Tacheles - Andreas P Pittler - E-Book

Tacheles E-Book

Andreas P. Pittler

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Beschreibung

Wien, Sommer 1934. Am Judenplatz wird ein Fabrikant bestialisch ermordet. Polizeioberst Bronstein - wie das Opfer jüdischer Abkunft - soll Licht in die Angelegenheit bringen. Zu einer Zeit, da in Deutschland schon die Nazis herrschen, drängt sich auch in diesem Fall der Verdacht auf, die braunen Horden hätten den Mann auf dem Gewissen, und nur allzu schnell muss Bronstein merken, dass ihn seine Polizeimarke nicht länger schützt. Der Jäger sieht sich plötzlich in der Rolle des Gejagten, ein Wettlauf mit der Zeit beginnt. Und vor dem Hintergrund der polizeilichen Ermittlungen steuert Österreich auf einen Naziputsch zu. Pittler bettet einen spannenden Kriminalfall mit einem äußerst menschlichen Polizisten in die realen historischen Ereignisse jener Tage ein, die er durch authentische Zeitungsberichte zu neuem Leben erweckt. Der wirkungsvolle Wechsel zwischen fiktivem Mordfall und historischen Nazi-Umtrieben reißt den Leser förmlich.

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Seitenzahl: 410

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Inhalt

Titelseite

Impressum

I. Samstag, 30. Juni 1934

II. Sonntag, 1. Juli 1934

III. Montag, 2. Juli 1934

IV. Dienstag, 3. Juli 1934

V. Mittwoch, 4. Juli 1934

VI. Donnerstag, 5. Juli 1934

VII. Freitag, 6. Juli 1934

VIII. Montag, 9. Juli 1934

IX. Dienstag, 10. Juli 1934

X. Donnerstag, 12. Juli 1934

XI. Samstag, 14. Juli 1934

XII. Sonntag, 15. Juli 1934

XIII. Mittwoch, 18. Juli 1934

XIV. Freitag, 20. Juli 1934

XV. Montag, 23. Juli 1934

XVI. Dienstag, 24. Juli 1934

XVII. Mittwoch, 25. Juli 1934

Glossar

TACHELES

Andreas Pittler

Dialektausdrücke, Redewendungen und Eigenheiten des Wienerischen und des Jiddischen werden in einem Glossar am Ende des Buches kurz erläutert.

Impressum:

eISBN: 978-3-902672-59-9

E-Book-Ausgabe: 2012

2008 echomedia buchverlag

A-1070 Wien, Schottenfeldgasse 24

Alle Rechte vorbehalten

Produktion: Ilse Helmreich, Helmut Schneider

Produktionsassistenz: Brigitte Lang

Covergestaltung: Anja Merlicek

Gestaltung: Rosi Blecha

Layout: Elisabeth Waidhofer

Lektorat: Thomas Hazdra

Herstellungsort: Wien

Besuchen Sie uns im Internet:

www.echomedia-buch.at

I.Samstag, 30. Juni 1934

So ist das also. Merkwürdig, ich hätte gedacht, man würde den Schmerz fühlen, ihn ganz stark empfinden. Doch es ist weniger schlimm als beim Zahnarzt. Ja, eigentlich hat nur der erste Schlag wirklich wehgetan. Er kam von hinten, und ich donnerte mit aller Wucht gegen die Ziegelwand. Ich denke, da ist schon die Haut auf der Stirn aufgeplatzt, denn ich konnte ab diesem Zeitpunkt nicht mehr richtig sehen. Vielleicht habe ich aber auch eine Gehirnerschütterung davongetragen, oder der Hieb hat den Sehnerv beeinträchtigt. Ich weiß jedenfalls, dass ich sofort nach der Attacke in die Knie gegangen bin und mir dachte, es sei seltsam, dass der Fall auf die Gelenke mehr Schmerz verursachte als der Aufprall des Kopfes. Aber ich bin ja nicht viel zum Nachdenken gekommen, denn der Angreifer hat mich unmittelbar danach in die Nieren getreten. Und das verursachte eigentlich auch noch eine ziemliche Pein, und ich glaube, zu diesem Zeitpunkt habe ich das erste Mal aufgeschrien. Ich habe dann irgendeine Schimpfkanonade gehört, ich solle mein Maul halten, ich Schwein, oder so etwas in der Art, und eine zweite Stimme sagte, ich würde nun endlich bekommen, was ich längst schon verdient hätte, ich parasitärer Schmarotzer. Dabei spürte ich nochmals einen heftigen Schlag auf den Kopf, der von rechts ausgeführt worden war, sodass ich seitlich wegknickte und nun erstmals zur Gänze auf dem Boden lag. Und immer wieder trat man mir in die Nieren und die Bauchgegend. Es war seltsam, aber es tat mit jedem Tritt weniger weh. Einmal traf einer der Schläge meine Intimteile, und mir blieb für einen Moment die Luft weg, doch gleich danach prasselten ein paar Schläge auf meinen Oberkörper, und die lenkten von dem Schmerz in den unteren Regionen ab. Ich weiß, es klingt unglaubwürdig, aber mir war, als würde ich hören, wie meine Haut aufplatzte. Ich kann natürlich nicht sagen, ob meine Kleidung durch meinen Angstschweiß oder durch austretendes Blut durchnässt wurde, aber ich spürte, wie sie an meinem Körper zu kleben begann. Und wieder traf mich ein Stiefel voll in der Seite. Einer der Angreifer redete sich richtig in Rage. Er beschimpfte mich immer wüster und begann, nun auch gezielt meinen Kopf mit Tritten zu bearbeiten. Ich versuchte ihn so gut es ging mit meinen Händen zu schützen, doch ein Tritt kam durch meine Deckung durch und schlug meine Lippen blutig. Die warme Flüssigkeit breitete sich in meiner Mundhöhle aus und ich hatte das Gefühl, als verschluckte ich mich, weshalb sich ein heftiger Hustenreiz einstellte. Als ich eben meinen Mund öffnete, um das Blut, das sich darin gesammelt hatte, auszuspucken, bekam meine Nase einen Treffer, und ich hatte elementare Atemnot. Sicher ist das Nasenbein gebrochen, dachte ich mir noch, als ich versuchte, irgendwie Luft zu bekommen. Ich muss dabei wohl gestöhnt haben, denn die Angreifer überschütteten mich mit Hohn und setzten ihre erniedrigenden Beleidigungen fort.

Nach einigen Minuten fühlte ich mich wirklich am Ende, und ich weiß noch, ich dachte, jetzt müssten sie bald von mir ablassen, denn sie hatten sich abreagiert und ihren Spaß gehabt. Ich lag merkwürdig verkrümmt auf dem Boden und zuckte nur noch ab und zu, wenn mich ein weiterer schwerer Tritt traf. Es war unschön. Rund um mich entstanden kleine Lacken, ein unappetitliches Flüssigkeitsgemisch aus Blut, Speichel und, ja, warum soll ich es verheimlichen, auch Urin breitete sich aus.

So, das dauert jetzt schon eine ganze Weile. Sie sollten eigentlich langsam müde werden. Ich wehre mich nicht und zucke nur noch bei besonders harten Schlägen. Eigentlich müsste ihnen mein Verhalten doch allmählich den Spaß verderben. Sie haben doch gesagt, sie wollten mir eine Lektion verpassen. Nun, die habe ich doch mittlerweile gelernt, oder? Warum hören die nicht endlich auf?

Ich bekomme laufend Tritte ab, ohne, dass sie irgendwohin zielen würden. Es ist ihnen anscheinend egal, wo sie mich treffen – und mir mittlerweile auch. Ich bin nur noch erschöpft. Ich spüre keinen Schmerz mehr und habe das Gefühl, als wäre mein ganzer Körper in Watte gepackt. Von ganz weit weg höre ich die Schimpfkanonade des Schlägers, doch ich verstehe seine Worte nicht mehr. Irgendetwas von „Blutsauger“ und „Parasit“ meine ich zu hören, doch ich kann mich nicht mehr richtig konzentrieren. Ob ich ohnmächtig werde?

Es muss eine Ewigkeit her sein, seit ich vor dieser Pein zu fliehen versuchte, um vielleicht in den eigenen vier Wänden Sicherheit zu finden. Doch da erwischte es mich. Ich hatte mit dem Schlag gerechnet, und doch kam er überraschend. Wann das wohl war? Ich habe jedes Zeitgefühl verloren. Warum lassen die nicht endlich von mir ab? Was wollen die denn noch? Sehen die nicht, dass ich vollkommen fertig bin? Nur noch ein Klumpen blutendes Fleisch? Ob etwas gebrochen ist? Das Nasenbein wahrscheinlich, und ein paar Rippen ziemlich sicher. Es soll endlich aufhören, bitte. Aufhören! Ich möchte schreien, doch ich kann nicht. Und ich wollte sie fragen, was es denn noch bringt, auf jemanden einzudreschen, der sich ohnehin kaum mehr bewegen kann. Warum tun die das?

Die wollen mich richtig fertigmachen! Ja, das ist es, die werden erst aufhören, wenn ich wirklich tot bin! Oh Gott, das gibt es doch nicht, das kann doch gar nicht wahr sein! Hilfe, zu Hilfe! Warum hilft mir denn niemand? So etwas kommt doch im wirklichen Leben nicht vor! Es wird doch niemand totgeprügelt. Nicht hier in Wien. Aufhören! Um Himmels willen aufhören! Wenn ich mich nur irgendwie wegschleppen könnte, wenn nur jemand käme, der diesen Wahnsinn beendet, bitte, das ist doch alles ganz unwirklich, wie im Alptraum, da muss ich doch endlich aufwachen, in meinem Bett, und es ist einfach ein neuer Tag, und alles an mir ist heil. Ich glaube, jetzt ist etwas gerissen. War das die Lunge? Ich bekomme ohnehin schon keine Luft mehr, weil mein Mund und meine Nase vollkommen mit Blut gefüllt sind. Und jetzt auch noch dieser stechende Schmerz in der Seite. Ob eine Rippe in die Lunge eingedrungen ist? Wann hat das alles endlich ein Ende? Ich will leben, bitte, leben! Hört denn niemand in diesem Haus den Lärm, holt denn niemand die Polizei? Die prügeln mich wirklich tot. Nein, die hören nicht auf, solange sich noch irgendetwas in mir regt. Gott im Himmel, lass das nicht zu, hilf mir in meiner Not, ich will nicht sterben. Nicht jetzt, nicht so. Vielleicht habe ich wirklich etwas falsch gemacht in meinem Leben, doch welchen Nutzen hätte diese Erkenntnis, wenn ich diese Fehler nicht mehr korrigieren könnte? Bitte, lieber Gott, lass mich nicht so enden, gib mir eine Chance, rette mich, bitte! Ich bekomme keine Luft mehr, ich kann nicht mehr denken, ich … ob ich ein weißes Licht sehen werde … zieht mein Leben an mir vorüber? Nein, das darf nicht sein … aufhören … merkwürdig, ich spüre gar nichts mehr … ich … nicht auf den Kopf … nein … nicht … Kopf. Gott, du kannst das … nicht zulassen … Ich habe doch immer versucht, nach deinen Geboten zu leben … es kann nicht recht sein, was diese Mörder tun, gebiete ihnen Einhalt … Ob man mich vermissen wird, wenn ich nicht mehr bin? … Nein, so darf ich nicht denken! Ich werde überleben! Ich muss überleben! Alles andere wäre völlig widersinnig. Ich will all meine Kraft zusammennehmen, um diese Prüfung zu bestehen. Sie werden ihren Willen nicht bekommen, ich stehe das durch. Egal, wie sehr sie sich in Rage gebracht haben, ich werde ihnen die Stirn bieten. Ich bin …

II.Sonntag, 1. Juli 1934

Polizeioberst David Bronstein stand, wie er es gewohnt war, Punkt sieben Uhr früh auf. Natürlich wusste er, dass er am Sonntag nicht zu arbeiten brauchte, doch er legte schon seit vielen Jahren Wert darauf, Tag für Tag sein besonderes Ritual einzuhalten. In früheren Zeiten freilich, da er noch in Hernals auf Zimmer-Küche-Kabinett gewohnt hatte, war dieses sein Ritual ein wenig spartanischer ausgefallen. Er hatte sich damals noch mit einem normalen Lavoir behelfen müssen, in das er einfach aus einer bereitstehenden Karaffe Wasser hineingegossen hatte, um sich Gesicht, Hals und Nacken zu waschen. Anschließend pflegte er fünfundzwanzig Kniebeugen zu machen, ehe er sich seines Nachthemds entledigte, um sich sodann, ganz dem jeweiligen Tag entsprechend, anzukleiden. Erst danach setzte er sich an den Küchentisch, wo er ein Glas Kuhmilch zu sich nahm und sich seine erste „Donau“ gönnte. Dieses Zeremoniell hatte er im Wesentlichen auch noch in Margareten beibehalten. Nun aber, da er endlich standesgemäß in der Walfischgasse residierte und sich sogar eine Zugehfrau leisten konnte, fiel diese morgendliche Verrichtung ein wenig pompöser aus. Er hatte nun ein eigenes Badezimmer, in dem er sich umfassend reinigen konnte, ehe er sich zu Tisch begab, wo der Hausgeist wochentags dafür Sorge trug, dass Kaffee und ein Brioche bereitstanden. Auf diese Weise vergingen immer dreißig bis vierzig Minuten, ehe er tatsächlich das Haus verließ, bereit, sich den jeweiligen Tagesaufgaben zuzuwenden.

An diesem Sonntag verspürte er jedoch wenig Lust, auf die übliche Weise den Tag zu beginnen. Vor dem Schlafengehen hatte er im Radio noch atemberaubende Geschichten aus Berlin gehört, wo es offenbar zu einem Putsch der SA gekommen war, den die Nazis jedoch mit Hilfe der Wehrmacht niedergeschlagen hatten. Bronstein war begierig, mehr über diese Sache zu erfahren, und so verzichtete er auf den Kaffee zu Hause, legte vielmehr nach der Morgentoilette rasch einen weißen Sommeranzug an, um dann eilig das Haus zu verlassen. Vor der Tür wandte er sich nach rechts und trabte flott am Hotel Sacher vorbei zur Augustinerstraße, um nach wenigen Minuten den Michaelerplatz zu erreichen. Von dort waren es nur noch wenige Minuten, ehe er sein Stammcafé, das „Herrenhof“, erreichte. In diesem Etablissement, das vor allem dafür bekannt war, die literarischen Größen des Landes zu beherbergen, war er in den letzten Jahren heimisch geworden, und er hatte dem „Herrenhof“ auch noch die Treue gehalten, als er vom Bezirkskommissariat Innere Stadt in das Sicherheitsbüro versetzt worden war, das direkt im Polizeipräsidium am Ring einquartiert war. Bronsteins Wege waren dadurch zwar länger geworden, aber seinen großen Braunen ließ er sich nicht nehmen. Jeden Morgen machte er im „Herrenhof“ gleichsam Zwischenstation auf seinem Weg ins Präsidium, um dort die Tagespresse zu studieren. In aller Ruhe zumal, da die Herren Literaten um diese Uhrzeit noch tief und fest zu ruhen pflegten und sich daher kaum Gäste in das Café verirrten.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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