The Chaos Chasers MC Teil 6: Melvin - C.M. Marin - E-Book

The Chaos Chasers MC Teil 6: Melvin E-Book

C.M. Marin

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Beschreibung

MELVIN Fast ein Jahr. So lange warte ich schon darauf, dass meine Gefühle für die hinreißende junge Frau, zu der Chloe geworden ist, nachlassen. Einige meiner Brüder würden wahrscheinlich sagen, dass ich mich nach ihren smaragdgrünen Augen sehne und mir wünsche, dass Chloe mich endlich wahrnimmt. Vielleicht will ich gar nicht, dass das Verlangen, das in mir brodelt, auch nur ein bisschen nachlässt. Nein, es gibt kein Vielleicht. Was es allerdings gibt, ist das Verbotsschild, das um ihren Hals hängt. Ich respektiere ihren Vater zu sehr, um seiner Tochter nachzustellen. Aber ich bin auch nur ein Mensch, und mit guten Vorsätzen kommt man nicht weit. CHLOE Ich kann sehen, wie Melvin mich beobachtet. Jedes Mal, wenn wir zusammen sind, trifft mich sein dunkler und doch sanfter Blick. Trotzdem tut er sein Bestes, um mich zu ignorieren. Entweder das, oder mein Herz spielt mit meinem gesunden Menschenverstand. Ich bin in Melvin verliebt, seit er mir vor drei Jahren zu Hilfe geeilt ist und mir den Verstand und vielleicht auch das Leben gerettet hat. Wenn nur die Angst vor Zurückweisung nicht zu groß wäre. Eine erfahrenere Frau als ich hätte diesen gut aussehenden Biker vielleicht durchschauen können. Aber ich weiß, was ich will, wenn es um Melvin geht. Starke Schultern, eine breite Brust, wahnsinnig gut geformte Bauchmuskeln und wirres dunkles Haar, durch das meine Finger streichen möchten. Ich wünschte nur, ich wäre mutig genug, die Initiative zu ergreifen. Bist du bereit für ein weiteres atemberaubendes Abenteuer? Dann schnall dich an, denn C.M. Marin wird dich mit dem Chaos Chasers Motorcycle Club ein sechstes und letztes Mal auf eine wilde Fahrt mitnehmen!

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C.M. Marin

The Chaos Chasers MC Teil 6: Melvin

Aus dem Amerikanischen ins Deutsche übertragen von Svenja Ohlsen

© 2021 by C.M. Marin unter dem Originaltitel „Melvin (The Chaos Chasers MC Book 6)“

© 2023 der deutschsprachigen Ausgabe und Übersetzung by Plaisir d’Amour Verlag, D-64678 Lindenfels

www.plaisirdamour.de

[email protected]

© Covergestaltung: Sabrina Dahlenburg

(www.art-for-your-book.de)

ISBN Print: 978-3-86495-610-2

ISBN eBook: 978-3-86495-611-9

Alle Rechte vorbehalten. Dieses Buch oder Ausschnitte davon dürfen ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung des Herausgebers nicht vervielfältigt oder in irgendeiner Weise verwendet werden, außer für kurze Zitate in einer Buchbesprechung.

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Epilog

Autorin

Kapitel 1

Melvin

Der Junge, der mit Chloe tanzt, sollte seine Hand besser nicht weiter nach unten gleiten lassen, wenn er nicht gerade Lust auf gebrochene Finger hat. Ich zucke ungeduldig mit der Hand, während ich mit dem linken Fuß in einem unaufhörlichen Rhythmus auf den Rasen trommle. Ich wünschte, ich könnte zu der provisorischen Tanzfläche hinüberlaufen und dem fraglichen Jungen eine verpassen. Doch ich belasse es dabei, innerlich aufzustöhnen und ihn in Gedanken zu vermöbeln.

Allerdings ist der Junge wohl auch kein richtiges Kind mehr. Wäre er eins, würde ich mich nicht aufregen. Ich würde sagen, dass er um die zwanzig ist. Wäre er noch ein Kind, so wäre ich das auch mit meinen fast zweiundzwanzig Jahren. Und Chloe ebenfalls. Aber sie ist kein Mädchen mehr. Sie ist zwar erst achtzehn, jedoch weit davon entfernt, noch ein Kind zu sein. Sie ist reif und verdammt klug. Süß ist sie auch. Ihre Stimme klingt sanft und rein, vor allem, wenn sie lacht, und ihre hellgrünen Augen haben das freundlichste Funkeln, das ich je gesehen habe. Sie hat sich zu einer hinreißenden jungen Frau entwickelt. Während ich jede ihrer Bewegungen aufnehme, von der Art, wie sich ihr Körper im Takt der Rockmusik wiegt, bis hin zu der Weise, wie ihr ganzes Gesicht jedes Mal aufleuchtet, wenn sich ihre Lippen zu einem Lächeln verziehen, kann ich sie nur als atemberaubend bezeichnen. Okay, vielleicht ist das nicht alles. Schmerzlich anziehend wäre eine andere, treffende Beschreibung.

Die leuchtende Schönheit, die sie ausstrahlt, hat nichts mit dem langen, ärmellosen goldenen Kleid zu tun, das sie trägt. Der seidige Stoff ist mit einer Art Gürtel verziert, der mit glänzenden Steinen und irgendeinem glitzernden Zeug besetzt ist. Ich habe keine Ahnung, wie man das nennt, und es ist mir auch völlig egal. Es schmiegt sich perfekt und aufreizend um ihre schlanke Taille. Ihr Charme hat nichts mit ihrem blonden Haar zu tun, das sie für diesen besonderen Tag hochgesteckt hat. Die glänzenden Locken lassen meine Finger wieder jucken, aber diesmal mit dem Drang, in ihre Mähne einzutauchen, während ich ihre rosigen Lippen in einem glühenden Kuss erobere. Nein, wie schön sie aussieht, hat nicht das Geringste mit schicken Kleidern, perfekt gestyltem Haar oder Make-up zu tun. Wenn sie nach einem morgendlichen Lauf in Leggings und einem schlichten Shirt im Club auftaucht, ihr Gesicht ungeschminkt ist und ihr Haar dringend gebürstet werden muss, ist sie genauso schön wie heute.

Ich wette, dass der adrette Typ, mit dem sie gerade tanzt, das alles auch bemerkt hat.

„Soll ich Vincent für dich in den Arsch treten?“

Wie ein Kind, das mit der Hand in der Keksdose erwischt wurde, wende ich reflexartig den Blick von Chloe ab und schaue nach links, wo Camryn sich zu mir setzt. Das Necken in ihrer Stimme passt zu dem schelmischen Lächeln, das ihre Lippen umspielt, aber beides hält mich nicht davon ab, den Dummen zu spielen.

Mein Blick fällt auf den leeren Teller vor mir, während ich versuche, unschuldig auszusehen. „Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Süße.“

Ich spüre förmlich, wie ihre grauen Augen mich von der Seite durchbohren. Könnte ich meine von dem blöden Teller losreißen, würde ich sehen, wie sie mich herausfordernd anstarrt und nur darauf wartet, dass ich eine weitere Notlüge von mir gebe.

„Sie spricht davon, dass du diesem armen Kerl in deinem Kopf wahrscheinlich schon den Arsch aufgerissen hast.“

Kichernd ignoriert Ben die Tatsache, dass meine Aussage rein rhetorisch war, während er sich gegenüber von mir auf einen Stuhl setzt und ein paar Weintrauben von einem Tablett nimmt. Als er sich die Früchte in den Mund steckt, grinst er mich trotzdem von einem zum anderen Ohr an.

Vielleicht liege ich ja falsch, aber da ich nicht glaube, dass es hilfreich ist, ihm in die Eier zu treten, weil er mir die freie Sicht auf Chloe versperrt hat, murmele ich eine neue Lüge.

„Ich reiße niemandem in meinem Kopf den Arsch auf.“

Nachdem er noch ein paar Trauben in den Mund gesteckt hat, hebt er seine Hände zu einer Entschuldigung, die nicht unechter aussehen könnte, selbst wenn er es versuchen würde, vor allem in Verbindung mit dem frechen Grinsen, das in sein Gesicht eingemeißelt zu sein scheint.

„Mein Fehler. Aber ein kleiner Rat“, sagt er, ohne sich die Mühe zu machen, mich zu fragen, ob ich ihn hören will oder nicht. „Wenn du das nächste Mal nicht gerade jemandem in Gedanken den Arsch aufreißt, solltest du an deinem Pokerface arbeiten. Du bist genauso leicht zu durchschauen, wie jedes Mal, wenn du nach einem bestimmten Mädchen schielst.“

„Ich schiele nicht …“

„Nicht nach einem bestimmten Mädchen.“ Er unterbricht meinen Satz und beendet ihn für mich, wobei seine blauen Augen vor Belustigung blitzen. „Verstehe. Mein Fehler, schon wieder.“

Verflucht.

Aber es ist meine eigene verdammte Schuld. In den letzten Wochen bin ich immer unvorsichtiger geworden und habe jeden ihrer Schritte beobachtet. Jedes Mal, wenn sie in der Nähe ist, schaue ich ihr hinterher. Ich kann nichts dagegen tun. Meine Augen fliegen zu ihr, wie die Motten zum Licht, das sie anzieht. Dass sie kürzlich achtzehn wurde, muss einen Schalter in meinem Kopf umgelegt haben. Ich weiß es nicht.

Die Frage ist nun, wer sonst noch mein scheinbar unbändiges Interesse an Chloe entdeckt hat. Der ganze Club, wie es scheint. Scheiße, ich hoffe nur, dass Brent mich nicht dabei erwischt hat, wie ich bei jeder Gelegenheit den Körper seiner Tochter anschmachte. Das ist allerdings höchst unwahrscheinlich. Hätte er etwas bemerkt, wäre ich jetzt derjenige, der den Arsch aufgerissen bekäme.

„Wenn ich du wäre“, sage ich zu Ben und neige mein Kinn über seine Schulter, „würde ich mir mehr Sorgen um den Typen da drüben machen, der mit deinem Mädchen spricht.“ Colleen ist eine schöne, temperamentvolle Brünette, die sich gerade mit einem etwas älteren Mann unterhält.

Bens Reaktion ist genau so, wie ich es beabsichtigt hatte. Er dreht sich so schnell in seinem Stuhl herum, dass es mich nicht wundern würde, wenn er sich dabei den einen oder anderen Muskel zerrt.

„Samuel ist einer meiner Kollegen“, sagt Cam über den Mann, den Ben mit seinen Blicken zu töten versucht. „Er hat eine Schwäche für Literatur. Es grenzt an Besessenheit. Er kann nicht aufhören, darüber zu reden, genau wie Colleen. Ich bin sicher, die beiden könnten sich stundenlang über Bücher unterhalten.“

„Stundenlang?“ Ben quietscht und klingt dabei wie ein kleines Mädchen – oder wie ein sterbendes Tier, je nachdem. „Ja, nein, das passiert nicht, solange ich hier bin. Stundenlang, verdammt“, murmelt er, bevor er sich wieder umdreht und seinen Blick suchend umherschweifen lässt, bis er ein sauberes Glas und eine Flasche Champagner in Reichweite entdeckt.

Er fängt an, das schäumende Getränk einzuschenken, während er immer noch darüber schwadroniert, dass – ich zitiere – die Literatur versucht, sein Leben zu ruinieren. Ich fühle mich fast schlecht. Fast.

„Sich deswegen zu betrinken, ist ein bisschen übertrieben, findest du nicht?“ Cam ist anscheinend in der Stimmung für Neckereien.

Ben hebt das Glas und erklärt ihr: „Das ist für meine schöne Frau. Ich gehe jetzt rüber und stelle mich dem Buchtypen vor, aber ich brauche einen Vorwand, richtig? Ich kann ja nicht einfach wie ein eifersüchtiger Vollidiot in ihre Unterhaltung platzen.“

„Du könntest sie auch einfach zum Tanzen auffordern“, sage ich, greife nach meinem Bier und nehme einen Schluck. „Ich meine, das würde sie von dem Buchtypen weglocken. Ein Drink wird das nicht unbedingt bewirken.“

In weniger als einem Herzschlag ist er von seinem Stuhl aufgestanden. „Sie kann mit einem Glas in der Hand tanzen“, beschließt er und geht zielstrebig auf sein Mädchen zu.

Ein Lachen bricht aus Cam hervor, während sich gleichzeitig ein Grinsen auf meine Lippen legt.

„Das wird ihm eine Lektion sein, wo er doch selbst immerzu alle verspottet“, sagt sie, als sie sich wieder beruhigt hat.

Ich würde mein Leben nicht darauf verwetten, aber man weiß ja nie.

„Du siehst glücklich aus, Liebes.“

„Bin ich auch.“

Sie strahlt und sieht wirklich wie eine glückliche Braut aus.

Ihr langes Hochzeitskleid ist schlicht und elegant, ganz in Weiß mit zwei breiten Trägern aus Spitze, die ihre Schultern umschließen. Sie ist so bezaubernd wie der Clubhof, den die Mädchen für ihre und Nates – unser Vizepräsident – Hochzeit hergerichtet haben. Die Blumendekoration ist nicht überladen, aber es schmücken so viele rosa Pfingstrosen und gelbe Rosen die weißen Tischdecken, Stuhlhussen und das große Zelt, das die Tanzfläche überdacht, dass man den Club tatsächlich kaum wiedererkennt.

„Aber kommen wir zum wichtigsten Punkt zurück. Wirst du jemals etwas wegen Chloe unternehmen?“

Es sieht so aus, als würde sie das Thema nicht loslassen, obwohl sie gespürt haben muss, dass ich lieber so tue, als wüsste niemand etwas.

Ein Stöhnen erhebt sich aus meiner Brust und entweicht in den wolkenlosen Himmel des warmen Frühlingsabends, während ich meinen Kopf zurückwerfe.

„Okay, Süße“, lenke ich ein und akzeptiere zähneknirschend, an dem Gespräch teilzunehmen, das sie unbedingt führen will. „Sag mir, wer noch eine Meinung dazu hat?“

„Alle?“ Es hört sich wie eine Frage an, war es aber eigentlich nicht. Ihr Lächeln ist so umwerfend wie der Schalk in ihren Augen. „Wir sind uns alle einig, dass du dich nach ihr verzehrst.“

Wenn die Panik nicht schon ihre Krallen in meine Eingeweide gegraben hätte, würde ich ein paar Sekunden lang mit den Augen rollen wegen ihrer unangemessenen Beschreibung meines Verhaltens.

„Brent auch?“, platze ich heraus und will die Antwort dringend wissen, obwohl ich mich davor fürchte.

„Oh, das wissen wir nicht“, sagt sie und liefert mir das wichtigste Detail. „Nate sagt, er habe ihm gegenüber nie etwas erwähnt, anscheinend hat auch keiner der Jungs das Thema angeschnitten. Auch Fi gegenüber hat Brent nichts gesagt. Sie meint, sie würde das Thema nicht ansprechen.“

Mit anderen Worten, jeder einzelne meiner Brüder hat irgendwann einmal meine verweilenden Augen bemerkt, außer Brent. Oder hat er das auch? Nein, das hat er auf keinen Fall. Dann hätte ich schon ein oder zwei blaue Augen gehabt. Vielleicht sogar eine gebrochene Nase.

Na, toll.

„Ich bin überrascht, dass keiner von ihnen gekommen ist, um mir die große Bruderrede zu halten“, murmle ich.

„Noch nicht.“ Ihre gewitzte Antwort wird von einem Grinsen begleitet. „Aber mal im Ernst. Wirst du mit ihr reden? Sie würde sich freuen zu hören, dass du sie magst.“

Ich ziehe eine Augenbraue so hoch es geht. „Sie hat heute ein Date mitgebracht, Liebes.“

Sie winkt mit der Hand ab. „Vincent ist nur ein Freund. Sie haben sich in der Werkstatt kennengelernt, als er das alte Auto seines Großvaters zum Lackieren brachte. Er ist hierhergezogen, um die Ranch seines Großvaters zu führen, und er wartet darauf, dass sein Freund ihm nach dem College irgendwo an die Ostküste folgt.“

„Freund?“, wiederhole ich und merke, wie erbärmlich hoffnungsvoll ich klinge, als ich das Wort ausspreche.

„Ja.“ Ihr leises Kichern lässt mich wissen, dass ihr der Jubel, der in meiner Stimme mitgeklungen haben muss, nicht entgangen ist. „Wie ich schon sagte, sie sind nur Freunde. Außerdem ist das ständige, hoffnungsvolle Anstarren nicht einseitig. Sie ist nur viel diskreter als du.“

In meiner Brust macht sich Optimismus breit, aber ich gebe mein Bestes, um ihn mir nicht anmerken zu lassen.

Schließlich atme ich tief ein und aus. „Das ist sowieso egal. Sie hat etwas Besseres als mich verdient.“

Camryn schimpft mich aus, wobei ihr Tonfall an Empörung grenzt, denn von ihrem früheren Grinsen ist keine Spur mehr in ihrer Stimme. „Was ist das für ein Schwachsinn? Besser als du? Das ist doch lächerlich.“

„Was habe ich ihr denn zu bieten, Cam? Ernsthaft?“

Nichts. Das ist es ja. Sie sieht die Dinge offensichtlich nicht so, wie sie sind.

„Ernsthaft? Deine Freundlichkeit, für den Anfang. Deine Selbstlosigkeit. Dein Beschützerinstinkt. Deine Loyalität. Es beunruhigt mich, dass du nicht siehst, dass jedes Mädchen glücklich wäre, mit einem Mann wie dir zusammen zu sein. Du bist ein großartiger Mensch. Du hast dich um Max gekümmert, seit er geboren wurde, um Himmels willen. Du warst erst dreizehn Jahre alt. Du warst noch ein Kind, aber du bist tagein, tagaus für ihn da und hast dafür gesorgt, dass er alles hatte, was er brauchte.“

Ihre Erwähnung von Max veranlasst mich dazu, nach ihm Ausschau zu halten. Ich finde ihn auf der Tanzfläche, wo er mit Lilly zu einem Rocksong tanzt, beide lachen, als wäre noch nie etwas so lustig gewesen.

Camryn lenkt meine Aufmerksamkeit von ihnen weg, als sie fortfährt. „Du hast in der Highschool drei Jobs gehabt, damit es ihm nie an etwas mangelt. Du hast dafür gesorgt, dass er beschützt wurde, hast sogar die Schule geschwänzt, als er krank war und zu Hause bleiben musste. Du hast dafür gesorgt, dass er geliebt wurde und so glücklich war, wie es unter den gegebenen Umständen möglich gewesen ist. Das Kind sieht dich an, als würdest du den Mond im Arm halten, und dafür gibt es einen Grund. Glaub mir, Chloe sieht das auch. Sie erkennt, wer du bist, auch wenn du es nicht zu wissen scheinst.“ Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass mein Herz bei ihren Worten nicht vor Rührung anschwillt. Deshalb bin ich froh, als sie ihre kleine Schimpftirade mit einem weniger tiefsinnigen Ton beendet und wieder ein deutliches Lächeln in ihrer Stimme liegt. „Ich bin sicher, die Verpackung stört sie auch nicht.“

Leicht lachend schaue ich in die Augen des Mädchens, das in den letzten Jahren zu meiner besten Freundin geworden ist. Die Aufrichtigkeit, mit der sie mich ansieht, bringt mich dazu, nicht weiter zu leugnen, dass ich Chloe so sehr will, wie ich die Luft zum Atmen brauche. Sie hat mich sowieso schon vor einer Weile durchschaut. Genau wie meine Brüder, anscheinend.

„Glaubst du, es ist ein Fehler, dass sie in Twican bleibt, anstatt aufs College zu gehen?“

Camryn runzelt über meine beiläufige Frage, mit der sie offensichtlich nicht gerechnet hat, die Stirn.

„Ist es das, was dich stört? Warum?“

„Es ist nicht so, dass es mich stört. Ich will nur nicht, dass sie etwas bereut“, erkläre ich. „Ich habe es noch nie jemandem erzählt, aber ich habe in der Highschool Football gespielt und war ziemlich gut. Ein paar Colleges wollten mich haben. Natürlich habe ich das nicht einmal in Betracht gezogen. Es war keine Option für mich. Es wäre nicht nur ein finanzieller Aufwand gewesen, zudem hätte ich Max auf keinen Fall zurücklassen können. Sicher, es hätte wahrscheinlich nicht zu einer professionellen Karriere geführt, aber vielleicht hätte es, du weißt schon. Versteh mich nicht falsch, ich liebe das Clubleben. Das tue ich wirklich. Wenn ich zurückblicke, denke ich, dass alles so gekommen ist, wie es sein sollte. Mein Leben ist hier mit den Brüdern und mit Max. Aber was ist, wenn Chloe eines Tages ihre Entscheidung bereut? Ich meine, du und die Mädchen seid doch froh, dass ihr aufs College gegangen seid, oder?“

Sie beugt sich vor, greift nach einer Flasche Cola und schenkt sich einen Schluck ein, während sie spricht. „Zunächst einmal hat Chloe die Entscheidung getroffen, in Twican zu bleiben, nachdem Cody angefangen hat, sie in Mechanik zu unterrichten, vor allem, nachdem sie sich für individuelle Lackierungen interessiert hat. Diese Entscheidung hat nichts mit einem Mann zu tun, weder mit dir noch mit einem anderen Typen. Was mich betrifft, so bin ich froh, dass ich aufs College gegangen bin, aber nur, weil ich Lehrerin werden wollte und es für mich keine andere Möglichkeit gab, das zu verwirklichen. Das Gleiche gilt für die Mädchen. Aber Chloe will in der Werkstatt sein und Autos und Motorräder lackieren. Du hast ihre Arbeit gesehen. Du weißt, dass sie verdammt gut darin ist. Was jedoch noch wichtiger ist: Sie liebt es. Sie ist eine Künstlerin. Sie muss nicht aufs College gehen, um etwas zu verwirklichen, was sie sich erhofft. Ihr großer Traum ist genau hier, warum sollte sie also weggehen?“

Während ich verarbeite, was sie gesagt hat, muss ich zugeben, dass ihre Argumentation nicht überzeugender hätte sein können. Sie hat recht, Chloe hat ein natürliches Talent für Sonderanfertigungen. Ich weiß, dass ich nicht der Grund bin, weshalb sie in der Stadt geblieben ist – verdammt, bis Cam es erwähnt hat, wusste ich nicht, dass Chloe mich überhaupt bemerkt hat; jedenfalls nicht mehr als jeden anderen Bruder. Aber so reif sie auch ist, sie ist erst achtzehn und könnte ihre Meinung noch ändern. Der Verlauf ihres Lebens ist nicht in Stein gemeißelt. Abgesehen davon weiß niemand, was die Zukunft bringt.

Während ich mit dem Aufkleber auf meiner Bierflasche spiele, nicke ich langsam zu allem, was Camryn gesagt hat. Wie so oft dieser Tage, wandert mein Blick zurück zu Chloe. Sie tanzt immer noch, aber dieses Mal mit ihrem Vater. Schwules Date hin oder her, das ist schon viel besser.

„Du könntest mit ihm reden, weißt du?“

„Mit wem, Brent?“ Ein lautes Schnauben entweicht mir augenblicklich. „Wenn es mir nichts ausmacht, eine Kugel zwischen die Augen zu bekommen, ja, ich denke, dann könnte ich das.“

„Das ist ein bisschen melodramatisch“, stellt sie kichernd fest.

„Da bin ich mir nicht so sicher, Liebes. Und ich habe es nicht besonders eilig, das herauszufinden.“

So sehr ich auch mein Bestes getan habe, zu verbergen, wie groß Chloes Anziehungskraft auf mich ist, muss ich doch zugeben, dass es mir eine gewisse Erleichterung verschafft hat, meine Gefühle laut zu gestehen – wenn auch nur indirekt. Aber heute ist nicht der Tag, um tiefer in die Thematik einzudringen, also bin ich froh, als die Musik leiser wird, während Jayces dröhnende Stimme durch den Hof schallt und mein und Cams Gespräch beendet. Jayce ist unser Präsident und Cams Bruder.

„Okay, Leute! Camryn, komm her, kleine Schwester!“, ruft er von einem Tisch aus, der in der Nähe der Tanzfläche steht. „Es ist Zeit für die Hochzeitstorte“, fügt er hinzu, als Fiona vorsichtig eine riesige Hochzeitstorte vor ihn stellt.

„Au ja, endlich Torte!“, brüllt Ben von der Tanzfläche zurück und bringt alle zum Lachen, während Colleen in seinen Armen den Kopf schüttelt.

Es sieht so aus, als hätte er das Gespräch seiner Freundin mit dem Buchtypen schnell unterbrochen.

„Ja, ja, in einer Minute, Junge.“ Jayce gluckst. „Ich werde vorher noch ein paar Worte sagen. Ich verspreche, dass es nicht lange dauern wird und werde auch mein Bestes geben, um es nicht zu rührselig werden zu lassen.“ Ein weiteres Glucksen geht durch den Hof, bevor er fortfährt. „Vor weniger als zwei Jahren bist du in Nates Leben getreten. Wochen später habe ich herausgefunden, dass das Mädchen, das mein bester Freund zu seiner Frau gemacht hat, auch meine Schwester ist. Verdammt, ich wünschte, Dad wäre hier, um zu sehen, wie ihr den Bund der Ehe schließt.“ Er grinst, kann jedoch seine Emotionen kaum unterdrücken. „Ich habe keinen Zweifel daran, dass er verdammt stolz sein würde. Genau wie Isaac und Billy.“

Connor, der Vater von Jayce und Cam, sowie dessen Vater Isaac und sein Bruder Billy wurden von den Spiders ermordet, einem rivalisierenden Club, der nun der Geschichte angehört. Isaac war zu dieser Zeit der Clubpräsident. Es geschah kurz bevor ich als Anwärter in den Club eintrat. Ich hatte also nie die Gelegenheit, einen von ihnen kennenzulernen.

„Ich liebe euch beide. Ich wünsche euch das längste und glücklichste Leben, das man sich vorstellen kann.“ Er erhebt das Glas, das er in der Hand hält, und jeder, der ein Getränk vor sich stehen hat, macht es ihm gleich.

Camryn wischt sich die Tränen von den Wangen, bevor sie sich auf die Zehenspitzen stellt, um ihn auf die Wange zu küssen. Nate folgt ihr und umarmt ihn kurz, bevor er sich neben seiner Braut zur Torte gesellt. Mit je einer Hand am Messer schneiden sie ihre Hochzeitstorte gemeinsam an. Sie sind das Sinnbild eines glücklichen Paares mit grenzenloser Liebe in ihren Augen. Lilly steht nicht weit entfernt, um Fotos von ihrem Lächeln zu schießen. Sie fotografiert alles und jeden, seit der Tag begonnen hat.

Ich freue mich für die beiden. Und verdammt, ich beneide sie um das, was sie haben. Ich nehme an, dass ein Kerl in meinem Alter durch die Gästeschar schlendern sollte, auf der Suche nach einer alleinstehenden Frau, die einen Mann sucht, der sie vergessen lässt, dass sie selbst nicht annähernd verheiratet ist. Aber dieser Gedanke hat für mich nicht den geringsten Reiz. Habe ich manchmal One-Night-Stands? Sicher habe ich die. Nicht jede Nacht, aber genügend, um mich nicht ständig auf meine Hand verlassen zu müssen – man weiß ja nie, ob man nicht vor lauter sexuellem Frust draufgeht. Früher habe ich jedenfalls so gedacht. Wahllos Frauen zu vögeln schien vor einer Weile seinen Reiz zu verlieren. Wenn ich das Ben erzählen würde, würde er mir sofort sagen, dass das alles mit dem Mädchen zu tun hat, nach dem ich mich verzehre – was ja auch stimmt. Also werde ich es ihm nicht verraten.

Kapitel 2

Chloe

Rosa. Gott, das ist zu viel Rosa. Mit der Lackierpistole in der Hand gehe ich langsam zwei Schritte zurück, um meine Arbeit mit ein wenig Abstand zu betrachten. Es ist ein Wunder, dass meine Netzhäute bei diesem Anblick nicht schmerzen. Warum sollte jemand eine Schönheit wie dieses Cadillac-Cabrio von 1951 mit einem bonbonrosa Farbton zerstören wollen? Entscheidungen wie diese sollten niemals getroffen werden. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass es Gesetze gegen solche abscheulichen Angelegenheiten geben sollte.

„Meine Augen tun weh. Ich werde nie wieder richtig sehen können.“

Hinter mir lacht Cody herzhaft über mein Gemurmel und der donnernde Klang seiner Stimme erfüllt den großen Raum.

Als er seine Reaktion unter Kontrolle hat, ergreift er das Wort und stellt nüchtern fest: „Deine Arbeit ist aber einwandfrei.“

Ein stolzes Lächeln umspielt meine Lippen. Ich bin stolz auf mich, aber das verdanke ich nur Cody. Wir beide haben im letzten Jahr viel Zeit in dieser Halle verbracht. Er hat mir viel gezeigt und ohne ihn wäre ich nicht in der Lage gewesen, diese Arbeit ganz allein zu beenden. Er hat mir alles beigebracht, was ich über Custom Painting weiß, genau wie er mich in den letzten Jahren eine Menge über Mechanik gelehrt hat. Ich mag Mechanik, aber Custom Painting ist nicht nur ein Job. Es ist eine Leidenschaft. In den letzten sechs Monaten haben wir uns ausschließlich darauf konzentriert, jeden Tag nach der Schule und auch an den Wochenenden. Dieses Projekt ist der zweite Auftrag, den er mich allein erledigen lässt. Natürlich unter seiner Aufsicht, aber trotzdem.

Cody ist ein wirklich großartiger Lehrer gewesen. Er war eifrig dabei, mir etwas beizubringen, aber auch geduldig, während ich lernte und Fehler machte. Das überrascht mich allerdings nicht. Ich kenne Cody schon mein ganzes Leben. Der dunkle Schopf auf seinem Kopf mag ein paar graue Haare bekommen und die Winkel seiner blauen Augen mögen im letzten Jahr ein paar Falten dazugewonnen haben, aber seine entspannte Persönlichkeit ist immer noch dieselbe, wie noch in jungen Jahren. Deshalb bin ich überglücklich darüber, dass ich ab dieser Woche offiziell sein Lehrling bin. Die Schulzeit liegt hinter mir. Während einige Absolventen den letzten Sommer in Freiheit genießen, bin ich hingegen gespannt auf den Beginn meines Arbeitslebens.

Ich betrachte noch immer mein Werk und muss zugeben, dass ich wirklich gute Arbeit geleistet habe. Dennoch löst der rosa Farbton gleichzeitig einen starken Brechreiz in mir aus.

„Ich gebe zu, dass ich mit meiner Arbeit sehr zufrieden bin, aber Gott, das ist ein Sakrileg. Ein Skandal“, wiederhole ich laut und vergewissere mich, dass er weiß, was ich meine.

„Ich stimme dir hundertprozentig zu, Kleine. Ich glaube, es war Liam, der mit dem Kunden verhandelt hat. Ich muss ihn danach fragen.“

„Das hört sich jetzt vielleicht verurteilend an, aber ich kann nicht anders, als mir irgendeine Zwanzig-irgendwas-Erbin hinter dem Steuer vorzustellen, mit ihrer Designer-Tasche auf dem Beifahrersitz, aus der der winzige Kopf eines kleinen Chihuahuas herausragt.“

Cody lacht über das Bild, das ich male, dann fügt er seine eigene Sicht der fiktiven Fashionista hinzu. „Es fehlen nur noch die Sitzbezüge aus Pelz und vielleicht ein goldener Schaltknüppel.“

Als sich die Tür öffnet, stehen wir beide noch immer still und starren auf die rosa Abscheulichkeit. Ich schaue auf und sehe, wie Melvin den Raum betritt. Augenblicklich richte ich meine Aufmerksamkeit von dem Auto auf ihn. Seine Augen sind auf den Boden gesenkt, während er sich die Hände an seinem Overall reibt, was mir ein paar Sekunden Zeit verschafft, die Aussicht zu genießen.

Dieser Ausblick ist so viel schöner und fesselnder als das Auto vor mir.

„Seid ihr fertig? Das Essen ist gleich soweit“, lässt Melvin uns mit seiner satten Stimme wissen, die jedes Mal ein Kribbeln in meinem Bauch verursacht, wenn ich sie höre. Dann hebt er den Blick. „Wow … Das ist ähm …“

„Sehr rosa?“ Ich biete ihm die Worte an, die er nicht zu finden scheint.

Wie ich ihn kenne, kommt seine Wortlosigkeit wahrscheinlich daher, dass er befürchtet, er könnte etwas sagen, was ich als beleidigend empfinde.

Meine Stimme lenkt seine Aufmerksamkeit auf mich, aber wie üblich verweilt sein Blick nicht sehr lange auf mir. Zumindest nicht lange genug, um entscheiden zu können, ob das Interesse, das ich dort zu sehen glaube, nicht nur eine Halluzination war. Ganz überzeugt bin ich nie. Meistens bin ich ziemlich sicher, dass ich nicht träume, wenn ich merke, dass er mich mit glühendem Blick anschaut, aber es bleibt immer ein kleiner, tiefsitzender Zweifel in meinem Kopf. Vielleicht will ich einfach nur glauben, dass sich die Art und Weise, wie er mich in den letzten Monaten anschaut, verändert hat. Vielleicht will ich einfach nur glauben, dass er mich jetzt so betrachtet, wie ich ihn wahrnehme. Ich werde nicht lügen und so tun, als wäre ich nicht schon seit einiger Zeit in ihn verknallt, aber in letzter Zeit scheinen sich die Dinge geändert zu haben. Was ich fühle, mag einseitig sein oder auch nicht, aber wenn ich eines weiß, dann, dass ich kein Teenagermädchen mehr bin, das einen Typen vergöttert, den es kaum kennt. Ich bin eine junge Frau, die zwischen Verliebtheit und Anziehung unterscheiden kann. Jedes Mal, wenn ich in Melvins Nähe bin, ist der Unterschied sonnenklar. Mein Körper wird von seinem angezogen. Und ich würde wirklich gerne herausfinden, ob die Anziehung auf Gegenseitigkeit beruht.

„Warum zum Teufel sollte jemand so etwas mit dieser Schönheit anstellen?“

„Cody und ich glauben, die Besitzerin könnte eine reiche Erbin mit einem Chihuahua sein.“ Ich lächle, während ich unsere alberne Diskussion zusammenfasse.

Das brummende Geräusch, das Melvin in seiner Kehle macht, verursacht ein flatterndes Gefühl in meinem Bauch. Das passiert in letzter Zeit häufig. Zum Beispiel, wenn er draußen im Garten ist, mit Max Fußball spielt oder einfach nur in der Sonne abhängt. Bei seiner normalerweise nackten, muskulösen Brust, würde jedes Mädchen schwach werden. Aber die Schmetterlinge waren auch da, als er auf der Hochzeit von Cam und Nate einen Smoking getragen hat. Darin war er nicht nur gutaussehend. Er war absolut sexy. Aber er ist immer sexy. Ob mit nacktem Oberkörper, im Smoking, in seiner Kutte oder im Overall, der Mann strahlt puren Sexappeal aus.

„Das muss es sein oder jemand hat dem Besitzer einen üblen Streich gespielt. Aber der Job sieht perfekt aus.“

„Danke“, sage ich dankbar, während ich einen weiteren Blick auf mein Werk werfe und sein Lob mehr zu schätzen weiß, als er ahnt.

Codys Bauch erinnert uns auf sehr laute Weise daran, dass es bald Zeit für das Abendessen ist.

Leise lachend sage ich zu ihm: „Geh und stibitz dir schon mal etwas vom Essen, was auch immer es gibt. Ich mache hier Klarschiff. Das meiste hast du sowieso schon weggeräumt und das Grummeln klang so laut wie Mr. Kincaids alter Lastwagen.“

„Gott, ich hoffe nicht. Dieser Schrotthaufen hat nicht mehr lange zu leben, trotz Kincaids unerschütterlichem Glauben, dass er ihn überdauern wird. Aber ich nehme dein Angebot an. Ich bin am Verhungern und Max wollte mir seinen neuen Fußball zeigen. Ist er drinnen?“, fragt er Melvin auf dem Weg aus dem Raum.

„Er war gerade mit seinen Hausaufgaben fertig, als ich rauskam“, antwortet er, während ich mich daranmache, die restlichen Werkzeuge wegzuräumen. „Ich bin nur zurückgekommen, weil ich mein Handy vergessen habe.“

Ich erwarte, dass er Cody in den Club folgt, aber obwohl es außer der Reinigung meiner Spritzpistole kaum noch etwas zu tun gibt, bleibt er zurück, um mir zu helfen.

„Danke“, sage ich, als wir fertig sind, und lächle zu ihm hoch, als er nach dem Lappen greift, mit dem ich mir gerade die Hände getrocknet habe.

Seine Antwort ist ein einfaches Nicken, während seine schokoladenbraunen Augen mir Wärme schenken. Ich liebe seine Augen. Sie sind dunkel, genau wie sein kurzes und unordentliches Haar. Aber sie sind nicht hart, sondern wirken sogar eher beruhigend. Sanft. Zumindest sind sie das, wenn er mich anschaut. Sein Blick ist immer sanft, wenn er mich ansieht, genau wie sein Handrücken, der meine Finger streift, als er den Lappen nimmt. Seine Berührung ist zart, sie ist berauschend. Ja, bei der kleinsten Berührung von ihm strömt Ruhe durch meine Adern, gleichzeitig kribbelt es jedoch in meinem Bauch. Beides verschmilzt zu dem schwindelerregendsten Gefühl, das sich je in mir entfaltet hat.

Daher weiß ich, dass das, was ich für Melvin empfinde, mehr als nur eine Schwärmerei ist. Dieses Gefühl, das sich in mir ausbreitet, ist Anziehung. Lust. Es ist wie eine Flamme, die sich in meinem Bauch ausbreitet und droht, sich wild zu entzünden, wenn sie weiter angefacht wird. In diesem Moment weiß ich mit Sicherheit, dass Melvin nicht nur der einzige Mann ist, der mir jemals dieses Gefühl vermittelt hat, sondern auch der Einzige, der die Macht hat, die Glut in meinem Bauch zu löschen. Mein Körper schreit nach seiner Berührung. Es ist verrückt, er ist mir so nah und doch fühlt es sich an, als wäre er zu weit weg. Er löst ein Verlangen in mir aus, wie ich es noch nie erlebt habe.

„Du solltest mich nicht so ansehen.“

Seine Stimme, noch tiefer als sonst, lässt mich aus meiner Benommenheit aufschrecken und lenkt meine Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass mein Blick auf seinen Lippen verharrt. Lippen, die aus der Nähe noch voller wirken.

Ich schaue ihm in die Augen und frage: „Wie denn?“

Ich bin überrascht, dass ich das Wort förmlich aushauche, doch bei seiner Antwort auf meine Frage, vergesse ich alles um mich herum.

„Als ob du willst, dass ich dich küsse.“

Die Hitze wandert von meinem Bauch zu meinen Wangen. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich ihn so ansah, bis er mich darauf aufmerksam gemacht hat. Ich nehme an, dass er erfahren genug ist, um meinen Blick als das zu erkennen, was er war, aber selbst, wenn das nicht der Fall gewesen wäre, so will ich ihn in Wahrheit tatsächlich küssen. Doch ich bin noch lange nicht mutig genug, mir das einzugestehen.

Obwohl ich ihn lediglich anschweige, brennt mir eine andere Frage auf der Zunge. Warum sollte ich ihn nicht so ansehen? Ist es, weil er mich nicht küssen will? Ich habe genug Blicke von ihm erhascht, um zu glauben, dass er es vielleicht doch möchte, aber ich bin keine Expertin in Sachen Männer. Ich bin sogar so weit davon entfernt, eine zu sein, dass es nicht einmal lustig ist. Der einzige Typ, mit dem ich je ausgegangen bin, entpuppte sich als Soziopath, der mich entführen wollte, woraufhin das Date aus offensichtlichen Gründen abgebrochen wurde. Das sagt einiges über meinen Mangel an Erfahrung aus. Diese Nacht war so verstörend, dass ich mir wünschte, ich wäre nie auf die falschen, süßen Augen dieses Psychopathen hereingefallen und hätte deshalb auch nie ein Date gehabt. Wie auch immer, der springende Punkt ist, dass ich noch nie jemanden geküsst habe. Ich bin achtzehn Jahre alt und immer noch Jungfrau im wahrsten Sinne des Wortes.

„Wow! Das ist wirklich rosa!“

Ich drehe mich zur Tür, als Max’ Lachen an den Betonwänden widerhallt.

Obwohl mich seine unerwartete Ankunft zusammenfahren lässt, danke ich ihm innerlich dafür, dass er die Stille durchbrochen hat, bevor sie peinlich wurde. Ich fürchte, ohne seine Unterbrechung hätte ich Melvin einfach nur weiter dumm angestarrt.

„Was gibt’s?“, wendet sich Melvin an ihn.

Er geht auf seinen Bruder zu und lässt mich mit meinen wirren Gedanken allein. Ich frage mich, ob diese unerwartete, hitzige Verbindung zwischen uns wirklich stattgefunden oder ob sie sich nur in meinem Kopf abgespielt hat. So oder so, es war ebenso verwirrend wie aufregend. Ich hatte das Gefühl, dass die Luft zwischen unseren Körpern brodelte. Ich wollte vor dieser körperlichen Anziehungskraft ebenso weglaufen wie ich mich danach sehnte, ihr nachzugeben. Als würden ein unbändiges Bedürfnis und eine unerklärliche Angst in mir miteinander kämpfen.

„Wir wollen gleich essen“, sagt Max beiläufig, während er sich das Auto ansieht. Dann sucht sein Blick den von Melvin. „Ich bin mit den Hausaufgaben fertig. Kann ich nach dem Essen mit Lilly, Fiona und Jo ins Kino gehen? Morgen ist keine Schule“, fügt er schnell hinzu, als wüsste Melvin nicht, dass morgen Samstag ist, und hofft, dass er zustimmt.

„Klar. Bist du dir auch wirklich sicher, dass du alle Hausaufgaben gemacht hast?“

„Versprochen.“ Er nickt mit mehr Energie als nötig, was mich zum Lächeln bringt. „Außerdem hat Lilly schon alles kontrolliert. Sie sagt, ich war gut.“

„Perfekt. Dann lass uns jetzt essen gehen, Kumpel.“ Er dreht sich zu mir um und fragt: „Bist du bereit?“

Ich nicke und bemerke, dass sein Blick wieder sanft ist, die glühende Version ist verschwunden. Als ich ihm aus der Werkstatt folge und ihm dabei zusehe, wie er die Hintertür abschließt, fällt es mir schwer, mich zu entscheiden, welcher von beiden mir am besten gefällt.

Kapitel 3

Melvin

Ohrenbetäubende Musik bringt die Wände beinahe zum Wackeln. Der Club ist so laut und lebendig wie schon lange nicht mehr. Nicht, dass ich mich an der Ruhe störe, die hier herrscht, seit meine Brüder sesshaft geworden sind. Ich finde es sogar gut, dass nicht mehr jedes Wochenende eine Dauerparty ist, mit Alkohol und Frauen in Hülle und Fülle. Aber eine gelegentliche Feier, so wie heute Abend, ist immer schön.

Die Jungs von der Albuquerque-Charter sind vor ein paar Stunden angekommen. Sie scheinen sich prächtig zu amüsieren, zumindest, wenn man sieht, wie Lucas, ihr Vizepräsident, mit einer der Stripperinnen rummacht, die wir für die Unterhaltung heute Abend engagiert haben. Meine Brüder und ich haben den ganzen Abend über abwechselnd hinter der Bar gestanden und unzählige Drinks ausgeschenkt. Das wäre eigentlich die Aufgabe des Prospects, wenn wir schon dazu gekommen wären, uns einen zu suchen. Um es gelinde auszudrücken: Es macht mir keinen Spaß, wieder in die Rolle des Barkeepers zu schlüpfen. Nicht nur, weil ich meine Tage als Prospect nicht vermisst habe, seit ich vor anderthalb Jahren davon Abschied genommen habe, sondern auch, weil das Servieren von Getränken erfordert, dass meine Augen auf besagte Drinks fixiert sind, obwohl sie eigentlich auf etwas anderes gerichtet sein sollten. Jemand anderen. So sehr ich mir auch bewusst bin, dass ich nicht jede von Chloes Bewegungen mit meinem Blick verfolgen sollte, so habe ich das doch den größten Teil des Abends getan.

Dass Chloe heute Abend hier ist, ist eine Premiere. Sie war noch nie bei einer unserer Partys dabei. Der reichlich fließende Alkohol, die Stripperinnen, die gelegentlichen heftigen Knutschereien, manchmal auch schlichtweg sexuelle Berührungen, sind der Grund, warum diese Partys kein Ort für ein minderjähriges Mädchen sind. Aber sie ist jetzt achtzehn und man hat ihr offensichtlich erlaubt, sich heute Abend hier aufzuhalten. Ich habe sie in den letzten Stunden im Auge behalten und bin verdammt dankbar, dass keiner unserer jüngeren Gäste sie angemacht hat. Noch nicht. Obwohl ich keinen Zweifel daran habe, dass Brent jedem einzelnen von ihnen klar gemacht hat, dass seine Tochter tabu ist.

Wahrscheinlich ist sie hier, weil sie morgen mit uns mitfahren will.

Auf meinem Motorrad.

Das ist richtig. Sie wird während der zweistündigen Fahrt zu einer Wohltätigkeitsveranstaltung, die von einem Club im Süden organisiert wird, auf meinem Bike sitzen. Brent hat mich gefragt, ob es mir etwas ausmachen würde, wenn sie mit mir fährt. Auf diese Weise kann er sein eigenes Motorrad nehmen und mit Fi fahren. Cody hat angeboten, meinen Truck zu nehmen, damit Max und Jo auch mitkommen können, und Jo hat gefragt, ob sein bester Freund ebenfalls mitkommen kann. Da ich es nicht ausschlagen wollte, fragte mich Brent, ob ich Chloe auf meinem Motorrad mitnehmen könnte.

Damit bin ich mehr als einverstanden, machen wir uns nichts vor. Wie ein verdammtes Kind vor Heiligabend hatte ich letzte Nacht Schwierigkeiten, einzuschlafen. Ist es eine gute Idee, Chloes Körper für ein paar Stunden an meinen Rücken geschmiegt zu spüren? Die Antwort ist ein klares Nein. Werde ich jede Sekunde der Nähe, nach der ich mich in den letzten Monaten immer mehr gesehnt habe, in mich aufsaugen? Das ist ein klares Ja.

Endlich habe ich keinen Barkeeperdienst mehr. Chloe sitzt an der Bar und unterhält sich mit Lana. Sie versteht sich gut mit Blanes Freundin. Lana ist seit ein paar Monaten hier und beide sind gute Freundinnen geworden.

Gott, ist dieses Mädchen schön. Genau wie bei der Hochzeit von Cam und Nate trägt sie ihr Haar offen. Ich bin es eher gewohnt, ihre Mähne hochgesteckt zu sehen, in einem hohen Pferdeschwanz oder einer Art Dutt. Heute Abend fallen ihre goldenen Locken in leichten Wellen über ihre Schultern, die Spitzen reichen bis zu ihren Brüsten, die von der einfachen grünen Bluse, die sie über ihrer engen dunkelblauen Jeans trägt, perfekt umhüllt sind. Mein Gott, wie kann ein Mädchen nur so süß und gleichzeitig so wild wirken? Ihr Körper schreit förmlich nach Sex und sie scheint sich dessen nicht einmal bewusst zu sein.

Die Couch senkt sich plötzlich neben mir, die Bewegung rüttelt mich leicht auf und lenkt meinen Blick von Chloe ab. Lucas muss mit der Stripperin fertig sein, denn er macht es sich neben mir bequem, den Unterarm auf die Armlehne gestützt und ein Glas mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit in der Hand.

„Eine verdammt gute Nacht“, erklärt er, bevor er einen Schluck Schnaps kippt.

Lucas ist ein großer Mann mit langem Haar, das ich bisher nur zu einem engen Dutt am Hinterkopf zusammengebunden gesehen habe. Mit seiner großen Statur und seinen dunklen Augen ist er für jeden, der ihn nicht kennt, zweifellos ein furchteinflößender Mann.

„Danke, Bruder“, sagt Jayce, der auf der Armlehne der gegenüberliegenden Couch sitzt.

„Es ist schon zu lange her, dass wir zusammengefahren sind“, fügt er zurecht hinzu. „Und eine Spritztour, um Geld für einen guten Zweck zu sammeln, ist ein Pluspunkt.“

„Ja“, stimmt Ben zu, der sich zu uns gesellt und sein eigenes Getränk in der Hand hält. „Wir müssen diese Fahrten öfter planen, jetzt, wo niemand mehr da draußen ist, der sich mit uns anlegen will“, fügt er hinzu, als Colleen sich zu ihm stellt.

Er zieht sie automatisch näher zu sich und küsst sie kurz.

„Wie ich sehe, habt ihr jetzt alle eine Old Lady hinten auf euren Motorrädern“, sagt Lucas und zwinkert Colleen zu.

„Er hat keine“, korrigiert Ben ihn und sein Gesicht verzieht sich zu einem verdammt breiten, selbstgefälligen Grinsen, als er mit dem Finger in meine Richtung zeigt.

Wenn man bedenkt, dass er Chloe seit Cams und Nates Hochzeit nicht mehr erwähnt hat, dachte ein naiver Teil von mir, dass er darüber hinweg ist. Aber so wie er unser Gespräch nicht vergessen zu haben scheint, muss er auch bemerkt haben, dass ich mich nicht an Chloe herangewagt habe.

„Ja?“ Lucas Gesicht verzieht sich zu einem verwirrten Stirnrunzeln. „Ich habe dich heute Abend nicht mit ihr gesehen, aber bist du nicht mit …“

„Nein.“ Ich falle ihm ins Wort. „Ich bin mit niemandem zusammen. Keine Old Lady“, füge ich sicherheitshalber hinzu, auch wenn die überflüssige Wiederholung nicht gerade förderlich für meine Glaubwürdigkeit ist.

Als ich gespürt habe, dass er gleich Chloes Namen aussprechen wird, habe ich reagiert, anstatt rational zu denken. Wenn man bedenkt, dass meine Brüder und ihre Mädchen mein Interesse an ihr bemerkt haben – obwohl Faszination wohl zutreffender wäre – kommt mir plötzlich der Gedanke, dass es für alle anderen genauso offensichtlich sein könnte. Selbst wenn Brent nicht Teil dieser beunruhigenden, kleinen Diskussion ist, ist er auch nicht weit von uns entfernt und hängt mit Karl, Grant und ein paar seiner Männer am Billardtisch herum.

Ich schwöre, es ist ein verdammtes Wunder, dass er mir noch keine Knochen gebrochen hat. Das bedeutet, dass er keinen Verdacht geschöpft hat, und ich bin entschlossen, es auch weiterhin dabei zu belassen.

„Ooo…kayyy.“ Lucas kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, aber er muss wohl spüren, dass ich unbedingt von dem Thema Old Lady loskommen will, denn er lenkt rücksichtsvoll davon ab. „Also, wie läuft das Geschäft?“

„Das Geschäft läuft gut“, antwortet Jayce wahrheitsgemäß, obwohl er nicht ins Detail geht, wahrscheinlich, weil Colleen bei uns steht. „Wir denken sogar, dass es an der Zeit ist, ein paar neue Prospects einzustellen. Wir brauchen in Zukunft mehr Leute an Bord. Wir müssen uns so schnell wie möglich darum kümmern.“

„Ich verstehe.“ Lucas nickt nachdrücklich. „Wir haben vor ein paar Monaten drei Prospects aufgenommen. Da immer mehr Mitglieder Familien gründen, war das ein Muss. Bisher scheinen sie alle vertrauenswürdig zu sein, aber wir werden sehen, wie es auf lange Sicht läuft.“

Meine Brüder reden weiter, aber ich höre ihnen letztlich nicht mehr zu, ihre Worte treten in den Hintergrund, als mein Blick wieder auf Chloe fällt, gerade rechtzeitig, um sie die Küche betreten zu sehen. Was meine Aufmerksamkeit noch mehr erregt als ihr anmutiger Gang, ist die Tatsache, dass ihr ein Mitglied, von dem ich glaube, dass er Conrad heißt, nachfolgt.

Ich bin auf den Beinen, bevor mein Gehirn sich daran erinnert, dass es mir helfen soll, Dinge zu durchdenken, bevor ich handle. Die nächsten Worte meiner Brüder helfen mir auch nicht, mich zu beruhigen und mich wieder hinzusetzen.

„Er hat ein Auge auf Brents kleines Mädchen geworfen, stimmt’s?“, fragt Lucas meine Brüder, als ich mich von unserer kleinen Gruppe wegbewege.

Ben, das Arschloch, antwortet ihm bereitwillig. „Er schmachtet schon seit Monaten nach ihr.“

Aber das Grinsen in seiner Stimme stört mich nicht so sehr wie die Tatsache, dass Chloe und dieser Typ hinter einer geschlossenen Tür verschwinden.

Scheiße, verdammt. Ich verliere meinen Verstand. Jegliche Vernunft entgleitet mir in Windeseile. Vielleicht ist sie bereits weg. Verdampft. Als ich die Küche betrete, habe ich Angst, dass mein gesunder Menschenverstand niemals mehr wiederkehrt. Was noch verrückter ist als meine derzeitige Stimmung, denn es geschieht ja nichts weiter in der Küche, außer, dass Chloe über das kichert, was Conrad zu ihr gesagt hat. Sie hat ihren Blick auf den Tresen gerichtet, während sie etwas tut, das ich wegen Conrads breitem Körper nicht sehen kann, aber selbst die Tatsache, dass sie ihn nicht ansieht, beruhigt mich keineswegs. Ich grüble immer noch darüber nach, ob ich mir sicher bin, dass nichts passiert. Mein Verstand scheint nicht in der Lage zu sein, sich darüber klar zu werden, denn ich erstarre direkt auf der Türschwelle. Als sie ihm einen Teller mit einem Stück Kuchen reicht und er sich nach dem Dank abwendet, kann ich aufatmen.

Ich sehe Chloe an, die sich eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank holt, als Conrad mir beiläufig sagt: „Hey, Bruder. Tolle Party.“

Ohne die Irrationalität zu bemerken, die von mir Besitz ergriffen hat, klopft er mir auf die Schulter, als er an der Tür ankommt, und ich nicke ihm automatisch zu, als ich einen Schritt zur Seite mache, um ihn hinausgehen zu lassen.

Seine Stimme lässt Chloe den Kopf in meine Richtung drehen, nachdem sie den Kühlschrank geschlossen hat, wobei sie sanft lächelt.

Sie ist so unglaublich schön, dass es schwerfällt, überhaupt zu atmen. Das sollte ich ihr auch sagen, wenn ich den Mund aufmache. Aber als ich dann spreche, merke ich, dass die Worte, die ich herausbringe, nur aufgrund meines derzeitigen fehlenden Verstandes äußere.

„Interessierst du dich für diesen Kerl?“

Der gleiche Schock, den ich empfinde, als ich meine eigenen Worte höre, wischt ihr Lächeln fort und weitet gleichzeitig ihre schönen grünen Augen. Aber sie fasst sich schnell wieder und ich sehe, wie sie trotzig die Arme über ihrer verführerischen Brust verschränkt.

Chloe ist das süßeste Mädchen, das ich kenne. Sie spielt sich nie in den Vordergrund, ich würde nicht einmal wissen, dass sie da ist, wenn ich nicht jedes Mal, sobald wir im selben Raum sind, nur sie ansehen könnte. Sie äußert nie unerwünschte Meinungen und nimmt immer Rücksicht auf die Gefühle anderer. Aber ihre Freundlichkeit bedeutet nicht, dass sie schwach ist, ihre zusammengekniffenen Augen und angespannten Schultern verraten, dass sie über meine Frage nicht erfreut ist.

Und verdammt, das würde ich auch nicht von ihr erwarten. Die Frage, die von Gott weiß woher kam, war so ein dummer Schachzug, dass ich mir dafür selbst den Arsch aufreißen könnte, und bevor sie überhaupt etwas sagt, schwillt der Stolz in meiner Brust durch den Wandel in ihrer Miene.

„Conrad ist näher am Alter meines Vaters als an meinem“, beginnt sie, und es kostet mich all meine Willenskraft, trotz der Empörung, die ihren zuvor strahlenden Ausdruck überschattet, nicht zu bemerken, wie süß ihre Stimme klingt. Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber zu schwärmen, wie hypnotisierend dieses Mädchen ist, selbst wenn sie wütend ist. „Ich erinnere mich sogar daran, dass er mich als Kind Huckepack genommen hat. Gerade eben hat er mich nur gefragt, ob noch ein Stück Zitronenkuchen für seine schwangere Frau übrig sei. Also, so nett er auch ist, ja, ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nicht interessiert bin.“ Daraufhin geht sie mit anmutigen, aber entschlossenen Schritten zur Tür und hält neben mir inne, bevor mein Gehirn auf die schlaue Idee kommt, ihr Platz zu machen. Sie ist so nah, dass sie meine Schulter streift und mir ihr berauschender Vanilleduft in die Nase steigt. „Wenn du jetzt keine dummen Fragen mehr hast, werde ich nach oben gehen und mich schlafen legen. Gute Nacht, Melvin.“

Kapitel 4

Chloe

Trotz meiner schwarzen Skinny-Jeans, die sich wie eine zweite Haut an meine Beine schmiegt, und der Lederjacke, die meine Arme bedeckt, fröstelt es mich von Kopf bis Fuß, während Melvin mit seinem Motorrad einen weiteren Kilometer zu unserem Ziel zurücklegt. Da die Junisonne auf uns niederbrennt, seit wir aus dem Club herausgefahren sind, hat das Frösteln nichts mit der Temperatur zu tun, sondern mit dem Muskelprotz, an dem ich mich festhalten muss. Okay, müssen ist vielleicht die falsche Wortwahl. Sicher, ein fester Griff um ihn ist notwendig, wenn ich nicht will, dass ich auf dem Asphalt unter uns meine letzte Ruhestätte finde. Die Nähe zu Melvins athletischem Körper ist nicht gerade das, was ein Mädchen bei klarem Verstand als Qual bezeichnen würde. Das Gefühl in meinem Bauch erinnert mich an das Kribbeln, das mich vor zwei Tagen in der Werkstatt durchströmte. Die Schmetterlinge fliegen immer schneller in meinem Bauch und das lodernde Feuer brennt immer heißer in Teilen von mir, die noch nie von jemandem erweckt worden sind. Doch unsere Nähe beschränkt sich nicht nur auf das leichte Berühren unserer Hände wie neulich. Heute erreicht sie eine ganz neue Ebene. Zumindest für mich. Meine Vorderseite ist gegen Melvins festen Rücken gedrückt, was die Schmetterlinge und das Feuer um das Zehnfache ansteigen lässt. Seine Nähe, die Mischung aus Holz- und Zitrusduft, die von seinem Duschgel stammen muss, erwecken meinen ganzen Körper, und das Verrückte daran ist, dass Melvin nicht einmal etwas tut. Mit seinen tiefen Augen, die jedes Mal eine unglaubliche Intensität ausstrahlen, wenn er mich ansieht, blickt er mich gerade nicht einmal an. Seine Hände, schwielig und doch so sanft in ihren Berührungen, streifen meine auch nicht. Dennoch bin ich noch aufgeregter als vor zwei Tagen. Sowohl mein Körper als auch mein Verstand sind von einer Anziehungskraft entflammt, gegen die ich keine Macht habe. Eigentlich würde ich alles dafür geben, dass Melvin sein Motorrad hier auf dem Standstreifen der Autobahn anhält, um mich zu küssen.

Das Verlangen meines Körpers nach seiner Berührung sollte ich allerdings bekämpfen. Mit allen Mitteln, um genau zu sein. Nach der letzten Nacht sollte ich mich nicht nach irgendeiner Art von Kontakt zwischen uns sehnen. Mir vorzuwerfen, ich hätte Interesse an einem verheirateten Mann, war völlig unangebracht. Meine Eltern haben mich besser erzogen als so. Aber viel schlimmer war, dass Melvin dachte, ich wäre die Art von Mädchen, die den Ehemann einer anderen Frau anbaggert – noch dazu den Freund meines Vaters – während seine schwangere Frau im Nebenzimmer auf ihn wartete. Gott, das wäre eine verdammt gute erste Party mit dem Club geworden. Das wäre eine tolle Art und Weise gewesen, die offizielle Zustimmung meines Vaters zu meinem Eintritt ins Erwachsenenleben zu feiern.

Melvins absurdes Verhalten hätte meine heftige Reaktion auf ihn dämpfen sollen, aber mein Körper spielt verrückt. Meine Verärgerung über ihn trägt nicht dazu bei, meine neu erwachten Hormone zu zügeln. Die armen Dinger zappeln so sehr in meinem Blut, dass ich sie schon fast hören kann, wie sie mich anflehen, sie frei agieren zu lassen. Aber so sehr mich meine Hände auch anbetteln, dass ich ihnen erlaube, sich zu bewegen, weil ich unbedingt Melvins ausgeprägte Bauchmuskeln spüren will, so sehr arbeitet das gute Mädchen in mir daran, die unanständigen Instinkte zu zügeln, die sich immer tiefer unter meine Haut schleichen. Ich halte mich einfach an ihm fest und genieße die Fahrt, die bald zu Ende sein wird.

Das Wetter ist herrlich. Die Landschaft, die mit hoher Geschwindigkeit an uns vorbeizieht, leuchtet unter der Sonne, die am wolkenlosen Himmel brennt. Ich hätte nichts dagegen, noch eine weitere Stunde dieser perfekten Tour zu genießen, bevor mein Hintern allmählich eine Pause einfordert. Als wir alle die nächste Ausfahrt nehmen, bin ich ein wenig enttäuscht, dass das Ziel noch näher ist, als ich dachte. Nach ein paar weiteren Kilometern in langsamerem Tempo kommen wir in der Nähe eines weitläufigen, grünen Parks an, der einen großen Teich umgibt, dessen Wasser in der Morgensonne herrlich glitzert. Unzählige Stände sind über die Wiese verstreut und viele Menschen tummeln sich bereits im Park.

Wir fahren auf einen riesigen Parkplatz, auf dem bereits Dutzende von Autos und Motorrädern geparkt sind, und suchen uns einen freien Platz, an dem wir uns versammeln.

„Frühstück?“, schlägt Jayce mit seiner Baritonstimme vor, die alle anderen übertönt, und alle stimmen seinem Vorschlag gerne zu.

„Lasst uns nachsehen, ob der Food-Truck von vor zwei Jahren noch da ist, mit den verschiedenen Omeletts“, schlägt mein Vater vor.

„Oh ja, die waren köstlich“, stimmt Mama zu, wir gehen alle los und mischen uns unter die Menge.

Meine Eltern haben mich im Laufe der Jahre zu mehreren dieser Veranstaltungen mitgenommen und sie haben immer Spaß gemacht. Wer genießt nicht gern Live-Musik, einen Jahrmarkt und schlendert dann an den unzähligen Ständen vorbei, an denen alle möglichen selbstgemachten Dinge verkauft werden? Zu allem Überfluss ist das Ganze auch noch für einen guten Zweck.

Als wir die Straße überqueren und uns unter die Leute mischen, sehe ich, wie mein Vater auf einen Truck zeigt. Offenbar hat er gefunden, wonach er gesucht hat.

Eine leichte Berührung streichelt meinen nun nackten Arm und verursacht eine Gänsehaut auf meiner Haut, bevor Melvins tiefe, brummende Stimme meinen Blick von den Festivitäten vor uns zu seinem Gesicht schweifen lässt.

„Ich möchte mich für letzte Nacht entschuldigen“, sagt er, sobald wir uns in die Augen sehen. Das Bedauern, das ich darin lese, genügt mir, um ihm weiter zuzuhören. „Ich hätte nicht sagen sollen, was ich gesagt habe. Ich war ein Arschloch und es tut mir leid.“

Da ich spüre, dass er fertig ist und auf das wartet, was ich zu sagen habe, antworte ich, indem ich seiner Wortwahl zustimme. „Du hast dich wie ein Idiot verhalten. Aber ich weiß deine Entschuldigung zu schätzen. Ich nehme sie an.“

Mit einem sanften Lächeln versichere ich ihm, dass ich ihm vergebe. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die einen ewigen Groll hegen, vor allem, wenn ich weiß, dass der Typ, der gestern Abend in der Küchentür stand, nicht der ist, der er wirklich ist. Außerdem muss ich zugeben, dass das Aufblitzen von Eifersucht in seinen dunklen Augen ein angenehmes Gefühl in meiner Brust ausgelöst hat, auch wenn sein Verhalten an Beleidigung grenzte.

Seine Lippen spitzen sich, als wolle er etwas sagen, aber es kommen keine Worte über sie, bevor er sie schließlich wieder schließt. Da ich nicht weiß, was ich dem bereits Gesagten noch hinzufügen soll, halte ich ebenfalls den Mund. Ich kann ihn nicht fragen, was seine unvernünftige Reaktion zu bedeuten hatte. Aber das nun folgende Schweigen, lässt das Thema wie einen riesigen Elefanten im Raum erscheinen. Ich wünschte, ich könnte das Eis brechen, das so dringend gebrochen werden muss, aber ich bin hier nicht in meinem Element. Was soll ich denn jetzt sagen? Hey, fühlst du dich zu mir hingezogen oder lässt mich mein gestörtes Gehirn Dinge sehen, von denen ich wünschte, sie wären wahr?

„Chloe, Schatz!“

Der Ruf meiner Mutter rettet mich vor dem Unbehagen, das sich in meinem Magen breit macht.

Ich drehe mich gerade in ihre Richtung, als Melvin das Wort ergreift: „Komm, lass uns etwas essen gehen.“

Er reckt sein Kinn in Richtung meiner Mutter, die etwas in der Hand hält, das wie ein Pappteller mit einem Omelett aussieht.

„Was ist da drin?“, frage ich sie, als ich bei ihr angekommen bin.

„Paprika und Kartoffeln, aber keine Tomaten.“ Meine Mutter kennt meinen Geschmack ganz genau. „Setz du dich zu den anderen und iss, bevor es kalt wird. Ich werde etwas für Jo und mich holen. Ich weiß nicht, wo er wieder steckt.“

„Okay. Danke, Mama.“

Ich stürze mich auf mein Omelett, sobald ich einen freien Platz neben Lana an einem der Picknicktische gefunden habe.

„Hey. Wie war die Fahrt?“, fragt sie mich.

„Fantastisch. Ich liebe Motorradfahren“, sage ich wahrheitsgemäß.

Mein Vater hat mich oft zum Fahren mitgenommen, als ich noch etwas jünger war. Es hat sehr viel Spaß gemacht.

Als würde ich mich von ihm angezogen fühlen, blinzle ich zu dem Tisch zu unserer Linken, als Melvin sich ihm nähert und sowohl sein eigenes als auch das Essen für Max trägt. Sie setzen sich beide und Melvin beginnt ein Gespräch mit Cody, während ich mich zwinge, den Blick abzuwenden und auf den Teich vor uns zu schauen, wo ich abwesend die Leute beobachte, die bereits auf ein Paddelboot gestiegen sind, um eine Runde zu drehen.

„Dieses Omelett schmeckt großartig“, lobt Lana neben mir, mit vollem Mund.

„Was hast du genommen? Käse?“, frage ich sie, denn die Vermutung liegt nahe, als mir der Geruch in die Nase steigt.

„Viel Käse“, präzisiert sie, während Blane auf der anderen Seite kichert.