TARZAN UND SEIN SOHN - Edgar Rice Burroughs - E-Book

TARZAN UND SEIN SOHN E-Book

Edgar Rice Burroughs

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Beschreibung

Freiheitsliebend und furchtlos ist Tarzans heranwachsender Sohn. Der künftige Lord Greystoke gibt seine bequeme Zukunft auf und geht in den Dschungel zu den Tieren. Er lernt von Akut, dem König der Affen, der Stimme seines Instinkts zu lauschen und den tausend Gefahren der Wildnis zu trotzen. Tarzans Sohn erhält den Ehrennamen Korak, der Töter. Doch als er die verschleppte Meriem den Arabern und Schwarzen entreißt, sind nicht nur die großen Raubkatzen auf dem Boden und die heimtückischen Reptilien auf den Baumriesen seine Feinde: Die habgierigen Araber stellen ihm schreckliche Fallen, weil Meriem mehr als eine gewöhnliche Sklavin ist... Der Roman TARZAN UND SEIN SOHN erschien erstmals im Jahr 1915 (unter dem Titel THE SON OF TARZAN) im ALL-STORY-WEEKLY-Magazin. Der Apex-Verlag veröffentlicht TARZAN UND SEIN SOHN in der deutschen Übersetzung von Fritz Moeglich, bearbeitet von Christian Dörge.

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EDGAR RICE BURROUGHS

 

Tarzan und sein Sohn

Vierter Band des TARZAN-Zyklus

 

 

 

Roman

 

 

Apex-Verlag

Impressum

 

 

Copyright 1915 © by Edgar Rice Burroughs.

Der Roman The Son Of Tarzan ist gemeinfrei.

Copyright dieser Ausgabe © by Apex-Verlag.

Übersetzung: Fritz Moeglich und Christian Dörge (OT: The Son Of Tarzan). 

Lektorat: Dr. Birgit Rehberg.

Cover: Christian Dörge/N. N./Apex-Graphixx.

Satz: Apex-Verlag.

 

Verlag: Apex-Verlag, Winthirstraße 11, 80639 München.

Verlags-Homepage: www.apex-verlag.de

E-Mail: [email protected]

 

Alle Rechte vorbehalten.

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

 

Das Buch 

Der Autor 

 

TARZAN UND SEIN SOHN 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Elftes Kapitel 

Zwölftes Kapitel 

Dreizehntes Kapitel 

Vierzehntes Kapitel 

Fünfzehntes Kapitel 

Sechzehntes Kapitel 

Siebzehntes Kapitel 

Achtzehntes Kapitel 

Neunzehntes Kapitel 

Zwanzigstes Kapitel 

Einundzwanzigstes Kapitel 

Zweiundzwanzigstes Kapitel 

Dreiundzwanzigstes Kapitel 

Vierundzwanzigstes Kapitel 

Fünfundzwanzigstes Kapitel 

Sechsundzwanzigstes Kapitel 

Siebenundzwanzigstes Kapitel 

 

Das Buch

 

 

Freiheitsliebend und furchtlos ist Tarzans heranwachsender Sohn. Der künftige Lord Greystoke gibt seine bequeme Zukunft auf und geht in den Dschungel zu den Tieren. Er lernt von Akut, dem König der Affen, der Stimme seines Instinkts zu lauschen und den tausend Gefahren der Wildnis zu trotzen.

Tarzans Sohn erhält den Ehrennamen Korak, der Töter. Doch als er die verschleppte Meriem den Arabern und Schwarzen entreißt, sind nicht nur die großen Raubkatzen auf dem Boden und die heimtückischen Reptilien auf den Baumriesen seine Feinde: Die habgierigen Araber stellen ihm schreckliche Fallen, weil Meriem mehr als eine gewöhnliche Sklavin ist...

 

Der Roman Tarzan und sein Sohn erschien erstmals im Jahr 1915 (unter dem Titel The Son Of Tarzan) im All-Story-Weekly-Magazin. 

Der Apex-Verlag veröffentlicht Tarzan und sein Sohn in der deutschen Übersetzung von Fritz Moeglich, bearbeitet von Christian Dörge. 

  Der Autor

 

Edgar Rice Burroughs - * 01. September 1875, † 19. März 1950.

 

Edgar Rice Burroughs war ein US-amerikanischer Schriftsteller, der bekannt wurde als Erzähler diverser Abenteuergeschichten, die sich vor allem dem frühen Fantasy- und Science-Fiction-Genre zuordnen lassen. Die bekanntesten von ihm eingeführten - und in der Folge von anderen in zahlreichen Filmen und Comics etablierten -  Heldencharaktere sind Tarzan, John Carter, Carson Napier.

Der Sohn des Fabrikanten und Bürgerkriegsveteranen Major George Tyler Burroughs (1833–1913) und der Lehrerin Mary Evaline Zieger (1840–1920) verlebte nach dem Besuch mehrerer Privatschulen den Großteil seiner Jugend auf der Ranch seiner Brüder in Idaho.

Nach seinem Abschluss auf der Michigan Military Academy im Jahr 1895 trat Burroughs in die 7. US-Kavallerie ein. Als ein Armeearzt bei ihm einen Herzfehler diagnostizierte und er deshalb nicht Offizier werden konnte, verließ Burroughs die Armee vorzeitig im Jahr 1897 und arbeitete bis 1899 wieder auf der Ranch seines Bruders. Danach ging er zurück nach Chicago und arbeitete in der Firma seines Vaters.

Am 1. Januar 1900 heiratete Burroughs seine Jugendliebe Emma Centennia Hulbert. Das Paar bekam drei Kinder: Joan Burroughs Pierce (1908–1972), Hulbert Burroughs (1909–1991) und John Coleman Burroughs (1913–1979). Da die tägliche Routine in der Fabrik seines Vaters Burroughs nicht zufriedenstellte, verließ das Ehepaar 1904 Chicago, um abermals in Idaho zu leben. Mit seinen Brüdern, die inzwischen ihre Ranch aufgegeben hatten, versuchte er sich erfolglos als Goldgräber. Kurze Zeit später arbeitete er als Eisenbahnpolizist in Salt Lake City. Auch diesen Job gab Burroughs auf und zog mit seiner Frau wieder zurück nach Chicago, wo er eine Reihe Jobs annahm, unter anderem als Vertreter. 1911 investierte er sein letztes Geld in einer Handelsagentur für Bleistiftanspitzer und scheiterte.

Burroughs, der zu dieser Zeit an schweren Depressionen litt und, nach einigen seiner Biographen, an Selbstmord dachte, kam auf die Idee, eine Geschichte für ein Magazin zu schreiben, in dem er zuvor Anzeigen für seine Bleistiftanspitzer geschaltet hatte. Seine erste Erzählung Dejah Thoris, Princess of Mars (unter dem Pseudonym Normal Bean für das All-Story-Magazin von Thomas Metcalf geschrieben) wurde zwischen Februar und Juli 1912 als Fortsetzung veröffentlicht.

Metcalf hatte sein Pseudonym in Norman Bean geändert, und auch der Titel seiner Geschichte wurde zu Under the Moon of Mars abgewandelt. Auf Burroughs Beschwerde bezüglich der Änderungen, lenkte Metcalf ein und bot an, Burroughs nächste Geschichte unter seinem richtigen Namen zu drucken. Eine weitere Beschwerde Burroughs betraf den Zusatz For all Rights auf seinem Honorarscheck. Nach längerem Briefwechsel erreichte er, dass die 400 Dollar nur für den Erstabdruck galten.

Burroughs zweite Geschichte, The Outlaw of Torn, wurde jedoch von All-Story abgelehnt. Der große Erfolg kam mit Burroughs drittem Anlauf, Tarzan of the Apes.

Die Geschichte von Tarzan wurde ebenfalls 1912 von All-Story veröffentlicht. Burroughs schrieb in der Folgezeit immer wieder neue Tarzan-Geschichten und konnte sich - kaum zehn Jahre nach der Veröffentlichung von Tarzan of the Apes - ein riesiges Stück Land in der Nähe von Los Angeles kaufen. Selbst nach Burroughs Tod im Jahr 1950 erschienen weitere Tarzan-Geschichten. Das Landstück bei Los Angeles ist heute die Gemeinde Tarzana.

In den frühen 1930er Jahren wurde sein schriftstellerischer Erfolg allerdings immer mehr von privaten Problemen überschattet. 1934 ließ er sich scheiden und heiratete ein Jahr später Florence Dearholt. Doch schon 1942 wurde auch diese Ehe geschieden. Nach der Bombardierung von Pearl Harbor begab sich Burroughs 1941 als Kriegsreporter nach Hawaii. Nach dem Krieg kehrte er nach Kalifornien zurück, wo er, nach vielen gesundheitlichen Problemen, 1950 einem Herzanfall erlag.

 

 In Burroughs Werk vermischen sich Science Fiction und Fantasy. Er etablierte Geschichten vor einem planetarischen Hintergrund in der Science Fiction. Dabei war Burroughs bewusst, dass seine Literatur bei den Kritikern nicht ankam. Er machte auch nie ein Hehl daraus, dass er schrieb, um Geld zu verdienen.

Die Helden seiner Romane und Erzählungen haben keine Alltagsprobleme. Bei den Charakterzeichnungen schwach, sprudeln Burroughs Geschichten über vor Ideen und Action. Die Helden seiner Romane haben verschiedene Merkmale gemeinsam, beispielsweise das Geheimnis um ihre Herkunft. Entweder haben die Helden nie eine Kindheit erlebt, oder können sich nicht daran erinnern, oder aber sie sind wie Tarzan und The Cave Girl Waisen. Ein weiteres Merkmal von Burroughs Geschichten ist der, wie Brian W. Aldiss es nennt, ausgeprägte sexuelle Dimorphismus. Das jeweils dominante Geschlecht ist hässlich.

Obwohl es in den Romanen und Geschichten Burroughs von schönen, nackten Frauen nur so wimmelt, werden sexuelle Beziehungen weder angedeutet noch erwähnt. Burroughs Welt scheint eine präpubertäre zu sein. Doch ist die Jungfräulichkeit immer in Gefahr (vgl. Aldiss). Fast schon zwanghaft mutet an, dass es in den Geschichten Burroughs, die zwischen 1911 und 1915 geschrieben wurden, nicht weniger als 76 Mal zu Vergewaltigungsdrohungen kommt, die natürlich alle abgewendet werden können. Zu den Bedrohern der weiblichen Unschuld gehören verschiedene Marsianer, Sultane, Höhlenmenschen, japanische Kopfjäger und Affen.

E. F. Bleiler schreibt über Burroughs, seine Texte seien „Fantasien von Erotik und Macht.“

 

Der Apex-Verlag veröffentlicht Burroughs' Venus-Romane (in der deutschen Übersetzung von Thomas Schlück), Neu-Übersetzungen des Tarzan- und des John Carter-Zyklus sowie als deutsche Erstveröffentlichung die Pellucidar-Serie.

TARZAN UND SEIN SOHN

 

  

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Ebbe und Strömung trugen das Beiboot der Marjorie W. schnell auf dem breiten Ugambi der Mündung entgegen. Die Mannschaft genoss es, nach der harten Fahrt stromaufwärts die Hände im Schoß liegen zu haben. Drei Meilen weiter wartete die Marjorie W., klar zur Abfahrt.

Plötzlich verstummten die Gespräche der Männer, die ihre Aufmerksamkeit dem Nordufer des Flusses zuwandten. Dort stand, die dürren Arme emporgestreckt, eine seltsame Gestalt, die ihnen mit heiserer Stimme Unverständliches über das Wasser zurief.

»He, was ist das?«, entfuhr es einem der Matrosen.

»Ein weißer Mann«, stellte der Maat fest und fügte hinzu: »Legt euch in die Riemen, Jungens! Wollen feststellen, was es mit ihm für eine Bewandtnis hat.«

Als sich das Boot dem Ufer näherte, erkannten die Männer eine ausgemergelte Gestalt, das verfilzte weiße Haar wirr im Gesicht. Der hagere, verkrümmte Körper des Mannes war bis auf ein Lendentuch nackt. Tränen rannen über seine hohlen, pockennarbigen Wangen, während die bebenden Lippen unverständliche Worte hervorstießen.

»Ein Russe?«, mutmaßte der Maat. Er rief dem Mann zu: »Sprechen Sie Englisch?«

Der Fremde sprach Englisch, aber seine Worte kamen so zögernd und unbeholfen, als habe er sich seit Jahren dieser Sprache nicht mehr bedient. Er bat die Matrosen händeringend, ihn mitzunehmen, um endlich diesem unwirtlichen Lande zu entkommen.

Sobald die Gruppe sich an Bord der Marjorie W. befand, berichtete der Fremde von den schrecklichen Erlebnissen seiner letzten zehn Jahre, die er im Dschungel verbracht hatte. Über die Ereignisse, die ihn nach Afrika verschlagen hatten, schwieg er sich aus und erweckte so den Eindruck, als sei die Zeit vorm Dschungeldasein seiner Erinnerung entfallen. Er verschwieg auch seinen wahren Namen, so dass ihn die Besatzung fälschlicherweise Michael Sabrow nannte, während das menschliche Wrack in Wirklichkeit auf den Namen Alexis Paulvitsch hörte.

Zehn Jahre waren vergangen, seit der Russe jenem Schicksal seines Freundes Rokoff entging; und in den zehn Jahren hatte er unzählige Male eben dieses Schicksal verflucht, das ihn endlos leiden ließ, während es seinem Freund ein schnelles schmerzloses Ende bereitet hatte.

Paulvitsch vergaß nie das Bild, als Tarzans Tiere das Deck der Kincaid stürmten, um dort ein Blutbad anzurichten. Aus Furcht vor Verfolgung war er tief in den Dschungel geflohen, bis er in die Hände eines wilden Kannibalen-Stammes fiel, der sich jedoch an die Grausamkeit Rokoffs erinnerte. Paulvitsch erfuhr nie, was den Häuptling veranlasst hatte, ihm das Leben zu schenken; dieses Leben war für ihn eine endlose Kette von Erniedrigungen und Martern geworden. Zehn Jahre lang musste er den Prügelknaben für den Stamm abgeben, selbst Frauen und Kinder konnten ihn bespeien und mit Steinen bewerfen, wenn es ihnen gefiel. Wiederholt hatte ihn schwerstes Fieber niedergeworfen. Aber er starb nicht, wenn auch die Pocken ihre unverkennbaren Spuren in sein Gesicht gruben, so dass seine eigene Mutter ihn nicht wiedererkannt hätte. Die Peinigungen seitens der Krieger des Stammes verkrümmten seine Glieder, das dichte schwarze Haar, das seinen Schädel bedeckt hatte, war bleichen Strähnen gewichen. Jetzt ging er gebeugt wie ein uralter Mann.

Die Mannschaft pflegte und nährte ihn an Bord der Marjorie W.. Er gewann ein wenig Kraft zurück, wusste aber, dass er bis an sein Lebensende ein menschliches Wrack bleiben würde. Wer ihn sah, mochte ihn für achtzig halten, obwohl er die Dreißig gerade erst überschritten hatte.

Alexis Paulvitschs Gedanken waren nicht mehr auf Rache gerichtet. Nur dumpfer Hass wohnte noch in ihm. Hass gegen den Mann, den er zusammen mit Rokoff nicht hatte bezwingen können, Hass selbst gegen Rokoff, dem er es verdankte, dass er in diese Situation geraten war. Er hasste die Polizei vieler Städte, aus denen er fliehen musste, er hasste Recht und Ordnung.

Mit den Männern, die ihn gerettet hatten, verband ihn nichts. Er war zu schwach, um zu arbeiten, und zu mürrisch, um als Gesellschafter geschätzt zu werden. So überließ man ihn bald sich selbst.

Die Marjorie W. war von einem Syndikat wohlhabender Fabrikanten gechartert worden. Sie führte einen Stab von Wissenschaftlern und ein gut eingerichtetes Laboratorium mit sich, denn sie sollte ein Naturprodukt suchen, das die Fabrikanten bisher zu hohen Kosten aus Südamerika bezogen. Diese Suche führte das Schiff, nachdem Alexis Paulvitsch an Bord genommen worden war, zu einer bestimmten Insel vor der afrikanischen Küste. Hier lag die Marjorie W. mehrere Wochen vor Anker, und die Eintönigkeit des Tagesablaufes legte sich drückend auf die Besatzung. Die Mannschaft ging oft an Land, und schließlich bat Paulvitsch, der des ewigen Anbordbleibens müde wurde, sie begleiten zu dürfen.

Die Insel war stark bewaldet. Dichter Dschungel erstreckte sich fast bis an das Ufer. Die Wissenschaftler waren weit ins Innere vorgedrungen, wo sie, wenn die Gerüchte sich bewahrheiteten, das gesuchte Produkt in Mengen, die eine planmäßige Ausbeutung lohnten, finden würden. Die Matrosen gaben sich dem Fischfang hin, jagten und unternahmen kleinere Streifzüge. Paulvitsch wunderte am Ufer umher oder lag schlafend im Schatten der hohen Bäume, die das Ufer säumten. Eines Tages, als die Matrosen sich in einiger Entfernung gesammelt hatten, um den Panther zu inspizieren, den einer von ihnen erlegt hatte, erwachte Paulvitsch davon, dass eine Hand seine Schulter berührte. Er fuhr aus dem Schlaf auf und sah einen großen Menschenaffen, der neben ihm kauerte und ihn neugierig musterte. Eisiger Schreck durchfuhr den Russen. Sein Blick wanderte zu den Matrosen - sie waren zumindest zweihundert Meter entfernt. Wieder griff der Affe nach seiner Schulter und schnatterte aufgeregt dabei. Weder in dem forschenden Blick noch in der Haltung des Tieres erkannte Paulvitsch eine Bedrohung. Langsam kam er auf die Beine. Neben ihm erhob sich der Affe.

Gebeugt bewegte sich der Mann langsam auf die Matrosen zu. Der Affe hielt Schritt mit ihm und griff nach einem Arm Paulvitschs. Die Matrosen bemerkten die beiden erst, als sie hinter ihnen standen. Inzwischen hatte der Russe festgestellt, dass ihm von seinem Begleiter keine Gefahr drohte. Das Tier war offensichtlich an den Umgang mit Menschen gewöhnt. Paulvitsch kam der Gedanke, dass der Affe einen nicht unbeträchtlichen Wert darstellte. Er entschloss sich, Kapital aus ihm zu schlagen.

Die Männer blickten auf und starrten verwundert auf das seltsame Paar. Der Affe zeigte keine Furcht. Er griff nach den Schultern der Matrosen und blickte jedem lange und eindringlich ins Gesicht. Enttäuschung malte sich auf seinen Zügen, als er nach beendeter Besichtigung zu Paulvitsch zurückkehrte.

Die Matrosen hatten ihre helle Freude an dem Tier. Sie umringten Paulvitsch und bestürmten ihn mit Fragen, auf die der Russe immer wieder mit monotonem: »Der Affe gehört mir«, antwortete. Einer der Matrosen erlaubte sich einen Scherz und stach dem Affen eine Nadel in den Rücken. Blitzartig wandte sich das Tier seinem Quälgeist zu, der gutmütige Gesichtsausdruck war teuflischer Wut gewichen. Das breite Grinsen des Matrosen erlosch, als er merkte, dass er den langen Armen des Affen nicht entkommen konnte. Er zog das Messer, das er im Gürtel trug. Mit einem einzigen Griff entwand der Affe es ihm und schleuderte es in den Dschungel. Gleich darauf gruben sich seine Zähne in die Schulter des Mannes.

Mit Knüppeln und Messern fielen seine Kameraden über das Tier her, während Paulvitsch wie ein Verrückter umhertanzte, weil er fürchtete, der Quelle zukünftigen Reichtums beraubt zu werden. Doch der Affe schien kein leichtes Opfer für die zahlenmäßig überlegenen Matrosen. Er stieß den Mann, der den Kampf begonnen hatte, von sich, schüttelte seine mächtigen Schultern, um die beiden Matrosen loszuwerden, die ihn von hinten umklammerten, und fällte mit mächtigen Hieben einen Angreifer nach dem anderen.

Der Kampf war vom Kapitän und dem Maat, deren Boot gerade angelegt hatte, beobachtet worden. Paulvitsch sah die beiden Männer, gefolgt von den Matrosen, die sie gerudert hatten, mit gezogenen Revolvern nähereilen. Trotz seines verwirrten Geisteszustandes begriff der Russe, dass es um seinen Affen geschehen sein würde, sobald die Männer nur auf Schussweite heran waren. Das durfte nicht geschehen. Paulvitsch sah sich bereits in London, wo klingende Münze ihm für das Ausstellen des Tieres die Taschen füllen sollte. Er zögerte Sekunden, dann stellte er sich schützend vor das Tier, das keine Anstalten traf, ihn anzugreifen.

Der Kapitän war auf wenige Schritte herangekommen und rief ihm zu, zur Seite zu treten, damit er das Tier mit einem gezielten Schuss niederstrecken könne. Statt der Aufforderung zu folgen, griff der Russe nach dem Arm des Affen.

»Komm!«, sagte er und zerrte an dem behaarten Arm, um den Affen aus dem Kreis der zu Boden geschlagenen Matrosen zu ziehen. Langsam ließ das Tier sich zur Seite ziehen. Wenige Schritte vor dem seltsamen Paar machte der Kapitän halt.

»Aus dem Weg, Sabrow!«, befahl er. »Ich werde diesem Biest eine Kugel verpassen, so dass ihm die Lust vergeht, noch einmal anständige Seeleute anzufallen.«

»Das Tier hat keine Schuld, Kapitän«, sagte Paulvitsch. »Bitte, erschießen Sie es nicht. Die Männer haben angefangen, sie haben den Affen zuerst angegriffen. Sie sehen doch, dass er völlig zahm ist - und er gehört mir - er gehört mir. Ich werde nicht dulden, dass Sie ihn töten!«

Der Kapitän senkte die Waffe. »Die Männer haben angefangen?«, wiederholte er fragend. »Ist das so?« Er wandte sich jenen Matrosen zu, die wieder aufgestanden waren, sah sie Auskunft heischend an.

»Simpson hat es getan«, sagte einer. »Er hat dem Affen hinterrücks eine Nadel ins Fell gestochen, und das Tier rächte sich, was ihm niemand verdenken kann. Als wir dann alle mit Messern und Knüppeln über ihn herfielen...« Er verstummte und zuckte vielsagend die Achseln.

Der Kapitän trat vor den Affen, als wollte er sich selbst davon überzeugen, wie das Temperament des Tieres geartet sei. Das Tier richtete sich auf und tastete mit forschendem Blick das Gesicht des Kapitäns ab, wobei es eine Hand auf dessen Schulter legte. Nach einer Weile stieß es einen fast menschlich klingenden Seufzer aus, und seine Miene zeigte den gleichen Ausdruck von Enttäuschung wie vorher. Achselzuckend willigte der Kapitän ein, dass der Affe bei Paulvitsch bleibe. Die Gesellschaft kehrte an Bord zurück. Hier studierte das Tier jedes neue Gesicht, das irgendwo auftauchte, mit größtem Interesse, aber immer wieder nahm seine Miene jenen unverkennbaren Ausdruck von Enttäuschung an.

Die Offiziere und Wissenschaftler diskutierten über das seltsame Benehmen des Affen, ohne eine Erklärung dafür zu finden. Wäre das Tier auf dem Festland oder auf einem anderen bewohnten Platz entdeckt worden, nicht ausgerechnet auf der unbewohnten Insel, so hätte man den Schluss ziehen können, es sei ständiger Begleiter eines Menschen gewesen, nach dem es nun Ausschau hielt. Aber die Abgeschiedenheit der Insel sowie der Umstand, dass sie unbewohnt war, schlossen eine solche Möglichkeit aus.

Dennoch schien der Affe jemanden zu suchen. Während der ersten Tage der Fahrt stöberte er in allen Räumen des Schiffes. Nachdem er jedes Gesicht geprüft hatte, gab er seine Suche auf und verfiel in einen Zustand völliger Gleichgültigkeit, auch dem Russen gegenüber, aus dessen Händen er seine Nahrung empfing. Nie zeigte er Zuneigung zu Paulvitsch noch zu einem anderen von der Besatzung. Den größten Teil der Zeit verbrachte er im Ausguck des Schiffes und blickte über das Meer, als wisse er, dass die Marjorie W. eines Tages einen Hafen erreichen würde, in dem es neue Gesichter zu mustern gab. An Bord sah jedermann Ajax, wie man das Tier getauft hatte, als das bemerkenswerteste und intelligenteste Affentier an. Aber die Intelligenz war nicht sein einziges hervorstechendes Merkmal. Auch sein körperlicher Zustand war, trotz offensichtlich hohen Alters, hervorragend. Niemand hätte behaupten können, die Jahre hätten an seinen körperlichen oder geistigen Kräften gezehrt.

So gelangte die Marjorie W. schließlich nach England, wo die Offiziere und Wissenschaftler eine Sammlung für Paulvitsch veranstalteten, der nur noch ein menschliches Wrack war. Beschenkt mit dem Erlös dieser Sammlung, nahm der Russe, begleitet von Ajax, Abschied von den Männern, die ihn aus dem Dschungel gerettet hatten. Im Hafengebiet und auf der Fahrt in die Stadt bekam er allerdings alle Hände voll zu tun, denn sein Begleiter stürzte sich, sehr zum Entsetzen der Betroffenen, auf jedes neue Gesicht, um es aus nächster Nähe zu betrachten. Schließlich wurde das Tier, als alle seine Bemühungen vergeblich blieben, müde und verfiel wieder in die gleiche Apathie, die es während des letzten Teils der Reise gezeigt hatte. Nur noch gelegentlich vermochte ein vorübereilendes Gesicht sein Interesse zu erregen.

In London suchte Paulvitsch sogleich einen berühmten Tierdresseur auf. Der Mann war beeindruckt von der Intelligenz und leichten Auffassungsgabe des Tieres und erklärte sich gegen einen beträchtlichen Anteil der späteren Einnahmen bereit, Ajax zu dressieren und dem Tier wie auch seinem Besitzer bis dahin Unterkunft und Verpflegung zu gewähren.

So kam Ajax nach London, und in die Kette seltsamer Ereignisse, die in das Leben vieler Menschen eingreifen sollten, war ein neues Glied geschmiedet.

 

 

 

 

  Zweites Kapitel

 

 

Mr. Harold Moore war ein fleißiger junger Mann mit strengem Gesicht, der seine Arbeit, die darin bestand, den Sohn eines britischen Adligen zu unterrichten, sehr ernst nahm. Leider hatte er den Eindruck, dass seine Arbeit nicht den Erfolg brachte, den die Eltern des Jungen füglich erwarten konnten, und er beeilte sich, der Mutter diese Tatsache zu erklären.

»Es liegt nicht daran, dass der Junge nicht intelligent genug wäre«, sagte er. »Wäre dem so, so hätte ich Hoffnung, mein Ziel zu erreichen. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Der Junge ist überintelligent. Er lernt so schnell, dass es eine Freude wäre, sähe ich nicht, dass er nicht das geringste Interesse für seine Aufgaben auf bringt. Es gibt nur zwei Dinge, die sein wirkliches Interesse wachrufen - die Taten tapferer Männer und alles, was mit dem Leben wilder Tiere und primitiver Völker zusammenhängt. Er kann sich stundenlang mit dem Bericht eines Afrikaforschers beschäftigen, und zweimal überraschte ich ihn nachts im Bett, als er Hagenbecks Buch über Menschen und Tiere las.«

Die Mutter des Jungen blickte alarmiert auf. »Ich hoffe, Sie haben ihm diese nächtlichen Studien untersagt?«, fragte sie.

Mr. Moore blickte unbehaglich zu Boden. »Gewissermaßen - ja«, erwiderte er, während sich sein Gesicht dunkel färbte. »Ich - hm - versuchte, ihm das Buch fortzunehmen, aber - hm - Ihr Sohn ist sehr kräftig für sein Alter.«

»Er ließ sich das Buch nicht fortnehmen?«, fragte die Mutter.

»In der Tat«, nickte der Lehrer. »Und mit einer recht seltsamen Begründung. Er behauptete, er sei ein Gorilla und ich ein Schimpanse, der ihm seine Nahrung stehlen wolle. Knurrend sprang er auf mich zu, packte mich, hob mich über seinen Kopf und warf mich auf sein Bett, nachdem er durch eine Pantomime zu verstehen gab, dass er mich erwürgt habe. Dann setzte er den Fuß auf meine Brust und stieß einen markerschütternden Schrei aus, der, wie er erklärte, den Triumphschrei des siegreichen männlichen Affen darstelle. Nachher trug er mich zur Tür, schob mich hinaus und drehte den Schlüssel im Schloss herum.«

Mehrere Minuten lang schwiegen beide. Dann brach die Mutter des Jungen die Stille.

»Es ist unbedingt erforderlich, Mr. Moore«, sagte sie, »dass Sie alles in Ihrer Macht Stehende tun, Jack von seinen Neigungen abzubringen. Er...« Weiter kam sie nicht, denn ein unheimlicher Laut aus der Richtung des Fensters riss beide von den Stühlen.

Das Zimmer lag im zweiten Stock des Hauses, und die Äste eines großen Baumes reichten fast bis an den Fenstersims. Auf einem dieser Äste entdeckten sie den Gegenstand ihrer Unterhaltung, einen großen, stämmig gebauten Jungen, der auf dem Ast balancierte und einen lauten Jubelruf ausstieß, als er die überraschten Mienen der beiden erkannte.

Die Mutter und der Lehrer liefen auf das Fenster zu, aber sie hatten den Raum noch nicht zur Hälfte durchquert, als sich der Junge geschmeidig in das Zimmer schwang.

»Der wilde Mann aus Borneo ist in die Stadt gekommen«, sang er dazu und führte vor den entsetzten Augen der beiden eine Art Kriegstanz auf, der damit endete, dass er seine Mutter umarmte und auf beide Wangen küsste.

»Oh, Mutter«, rief er, »in einer der Musikhallen wird ein erstaunlicher, gut dressierter Affe gezeigt. Willie Grimsby sah ihn gestern Abend. Er sagt, der Affe kann alles, nur nicht sprechen. Er fährt Rad, ißt mit Messer und Gabel, kann bis zehn zählen und tut die erstaunlichsten Dinge. Ich möchte ihn auch gern sehen, Mutter. Darf ich?«

Die Mutter streichelte zärtlich die Wange des Jungen, schüttelte aber verneinend den Kopf. »Nein, Jack«, sagte sie. »Du weißt genau, dass ich solche Schaustellungen nicht billige.«

»Ich begreife nicht, warum«, erwiderte der Junge. »Alle andern Jungen gehen hin und sie dürfen auch in den Zoo. Nicht einmal das erlaubt ihr mir. Ihr behandelt mich wie ein Mädchen oder wie ein Muttersöhnchen.«

Die Tür öffnete sich, und ein hochgewachsener Mann mit grauen Augen trat ein. »Oh, Vater, ich darf gehen, nicht wahr?«, rief der Junge.

»Wohin gehen, mein Sohn?«, fragte der Mann.

»Er will eine Musikhalle besuchen, um sich einen dressierten Affen anzusehen«, sagte die Mutter und warf dem Mann einen warnenden Blick zu.

»Wen - Ajax?«

Der Junge nickte.

»Nun, ich verstehe deinen Wunsch, mein Sohn«, sagte der Vater. »Ich hätte selbst nicht übel Lust, mir dieses Wundertier anzuschauen. Es heißt, dass es wirklich einmalig und für einen Affen außergewöhnlich groß ist. Warum gehen wir nicht alle zusammen hin? Was meinst du, Jane?« Er wandte sich seiner Frau zu, aber sie schüttelte energisch den Kopf und erinnerte Mr. Moore daran, dass es Zeit sei, den Unterricht zu beginnen. Als die beiden gegangen waren, sagte sie:

»John, es muss alles vermieden werden, was Jack in seinen Neigungen ermutigen kann. Ich fürchte, er hat die Sehnsucht nach einem wilden, aufregenden Leben von dir geerbt. Du weißt aus eigener Erfahrung, wie stark der Ruf der Wildnis zuweilen ist.«

Der Mann schüttelte lächelnd den Kopf. »Ich bezweifle, dass sich solche Neigungen vom Vater auf den Sohn vererben«, sagte er. »Manchmal habe ich den Eindruck, dass du in deiner Sorge um Jack zu weit gehst. Seine Tierliebe, sein Wunsch, diesen dressierten Affen zu sehen, sind für einen gesunden Jungen seines Alters durchaus normal. Daraus, dass er Ajax sehen möchte, braucht man nicht gleich den Schluss zu ziehen, er könnte einmal in die Versuchung geraten, eine Äffin zu heiraten.« Mit diesen Worten zog John Clayton, Lord Greystoke, seine Frau an sich und küsste sie zärtlich. Dann fuhr er, ernst geworden, fort: »Du hast Jack nie etwas über mein früheres Leben erzählt und mir auch nicht gestattet, dies zu tun. Ich glaube, dass wir beide damit einen Fehler machten. Hätte ich ihm von den Erlebnissen Tarzans bei den Affen erzählt, so wäre den Abenteuern, von denen er träumt, viel von ihrem Glanz genommen worden und das Dschungelleben hätte seinen romantischen Schimmer verloren. Jack hätte aus meinen Erfahrungen lernen können, während ihn so nur seine eigenen Vorstellungen leiten, wenn ihn die Abenteuerlust packt.«

Lady Greystoke schüttelte energisch den Kopf, wie sie es immer getan hatte, wenn das Gespräch auf diesen Punkt kam. »Nein, John«, sagte sie mit fester Stimme. »Ich werde mich nie damit einverstanden erklären, dass Jack aus unserem Mund von dem wilden Leben erfährt, das wir ihm fernhalten wollen.«

Es war bereits Abend, als man wieder darauf zu sprechen kam. Jack fing damit wieder an. Er hatte es sich in einem tiefen Sessel bequem gemacht und las, als er plötzlich aufblickte und sich an seinen Vater wandte.

»Warum«, fragte er, gleich zur Sache kommend, »darf ich Ajax nicht sehen?«

»Deine Mutter will es nicht«, erwiderte der Vater.

»Und du?«

»Darum geht es nicht. Es genügt, dass deine Mutter nicht einverstanden ist.«

»Ich werde das Tier doch sehen«, sagte der Junge, nachdem er sekundenlang überlegt hatte. »Ich bin nicht anders als Willie Grimsby oder die anderen Jungen, denen der Besuch der Musikhalle erlaubt wurde. Es hat ihnen nicht geschadet, und es wird auch mir nicht schaden. Ich könnte gehen, ohne euch etwas davon zu sagen, aber das widerstrebt mir. Also sage ich euch jetzt schon, dass ich Ajax sehen werde.«

Es lag nichts Respektloses oder Aufsässiges in den Worten des Jungen. Er stellte lediglich leidenschaftslos eine Tatsache fest. Sein Vater hatte Mühe, ein Lächeln zu unterdrücken und sich die Bewunderung für Jacks männliche Haltung nicht anmerken zu lassen.

»Ich erkenne deine Offenheit an, Jack«, sagte er. »Erlaube mir, ebenso offen zu sein. Solltest du die Musikhalle ohne unsere Erlaubnis besuchen, so werde ich dich bestrafen. Ich habe bisher nie zu körperlichen Züchtigungen Zuflucht genommen, verspreche dir aber, dass ich es tun werde, wenn du dich in diesem Fall nicht den Wünschen deiner Mutter fügst.«

»Ich habe dich verstanden, Vater«, sagte der Junge und fügte hinzu: »Ich werde es euch berichten, wenn ich Ajax gesehen habe.«

 

Mr. Moores Zimmer lag neben dem seines jungen Schülers, und der Lehrer hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, einen Blick in Jacks Raum zu werfen, bevor er sich zur Nacht zurückzog. An diesem Abend war er besonders darauf bedacht, diese Pflicht nicht zu versäumen, denn die Eltern des Jungen hatten ihn dafür verantwortlich gemacht, dass Jack auf keinen Fall das Haus verließ. So war er zwar erregt, keineswegs aber völlig überrascht, als er um halb zehn die Tür öffnete und den zukünftigen Lord Greystoke völlig angezogen fand, im Begriff, den Raum durch das Fenster zu verlassen.

Mr, Moore jagte auf das Fenster zu, aber seine Anstrengung war unnötig, denn der Junge trat, als er sich entdeckt sah, in das Zimmer zurück, als habe er seine Pläne aufgegeben.

»Wohin wolltest du?«, keuchte der aufgeregte Mr. Moore.

»Zur Musikhalle, um Ajax zu sehen«, erwiderte der Junge ruhig.

»Ich bin erstaunt!«, rief Mr. Moore. Sekunden später war er wesentlich erstaunter, denn der Junge eilte schnell auf ihn zu, packte ihn bei den Hüften, hob ihn empor, warf ihn mit dem Gesicht nach unten aufs Bett und drückte seinen Kopf in die Kissen.

»Seien Sie ruhig, oder ich ersticke Sie«, mahnte der Sieger.

Mr. Moore versuchte sich zu befreien, aber seine Mühe war vergebens. Jack kniete auf seinem Rücken und riss das Laken in Streifen, mit denen er seinen Lehrer fesselte und knebelte. Dabei sprach er mit gedämpfter Stimme auf den Unterlegenen ein:

»Ich bin Waja, Häuptling der Waji«, erklärte er. »Und Sie sind Mohammed Dubn, der arabische Scheich, der meine Stammesangehörigen ermorden und unser Elfenbein stehlen wollte. Nun sind Sie in meiner Gewalt. Ich gehe nun, aber ich komme wieder!« Nach diesen Worten glitt der Sohn Tarzans durch den Raum, schlüpfte durch das offene Fenster und ließ sich an der Dachrinne zur Erde hinab.

Erst eine Stunde später wurde der bedauernswerte Mr. Moore durch einen Diener entdeckt und aus seiner peinlichen Lage befreit.

 

Inzwischen erfreute sich Jack der so leicht errungenen Freiheit. Er hatte die Musikhalle gerade in dem Augenblick erreicht, als Ajax' Auftritt begann. Aus einer Seitenloge vom an der Bühne beobachtete er mit aufgerissenen Augen die Künste des gelehrigen Affen. Dem Dresseur entging der gutaussehende Junge in der Loge nicht, und da der Höhepunkt von Ajax' Auftritt darin bestand, sich zu den Besuchern einer Loge zu gesellen, um - wie der Dresseur grinsend erklärte - nach einem lange verschollenen Verwandten zu suchen, beschloss er, an diesem Abend den Affen zu dem Jungen zu schicken.

Als Ajax dann zum letzten Mal an die Rampe trat, um den wohlverdienten Beifall für seine Vorführungen entgegenzunehmen, lenkte der Dresseur die Aufmerksamkeit des Tieres auf den Jungen, und der Affe schnellte sich mit einem geschmeidigen Satz in die Loge. Wenn der Dresseur geglaubt hatte, dass Furcht und Entsetzen den Jungen packen und einen neuen Beifallssturm des Publikums Hervorrufen würden, so sah er sich nun in seinen Erwartungen getäuscht.

Ein strahlendes Lächeln erhellte das Gesicht des Jungen, der seine Hand auf den haarigen Arm des Besuchers legte. Der Affe ergriff den jugendlichen Logenbesucher bei den Schultern und blickte lange und versonnen in dessen Gesicht, während Jack den mächtigen Schädel streichelte und leise auf das Tier einsprach.

Nie hatte Ajax sich so lange mit einer Musterung aufgehalten wie diesmal. Von allen Seiten betrachtete er den Jungen, schmiegte sich zärtlich an ihn und ließ sich schließlich, aufgeregt vor sich hin brummend, neben ihm nieder. Das Publikum war begeistert, und die Begeisterung wuchs noch, als der Dresseur sich vergeblich bemühte, das Tier zum Verlassen der Loge zu bewegen. Der Affe dachte nicht daran, der Aufforderung zu folgen. Der Manager, der schon die nächste Nummer angesagt hatte, drängte den Dresseur, die Vorstellung zu beenden, aber als dieser die Loge betrat, um Ajax hinauszuzerren, sah er sich entblößten Fängen und einem drohenden Knurren gegenüber. Dem verzweifelten Manager, der dem Dresseur zu Hilfe geeilt war, wurde der gleiche Empfang zuteil. Der Dresseur raufte sich die Haare, weil er fürchtete, dieses Zeichen von Aufsässigkeit könnte Ajax für weitere Vorführungen wertlos machen. Er lief hinter die Bühne und bewaffnete sich, um seinem Befehl Nachdruck zu verleihen, mit einer schweren Peitsche. Als er jedoch in die Loge zurückkehrte und Ajax drohend die Peitsche zeigte, sah er sich gleich zwei wütenden Feinden gegenüber, denn der Junge war aufgesprungen, hatte einen Stuhl gepackt und stand neben dem Affen, um seinen neugewonnenen Freund zu verteidigen. Das Lächeln auf seinem gut geschnittenen Gesicht war erloschen. In seinen grauen Augen stand ein Ausdruck, der den Dresseur veranlasste, die Peitsche sinken zu lassen. Niemand vermag zu sagen, was geschehen wäre, wenn der Dresseur nicht unerwartet Hilfe von dritter Seite erhalten hätte.

Zitternd und zerknirscht war Mr. Moore in die Bibliothek des Hauses gestürzt, um Lord und Lady Greystoke von dem Überfall und dem Verschwinden Jacks zu berichten. John Clayton wurde bleich, als er die Nachricht vernahm. Die Erinnerung an Rokoff stieg in ihm auf, er fürchtete, sein Sohn könnte zum zweiten Mal entführt worden sein.

»Ich sehe mich gezwungen, Sir, meine Stellung als Lehrer Ihres Sohnes sofort aufzugeben«, sagte Mr. Moore, der wieder zu Atem gekommen war. »Was Ihr Sohn braucht, ist kein Lehrer, sondern ein Raubtierbändiger.«

»Aber wo ist Jack?«, rief Lady Greystoke aufgeregt.

»Er ist verschwunden, um Ajax zu sehen.«

Es bereitete Tarzan Mühe, ein Lächeln zu unterdrücken. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass bei Mr. Moore der Schrecken größer war als der körperliche Schaden, den er davongetragen hatte, befahl er, den Wagen vorzufahren und jagte kurz darauf zur Musikhalle.

 

 

 

 

  Drittes Kapitel

 

 

Während der Dresseur noch überlegte, ob er nicht doch von der Peitsche Gebrauch machen sollte, schob ihn ein großer breitschultriger Mann zur Seite und betrat die Loge. Leichte Röte überzog das Gesicht des Jungen, als sein Blick auf den Neuankömmling fiel, »Vater!«, rief er aus.

Der Affe musterte den englischen Lord kurz, dann sprang er, aufgeregt murmelnd, auf ihn zu. Tarzans Augen weiteten sich, er stand wie erstarrt da.

»Akut!« stieß er hervor.

Verwirrt schaute der Junge seinen Vater an, dann ging sein Blick zu Ajax zurück. Bei der nun folgenden Szene klappte das Kinn des Dresseurs herab, denn von den Lippen des Engländers kam ein Strom unverständlicher Worte, der von dem Affen, der sich eng an den Mann schmiegte, auf die gleiche Weise erwidert wurde.

Aus den Kulissen beobachtete ein hagerer, verkrümmter alter Mann die phantastische Szenerie in der Loge. Eine Flut Empfindungen, die von höchster Überraschung bis zu tiefstem Entsetzen reichten, bewegte sein pockennarbiges Gesicht.

»Lange habe ich dich gesucht, Tarzan«, sprach Akut. »Nun werde ich in deinen Dschungel kommen, um mit dir zu leben.«