Teufelsfluch - Lucy Storm - E-Book

Teufelsfluch E-Book

Lucy Storm

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Beschreibung

Sophie Thomas, Träumerin und Mauerblümchen, wünscht sich nichts sehnlicher, als endlich beliebt zu sein. Als sie Nelson Bright, dem Sohn Luzifers, begegnet, lässt sie sich auf einen scheinbar traumhaften Deal ein, der ihr diesen Wunsch erfüllen soll. Doch es ist eine Falle, Sophie wurde Opfer des sogenannten Teufelsfluch, den nur sie brechen kann. Zusammen mit Jason, dem ein ähnliches Schicksal widerfahren ist, beschreitet sie ein gefährliches Abenteuer, mit dem Ziel, den Fluch zu brechen. Dabei finden Sophie und Jason heraus, dass sie nicht diejenigen sind, für die sie sich ihr Leben lang gehalten haben. Werden die beiden die Wahrheit akzeptieren können und zueinander finden?

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Das Buch

So hat sich Sophie ihre Zukunft aber nicht vorgestellt: an der Seite des Teufels und seinem Sohn Nelson zu dienen bis in alle Ewigkeit. Sie wollte doch nur etwas beliebter sein und an Selbstbewusstsein gewinnen. Woher hätte sie denn wissen sollen, dass der Teufel seine eigenen Pläne mit ihr, dem unschuldigen Mädchen von nebenan, hat? Nun muss sie zusammen mit Jason einen Weg finden, um aus diesem Deal wieder herauszukommen, bevor es zu spät ist.

Die Autorin

Lucy Storm wuchs in der Nähe von Hannover auf und schreibt seit ihrer Jugendzeit Geschichten. Sie studiert an der Universität Göttingen Geschichte und Kulturanthropologie und ist von Natur aus neugierig.

Für all die Künstler und künstlerisch Tätigen da draußen, die während der Corona- Pandemie um ihre Existenz kämpfen. Die trotz aller Schwierigkeiten ihrer Leidenschaft weiter nachgehen und mit jedem Werk der Menschheit ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Haltet durch und glaubt an euch, es werden wieder bessere Zeiten kommen!

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

1
Sophie

Seufzend schaute ich mich noch einmal um, bevor ich meine Tasche schulterte und zusammen mit meiner besten Freundin Elena die hinterste Ecke des Schulhofes verließ. Heute war ein schöner Sommertag und die Sonne brannte schon jetzt gnadenlos auf uns herab. Der Baumstamm, auf dem wir uns in den Pausen immer niederließen, lag aber im Schatten, zudem kühlte uns ein lauer Wind. Das Wichtigste war allerdings, dass sich selten andere Schüler hierher verirrten und ich so zumindest hier etwas Ruhe hatte. Doch nun musste ich zur fünften Stunde in meinen Englischkurs.

»Kopf hoch, bald ist es für heute geschafft und wir können in der Cardigan Bay baden gehen«, tröstete mich Elle, während sie ihre rosa gefärbten Haare zu einem Dutt zusammenband. Dankbar lächelte ich sie an. Doch meine gebesserte Laune hielt genau zwei Minuten, bis wir Ashley Benson und ihrer Lacrosse-Angeber-Clique über den Weg liefen.

»Hey, Thomas, schönes Shirt!“, rief sie und ihre schrille Stimme ließ mich zusammenzucken. Vorsichtig ging ich weiter und versuchte, sie zu ignorieren.

»Waren die T-Shirts in der Damenabteilung etwa ausverkauft?«, schob ihre Busenfreundin Layla hinterher und das gesamte Team begann zu grölen. Ich spürte, wie sich die Wut in mir anstaute. Mit geballten Fäusten blieb ich stehen. Gerade als ich einen Spruch zurückpfeffern wollte, legte Elena ihre Hand auf meine Schulter und schob mich sanft weiter. »Es bringt doch nichts, sich mit den hohlen Nüssen anzulegen, Sophie. Am Ende stehst du noch als die Böse da, die den Streit angezettelt hat und dafür nachsitzen muss. Das ist es doch nicht wert, oder? In ein paar Wochen haben wir endlich unseren Abschluss, und ich habe gehört, dass Benson und ihre Clique nach London ans University College gehen wollen. Heißt, diese Ziegen verlassen für mindestens drei Jahre Wales und können dich nicht mehr piesacken.«

Seit der Grammar School hatte Ashley mich als Opfer auserkoren und mit dem Wechsel zur Sixth Form hatten sich auch ihre Freunde angeschlossen. Zähneknirschend ging ich weiter. Elena hatte ja recht. Erstens wollte ich die letzten Wochen keinen unnötigen Ärger bekommen und zweitens war ich noch nie besonders gut im Kontern gewesen. Bei meinem Talent hätte ich mich nur blamiert und die gesamte Situation noch schlimmer gemacht.

Im Klassenzimmer stellte ich erleichtert fest, dass bisher nur wenige Schüler eingetroffen waren, was bedeutete, dass Elle und ich uns Plätze an der Fensterfront sichern konnten. Durch das Fenster kam ein angenehmer Luftzug. Ich lehnte mich zurück, schloss die Augen und konzentrierte mich auf meine Atmung, bis sich mein Herzschlag wieder beruhigt hatte.

»Warum hast du dich eigentlich eben über diesen Spruch so aufgeregt? Das war doch nicht einmal eine Beleidigung. Diese Sport-Tussen haben bestimmt keine Ahnung von Bandshirts. Sonst hätten sie gewusst, dass es sehr wohl ein Damenshirt ist«, sagte Elle leise zu mir, als die Clique laut gackernd den Raum betrat.

»Stimmt. Layla, Ashley und Vivien hören bestimmt weder Skillet noch Five Finger Death Punch und die Jungs wohl auch nicht«, kicherte ich bei der Vorstellung der drei auf einem Heavy-Metal- oder Rockkonzert.

»Ganz bestimmt nicht, dazu sind sie nicht mal annährend cool genug. Wahrscheinlich hören sie in Gegenwart ihrer Jungs ach so coole Rap-Musik und heimlich himmeln sie irgendwelche Boygroups an«, flüsterte Elle zurück, und wir mussten beide an uns halten, nicht laut loszuprusten. Offensichtlich bemerkte die Clique, dass wir über sie sprachen, denn sie warfen uns bitterböse Blicke zu. Ashley richtete sich auf, doch bevor sie mit einer Triade beginnen konnte, erschien unsere Englischlehrerin.

Mrs. Firebridge fing sofort mit dem Unterricht an. Sie teilte uns mit, dass jeder von uns eine Figur aus einem klassischen englischen Roman auszuwählen hatte und diese im Rahmen einer Kurzgeschichte in ein modernes Setting versetzen sollte. Anschließend sollten wir alle ein kurzes Referat darüber halten, weshalb uns gerade dieser Charakter geeignet schien, um zu zeigen, dass auch ältere Literatur modern sein kann.

Kaum stand die Aufgabe im Raum, begann das große Tuscheln. Nun wollte jeder mit seinen Freunden besprechen, welche Figur man wählen sollte. Nachdem Mrs. Firebridge uns zum Schweigen gebracht hatte, hob Ashley grinsend die Hand.

»Ich hätte da mal eine Frage, Mrs. Firebridge.«

»Ja, Ashley«, wollte unsere Lehrerin sichtlich erfreut wissen. Es war eine Seltenheit, dass Ashley im Unterricht bei der Sache war, geschweige denn aktiv mitarbeitete.

»Also ich habe mich gefragt, ob wir auch eine Figur aus den Harry-Potter-Büchern wählen können. Immerhin sind diese Bücher schon in den Neunzigerjahren erschienen.«

Mrs. Firebridge fuhr sich durch die Haare und dachte einen Moment nach, schüttelte dann jedoch den Kopf. »Nein, es tut mir leid, Ashley. Und es sind nur die ersten Bücher in den späten 1990-ern erschienen, die späteren Bände folgten nach der Jahrtausendwende. Natürlich haben Sie recht damit, dass diese Bücher eine Art Kultstatus erreicht haben, nicht nur bei uns in Großbritannien. Sicherlich hat jeder Kollege mindestens einmal Ihnen gegenüber einen Harry-Potter-Vergleich gezogen. Aber die Bücher sind nicht alt genug, um zu der klassischen Literatur zu zählen, die ich meine.«

»Schade, wirklich schade. Ich hätte da nämlich eine gute Idee gehabt“, seufzte Ashley theatralisch und senkte gespielt traurig den Blick auf die Tischplatte.

»Und die wäre?«, fragte Mrs. Firebridge, deren Neugierde offenbar geweckt war.

Triumphierend schaute Ashley hoch. »Nicht für mich, sondern für Sophie. Ich dachte, dass sie Hermine Granger wählen könnte. Das hätte sie sicher gefreut, aber bestimmt findet sie auch in der klassischen Literatur eine passende Figur.«

»Wie kommen Sie denn auf die Idee, dass Sophie sich für Hermine Granger entscheiden würde?« Scheinbar konnte Mrs. Firebrdige Ashleys Gedankengängen ebenso wenig folgen wie ich.

»Na, ganz einfach«, erwiderte Ashley und schaute mit boshaft funkelnden Augen in die Runde. »Ich sehe zwischen den beiden einige Gemeinsamkeiten. Beide haben eine grässliche Frisur und sind nicht besonders hübsch. Zudem sind sowohl Sophie als auch Hermine unerträgliche Streber, quatschen den ganzen Tag irgendeinen Mist, haben keinen Geschmack bei der Wahl ihrer Kleidung und sind ein absolutes soziales Desaster. Sophie ist also unsere Hermine Granger - nur schrecklicher. Das passt doch, oder nicht?«

Die gesamte Clique sowie einige andere Mitschüler brachen in schallendes Gelächter aus. Tränen brannten in meinen Augen und nur mit Mühe konnte ich sie zurückhalten. Es schien, als hätte jemand auf Slow Motion umgestellt, alles lief verlangsamt und wie in weiter Ferne ab. Mein Herz begann erneut wie wild zu pochen und ich ballte meine schweißnassen Hände zu Fäusten. Während ich langsam aufstand, spürte ich, wie Elenas Hand erneut auf meiner Schulter ruhte und ihre Stimme wie durch Watte zu mir drang: »Hör nicht auf sie, Sophie.« Doch ich fegte ihre Hand weg, schnappte meine Sachen und rannte aus dem Klassenzimmer. Auf dem Flur bahnten sich die ersten Tränen ihren Weg.

2
Sophie

Ohne auf meine Umgebung oder auf meine schmerzende Lunge und Beine zu achten, lief ich vom Schulhof weiter durch die Stadt, vorbei an der Cardigan Bay, wo schon um diese Zeit reges Treiben von Schulschwänzern, Rentnern, Studenten und Familien herrschte, und blieb erst stehen, als ich an einem Waldrand ankam. Schnaufend ging ich in die Hocke und atmete tief ein und aus. Nachdem der Schmerz nachgelassen und mein Herzschlag wieder auf ein gewöhnliches Level herabgesunken war, richtete ich mich auf und schaute mich um. Noch nie zuvor war ich in diesem Wald gewesen. Ich konnte mir nicht erklären, weshalb es mich ausgerechnet hierher verschlagen hatte. Weit und breit war keine Menschenseele zu sehen. Die dichten Bäume schienen mich vor den Gemeinheiten der Welt zu schützen, also wagte ich mich vorsichtig hinein. Sofort wurde es etwas kühler um mich herum und die dicken Baumkronen ließen nur einen Teil der Sonnenstrahlen durch. Ich hörte nichts, außer ein paar Vögeln, den pfeifenden Wind und knackende Äste. Dennoch fühlte ich mich sicher und geborgen, als könne mir hier niemand etwas anhaben. Kurz entschlossen und absolut planlos wagte ich mich tiefer in den Wald hinein. Je weiter ich kam, desto besser ging es mir und schon bald fühlte ich mich befreiter denn je.

Ich weiß nicht, wie viel Zeit verstrichen war, doch plötzlich tauchte wie aus dem Nichts eine leerstehende Hütte vor meinen Augen auf. Lebte etwa jemand hier in dieser Einöde? Leise schlich ich mich heran, meine Ohren gespitzt, warf ich einen Blick ins Innere. Die Hütte bestand aus einem Raum und niemand befand sich darin. Es gab ein Sofa, eine Kochnische mit Kühlschrank und einen Tisch mit Stühlen am anderen Ende des Raums. Der Boden war mit einem Teppich ausgelegt und, trotz der antiquierten Einrichtung, strahlte die Hütte Gemütlichkeit aus. Ich spürte die Müdigkeit über mich hereinbrechen, und die leichte Staubschicht auf den Möbeln deutete darauf hin, dass lange Zeit niemand mehr in der Hütte gewesen war. Wer also sollte mich schon überraschen?

Kurz entschlossen öffnete ich die quietschende Tür und warf einen Blick hinein. »Hallo, ist hier jemand? Ich würde gerne Ihre Toilette benutzen, wenn das okay ist“, rief ich vorsichtshalber, doch niemand antwortete. Schulterzuckend schloss ich die Tür hinter mir und schmiss meine Tasche auf den Boden. Ich konnte ja einfach etwas Geld zum Dank hinterlassen.

Nach einer kleinen Besichtigung und einem Toilettengang - die Toilette befand sich hinter einer weiteren Tür - setzte ich mich aufs Sofa und fuhr mir mit den Händen übers Gesicht. Dieser Tag hatte mich völlig geschafft. Klar, ich war schon öfter von Ashley und ihrer Clique bloßgestellt worden und ja, ich war auch schon weinend weggerannt. Aber erstens hatten mich meine Beine noch nie so weit getragen und zweitens waren die Sprüche bisher nie so schlimm gewesen. Und auch die Sonne hatte lange nicht mehr so geknallt. Geistesabwesend griff ich nach meiner Wasserflasche. Was hatte ich Ashley denn bitte getan, dass sie mich seit Jahren so gnadenlos schikanierte? Hatte ich etwas angestellt, ohne es bemerkt zu haben? Nein, das hätte sie mir garantiert direkt an den Kopf geworfen. Außerdem gab es auch gar nichts, das ich hätte anstellen können: Ich hatte nie über sie gelästert, ihr keine Freunde ausgespannt und erst recht hatte ich mich nie an ihren Schwarm Chris, der mittlerweile ihr Freund war, herangemacht. Doch warum hatte sie ausgerechnet mich als ihr Opfer ausgewählt, wo es doch so viel Konkurrenz für sie gab, die sie stattdessen hätte quälen können? War sie wirklich so oberflächlich, dass sie Menschen nur deshalb beleidigte, weil diese nicht so gut aussahen wie sie selber?

Frustriert schloss ich die Augen und gab mir eine gedankliche Backpfeife. Das musste verdammt noch mal ein Ende haben! Ich konnte und wollte nicht länger das hässliche, schüchterne und verträumte Mauerblümchen sein, das sich von anderen herumschubsen, beleidigen und ausnutzen ließ. In ein paar Monaten würde ich hier in unserer schönen Küstenstadt studieren. Wie sollte ich mich da zurechtfinden und mir etwas aufbauen, wenn ich weiterhin jedermanns Spielball war?

Entschlossen schnappte ich mir mein Notizbuch und machte es mir auf dem Sofa bequem, um mir einen Plan auszudenken. Doch kaum hatte ich die richtige Position gefunden, spürte ich, wie meine Augenlider schwer wurden.

3
Nelson

Genervt zog ich mir menschliche Kleidung über und beamte mich in den Wald. Von hier aus musste ich nun zu Fuß weiter laufen, da meine Mutter vor Jahren einen Schutzzauber auf die Hütte gelegt hatte: Niemand konnte sich direkt hineinbeamen, sondern musste eine kleine Wanderung auf sich nehmen. So verloren die meisten auf dem Weg einen Teil ihrer Energie und waren, falls sie sich als meine Gegner herausstellten, meist geschwächt im Kampf. Gleichzeitig konnte mich so niemand überraschen. Doch das bedeutete nun, dass ich an einem Tag, an dem ich eigentlich frei hatte, Zeit in einen unnötigen Spaziergang investieren musste. Und das nur, weil mein Vater unbedingt ein Schulmädchen in seine Dienste stellen musste. Wozu denn bitte schön? Er hatte eine große Auswahl an Dämonen und Menschen, die für ihn arbeiteten, und der Großteil war recht zuverlässig. Was wollte er mit einem sensiblen Mädchen anfangen, das so brav war, dass es wahrscheinlich nicht einmal an den Teufel glaubte? Aber wenn ich eines von meinen Eltern gelernt hatte, dann, dass sie sich so gut wie nie täuschten. Wenn sie sagten, dass eine Außenseiterin auf meinem Sofa schlief, dann würde dem auch so sein. Und wenn sie verlangten, dass ich dieses Mädchen für uns gewann, dann erledigte ich das. Schließlich wollte ich in ein paar Jahren Vaters Platz in der Hölle einnehmen und diese regieren, während Vater sich in seinen wohlverdienten Ruhestand begab. Um dies mit Bravour meistern zu können, brauchte ich, so Mutter und Vater, eine fundierte Ausbildung. Dazu zählten nun mal auch anstrengende und ätzende Aufgaben wie Botengänge und Befragungen. Man könnte denken, dass mir Botengänge nach über zweihundert Jahren nichts mehr ausmachten, doch war ich von Natur aus sehr ehrgeizig und ungeduldig. Ich konnte es nicht ausstehen, wenn ich Aufgaben zugeteilt bekam, für die mein Vater eigentlich Menschen und Dämonen einsetzte. Am Anfang hatte das Ganze ja noch Sinn gemacht, schließlich musste ich lernen, wie man Menschen manipulierte und auf seine Seite zog. Mit Stolz konnte ich sagen, dass ich nun zu einem wahren Meister der Manipulation geworden war. Doch es gab ebenso gute Dämonen, also warum ausgerechnet ich?

»Das habe ich dir doch erklärt, mein Sohn«, ertönte die Stimme meines Vaters in meinem Kopf. Na toll, er musste natürlich wieder ungefragt in meinen Gedanken schnüffeln! Das nervte noch mehr als Botengänge!

»Es ist verdammt wichtig, dass Sophie Thomas für uns arbeitet. Sie mag unscheinbar wirken, doch in ihr schlummert eine unglaubliche Kraft, die in den Händen der Gegner unseren Ruin bedeuten kann. Noch ist niemand von der anderen Seite bei ihr gewesen, du kannst sie also für uns gewinnen. Ich brauche sie dringender als jeden anderen Menschen, verstehst du? Sie ist wichtiger als jeder Politiker, König, Kaiser oder Meisterdieb. Sophie ist der Schlüssel für unseren endgültigen Sieg, und den will ich haben. Ich weiß, dass mein Vater einigen Dämonen ein Angebot gemacht hat, und ich weiß nicht von allen, wer bereit ist überzulaufen. Für diesen unbeschreiblich wichtigen Auftrag brauche ich also jemanden, dem ich voll und ganz vertrauen kann. Und wer wäre da besser geeignet als du und Cathrine? Cathrine muss aber andere wichtige Aufgaben erledigen, und so hatte ich keine Wahl, als dir deinen freien Tag zu nehmen. Du wirst es verkraften.«

Dieser Tonfall bedeutete: keine Widerrede. Entnervt seufzte ich auf, bevor ich einlenkte. Es machte keinen Sinn, mit dem Fürsten der Hölle zu streiten, wenn deine Zukunft in seinen Händen lag.

»Entspann dich, Vater, ich bin doch schon auf dem Weg dorthin. Aber warum diese Streberin? Und was muss ich noch über sie wissen?« Nie zuvor hatte mein Vater so sehr einen Menschen für seine Zwecke begehrt.

»Du wirst noch früh genug erfahren, was ich mit ihr im Sinn habe. Und alle Informationen, die du über sie brauchst, kannst du ihren Gedanken entnehmen. Sie ist nie in dem Glauben aufgewachsen, dass es uns gibt, und daher hat sie auch keine Barriere.« Noch ehe ich etwas erwidern konnte, war die Stimme in meinem Kopf verschwunden. Na, vielen Dank auch! Bisher hatte ich immer alle relevanten Infos erhalten, bevor ich mich zu einem Auftrag begab, und hatte mir immer eine Strategie zurechtlegen können. Dieses Mal stand ich mit leeren Händen da.

Während ich frustriert meinen Gedanken nachhing, hatte ich mit Leichtigkeit den Wald durchstreift und stand nun vor meiner Hütte. Die Vorhänge waren zugezogen, doch als ich meine Ohren spitzte, hörte ich ein leises Schnarchen. Grinsend schüttelte ich den Kopf. Die Menschen waren echt dumm, sich gedankenlos solch einer Gefahr auszusetzen. Umso besser für mich. Zügig betrat ich mein Versteck und schlich mich leise ans Sofa heran. Der Eindringling war ein etwa achtzehnjähriges Mädchen, dessen gesamte Erscheinung nach Streber und Außenseiter schrie. Schade eigentlich, mit ein paar Tricks hätte sie richtig gut aussehen können. Ihre dunkelbraunen Haare fielen verzottelt an ihren Schultern herab. Eine schwarze Brille in altmodischer Form hing über der Nase. Ihr unförmiger Schlabberlook bestand aus einem ausgeblichenen Band-Shirt - wobei ihr Musikgeschmack einwandfrei war - und einer ausgeleierten Jeans. Ihre Sneaker waren über und über mit Schmutz bedeckt. Bei genauem Hinsehen konnte ich eine ganz normale Figur ausmachen. Das Mädchen hatte doch nichts zu verstecken, warum lief sie so rum? Das musste ich ihr dringend ausreden.

Seufzend beugte ich mich vor und platzierte beide Hände an ihre Schläfen.

4
Nelson

Ein starker Energiestrahl bahnte sich seinen Weg über meine Hände, durch meine Arme bis in meinen Kopf und ich landete in einem Kindergarten. Die fünfjährige Sophie spielte mit einer Freundin Barbie, als ein Junge auf sie zukam und ihr ihre Puppe wegnahm.

»Hey, lass das, die gehört mir!«, schrie das Mädchen und sprang wütend auf. Doch der Junge war schneller und sprang einen Satz zurück. »Komm und hol sie doch, Heulsuse!«, rief der Junge und rannte lachend weg. Sophie verfolgte ihn, schaffte es tatsächlich, ihm die Puppe wieder zu entreißen, und haute ihm zusätzlich eine runter.

»Für dich zum Mitschreiben, John!«, rief Sophie in einer hohen Stimmlage. »Wenn du mir das nächste Mal etwas wegnehmen möchtest, werde ich dich verprügeln.« Anschließend ging sie hoch erhobenen Hauptes weg, die Szene löste sich auf und ich landete an der Cardigan Bay, wo mich eine dreizehnjährige Sophie und ihre Freundin erwarteten. Beide lagen auf ihren Handtüchern und sonnten sich. Das Gesprächsthema schien sehr lustig zu sein, denn beide Mädchen lachten aus vollem Herzen. Bis eine Blondine vor den beiden auftauchte. Mit funkelnden Augen, einem gehässigen Grinsen und verschränkten Armen blickte sie auf die beiden Freundinnen herab.

»Na so was, Klein Sophie und ihr Schoßhündchen amüsieren sich am Strand. Was gibt es denn zu besprechen? Wie du den nächsten Liebesbrief geschickter schreibst? Ich gebe dir mal einen Tipp, Mädchen. Es spielt keine Rolle, wie du nächstes Mal vorgehst, denn mein Bruder Mike wird sich nie im Leben für dich interessieren, kapiert? Eher würde er mit einer Mülltonne ausgehen als mit dir!«

Wütend und verletzt setzte Sophie sich auf und verschränkte ebenfalls die Arme. »Mein Liebesleben geht dich nichts an, Ashley. Und ich habe nie einen Liebesbrief an Mike geschrieben. Das war ein Fake von jemandem, der irgendwie meint, über meine Gefühle Bescheid zu wissen. Jemandem wie dir.«

Lachend schüttelte Ashley den Kopf. »Glaub mir, ich habe Besseres zu tun, als deinen Schriftverkehr zu regeln. Mag aber sein, dass ich zufällig euer Gespräch belauscht und gewisse Infos an John weitergeben habe. Da war wohl jemand sehr geduldig mit seiner Rache.« Mit schallendem Gelächter und wehenden Haaren verschwand sie und ich tat es ihr gleich, nur um kurz darauf in einer aktuellen Szene in einem Klassenzimmer zu landen.

Ein paar Schüler diskutierten miteinander und alles schien normal, bis diese Ashley ein gehässigen Kommentar über Sophie abließ, die daraufhin weinend die Schule verließ und irgendwann in meiner Hütte angekommen war. Aha, das war also der Grund für ihren Aufenthalt hier. Moment mal, ein Mädchen, das wegen einem lächerlichen Spruch in Tränen ausgebrochen war und die Flucht ergriffen hatte, sollte unglaubliche Macht in sich tragen? Wow, das nannte ich mal Ironie des Schicksals. Erneut durchfuhr mich ein heftiger Energiestrahl, der dieses Mal von meinem Kopf zurück in Sophies Körper geleitet wurde, und mich ans andere Ende meiner Hütte katapultierte. Schwer atmend rappelte ich mich auf und ging zurück zu Sophie, als ich eine Bewegung wahrnahm. Noch ehe ich mich wieder fangen konnte, flatterten Sophies Augenlider und sie war schlagartig wach.

5
Sophie

Verwirrt sah ich mich um und blinzelte. Wo war ich und was war passiert? Nach einem kurzen Moment der Besinnungslosigkeit fiel mir alles wieder ein. Erleichtert atmete ich aus: Ich war noch immer in der Hütte. Doch warum hatte ich von Erlebnissen geträumt, die viele Jahre zurücklagen?

»Oh, wie schön, mein Gast ist wach!«, ertönte eine tiefe Stimme hinter mir. Geschockt und überrascht zugleich drehte ich mich um und fiel vom Sofa. Na toll, auch das noch! Es war ja nicht schon peinlich genug, in eine fremde Hütte einzudringen und auf dem Sofa zu schlafen. Natürlich musste ich gleich noch meine Tollpatschigkeit unter Beweis stellen.

Mit hochrotem Kopf und brennenden Wangen drehte ich meinen Kopf langsam in die Richtung, aus der die mysteriöse Stimme gekommen war. An der Wand lehnte ganz lässig ein junger Mann, er war vermutlich nur wenige Jahre älter als ich. In seinen grauen Augen lag ein amüsiertes Funkeln, und ich merkte, wie mir das Herz noch weiter in die Hose rutschte. Das lag nicht nur daran, dass seine Bauchmuskeln durch das weiße T-Shirt schimmerten. Insgesamt wirkte er sowohl verwegen als auch bedrohlich auf mich. Seine langen schwarzen Haare hingen offen über seine Schultern und er war zwei Köpfe größer als ich. Ohne es zu wollen, hatte ich mich ein wenig zusammengekauert und starrte ihn mit großen Augen an.

»W-wer sind Sie?«, brachte ich leise heraus.

»Wer ich bin?« Lachend kam Mr. Unknown in großen Schritten auf mich zu und ging vor mir in die Hocke. »Ich, meine Liebe, bin Nelson Bright, der Besitzer dieser wunderbaren Hütte. Die Frage ist wohl eher, wer du bist und was du hier verloren hast.«

Es war offensichtlich, dass er es genoss, mir Angst einzujagen. Verlegen knetete ich meine Finger, sah zu Boden und hörte mein Herz in den Ohren pochen.

»I-ich bin, ich bin Sophie T-Thomas«, stammelte ich und wünschte mir, dass sich unter meinen Füßen ein großes Loch auftat. Doch das passierte natürlich nicht. Also schluckte ich den riesigen Kloß, der sich in meinem Hals eingenistet hatte, hinunter und fügte hinzu: »Ich war im W-Wald spazieren und m-musste auf die Toilette und dann-«