sammeln und mehr solcher Dinge. Trotzdem gab es Spieler, die gern andere eliminierten, wenn auch nur in einer virtuellen Welt.

Aus diesem Grund waren die Banken entstanden, bei denen die Spieler ihr verdientes Geld aufbewahren konnten. Gegen eine einmalige Gebühr erhielt man eine Karte für ein Konto, auf das niemand anders Zugriff hatte. Das Konto kostete 0,1 % der Gesamtsumme des eingezahlten Geldes, wobei der Betrag monatlich an die Bank gezahlt werden musste. Das mochte nicht viel erscheinen, doch schon ein Tausendstel von Barlionas Gesamtumsatz war eine enorme Summe, weshalb das Unternehmen das sogenannte PvP, also den Modus, dass Spieler versus Spieler kämpfen konnten, auch niemals verbieten würde.

Der nächste Schritt des Unternehmens, um Gewinne zu erzielen, war das Verkaufen der Arbeitsresultate der Sträflinge an die Hauptspielwelt. Die willkürliche Erzeugung von Rohstoffen wurde strafrechtlich verfolgt, und Sonderausschüsse achteten streng darauf, dass es nicht passierte. Doch beim Verkauf der Rohstoffe, die durch Straftäter erschlossen wurden, sah die Sache ganz anders aus: Diese Materialien waren durch echte Arbeit rechtsgültig erworben worden. Während der letzten 15 Jahre, seitdem Barliona zum staatlichen Spiel erklärt worden war, waren alle glücklich und zufrieden mit dieser Regelung. Die Spieler hatten Spaß an einem Qualitätsspiel, das Unternehmen nahm unvorstellbar hohe Summen ein, während es seine Kreation ständig verbesserte, und die Sträflinge blieben an den für sie vorgesehenen Orten und erschlossen Rohstoffe. Zurzeit spielten weltweit etwa 25 % der Weltbevölkerung über 14 Jahre Barliona, und die Anzahl stieg mit jedem Jahr. Die einzige Einschränkung für die Charaktere bestand darin, dass ein Spieler unter 18 Jahren keinen Zugang zum PvP-Modus hatte; weder als Opfer noch als Jäger. Und diese Regel wurde streng befolgt.

Es gab noch einen Umstand hinsichtlich der Sträflinge in Barliona, den ich wegen seiner Bedeutung erwähnen sollte. Etwa sieben Jahre nach dem Start von Barliona wurde ein Mädchen namens Elena von einer Verbrecherbande zusammengeschlagen und vergewaltigt. Ihr Nachname war Johnson und der Vorname ihres Vaters war Peter. Sie war die Tochter des Unternehmensdirektors. Sie und ihre Freunde waren auf die blöde Idee gekommen, durch eines der gefährlichsten Stadtviertel zu fahren, deren Bewohner immer noch gegen die Einführung von Imitatoren waren und nicht die Absicht hatten, sich in Barliona einzuloggen. Wie so oft in solchen Situationen ging ihnen plötzlich das Benzin aus.

Die Täter wurden nahezu umgehend gefasst, und Johnson selbst griff in den Prozess ein. Nein, er machte sich nicht einmal die Mühe, einen Kapsel-Unfall zu arrangieren. Er hatte etwas anderes im Sinn. Nach dem Prozess wurde ein Gesetz verabschiedet, das das Einschalten der sensorischen Stimulatoren der Sträflinge regulierte. Ursprünglich waren die Kapseln mit speziellen Filtern ausgestattet worden, die den Grad der Sinneswahrnehmung regelten, doch diese Filter wurden bei den Angreifern von Johnsons Tochter vollständig entfernt. Ich weiß nicht, welche Ergebnisse festgestellt wurden, doch nach etwa einem Jahr wurde das Gesetz erweitert, und nun verbüßten alle Häftlinge ihre Strafe ohne den Schutz der sensorischen Filter. Die Kriminalitätsrate ging stark zurück und es gab kaum Wiederholungstäter. Die Aussicht, mit deaktivierten Filtern Bodenschätze abbauen zu müssen, stellte sich als äußerst effektives Abschreckungsmittel heraus.

So weit, so gut. Jetzt erzähle ich euch noch etwas über die Eigenschaften, die mir per Gerichtsurteil zugewiesen wurden.

Volk des Charakters: Mensch. Menschen waren das erste Volk, das in dem Spiel erstellt worden war und das einzige ohne zusätzliche Boni außer schnellerem Ansehensgewinn bei den NPCs, also den Charakteren, die nicht von Spielern gesteuert wurden, sondern ins Spiel integriert waren. Menschen konnten keine Steinhaut bilden wie die Zwerge, sie hatten keine scharfen Augen oder besondere Fähigkeiten mit dem Bogen wie die Elfen. Ihr einziger Vorteil war die Reputation.

Die Schamanen-Klasse war ebenfalls eine der schwächsten Klassen in Barliona. Sie war universell und erlaubte einem, Schaden zuzufügen und Schaden zu heilen, doch beim Kampf Mann gegen Mann zogen Schamanen praktisch gegen alle anderen Klassen den Kürzeren. Das Beschwören der Geister dauerte einfach zu lange.

Mein Beruf als Juwelier hatte auch nicht viel zu bieten. In Barliona konnten es sich nur die reichsten Leute leisten, diesen Beruf zu perfektionieren. All die Dinge, die Juweliere herstellten – Verzierungen, Ringe, Ketten und dekorative Objekte – konnte man auch einfach bei NPC-Händlern kaufen. Die nützlichste Fähigkeit eines Juweliers, das Schleifen von Edelsteinen, lohnte die Arbeit nicht, die es erforderte. Juwelen waren zwar von großem Wert, doch um sich das Material für ihre Herstellung zu beschaffen, musste man Monate damit verbringen, Erz abzubauen und zu verarbeiten. Und selbst wenn man dann Edelsteine fand, war die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass sie beim Schleifen beschädigt wurden.

Natürlich bestand die Möglichkeit, sich zahllose andere Fähigkeiten anzueignen, doch dabei gab es eine wichtige Einschränkung: Keine davon durfte den Grundberuf um mehr als zehn Punkte übersteigen. Das war eine bescheuerte Einschränkung, aber man konnte nichts daran ändern.

Hinzu kam noch, dass mein Jäger, den ich über mehrere Jahre hinweg aufgebaut und in den ich viel Geld investiert hatte, gelöscht werden musste, weil nur ein Charakter zur gleichen Zeit in Barliona erlaubt war. Nachdem man seine Strafe verbüßt hatte, konnte man den Charakter, den man während der Haft gespielt hatte, weiterspielen, doch viele hatten nicht die nötige Stärke dafür. Es war psychologisch schwierig. Was meinen Jäger betraf, so würden mir alle Gegenstände und das Geld, das ich mit ihm verdient hatte, ausgehändigt. Aber erst nachdem ich entweder acht Jahre lang die Hacke geschwungen hatte oder in dem Moment, in dem mir erlaubt würde, die Minen zu verlassen und in die Hauptspielwelt zu wechseln. Dazu musste aber wohl ein Wunder geschehen. Manchmal wurden Sträflinge von der Rohstoffgewinnung befreit – höchstwahrscheinlich aus Versehen –, sodass sie den Rest ihrer Strafe im Hauptspiel verbringen durften, nachdem sie der Regierung 30 % ihres verdienten Geldes ausgehändigt hatten. Sonst gab es keine Beschränkungen. Man konnte sich entwickeln, leveln und so viele Leute kennenlernen, wie man wollte.

Das einzige Zeichen, an dem man einen Spieler als Sträfling erkennen konnte, war ein rotes Stirnband. Viele NPCs, die Quests vergaben, mochten keine Häftlinge, doch das Stirnband konnte nur entfernt werden, wenn man eine Million in Gold an die Staatskasse zahlte. Mit anderen Worten: Es konnte nicht entfernt werden.

Das Schlimmste war, dass Marina sich kein einziges Mal blicken ließ. Sie kam nicht zum Prozess und schaute auch nicht bei mir zu Hause vorbei, während ich auf das Ergebnis der Ermittlungen wartete. Es schien, als wäre sie spurlos verschwunden. War diese leichtfertige Frau acht Jahre Haft wert? Ich glaubte nicht.

»Na, dann springen Sie mal rein!«, lachte der Techniker, als er mich in die Kapsel setzte. Die hielten sich wohl alle für witzig. Die Zeitungen hatten mir einstimmig den Namen »Kanalisationskiller« gegeben, was aber noch der harmloseste Spitzname war, der über mich kursierte. Hoffentlich war der Name nach meiner Zeit im Gefängnis vergessen.

Blitze zuckten vor meinen Augen, und für eine Weile verlor ich das Bewusstsein.

»Achtung! Eintritt von Strafkapsel TK3.687PZ-13008/LT12 nach Barliona läuft.« Die kalte, metallische Stimme, deren Ansage in einer Laufzeile mit unangenehm weißem Text wiederholt wurde, ließ es mir kalt den Rücken hinunterlaufen, und ich kam sofort wieder zu mir. Die ausdruckslose Stimme gab einem absichtlich ein unangenehmes Gefühl; sie hätten sie nämlich auch sanft und beruhigend klingen lassen können. »Ausgangsparameter wurden eingestellt und können nicht geändert werden. Geschlecht: männlich. Volk: Mensch. Klasse: Schamane. Erscheinung: identisch mit dem Subjekt. Das Scannen des Subjekts ist abgeschlossen. Die Synchronisation der Körperdaten mit den Eigenschaften des gewählten Volks wurde durchgeführt. Körperdaten wurden eingestellt. Startort wurde gewählt. Haftort: die Pryke-Kupfermine. Zweck der Haft: der Abbau von Kupfererz. Charaktererstellung hat begonnen.«

Im ersten Fenster, das geladen wurde, sah ich mich in einer gestreiften Jacke mit der Nummer 193 753 482. Scheinbar waren in den letzten 15 Jahren schon ziemlich viele Sträflinge nach Barliona geschickt worden. Die Jacke wurde durch Hosen und ein Paar Stiefel ergänzt, die abgesehen von dem Streifenmuster vollkommen nichtssagend waren. Unwillkürlich musste ich lachen, denn sogar die Stiefel waren gestreift. Ich sah aus wie ein Zebra. Ich war nach der neuesten Mode gekleidet. Die Spitzhacke in meiner Hand vollendete das trübe Bild meines »Ichs« und erinnerte mich sofort daran, womit ich mich in den kommenden Jahren beschäftigen würde. Nur die Spitzhacke war nicht gestreift – wenigstens etwas, wofür ich dankbar sein konnte.

»Name eingeben. Achtung: Ein Sträfling kann keinen zusammengesetzten Namen tragen.«

Der Techniker munterte mich am Ende doch noch auf. Aus irgendeinem Grund gab er mir die Gelegenheit, meinen eigenen Namen zu wählen. Der Spielname in Barliona war eine einzigartige Kombination. In der gleichen Spielumgebung konnte man 300 »Häschen«, 100 »Kätzchen« und eine endlose Anzahl von »Pwnern« antreffen, also Spieler, die willkürliche Buchstabenkombinationen wählten, doch ihre Einzigartigkeit wurde durch die Zusammensetzung garantiert. Zum Beispiel konnte man »Pwner den Großen« und »Pwner den Charmanten« nebeneinander sehen, doch es gab keine zwei »Pwner der Große« in Barliona. Sträflingen war es jedoch nicht erlaubt, zusammengesetzte Namen zu wählen, weil die ihren für gewöhnlich automatisch generiert wurden. Doch nachdem sie meinen Jäger gelöscht hatten …

»Mahan«, sagte ich in der Hoffnung, dass das System den Namen meines Jägers schon entfernt hatte und er noch von niemand anderem gewählt worden war. Na und? Ich spielte eben gern unter meinem Namen. Obwohl es nur ein Nachname war, hatte ich mich an ihn gewöhnt. Außerdem war der Name meines Jägers nicht zusammengesetzt. Ich hatte ihn für fast 10.000 Goldmünzen von einem anderen Spieler gekauft und wollte das Geld nicht umsonst ausgegeben haben.

»Name akzeptiert. Willkommen in der Welt von Barliona, Mahan. Benutzer, die sich aus einer Strafkapsel verbinden, haben keinen Zugang zum Übungsbereich für Einsteiger. Du wirst direkt zur Pryke-Kupfermine weitergeleitet. Wir wünschen dir ein angenehmes Spiel.«

Dann blitzte es, und die Welt um mich herum wurde von Farben erfüllt. Doch – warum auch immer – die vorherrschende Farbe war Grau.