Tamalones Verrat - Wolf Awert - E-Book

Tamalones Verrat E-Book

Wolf Awert

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Beschreibung

Die Drachentöchter und ihre Freunde wissen, dass der Krieg der Stadtelfen gegen die Waldelfen nur die ersten Vorboten einer größeren Veränderung sind. Aber kann es wirklich möglich sein, dass die Geister und Toten die Welt der Lebenden übernehmen wollen? Und was ist mit den Drachen? Wie will die Drachenmutter den unsterblichen Altvater Godwin umbringen? Meister Treibguts Problem ist vergleichsweise einfach zu lösen. Seine Tarnung ist aufgeflogen, und er muss in Centrell aufräumen, wenn wieder Ordnung herrschen soll. Der Hintergrund: Unerwartet tauchen auf der Welt Halva Gestaltwandler auf. Dem Aussehen nach wilde Tiere, doch mit Vernunft gesegnet und der entsetzlichen Fähigkeit, biologische Grenzen zu durchbrechen und sich mit anderen Arten fortzupflanzen. Bereits ihre bloße Gegenwart bringt in den anderen vernunftbegabten Arten, den Drachen, Elfen und Menschen, die finstersten Seiten zum Vorschein. Die Elfen versuchen deshalb, die Gestaltwandler und ihre Mischlings-Nachkommen einzufangen und wegzusperren, doch der Keim des Zerfalls breitet sich unaufhaltsam aus. Unter den Elfen droht ein Bürgerkrieg, die Menschen dringen in den Siedlungsraum der Elfen ein und die Drachen scheinen unschöne Geheimnisse zu haben. Am Ende beginnt sogar Halva, sich selbst zu zerstören. In dieser Welt macht sich die Viertelelfe Tamalone auf, ihre Ziehmutter wiederzufinden und die Rätsel ihrer Herkunft zu lösen. Niemand rechnet mit dem, was ihre Suche auslösen wird – sie selbst am wenigsten.

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Tamalones Verrat

Wolf Awert

Band 10 der Drachenblut-Reihe

©Wolf Awert 2023

Machandel Verlag Haselünne Charlotte Erpenbeck

Cover: Detlef Klewer

1. Auflage 2023

ISBN 978-3-95959-189-8

Karte der Welt Halva

Was bisher geschah

Die Drachentöchter und ihre Freunde wissen, dass der Krieg der Stadtelfen gegen die Waldelfen nur einer der Vorboten einer größeren Veränderung ist. Wird die zukünftige Welt keine Drachen und Waldelfen mehr kennen? Wird sogar der Albtraum wahr, dass die Geister und Toten die Welt der Lebenden übernehmen? Auch unter den Drachen herrscht Streit. Die Drachenmutter will Altvater Godwin töten, um selbst nicht getötet zu werden. Aber Godwin behauptet, ein unsterblicher Gott zu sein, wofür tatsächlich so manches spricht.

Vor diesem Hintergrund sind Meister Treibguts Problem vergleichsweise einfach zu lösen. Seine Tarnung ist aufgeflogen, und er muss zunächst einmal in Centrell aufräumen, wenn wieder Ordnung herrschen soll. Auch Pando ist in einer unglücklichen Lage. Er musste eine Vereinbarung der Drachentöchter brechen, um den Schaden eines früheren Rechtsbruches kleinzuhalten.

Personae dramatis

TAMALONE, genannt Tama, ein Dreiviertelmensch mit einigen rätselhaften Fähigkeiten

GODWIN, Altvater aller Drachen

KRIECHER: Drache mit einem gelähmten Flügel

Die Drachentöchter

STARKBAUM, ehemaliger Drachentochter der Gewalt, jetzt männlich und selbsternannter Beschützer von Lufthauch

DIE UNAUSSPRECHLICHE, eine rätselhafte Frau unklarer Rasse. Kriechers Enkeln. In Centrell nennt sie sich BLAUER SCHLAFMOHN. Sie war einst Tamas Ziehmutter

ANIMACHRON, erste Drachentochter der Rache, jetzt männlich

FEUERBLÜTE, Godwins Enkelin aus Animachron

BLAUER DREISPORN, zweite Tochter der Rache und Bewohnerin des Hauses Blau in Centrell

SEELE DES AUSGLEICHS, dritte Tochter der Rache und eine Zeit lang die Begleiterin des AUFPASSERS

PANDO, weiße Tochter der Liebe und Vergebung, ein Gestaltwandler in Tierform und Freund Tamalones. In seiner menschlichen Gestalt wird er DORMAN genannt, als CHAMSIANA ähnelt er einer Waldelfe

ZSARDYNE, schwarze Tochter der Liebe und Vergebung und Schwester Pandos

Familie in NA-R

ALTWI, Tamalones leibliche Mutter

HOGGER, ihr Sohn und Tamas Halbbruder

BAERBEN, ihre ältere Tochter und Tamas Halbschwester

NEVEN, ihre jüngere Tochter und Tamas Halbschwester

AUREON und ARGENTON, Söhne der UNAUSSPRECHLICHEN und Tamas Halbbrüder

TORSO, Gestaltwandler und Froschmensch von gewaltiger Sprungkraft

PALUDA, Tochter von Torso 

POLA-POLON, Sohn der Unaussprechlichen und MERJINA

Waldelfen

SUMPFWASSER,bis zu seinem Tod  Erster Berater der Waldelfen und Tamas Auftragsgeber

BORK, Truppführerin der Waldelfen

LUFTHAUCH: Waldläufer, Borks Sohn uns Sumpfwassers Ziehsohm

LIND und MAITRIEB, zwei  Jäger, die unter BOrk dienen

IMMERGRÜN: Ein Diener vieler Herren

ZIMTCHEN: Offizier der Wehrhüter und angeblich Sumpfwassers Tochter

SONNENKRANZ, Sprecher des Elfenrates

Stadtelfen

TREIBGUT, Magier der Komposits und Hersteller von Artefakten, wie auch der Familienälteste des Hauses der Vier Winde in Centrell

KÖNIG NACHTNEBEL, Artefakthändler und Treibguts Partner, arbeitet später unter Barionstab

WILLJA, Viertelelfe, arbeitet an Artefakten

STEINDORN, ehemaliger Stadtkommandant von NA-R

RÄTSELKRAUT, der eigentlich GRÜNKELCH heißt, ein Verkäufer Nachtnebels

BARIONSTAB, Familienältester des Hauses Barion und Anführer der Stadtelfen im Krieg gegen die Waldelfen

BLAUBLATT, Familenältester im Hause Blau und Liebhaber von Blauer Dreisporn

Sonstige

AUFPASSER, Verwalter der Bergbausiedlung, Geliebter der Unaussprechlichen und von Seele des Ausgleichs, Vater der Zwillinge AUREON und ARGENTON und auch Vater von TAMALONE

MERJINA, Frau, reinrassiger Mensch, arbeitet in NA-R an Artefakten

SCHLANGENAUGE, Mann Führer der Unterwelt von NA-R

HORNFINGER, (hist.) vergessener Expeditionsleiter der Waldelfen

CILLIA, (hist.) Hornfingers Frau

DER WANDERER, auch LEDERMANN genannt, ein Wesen aus der Welt der Geister und Toten

GEIST1, mächtiger Magier der Vergangenheit, der seinen Namen verloren hat

GEIST2, verstorbener Magier und ehemaliger Ehemann von KRIECHER, der Drachenmutter

GALMEI, Magier der Menschen und Minenbesitzer

Bork

Der Brand von Neustadt hatte nicht nur die Stadtelfen und Soldaten vertrieben, er hatte auch anderen Ortes das Interesse an den Geschehnissen geweckt. Und so trafen Bork, Lufthauch und Starkbaum auf Steindorn, der arg mitgenommen wirkte, sie nicht zu hören schien, obwohl Äste unter ihren Schritten brachen und das Laub raschelte. Steindorn stand nur einfach da und schaute gedankenverloren in einen leeren Himmel.

Bork rief seinen Namen, und der Komposit drehte sich langsam um.

„Jetzt ist er weg“, murmelte er.

„Wer ist weg, und was ist passiert?“, wollte Bork wissen.

„Davongeflogen, der Riesenvogel. Oder die Waldelfe.“

„Waldelfen fliegen nicht, du Dummkopf. Hatte sie auch einen Namen?“

„Sie nannte sich Chamsiana.“

„Es gibt keine Waldelfe mit einem solchen Namen.“

„Das habe ich mir gedacht“, sagte Steindorn. „Für eine Waldelfe wirkte sie sehr kräftig, fast so kräftig wie euer Begleiter, der dort neben Lufthauch steht. Allerdings war ihre Haut sehr hell, heller noch als meine.“

Steindorn zog die Luft durch die Nase. Der Brandgeruch hatte sich zwischen den Bäumen um die Schneise herum gefangen und verweigerte sich nun hartnäckig dem zögerlichen Wind.

„Wenn es keine Waldelfe war, dann war sie wahrscheinlich ein Gestaltwandler oder ein Drache oder was weiß ich.“

„Du kannst mich Starkbaum nennen“, sagte die stämmige Elfe neben Lufthauch. „Und ich kenne jemanden, auf den deine Beschreibung passt.“

„Ich auch“, sagte Lufthauch. „Und ich kenne auch den Namen. Es ist kein Elfenname. Wir nennen das Wesen, dem du begegnet bist, Pando, nicht Chamsiana. Ist es für das Feuer verantwortlich?“

Steindorn nickte. „Er … sie … dieses Wesen sagte mir, dass es den Krieg zwischen den Menschen und den Waldelfen beenden musste. Neustadt ist völlig abgebrannt. Das war wahrscheinlich sein Tun.“

„Das passt alles hinten und vorn nicht zusammen“, sagte Bork. „Ich habe nie verstanden, warum Stadtelfen und Menschen unseren Wald zerstören mussten, aber das lag vielleicht auch an mir, weil ich nie über unseren Wald hinausgedacht habe. Steindorn, ich glaube dir, dass Pando Neustadt eingeäschert und die Soldaten nach Haus geschickt hat, aber mich interessiert, warum er das getan hat.“

„Was gibt es daran nicht zu verstehen?“, fragte Lufthauch. „Er war die Vernichtung unserer Bäume genauso leid, wie wir es waren, und hat die Angelegenheit ein und für allemal beendet.“

Bork schüttelte nachdrücklich den Kopf. „Du hast nichts von der Vereinbarung der Drachentöchter gehört, sich unter keinen Umständen in die Streitigkeiten zwischen Stadtelfen und Waldelfen einzumischen. Pando hat diese Vereinbarung gebrochen. Und ich will wissen, warum er das tat. Irgendetwas muss ihn geritten haben. Sei sicher, dass es keine Laune oder eine leichtsinnig getroffene Entscheidung von ihm war. Vielleicht finden wir mehr heraus, wenn wir uns anschauen, was noch von Neustadt übriggeblieben ist. Und du, Steindorn, was hast du jetzt vor? Stehst du doch auf der Seite von uns Waldelfen und schleppst dabei den Makel unreinen Blutes mit dir herum.“

„Ich werde die Stadt wiederaufbauen. Mit eurer Hilfe oder nur mit meinen beiden eigenen Händen.“

Steindorn streckte die Arme aus, hielt die Handteller nach oben, als wollte er die Waldelfen herausfordern und gleichzeitig Hilfe von ihnen erbitten.

„Du willst Neustadt wiederaufbauen?“ Borks Augen hatten sich zusammengezogen, die Lippen waren schmal geworden.

„Nicht Neustadt“, sagte Steindorn. „Neustadt ist tot und nur noch verwehte Asche. Dafür hat Chamsiana gesorgt. Ich will auf Neustadts Ruinen eine neue Stadt entstehen lassen. Elfenfreund wird sie heißen und klein wird sie bleiben. Aber dafür wird sie aus Stein erbaut, damit sie nicht so schnell vergeht. Für Wald- und Stadtelfen gleichermaßen ist sie gedacht. Wenn ihr darin wohnt oder euch einen Schlafplatz darin reserviert und ich dort mein neues Zuhause einrichte, dann wäre das erste Samenkorn bereits gepflanzt, und wir hätten den Anfang einer Familie.“

Bork nahm Steindorn in den Arm und küsste ihn auf die Wange. Alle Feindseligkeit war von ihr abgefallen. „Du verrückter Träumer, du. Du willst wirklich mit mir eine Familie gründen? Weißt du denn nicht, wie alt ich bin und dass ich mit Lufthauch bereits einen erwachsenen Sohn habe, der wahrscheinlich älter ist als du? Wie bist du nur auf diesen Unsinn gekommen?“

„Ich bin keine Waldelfe, wie du so treffend bemerkt hast. In eurem heiligen Wald könnten wir nicht leben, und außerhalb deines Waldes würdest du verwelken. Also wählte ich die Grenze, wo die Versöhnung zwischen den Völkern stattfinden muss.“

„Steindorn, mein Guter, du redest Unsinn“, sagte Lufthauch.

„Vielleicht.“

„Weiß Pando ebenfalls von deinen Plänen?“, wollte Bork wissen.

„Ich habe es dieser blasshäutigen Waldelfe zumindest gesagt und keine Einwände gehört.“

„Blasshäutig ist Pando. Es gibt keinen Zweifel.“ Starkbaum sprach aus, was bereits alle wussten.

„Gehen wir. Wir gewinnen nichts, wenn wir hier herumstehen und reden.“ Bork mangelte es wieder einmal an Geduld.

Bis zu dem, was von Neustadt übriggeblieben war, mussten sie nicht weit gehen. Einfach die Schneise hinunter.

„Hier ist überall nur Wald. Wo willst du die Steine hernehmen, um deine Häuser zu bauen?“, fragte Bork.

„Ich trage die Steine der Fundamente zusammen. Zwei Häuser sind ja schon beinahe fertig.“ Steindorn lächelte, als er auf die Reste eines großen Hauses zeigte und auf ein kleines, welches etwas abseits stand.

„In dem großen Haus wohnte Barionstab“, sagte Lufthauch. „Aber warum hat sich wer die Mühe gemacht, ein kleines Haus ganz aus Stein zu erbauen? Du hast in Neustadt gewohnt, Steindorn. Du müsstest die Antwort kennen.“

„Das große Haus gehörte unserem Kommandanten. Aber das kleine sehe ich zum ersten Mal.“

Mit langen Schritten eilte Lufthauch zu dem Häuschen, schaute sich um.

„Hier ist nichts außer einem Loch im Boden. Nicht tief, höchstens so tief, wie ein Mann groß ist.“

„Und das nennst du nichts?“, fragte Bork.

„Was meinst du, Mutter?“

„Wer kommt auf die Idee, ein Loch in den Boden zu graben, bis er auf Gestein trifft?“

„Jeder, der einen Keller benötigt.“

„Und gräbt dafür ein Loch, das aussieht wie ein Brunnenschacht?“

Das Rätsel wurde nicht kleiner, als sie in Barionstabs Haus ein ähnliches Loch fanden.

„Als ich das letzte Mal hier war, gab es dieses Loch noch nicht“, sagte Steindorn und machte ein besorgtes Gesicht.

Treibgut

Die Nachricht von der Zerstörung Neustadts erreichte den Siedlungsring um NeuAllerdamm-Rot mit den ersten Heimkehrern von der Front. Sie glichen den Tropfen, die einem Gewittersturm vorauseilen. Umgeben von Himmelsschwärze und unberechenbaren Böen zerplatzten sie mit einem satten Klatschen, wo sie aufschlugen. Zu wenige, als dass jemand sofort Schutz gesucht hätte, aber zu laut und nass, um übersehen zu werden. Der Regensturm trat erst ein, als die Heimkehrer ihre Geschichten erzählt hatten, die Zuhörer sie anschließend halb verstanden weitererzählt und die nächsten und übernächsten alles übertrieben und ausgemalt hatten.

Im zweiten Siedlungsring reagierte ein Magier als Erster. Er ließ Seele des Ausgleichs kommen und befahl ihr, sich sofort nach Neustadt oder dem, was davon noch übrig war, zu begeben und dort nach Augenzeugen zu suchen.

„Ich will wissen, wer dahintersteckt und die Gründe seines Tuns erfahren. Und jetzt setzt Euren Hintern in Bewegung.“

Von den Siedlungsringen bis nach NA-R war es nur ein Sprung. Doch der genügte, um alles Gerede auf das Wenige zu reduzieren, was wirklich zählte.

„Der Krieg ist aus!“, riefen ein paar Stimmen auf den Straßen. Andere antworteten.

„Was ist los?“

„Welcher Krieg?“

„Na, welcher wohl?“

In Treibguts Königreich der Artefakte hatte jeder, der eine Schaufel halten konnte, damit begonnen, aus dem Trümmerhaufen, der einmal der schönste Laden der gesamten Einkaufsstraße gewesen war, wieder ein begehbares Geschäft zu machen. Im Laboratorium saßen Treibgut, Tama, ihre Geschwister Aureon und Argenton sowie die Drachentöchter zusammen und konnten sich nicht über die nächsten Schritte und Maßnahmen einigen. Merjina hatte sich wieder in ihre Ecke zurückgezogen, wo sie entweder schlief oder der Zukunft folgte. Außer ihrem Sohn Pola-Polon war niemand in der Lage zu sagen, was sie gerade tat. Meister Treibgut hörte die Rufe und schickte Willja vor die Tür, um mehr zu erfahren.

„Der Krieg ist aus“, sagte Willja, als sie zu ihren Freunden zurückkehrte.

„Das haben wir auch mitbekommen“, sagte Treibgut, „aber ist diese Nachricht auch verlässlich? Und von wem stammt sie?“

„Das ist bereits nicht mehr herauszufinden, aber offensichtlich fand das Schwarze Biest nur noch verbrannte Ruinen vor, als es dort hielt und seine Waren ausladen wollte. Wahrscheinlich haben sie daraufhin Botenvögel losgelassen und möglicherweise hat einer der Vögel Schwimmendes Schwert erreicht. Die ersten Rufe kamen jedenfalls aus der Richtung der Garnison“, berichtete Willja.

„Das kommt jetzt aber überraschend“, sagte Treibgut. „Und viel zu früh.“

„Wie kann das Ende einer Auseinandersetzung zu früh kommen?“, wunderte sich Tama.

„Das Ende des Krieges kommt für mich zu früh, weil ich für diesen Fall noch keinen Plan habe“, sagte Treibgut. „Ich weiß nur eines. Wir müssen jetzt sehr schnell handeln. Und das, ohne zu wissen, was überhaupt passiert ist. Wenn Willja recht hat und ein Botenvogel der Träger dieser Nachricht ist, dann weiß auch die Stadtführung nicht mehr, als dass Neustadt abgebrannt oder zerstört worden ist.“

„Entschuldige, wenn ich widerspreche“, sagte Zsardyne. „Ich finde, das erleichtert uns die Entscheidung. Der Krieg ist aus. Jetzt können wir uns mit allen Kräften auf den Kampf gegen Godwin stürzen. Seid ihr dabei?“

Treibgut atmete mit einem Seufzer aus, der allen anzeigte, dass er mit seiner Geduld am Ende war.

„Es ist nicht nur der Krieg aus, auch Neustadt wurde zerstört.“

„Krieg, Neustadt. Das ist doch alles eins.“ Zsardynes Augen funkelten. Ihm ging wieder alles zu langsam. Der eine Kampf war vorbei, jetzt war Zeit für den nächsten.

„Zsardyne, woran denkst du, wenn ich Neustadt sage?“

„Das war die Hauptstation der Stadtelfen, die dir hier den Laden verwüstet haben. Sei froh, dass es sie nicht mehr gibt“, antwortete die dunkle Schwester mehr fauchend, als dass sie sprach.

„Und was meinst du, liebevollste aller Drachentöchter?“, flötete Meister Treibgut.

Zsardyne blickte mit wildem Blick um sich. Sie verstand nicht, wer gemeint war, bis ihr Blick auf die Unaussprechliche fiel.

„Neustadt war der Ort, an dem Sumpfwasser von einem Geist getötet wurde. Und wir haben keine Erklärung dafür, wie das geschehen konnte. Es wissen nicht alle hier im Raum, wie wichtig das für mich ist. Deshalb sage ich euch, was mir zu sagen schwerfällt. Sumpfwasser war mein Sohn. Das betrifft nur mich und niemanden von euch. Aber er war auch einer von uns. Ein Vierteldrache. Und daher geht sein Tod uns alle an. Sein Schicksal ist an einen Geist gebunden und dieser Geist an den Ort Neustadt. Ich werde seinen Mörder nicht entkommen lassen. Meine Suche nach dem Täter oder den Mächten, die dahinterstecken, hat noch gar nicht richtig angefangen. Durch die Zerstörung der Stadt wird es schwieriger, die Spur wieder aufzunehmen. Ich muss sofort dahin.“

Zsardyne protestierte. „Godwin bedroht unser aller Mutter. Wir haben jetzt nicht die Zeit, noch jene Dinge zu lösen, die uns verwundern lassen. Wir töten erst Godwin und kümmern uns dann um diesen Geist. Geister sollen unsterblich sein. Sie laufen uns nicht weg.“ Zsardynes alter Starrsinn kam wieder an die Oberfläche.

„Darf ich?“, fragte Tama.

Treibgut nickte nur und niemand kam mehr auf die Idee, Tama nicht reden zu lassen. Zu groß war der Respekt, den die Drachentöchter vor ihr hatten.

„Godwin ist unsterblich“, sagte sie und korrigierte sich nach einem Zögern und dem leichten Schütteln ihres Kopfes. „Beinahe unsterblich wäre genauer, aber dieser Unterschied ist zu gering, als dass wir uns darum kümmern müssten. Seine Macht wurde ihm von einem Geist verliehen. Unser Plan, Godwin zu töten, muss die Geister einbeziehen. Sonst brauchen wir gar nicht erst anzufangen.“

Pando

Die weiße Schwester der Liebe und Vergebung, deren Name nicht so ganz zu ihren jüngsten Taten passte, landete auf dem Dach von Treibguts Haus, als die Sonne sich bereits zur Ruhe begab. Dort wartete sie auf die Stille der beginnenden Nacht und schlängelte sich durch den nächsten Fensterspalt.

So langsam gewöhne ich mich an die Kriecherei, dachte Pando und musste dabei sogar lachen. Wenig später betrat er als Dorman das Laboratorium, wo seine Freunde immer noch beisammensaßen, als hätten Tag und Nacht jegliche Bedeutung verloren.

„Es hat sich offensichtlich herumgesprochen, was im Elfenwald passiert ist“, sagte er, nachdem die ersten schnellen Grüße ausgetauscht waren. „Die Einzelheiten liefere ich nach, nachdem ich meine Frau begrüßt habe.“

Er ging an den Anwesenden vorbei und ließ sich leise neben Merjina nieder.

„Ich grüße dich, Onkel Dorman“, sagte Pola-Polon.

„Onkel? Beinahe, junger Mann, aber nicht so ganz. Dein Onkel wäre ich, wenn dein Vater mein Bruder wär‘. Aber dein Vater ist der Enkel meiner Mutter und damit mein Neffe, obwohl er viel älter ist als ich. Familienbande sind bedeutungslos für Wesen der Magie. Doch ändert das alles nichts an meiner Liebe zu dir, kleiner Mann.“ Er streichelte Pola-Polon über den Kopf. „Wie geht es deiner Mutter heute?“

„Ich wünschte mir, sie würde mehr essen und trinken. Deshalb lasse ich sie auch nicht aus den Augen. Einer muss auf sie aufpassen. Sie ist noch so jung.“

„Du bist ein Schatz. Aber das war keine Antwort auf meine Frage.“

„Doch war es, Beinahe-Onkel. Ginge es ihr nicht gut, hätte ich dir das sofort gesagt.“

„Dann wollen wir beide ihr mitteilen, dass ich zurück bin.“ Dorman umhüllte seine Frau mit einem Schwall warmen Drachenatems.

Merjina schlang die Arme um seinen Hals, ließ die Augen aber geschlossen, als sie ihm antwortete.

„Ich habe dich bereits gespürt, als du noch in der Luft warst, Geliebter. Ich wusste auch, dass du wieder etwas anstellen würdest. Du bist deiner Schwester sehr ähnlich.“

„Ich bin …“ Dorman atmete aus. „Vielleicht hast du recht. Es lohnt sich nicht, mit einer Frau zu streiten, die die Zukunft kennt. Für mich zählt nur, dass es dir gut geht. Aber jetzt will ich die anderen nicht länger hinhalten. Sie platzen bestimmt vor Neugier.“

„Halt, warte. Erinnere Tama daran, was ich ihr gesagt habe. Die Bilder werden klarer.“

Er gab ihr einen Kuss und begab sich zurück zu Meister Treibgut, Tama und den anderen. „Ihr wollt wissen, wie es abgelaufen ist?“, fragte er und begann zu erzählen.

„Kurzum, Barionstab ist tot, sein Leichnam ist – äh – verschwunden und Neustadt wurde ein Opfer der Flammen. Soweit mir bekannt ist, gab es kein weiteres Opfer zu beklagen. Die Soldaten sind abgerückt und eine Stadtelfe mit Namen Steindorn will sich nun um die Ruinen kümmern und dort eventuell eine neue Siedlung errichten für Elfen aller Art.“

„Steindorn?“

„Für die Elfen?“

„Was ich nicht verstehe“, sagte die Unaussprechliche, „ist, warum du Neustadt niedergebrannt hast. Waren wir uns nicht einig gewesen, dass wir uns in die Angelegenheiten der Menschen und Elfen nicht einmischen wollten?“

Dorman überlegte. Dann sagte er: „Ich kenne die Antwort auf diese Frage selbst nicht in letzter Eindeutigkeit. Von dem Beschluss, sich nicht einzumischen, erfuhr ich erst, als es zu bereits zu spät war. Da hatte ich bereits einer gewissen Tamalone einen meiner Zähne gespendet, damit sie sich etwas zu essen kaufen konnte, und dieses unwissende Mädchen hatte nichts Besseres zu tun, als ihn in Scheiben schneiden zu lassen. Damit war Drachenmaterial in die Hände von Menschen und Elfen gelangt. Anfangs hatte ich noch alles unter Kontrolle, aber dann bekam Immergrün ein Stück davon in die Finger und gab es an Barionstab weiter. Irgendwann hätte ein Drache davon erfahren.“

„Das erklärt, warum du Barionstab getötet hast, aber nicht, warum sein Leichnam verschwand und Neustadt Feuer fing“, warf die Unaussprechliche ein.

„Ich wollte alle Spuren, die zu Barionstabs Ring und dem Stück Drachenzahn führten, vernichten. Deshalb ließ ich seine Leiche verschwinden. Und um das zu vertuschen, brannte ich Neustadt ab. Doch all das muss nicht so sein, wie ich gerade behaupte. Erinnern kann ich mich nur noch an meinen Wunsch, auch das Haus von Barionstab vernichten zu wollen.“

„Und was ist mit dem Geist?“

Dorman stutzte. „Von einem Geist weiß ich nichts.“

„Dann sind wir genauso klug wie vorher“, sagte die Unaussprechliche.

„Vielleicht auch nicht“, sagte Meister Treibgut. „Zu den Geistern habe ich eine Idee, auch wenn ich nur wenig von ihnen verstehe. Ihr könnt mich bremsen, wenn ich anfange, Unsinn zu erzählen. Aber mir ist eingefallen, dass es sie schon seit Jahrhunderten gibt, ohne dass es jemand groß bemerkt hat. Jetzt stellen sie plötzlich etwas dar. Eine Gefahr? Vielleicht ein zu großes Wort, aber in jedem Fall spielen sie mit in dem Gerangel um das Schicksal. Das lässt für mich nur einen Schluss zu. Irgendjemand oder irgendetwas hat sie aufgescheucht – oder ihnen die Idee gegeben, dass jetzt die richtige Zeit ist, das zu tun, was sie schon die ganze Zeit haben tun wollen. Hat jemand dazu etwas zu sagen?“

„Ja“, meldete sich Aureon. „Wahrscheinlich waren wir das, Argenton und ich. Es ist schon einige Zeit her, wir waren noch Kinder. Na ja, nicht mehr ganz. Jedenfalls lebten wir bereits hier in NA-R und nicht mehr beim Aufpasser in der Mine. Wir hatten entdeckt, dass das dunkle Viertel uns nichts anhaben kann. Und dass es gar nicht so dunkel ist, wenn man weiß, dass die Dunkelheit anstatt auf fehlendes Licht auf Magie zurückgeht. Ich habe dort versucht, mit den Toten zu reden, und war überrascht, als sie mir antworteten.“

„Ja, und dann kamen die Geister“, fuhr Argenton fort. „Erst nur einer, dann mehrere. Sie sprachen uns an, aber wir konnten ihnen nicht helfen, sich aus der Kraft zu befreien, die sie gefangen hielt.“

„Zwei von ihnen kamen immer wieder“, sagte Aureon. „Tama kennt sie wahrscheinlich besser als ich. Der eine trug Kleidung. Hut, Mantel, Schuhe. Den anderen nannten wir immer den Neugierigen, weil er stets alle möglichen Dinge wissen wollte. Ich habe vergessen, was es war, aber er hörte nie auf zu fragen.“

„Und dann …“ Als ob die beiden Brüder sich abgesprochen hätten, allen zu zeigen, dass es ihrer beide Geschichte sei, übernahm Argenton wieder. „Dann fragte er, ob wir an einer Unterweisung in Sachen Magie interessiert wären. An der Magie der Menschen. Denn wir wären zweifellos menschliche Wesen, weil wir anders hier nicht würden überleben können.“

„Aber gerade in diesem Punkt waren wir uns nicht sicher“, sagte Aureon. „Wir wussten ja nur, dass wir Halbmenschen waren und unsere Mutter magisch. Ihr wisst ja, unser Familiengeheimnis, über das niemand sprach. Egal. Jedenfalls waren wir nicht interessiert. Ich schäme mich, es zuzugeben, aber uns war das nicht geheuer. Ein Geist, der uns in Angelegenheiten der Magie unterrichten wollte?“

„Ja“, sagte Argenton. „Uns fiel alles ein, was wir über Geister gehört hatten. Vor allem, dass man mit ihnen niemals Geschäfte machen sollte. Heute würden wir es vielleicht wagen, haben den Geist aber schon lange nicht mehr gesehen. Er nahm uns unsere Weigerung übrigens nicht übel, blieb immer freundlich, wünschte uns eine schöne Zeit, fragte uns, ob wir etwas brauchten. Kleine Worte ohne Bedeutung, die uns aber immer das Gefühl gaben, willkommen zu sein.“

„Und dann brachten wir Tama mit. Unsere Schwester.“ Aureon verschluckte sich beinahe bei dem Wort „Schwester“. „Sie sprach mit beiden und noch mit einem dritten. Da waren wir erst einmal abgemeldet. Aber niemals war einer der Geister unfreundlich zu uns.“ Aureon sah Tama an, als müsste diese jetzt weitererzählen, und sie nahm den Faden gerne auf.

„Was ich zu erzählen habe, würde uns bis spät in die Nacht hinein beschäftigen. Deshalb mache ich es kurz. Den einen nenne ich immer ‚Ledermann‘, weil seine Kleidung aus Leder bestand. Ich machte mit ihm einen Handel, bei dem er mich betrog und unter seinen Willen bringen wollte. Glücklicherweise gelang ihm das nicht. Den anderen nenne ich in Gedanken immer den ‚Wanderer‘, weil er sich ursprünglich zwischen den Welten bewegt hat, aber nun nicht mehr die Kraft besitzt, die Welt der Lebenden zu besuchen. Er ist der Neugierige von den beiden und behauptet, Godwin zu seiner Unsterblichkeit verholfen zu haben. Im Gegensatz zu allen anderen Geistern gehört er grundsätzlich noch zu den Lebenden. Aber er hat leider zu viel von seiner Substanz opfern müssen, um den Weg zurück allein gehen zu können. Vielleicht wurde ihm seine Kraft auch von Godwin gestohlen. Oder er hat sie eingetauscht. Er bleibt gern vage in seinen Geschichten. Aber auch mir hat er angeboten, mich in der Magie der Menschen zu unterrichten. Einige Dinge glaube ich ihm, andere nicht. Was ich ihm glaube, ist, dass er seinen Namen verloren hat. Ob Godwin ihn wirklich betrogen hat, kann ich nicht sagen. Aber sein Name ist ihm wichtig, und er hofft, dass ich ihm diesen Namen wieder zurückbringen kann. Und Godwin ist tatsächlich so gut wie unsterblich. Das glaube ich ihm auch.“

„Was heißt hier ‚so gut wie‘. Entweder jemand ist unsterblich oder nicht.“ Es war Zsardyne deutlich anzusehen, dass er über diese Neuigkeiten nicht erfreut war.

„Der Geist behauptet, er habe Godwin mit einem Selbstheilungszauber ausgestattet, der so schnell wirkt, dass den Altvater kaum etwas umbringen kann. An dieser Stelle wird es etwas rätselhaft. Er behauptet, dieser Zauber wäre mit einer Schwäche ausgestattet, aber gerade, als er dabei gewesen wäre, diese Schwäche zu verstecken, hätte Godwin etwas geahnt und die Zeremonie beendet. Jemand an seiner Stelle müsste die Arbeit nun zu Ende bringen. Aber er weigerte sich, darüber zu reden, machte Andeutungen, dass nur er wisse, was zu tun sei, er aber ohne seinen Namen machtlos sei. Was davon Wunsch und was Wahrheit ist, kann ich nicht sagen. Nur ein Letztes ist noch wichtig. Die Drachenmutter ist wieder in der Lage, mit ihrem letzten Ehemann, dem Vater von Pando und Zsardyne, zu reden. Ich habe ihr dazu verholfen, nachdem der Geist des Ehemanns mir erklärt hat, was ich tun sollte. Ein Teil meiner neuen Kraft habe ich ihm zu verdanken. Auch das war ein Handel. Dieser letzte Ehemann war ein mächtiger Magier der Menschen und hat seine Magie an seine beiden Kinder weitergegeben.“

„Hätte er sie bloß behalten“, grollte Zsardyne.

Das Gespräch stockte. Jeder hatte seine eigenen Gedanken und Fragen. Zu wenig war klar, zu viel lag nur im Bereich der Möglichkeiten. Könnte. Möge. Vielleicht. Nichts war handfest genug davon, um den nächsten Schritt zu planen.

„Was machen wir jetzt?“, fragte Zsardyne ungeduldig, und erneut war es Meister Treibgut, der ihm antwortete.

„Was wir machen, kann ich euch nicht sagen, aber lasst mich noch eine kleine Bemerkung machen, dann erzähle ich, was ich als Nächstes tun muss. Wir werden nicht herausfinden können, ob die Geister sich mit den Menschen und Stadtelfen verbünden wollen oder ob die Menschen die Geister haben unruhig werden lassen. Aber die Menschen sind nicht länger schwach, sondern auf dem Weg zurück zu ihrer alten Stärke. Und diesen Weg wollen sie – oder zumindest einige von ihnen – mit den Geistern zusammengehen. Doch ist das noch lange nicht alles. Es gibt außer den Menschen und ihren Geistern noch eine weitere Macht, die sich immer wieder meiner Aufmerksamkeit entzieht, bis sie mir erneut Kopfzerbrechen bereitet.“

Jetzt schaute selbst Zsardyne wieder auf Treibgut.

„Ihr wisst wirklich nicht, wen ich meine? Da sitzt sie. Ganz unschuldig, mit ihrem leisen Lächeln. Tamalone heißt sie. Sie kam auf Geheiß von Sumpfwasser, freundete sich mit der Drachenmutter an, trägt ein Kind von Zsardyne in sich, und ich bin so ganz nebenbei ihr Vater geworden. Nicht vom Blut her. Genauso wenig wie ihre Mutter, die sich ebenfalls hier befindet und die sich mit mir zusammen auf unser gemeinsames Kind freut. Tama hat uns zu ihren Eltern erklärt. Was sie dazu getrieben hat, verschweigt sie uns. Wenn sie sagt, dass sie es selbst nicht weiß und es einfach nur ihr Wunsch war, dann glaube ich ihr das. Aber mich bringt das in eine schwierige Situation, denn als Vater trage ich nun die Verantwortung für jemanden, der mittlerweile viel stärker ist als ich und wahrscheinlich nur eine Schwäche hat. Sie kann nicht gehorchen.“

Das allgemeine Gelächter unterbrach den Magier, aber der lächelte nur und fragte: „Was kann ein Vater tun, dem die eigene Tochter nicht gehorcht?“

Tama umarmte Meister Treibgut und sagte: „Ich dachte, du wüsstest das. Väter müssen immer das in Ordnung bringen, was ihre Töchter durcheinandergebracht oder kaputt gemacht haben.“

„Das würde ich gern für dich tun, meine Liebe. Doch dafür müsste ich das Schicksal verstehen. Ich werde das Gefühl nicht los, dass du der Verbindungspunkt für alles bist, was um uns herum geschieht. Und glaub mir, dass all das Platz haben soll in einem jungen Mädchen aus dem Volk der Menschen, das zerbrechlicher ist als ein junger Baum und in der Magie zunächst schwächer war als eine Viertelelfe – das hat sich glücklicherweise geändert -, aber all das bereitet mir wirklich Sorgen. Was ich damit sagen will, ist ganz einfach. Bei allem, was ihr plant und tut, behaltet immer das Schicksal unserer Tamalone im Auge. Wer unsere Tama kennt, ist sich sicher, dass sie auch dem Schicksal gegenüber versuchen wird, ihren Willen durchzusetzen. Auf keinen Fall ist sie ein reines Werkzeug des Schicksals, ist keine Erfüllungsgehilfin, wie auch das Leben selbst in seiner Entwicklung nicht vorherbestimmt ist. Würde sich sonst eine ganze Welt daran versuchen, sich selbst zu töten?“

Animachron, ehemalige erste Tochter der Rache, fragte, was alle wissen wollten: „Und was schlägst du vor, was wir tun sollen?“

Treibgut schüttelte energisch den Kopf: „Es ist nicht meine Aufgabe, über Euch zu bestimmen. Ich bin nur eine Elfe, die niemals im Elfenwald gelebt hat. Ich kann euch nur sagen, was ich jetzt tun muss, nachdem die weiße Tochter der Drachenmutter Barionstab getötet und Neustadt niedergebrannt hat.“

Jetzt starrten alle auf Dorman, der sich sichtlich unbehaglich in seiner Haut fühlte. „Hört mal“, sagte er. „Ich …“

Treibgut unterbrach ihn sofort. „Ich mache dir keinen Vorwurf für das, was du getan hast. Irgendwann musste irgendwo etwas passieren, nachdem die Spannung immer größer wurde. Ob es der Krieg zwischen Stadt- und Waldelfen war, der dumme Überfall von Immergrün und Barionstab hier in NA-R oder dein Drachenfeuer, ist unwichtig. Das Schicksal ruft eine Entscheidung herbei. Das ist für mich ganz offensichtlich, und eines führt zum anderen.

Jetzt, wo Barionstab tot ist, ist das Haus Barion führerlos. Gleichzeitig ist meine Rolle im Kampf um die Macht bekannt geworden. Ich kann mich nicht weiter verstecken und aus dem Hintergrund wirken. Die Umstände zwingen mich, nach Centrell zu reisen. Das Haus der Vier Winde, dessen ältester Ratsherr ich bin, und hoffentlich auch das Haus Blau, das noch nichts davon weiß, werden das Haus Barion angreifen und endlich für Ruhe in Centrell sorgen. Ich kann verstehen, dass die Drachentöchter andere Pläne haben mögen, aber ich muss nach Centrell.“

„Die Drachentöchter haben keine Pläne“, sagte die Unaussprechliche, und alle konnten sehen, wie Zsardyne zusammenzuckte. „Die Drachentöchter sind über die ganze Welt verstreut. Bevor sie etwas planen können, müssen sie erst einmal zusammenfinden. Ich schlage deshalb vor, dass wir uns in Centrell treffen und unterwegs noch ein paar Kleinigkeiten erledigen.“

So langsam war es an der Zeit, dem Tag Lebewohl zu sagen und noch ein wenig Ruhe zu finden. Treibgut wollte noch in der Nacht aufbrechen, um im Schutz der Dunkelheit in Centrell anzukommen. Einer nach dem anderen suchte sich einen Schlafplatz, bis nur noch Tama und Dorman übrigblieben.

Tama schaute auf Dormans Bauch. „Wo versteckst du dein Kind, das du von diesem Magier hast? Man müsste doch eigentlich schon etwas sehen. Bei mir schließt die Hose schon nicht mehr, und ich verlasse mich ganz auf meinen Gürtel.“

Über Dormans Gesicht zog eine leichte Röte. „Du vergisst, dass ich ein Drache bin. Dracheneier nehmen viel weniger Platz ein als ein wachsendes Menschenkind.“