The Dark Truth - Jenny Pelinka - E-Book

The Dark Truth E-Book

Jenny Pelinka

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Beschreibung

Was wäre, wenn die Realität krasser als jeder Film ist, den du je gesehen hast? Mit dieser Frage muss sich Lucy auseinadersetzen, als sie eines Tages Besuch von einem Wächter erhält, der ihr das Geheimnis ihrer merkwürdigen Gewissheit offenbart, die seit einigen Monaten in ihr schlummert, und sie in so mancher Situation zu warnen scheint. Der Weg zur Erkenntnis ist jedoch gefährlich und Lucy muss schon bald feststellen, dass ihre Nachforschungen einen Kampf offenbaren, der seit Jahrtausenden im Verborgenen tobt und in dem sie eine tragende Rolle einnehmen soll ...

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Seitenzahl: 1147

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Über die Autorin:

Die junge Autorin wurde am 02. März 1994 in Passau in Niederbayern geboren. Sie lebt und arbeitet freiberuflich in Bayern. Neben Ihrer großen Leidenschaft, dem Schreiben von Büchern und Kurzgeschichten, vertont sie außerdem Hörbücher und macht Fortbildungen im Bereich Filmdreh und Produktion. Ihre Projekte sind unter jennypelinkaauthor.com zu finden.

Buchbeschreibung:

Lucy hat es nicht leicht. Nach dem Tod ihrer Mutter, zieht die junge Frau mit ihrem Vater, einem strengen, gefühllosen Arbeitstier in die Nähe von München, um dort zu studieren. Nicht nur, dass ihr das vergangene Erlebnis noch Schmerzen und Probleme bereitet ... Nein. Zu allem Überfluss wird die junge Frau immer wieder von schrecklichen, übersinnlichen Erlebnissen geplagt, die sie sich nicht erklären kann. Am schwersten zu kämpfen hat sie dabei mit einem bestimmten Gefühl, einer geheimnisvollen Gewissheit, die immer wieder in ihr zum Vorschein kommt und sie immer mehr in ein Gefühlschaos stürzt. Als sie schließlich noch Lenhardt, Kai und Simon kennenlernt, ist die Verwirrung perfekt. Die jungen Männer lösen seltsame Erinnerungen und Empfindungen in ihr aus, genauso wie ein mysteriöser Anhänger, den sie von einem der Männer überreicht bekommt. Erst als sie den Hinweisen der Wächter und ihren immer mehr werdenden Erinnerungen folgt, findet die junge Frau den Grund für ihre Erlebnisse und kommt einer bösen Wahrheit auf die Spur. Ein Geheimnis, über all die Jahre gut behütet, das nicht nur ihre Geschichte offenbart, sondern die, der ganzen Schöpfung. Ein Kampf zwischen zwei Seiten, der von den Meisten vergessen scheint, doch nun eine finale Phase erreicht, indem Lucy eine tragende Rolle spielen soll.

Inhaltsverzeichnis

Im Licht I

Im verborgenen I

Neue Welten

Die Kälte des Augenblicks

Unigeflüster

Vertraute Bekanntschaft

Machtkämpfe

Verführerische Früchte

Schillernder Retter

Gepeinigt und entlarvt

Versuchung

Verwirrende Gefühle

Dämonischer Einfluss

Im Licht II

Bekannte Seiten

Beobachtungen

Der Lösung einen Schritt näher

Der richtige Weg

Im verborgenen II

Aufrüstung der Mächte

Besondere Sorgen

Im Licht III

Böses Blut

Vergangene Erkenntnisse

Traum und Realität

Klangvolle Aussichten

Im selben Takt

Seitenwechsel

Im Licht IV

Im verborgenen III

Fahrt ins Ungewisse

Im Licht V

Neue Perspektiven

Dunkle Bedrohung

Lehrreiche Stunden

Rückkehr

Himmlischer Crashkurs

Im verborgenen IV

Im Licht VI

Unerwartetes Wiedersehen

Alte Bekannte

Liebe geht durch den Magen

Kontaktaufnahme

Geistige Welten

Schlagkräftige Argumente

Hoffnungsvolle Wendung

Reue und Vergebung

Im Verborgenen V

Zerrissene Beziehung

Reparaturen

Andere Seiten

Im Licht VII

Ungewollte Hilfe

Hilfestellung

Unbequeme Wahrheit

Ein neues Bild

Freudiges Telefonat

Im Licht VIII

Unerwartete Rettung

Im Verborgenen VI

Wiederkehr mit Folgen

Im Verborgenen VII

Streit mit Freunden

Im Licht IX

Der Schlüssel: Ein Traum

Überraschung

Strahlende Vergangenheit

Annäherung und Abweisung

Im Licht X

Suche nach der Wahrheit

Die Schwäche des Augenblicks

Gesucht und gefunden

Enthüllungen

Berichte aus vergangenen Zeiten

Vergessene Realität

Eine Entscheidung

Bittere Erkenntnis

Aller Ende ist ein Anfang

Personenverzeichnis

Begriffserklärungen

Bibelverzeichnis

Quellenangaben

Widmung und Danksagung

Hörbücher

Kontakt

Denn unser Kampf ist nicht gegen

Fleisch und Blut, sondern gegen die

Gewalten, gegen die Mächte, gegen die

Weltbeherrscher dieser Finsternis, gegen

die geistigen Mächte der Bosheit in der

Himmelswelt.

Epheser 5. 12

IM LICHT I

Der warme Wind streichelte sanft die goldig schimmernden Blumenköpfe. Fast wirkte es, als würden viele kleine Lichter in der Wiese stehen, die vor sich hin glimmerten. Basol senkte den Blick. Die Schönheit dieses heiligen Ortes, ließ ihn beinahe vergessen, wie ernst die Lage war!

Er stemmte seinen starken, muskulösen Körper in die Höhe. Seine großen, weichen Flügel reflektierten das einfallende Licht und ließen jede Einzelne seiner Schwingen wie pures Gold strahlen. Seine rote Rüstung war mitgenommen. Langsam strich der Engel mit seiner Hand über seinen braunen Brustpanzer. Er zeigte einige tiefe Dellen, doch seine Haut darunter war unbeschädigt.

Das leichte Material war aus der Frucht eines speziellen Baumes hergestellt worden. Keine menschliche Klinge konnte es durchdringen. Er lächelte wehmütig. Ja. Keine menschliche. Für die Waffen der Dämonen stellte das kein Problem dar. Man musste schnell sein. Auch sie waren Lichtwesen. Jeder Einzelne besaß besondere Fähigkeiten und seine extra für ihn geschaffene Waffe.

Behutsam zog er sein Schwert aus seinen Schaft. Die Klinge war leicht gebogen und spitz zulaufend. Beide Seiten waren in der Lage Felsen zu spalten, wenn er sie richtig führte.

Der Griff bestand aus hellem Silber. Ein großer, grüner Edelstein war darin eingearbeitet worden. Eine verschnörkelte Verzierung die wie eine Ranke aussah, zierte die goldene Parierstange, die unterhalb der Schneide saß.

Behutsam fuhr er mit einem weißen Tuch über die Klinge. Sie war nicht seine einzige Waffe, aber seine Liebste. Er hatte das Schwert von Michael höchstselbst überreicht bekommen, als er seinen Schutzdienst angetreten hatte.

Sein Blick wanderte auf das angrenzende Dorf, das sich direkt hinter der idyllisch blühenden Wiese befand. Er sollte sich auf den Weg machen. Die Besprechung würde jeden Moment losgehen.

Langsam steckte er sein Schwert zurück in die goldene Scheide und stapfte los. Ein tiefer Atemzug füllte seine Lungen mit frischer Luft. Wie herrlich! Wenn er unten auf der Erde Dienst tat, vergaß er oft, wie wunderschön sein Zuhause war.

Früher war sein Besuch in der Welt der Menschen eine Ausnahme.

Der Bote hatte in der Verwaltung gearbeitet, koordinierte die Aufgaben der Engel. Er nahm sie von seinem vorstehenden Fürsten entgegen, trug sie in einen ausführlichen Dienstplan ein und gab wichtige Informationen an die Schutzboten weiter.

Ein verhaltenes Lächeln legte sich auf seine Lippen. Einige Jahre später wurde dann alles anders. Ein neuer Engel wurde für einen ganz besonderen Schutzauftrag gesucht.

Er lächelte. Klar, er hatte viele Jahre trainiert und sich einen sehr ansehnlichen Kampfstil angeeignet ... Aber war er wirklich gut genug, ein Schutzamt zu übernehmen? Was hatte er damals Zweifel gehegt! Ein solches Amt bedeutete Verantwortung. Von der Kraft und den Fähigkeiten, die man dafür benötigte ganz zu schweigen!

Eines Tages, war Azaruel jedoch höchstselbst auf ihn zu gekommen. Der Engel war von groß gewachsener Gestalt. Seine strohblonden Haare reichten bis zu seinem spitzen Kinn. Seine Augen leuchteten orange wie ein Honigglas und ständig lag ein glückliches Lächeln auf seinen Lippen. Zumindest normalerweise.

Schon seit Längerem war Basol aufgefallen gewesen, dass Azaruels Aura sich verändert hatte. Die Leichtigkeit und Freude, die er versprüht hatte, war Traurigkeit und einer gewissen Schwere gewichen.

Erst als Basol erfuhr, dass der Mittelfürst sein Schutzamt aufgeben und in eine andere Aufgabe in den zweiten Himmel eingesetzt werden würde, wusste er warum.

Es war nicht Azaruels Erstreben gewesen, wieder zurückzugehen. Er hatte in der Verwaltung gearbeitet und sich dort als sehr erfolgreich und zuverlässig erwiesen.

Sein Stand war höher als der von Basol. Sie waren beide Mittelfürsten, jedoch in einer anderen Riege. Die Boten Gottes trugen unterschiedliche Titel. Die Obersten waren die Oberfürsten. Zu ihnen zählten die ersten acht Engel, die von Gott erschaffen wurden. Sie waren die Stärksten und von unbeschreiblicher Herrlichkeit und Schönheit. Bis auf einem, dienten sie alle im Tempel Gottes und hatten verschiedene Aufgaben und Ämter. Engel Nummer neun bis Nummer 25 wurden als Hochfürsten bezeichnet. Sie waren nicht so stark wie die Oberfürsten, aber trugen besondere Fähigkeiten in sich. Die Ober - und Hochfürsten bildeten „Die großen 25“. Ihre Talente waren sehr speziell, wodurch nur sie für bestimmte Aufgaben, eingesetzt werden konnten. Nach den Hochfürsten kamen die Mittelfürsten. Diesen Titel trugen die meisten Engel in den Himmeln. Ab dieser Bezeichnung wurde in unterschiedlichen Riegen gegliedert. Insgesamt gab es sieben davon, in jedem Titel. Die Boten wurden darin verschiedenen Abteilungen nach ihren Fähigkeiten zugeordnet, nicht mehr nach der Reihenfolge ihrer Erschaffung. Somit gab es viele Engel die eine ähnliche Stärke oder Gaben besaßen. Nach den Mittelfürsten kamen die Unterfürsten und als letztes die Niederfürsten. Es war möglich, innerhalb eines Titels in den Riegen zu steigen. So konnte ein Mittelfürst, der in der fünften Riege war, durch erlernen und ausbauen seiner Fähigkeiten, die Sechste oder sogar Siebte erreichen. Allerdings konnten die Engel nicht von einem Titel in den anderen erhoben werden, also von einem Unterfürsten zu einem Mittelfürsten aufsteigen, da wichtige Befähigungen hierfür fehlten, die nicht erwerbbar waren. Es war selten, dass ein Engel mehrere Riegen nach oben rutschte. Die Meisten waren zufrieden mit ihren Aufgaben und erweiterten ihre Kenntnisse um höchstens eine oder zwei Stufen, je nachdem wo ihr Interesse lag und was sie für ihre Aufträge benötigten.

Basol selbst war ein Mittelfürst der fünften Riege. Seit seinem Amtsantritt war er lediglich eine Stufe nach oben gerutscht. Für seine Aufgabe war das gut, allerdings mochte er dieses aufstrebende Getue nicht. Er war zufrieden mit seiner Stärke und seinem Stand, so wie die meisten anderen hier in den Himmeln. Azaruel war ein Mittelfürst der siebten Riege. Er hatte sich alle Fähigkeiten angeeignet, die man in diesem Titel erlernen konnte. Der Bote bildete sich aber auf seine enorme Kraft und sein Können nichts ein. Er erledigte steht‘s die Arbeit, die ihm von Gott oder Jesus aufgetragen wurde.

Eine große Leidenschaft brannte allerdings in seinen Herzen: der Stabkampf. War es am Anfang nur zur Trainings und Spaßzwecke gedacht, wurde später nach der Rebellion eine wichtige Ausbildung daraus.

Azaruel war schnell und geschickt. Kein anderer in der Trainingsgruppe konnte ihm das Wasser reichen. Er liebte den Kampf.

Aus diesem Grund war Jesus höchstselbst auf ihn zu gekommen und hatte ihn gefragt, ob er sich vorstellen könnte, als Schutzbote tätig zu sein. Azaruel hatte nicht lange überlegt.

Basol erinnerte sich noch ganz genau daran, wie der Glanz in den Augen des Mittelfürsten aufgeflammt war, als er ihm von dem Angebot erzählt hatte.

Er war dafür bereit gewesen und leistete einen außergewöhnlich guten Job auf der Erde.

Vier Schützlinge hatte er betreut, die den Weg zum Herrn gefunden hatten. Neun waren es insgesamt gewesen. Das war richtig gut! Im Schnitt brachte ein Engel innerhalb seiner Laufbahn nur zwei Personen dauerhaft zum Glauben. Allerdings ging es hier nie darum, wer die meisten Menschen zu Gott führte ... Nein.

Es war ohnehin der HERR selbst, der die Herzen der Gläubigen öffnete. Dennoch freute sich jeder Engel wie ein kleines Kind, wenn sein Schützling den Weg zu Gott fand. Blieb der Mensch auf diesem Pfad, würde er ihn am Ende der Tage, nachdem das große Gericht stattgefunden hatte, wiedersehen. Der Schutzbote würde dann mit ihm zusammen auf der neuen Erde, in der Heiligen Stadt wohnen.

Das war auch der Wunsch von Azaruel gewesen. Er wünschte sich, so wie alle Engel, dass sein Schützling am Ende dort mit ihm in Frieden leben konnte.

Große Traurigkeit hatte den Fürsten jedes Mal erfüllt, wenn es nicht funktionierte. Viele Male hatte er zugesehen, wie seine Menschen ins Verderben gelaufen waren.

Der Bote hatte um jeden Einzelnen gekämpft, selbst wenn es realistisch betrachtet, keinen Grund mehr gegeben hatte zu hoffen.

Azaruel hatte wirklich sehr viel auf der Erde erlebt und dennoch nie die Hoffnung verloren.

Vor ein paar Jahren dann, war der Engel auf Lucy getroffen. Gott hatte eine besondere Aufgabe für das kleine Mädchen vorgesehen, aber die Gegebenheiten waren sehr schwierig. Die Dämonen ließen keine Gelegenheit aus, Gottes Vorhaben zu durchkreuzen.

Basol strich sich durch sein blondes, kurzes Haar. Er hatte Azaruel immer bewundert. Der Engel hatte wie ein Löwe gekämpft. Jeder einzelne Tag war ein Vollzeitjob gewesen.

Lucy hatte zu der Zeit noch nicht gewusst, was mit ihr passierte, weil sie zu jung war. Doch schon damals, hatte sich abgezeichnet, dass etwas Großes aus ihr erwachsen würde.

Azaruel hatte es aufgrund ihrer Bestimmung immer als Ehre empfunden, sie zu beschützen, und eine enge Bindung zu ihr verspürt.

Es war ihm schwergefallen, die Kleine zurückzulassen, doch nur wenige Engel konnten die Aufgabe in der Verwaltung so gewissenhaft erledigen wie er. Gott hatte eben jeden Einzelnen mit speziellen Gaben geschaffen. In seinem Fall war es das Schreiben und versiegeln von wichtigen Schriften und Dokumenten im zweiten Himmel. Er verzeichnete die entsprechenden Papiere mit goldenen Siegeln und verschloss alles sorgfältig mit einem speziellen Ring, der ihm von Jesus übergeben worden war. Dadurch wurde der Inhalt geschützt und nur der Engel, der dazu berechtigt war, konnte die Dokumente öffnen. Azaruel benutzte eine besondere Art von Versiegelung, die nur wenige so verwenden konnten wie er. Der Bote hinterließ seine ganz persönliche Signatur. Was er versiegelte, bekam wirklich nur derjenige auf, der es öffnen sollte. Das richtige Versiegeln war eine Kunst für sich. Die Zeichen die er dafür aufzeichnete, mussten in einer korrekten Reihenfolge aufgetragen und die dazugehörige Information damit verknüpft werden. So wurde jedes Dokument mit verschiedenen Codes versehen, welche immer einen kleinen Teil der Botschaft enthielten und zusammengesetzt werden mussten. Azaruel hatte diese Technik perfektioniert.

Umso schwerer war es gefallen, einen geeigneten Ersatz für den Fürsten zu finden. Es hatte einige Jahre gedauert, bis ein passender Engel für die Stelle gefunden war. Der Bote, der zu der Zeit mit der Aufgabe betraut gewesen war, hatte gut und flink gearbeitet, dennoch hatte sein Können, nicht an das von Azaruel herangereicht. Seine Fähigkeiten lagen woanders und er hatte sich dort nicht wirklich wohl gefühlt. Eines Tages hatte er schließlich den Wunsch geäußert, sich an eine andere Stelle versetzen zu lassen, und Azaruel hätte seinen alten Platz wieder einnehmen sollen.

Auf der einen Seite war der Fürst froh darüber gewesen. Die vielen Jahre auf der Erde hatten ihre Spuren hinterlassen. Zu sehen, wie die Schöpfung die Gott einst geschaffen hatte, immer mehr zerstört wurde, schmerzte jeden. Kein Engel, der im Schutzdienst war, blieb auf Dauer er selbst. Sie veränderten sich alle.

Umso wichtiger war es, regelmäßig in die Himmel zurückzukehren und sich an der Liebe Gottes zu stärken. Es war jenes unbeschreiblich schöne Gefühl, das sich auf der Erde fast vollkommen verloren hatte. Sie herrschte in allen drei Himmeln vor und verbreitete Wärme im ganzen Körper. Ein paar wenige Minuten im dritten Himmel genügten und man wurde merklich stärker, fröhlicher, hoffnungsvoller. Auf der Erde war so gut wie nichts mehr davon übrig geblieben. Egoismus herrschte vor, Geldgier und Missgunst ... Aber genau das war es.

Azaruel hatte Lucy nicht in dieser kalten, dunklen Welt zurücklassen wollen. Er mochte sie. Irgendetwas an ihr war anders, das hatte der Fürst von Anfang an gespürt.

Aber er hatte keine Wahl. Niemals hätte er seine Kollegen im zweiten Himmel im Stich gelassen, weswegen er sich nach 7 zermürbenden Monaten des Hin und Her Überlegens, entschieden hatte zu gehen.

Aufgrund der dämonischen Aktivität war von Anfang an klar gewesen, dass nicht viele für die Stelle in Frage kamen.

Das war auch der Grund, warum Basol so sehr an sich gezweifelt hatte. Er hatte eine große Begabung für den Schwertkampf und jede Menge Spaß dabei, aber war er wirklich gut genug, um Azaruels Platz einzunehmen?

Die Verantwortung war enorm. Er hatte von Anfang an gewusst, was Gott für sie vorgesehen hatte und wie die Gegebenheiten vor Ort waren.

Deshalb hatte sich der Engel den Kopf darüber zerbrochen, immer wieder Vor - und Nachteile abgewogen, bis plötzlich Azaruel eines Tages selbst auf ihn zugekommen war.

Basol erinnerte sich daran, wie wenn es gestern passiert wäre:

Azaruels Rüstung hatte tiefe Schnittstellen und Beulen gezeigt. Er war aus einer der zahlreichen Schlachten zurückgekehrt gewesen. Der Fürst hatte ihn in seinem Haus im zweiten Himmel besucht. Basol hatte in dem Moment gerade seine Waffenkammer aufgeräumt. Wie passend!

Azaruel hatte sich auf den kleinen, dreibeinigen Stuhl gesetzt, der neben dem weißen Holztisch in der hinteren, linken Ecke gestanden war und hatte ihm eine Weile zugesehen.

Basol war so vertieft gewesen, dass er ihn erst gar nicht bemerkt hatte. Er hatte nicht einmal mitbekommen, das Azaruel ihn angesprochen hatte. Zu sehr waren seine Gedanken noch bei der Planung vom Vorabend gewesen. Es hatte einige Probleme gegeben, weshalb er getüftelt hatte, wie er es sich am nächsten Tag einfacher machen könnte.

Basol war erstaunt gewesen, als er Azaruel mit einem schweren Lächeln auf den Lippen dort in seiner Waffenkammer sitzen gesehen hatte.

Der Fürst hatte ihn auf seine vielen Schwerter angesprochen und sogar eines von der Wand genommen. Die Unterhaltung war wie immer sehr gut gewesen. Dennoch hatte Basol sofort bemerkt, dass der Grund seines Kommens ein ganz anderer war.

Nach einigen Wortwechseln war schließlich das wahre Bestreben des Besuches offenbar geworden: Er hatte ihn gefragt, oder nein. Er hatte ihn vielmehr darum gebeten, das Schutzamt für seinen Schützling zu übernehmen. Der Fürst hatte zu ihm gesagt, dass er ihn beobachtet hätte, und er wüsste, dass er ein hervorragender Krieger sei.

Das war jedoch nicht ausschlaggebend. Vielmehr als das Talent zum Kampf war die Frage entscheidend, ob ein Engel charakterlich zu einem Schützling passte.

Gott wählte jeden Boten danach aus, ob er dem Menschen vom Charakter her ähnlich war. Aus diesem Grund dauerte es oft sehr lange, bis ein geeigneter Engel für jemanden gefunden wurde.

Viele Monate bis sogar Jahre vor einer Geburt wurde geplant, wer das Schutzamt übernehmen werde. Genau aus diesem Grund war Azaruel so lange bei seinem Schützling geblieben.

Normalerweise hätte er sein Amt im zweiten Himmel früher wieder antreten sollen, doch es war kein passender Engel im ersten Himmel gefunden worden, der stark genug war und dessen Charakter für den Schutzauftrag passte.

Die Schutzboten, die nur ausschließlich für den Schutzdienst arbeiteten, lebten im ersten Himmel. Allerdings wurden über die Jahre auch Engel von den anderen Himmeln dazu bestimmt, ein Schutzamt auszuführen, je nachdem welche Aufgabe dieser Mensch später übernehmen sollte und wie umfangreich sein Schutz sein musste.

Da für Azaruels Schützling ein starker Engel notwendig gewesen war, wurde er für Lucys Schutzdienst betraut. Drei Jahre war der Fürst bei ihr gewesen und hatte in der Zeit gekämpft wie nie vorher in seinem Leben. Dann war der Tag gekommen, an dem sein Zurückkehren in den zweiten Himmel nicht mehr weiter aufgeschoben werden konnte. Er musste sich also, damit auseinandersetzten, wer an seiner Stelle auf sie aufpassen sollte. Lange hatte er es hinausgezogen und keinen passenden Engel gefunden.

Doch dann plötzlich, war er bei ihm in der Waffenkammer gesessen und hatte ihn darum gebeten sie zu beschützen.

Alle Zweifel, die in Basol getobt hatten, waren in diesen einem Moment ausgeräumt gewesen. In Azaruels Augen hatte sich Hoffnung und ein gewisses Flehen gespiegelt, doch auch Ehrlichkeit, Vertrauen und Schmerz.

Es war ihm ein tiefes Bedürfnis gewesen, Basol die Verantwortung für das Mädchen zu übergeben.

Ohne noch einmal zu überlegen, hatte der Bote zugesagt. Azaruels besorgtes Lächeln hatte sich daraufhin gewandelt. Er war beruhigt und erleichtert gewesen. Der Fürst hatte Basol sachte umarmt und ihn gebeten, mit ihm zu Jesus zu gehen, um die Sache festzulegen.

Der Messias hatte Azaruel den Vorschlag gemacht, Basol aufzusuchen. Der Engel hatte sich einverstanden erklärt und so war es noch am selben Tag festgeschrieben worden: Basol war der neue Schutzbote von Lucy Behrens. Es waren nur wenige Wochen, bis zum Amtsantritt gewesen. Die Zeit bis dahin hatte er mit täglichem Training verbracht. Noch nie in seinem Leben war er so aufgeregt gewesen, wie am Tag der Übernahme!

Azaruel hatte die kleine Lucy umarmt und ihr einen Kuss auf die Stirn gegeben. Sie war in ihrem Bett gelegen und hatte tief und fest geschlafen. Ein Lächeln hatte sich über ihre Lippen gelegt, als der Engel ihre Haut berührte. Sie hatte es ganz deutlich gespürt.

Ihre Wahrnehmung war sensibler als die, vieler anderer Menschen. Sie war an dem Tag erst drei Jahre alt gewesen und hatte nicht bewusst wahrgenommen, was um sie herum passierte.

Basol grinste. Jetzt war sie 21, aber noch immer so liebenswert wie damals.

Er senkte den Blick. Seine strahlenden Augen wurden dunkler. Die vergangenen Jahre war viel Leid über sie hereingebrochen.

Zwar hatte sie gelernt, mit den Engeln zu kommunizieren, und hatte ihre Fähigkeiten ausgebaut, doch immer wieder nahmen die Dämonen zu ihr Kontakt auf und brachten sie von ihrem Weg ab.

Beinahe hätte sie ihre Aufgabe von Gott offenbart bekommen, aber dann hatten die dämonischen Kräfte einen hinterlistigen Anschlag auf sie verübt! Er ballte die Fäuste. Die Biester wussten, dass das Annehmen ihrer Aufgabe, ihrem verlogenen, verborgenen System gefährlich werden würde! Genau aus diesem Grund hatten sie alle Register gezogen!

Er stapfte betrübt den gepflasterten Weg nach oben, der zu dem großen Versammlungsgebäude führte.

Hier im Dritten war alles viel schöner als bei ihm zu Hause im zweiten Himmel. Die Präsenz Gottes war direkt spürbar. Kein Wunder! Sein Tempel wie auch das Haus von Jesus befanden sich hier. Die Liebe drang in seinen Körper ein und fegte jegliche Traurigkeit und Sorge hinaus und hinterließ ein Kribbeln in seinem Bauch. Es war schön, wieder hier zu sein, auch wenn er Lucy ungern alleine ließ. Na gut. Sie war nie alleine. Nicht wirklich. Gott und Jesus waren dauerhaft mit ihr verbunden und einer seiner Kollegen aus dem zweiten Himmel war als Wächter bei ihr. Allerdings konnte sie das alles im Moment nicht spüren.

Die Dämonen würden ganz sicher seine Abwesenheit nutzen! Es war jedes Mal das Gleiche! Diese Monster konzentrierten ihre Kraft immer dann, wenn er nicht da war! Sie führten ohnehin schon wieder etwas im Schilde, das spürte er!

Karion hatte bei der letzten Schlacht komische Andeutungen gemacht, bevor er - wie immer - einfach abgehauen war. Basol hatte nichts dagegen, wenn der Dämonenfürst sich verzog. Einer weniger, mit dem er sich rumschlagen musste.

Der Engel stieg die weiße, breite Treppe nach oben.

Es war nicht so, dass er kein Vertrauen in seinen Kollegen hatte. Er fühlte sich einfach nur besser, wenn er bei ihr war. Er fasste sich an seine Brust. Sie hatte alles in seinem Leben verändert.

Wie oft waren sie in der Vergangenheit zusammengesessen und hatten sich unterhalten. Wie oft hatte er ihre Tränen getrocknet und sie in den Arm genommen ... Und jetzt?

Gekränkt senkte sich sein Kopf auf seine Brust. Sie nahm nicht einmal mehr, seine Präsenz war!

Mit Schwung schob der Engel die große, goldene Tür auf, die in das Gebäude führte. Dahinter lag ein breiter Korridor. Er ging hindurch und steckte seinen Kopf durch die zweite Tür auf der linken Seite.

Ein langer, ovaler Tisch befand sich in dem Raum. Das Möbelstück füllte den Saal fast komplett aus. Drum herum waren Stühle aufgereiht, auf denen verschiedene Engel saßen.

Ganz vorne an der Breitseite des Tisches, saß ein Mann mit braunen langen Haaren. Dichte Bartstoppeln zeigten sich um seine Lippen. Er trug ein weißes Gewand und lächelte Basol freundlich zu.

„Basol! Schön, dass Du da bist! Bitte setz dich!“

Der Engel kam der Aufforderung sogleich nach und verneigte sich.

„Danke mein Herr! Verzeiht, dass ich etwas später komme ... Ihr wisst, dass es mir im Moment nicht leicht fällt, sie zurückzulassen.“

Der Mann nickte ihm zu.

„Ich weiß es. Es ist in Ordnung.“

Er blickte in die Runde.

„Ich habe diese Sitzung einberufen, weil es eine Änderung der Situation gibt. Oder wohl eher eine Verschärfung. Michael wird Euch noch mehr dazu berichten.“

Aufgeregtes Gemurmel entstand am Tisch.

Ein sehr großer Engel mit hellblonden, kurzen Haaren erhob sich. Seine Erscheinung war von außergewöhnlichem Glanz, der sich in seiner goldenen Rüstung noch einmal verstärkte. Sie war aus leichtem Stoff gewebt, aber an der Brust und am Bauch mit einem harten Panzer versehen. Einige Kratzer waren darauf zu erkennen. Es war schier unmöglich, ihn anzusehen. An seiner Hüfte baumelte ein Schwert, das in einer goldenen Scheide steckte. Der Griff war ebenfalls aus reinem Gold und zeigte einen großen, blauen Edelstein unterhalb der Parierstange.

„Danke Jesus.“

Er nickte den anderen Engeln freundlich zu.

„Meine lieben Freunde und Kollegen ... Wie Ihr wisst, bewegen wir uns in rasanter Geschwindigkeit auf die letzte Erdenzeit zu. Gewiss sind es für die Menschen noch einige Jahre, so wisst Ihr, dass es für uns nicht viel mehr ist, als ein Wimpernschlag. Dies wissen auch die Dämonen. Sie planen deshalb, auch weil Ihr alle so gute Arbeit leistet und die Unseren bestmöglich schützt und unterstützt, die letzte Phase sehr bald einzuleiten. Sie verstärken die Kräfte in ihren Reihen, wo es ihnen möglich ist. Nun wisst Ihr, dass wir seit jeher dagegen arbeiten, sei es mit Gebet oder unserem eigenen Einsatz ... Dennoch wird die letzte Zeit, wenn sie immer mehr Menschen auf ihre Seite bringen, sehr schwierig werden. Unsere Hauptaufgabe wird dann darin bestehen, die Unseren auf der Erde zu beschützen und bestmöglich abzuschirmen, so lange, bis der Herr zu ihnen zurückkommt. Bis dahin allerdings, wird der Widerstand der uns und den Unseren entgegenschlägt immer stärker werden und die Methoden immer bösartiger. Sie planen den Vorgang zu beschleunigen, indem sie die dämonische Macht und den Einfluss auf der Erde konzentrieren. Sie wollen sich alle verbinden.“

Einer der Engel, er trug langes, braunes Haar und eine weiße Kutte mit einem, gold-bronzenen Webgürtel, saß auf der linken Seite neben der Eingangstür und schrieb mit. Er war der Schreiber und notierte jedes Wort, das in den Besprechungen fiel. Der Bote legte seinen roten Stift nieder und blickte Michael ungläubig an.

„Verzeihung, wenn ich noch einmal nachfrage ... Aber habe ich das gerade richtig verstanden? Konzentrieren? Wie wollen sie das anstellen? Mit ihren gemeinsamen Beschwörungen hat es bis jetzt noch nie funktioniert. Sie kriegen nie alle zusammen. Außerdem ist das Gebet immer stärker.“

Michael nickte.

„Das ist richtig Fariel. Genau aus diesem Grund wollen sie es jetzt anders versuchen.“

Er senkte den Blick während sich eine erdrückende Schwere um ihn herum verbreitete.

„Eine uralte Methode ... Eine der verbotenen Lehren ... Aufgekommen zur Zeit Noahs ... Über die Jahre aus Angst davor nicht mehr gebraucht ... Aber jetzt wird sie wieder eingesetzt werden ... Sie wird den Grundstein legen, um das wiederzuerwecken, was einst war und wieder über die Erde hereinbrechen wird ... Nur in viel komplexerer Form ...“

Die Engel wurden unruhig, dann entstand ein Schweigen in dem Raum und eine unbeschreibliche Schwere hing in der Luft. Beinahe raubte es Basol den Atem. Er meinte doch hoffentlich nicht das, was ihm gerade durch den Kopf ging?

Michael nickte. Wie alle Engel war er in der Lage, Gedanken zu lesen. Ein dunkler Schleier legte sich über seine sonst tiefblauen, strahlenden Augen.

„Doch Basol. Genau das meine ich. Sie werden es sehr bald umsetzten. Wir sollten alle verfügbaren Kräfte einsetzen, um dagegen zu halten. Wir können es wahrscheinlich nicht verhindern aber ... Wir können es abschwächen und hinauszögern.“

Er blickte Basol direkt an.

„Basol. Noch etwas sehr Wichtiges was Lucy betrifft ... Du weißt, wie wichtig es ist, dass sie ihre Aufgabe annimmt. Sie wird uns eine große Hilfe sein, aber sie muss den Weg zurückfinden. Die Gebetskreise haben Wirkung gezeigt. Wir haben es geschafft, Lücken in den Bann zu schlagen.“

Basols Augen leuchteten.

„Wirklich?“

Michael lächelte ihn an.

„Ja. Sie wird sich erinnern. Aber langsam und unregelmäßig. Sie wird verunsichert sein und braucht viel Halt. Die Erinnerung ist da, aber verschlossen ... Nur wenn sie sich selbst erinnert, wird sie es glauben und annehmen können ... Du darfst ihr nicht davon erzählen ... Sie muss ihre Erkenntnisse Stück für Stück zurückerlangen. Nur so kann sie alles wieder im vollen Umfang verstehen und ihre Aufgabe annehmen. Ihre Gefühle werden ihr Angst machen ... Sie wird vieles nicht begreifen ... Und die Dämonen werden das nutzen ... Du musst eng mit ihr zusammenarbeiten ... Noch nie war sie so gefährdet wie in diesen Tagen.“

Basol nickte ihm zu. Der Engel war fest entschlossen, ihr so gut er konnte zu helfen.

„Ich werde tun, was nötig ist.“

„Gut. Es gibt noch etwas, dass ich Dir sagen muss.“, antwortete Michael.

„Lucifer plant, die heilige Regel zu brechen.“

Basols Augen weiteten sich. Nein! Das konnte er nicht machen!

„Doch.“, erwiderte Michael.

„Das wird er. Er weiß, wie wichtig ihre Aufgabe ist. Um sie aufzuhalten, ist ihm jedes Mittel recht.“

Basols Leib sackte in sich zusammen. Ein Schauer aus Verzweiflung watete durch seinen Körper, der sämtliche Kraft aus seinen Gliedern riss. Die Liebe in seinem Herzen wich immer mehr Angst und Sorge. Seine Augen füllten sich mit Tränen. Wenn er die heilige Regel brach, hatten sie so gut wie keine Chance mehr, ihr zu helfen, sobald sie sich auf ihn einließ! Jesus erhob sich und legte dem Engel fürsorglich seinen Arm um die Schultern.

„Basol ... Mach Dir keine Sorgen ... Wir haben Möglichkeiten. Ich habe mit Vater gesprochen. In besonderen Fällen wie diesem ist es Vater möglich, einen Sonderauftrag zu erteilen. Wir können sie dann viel besser erreichen.“

Wildes Gemurmel entstand unter den Engeln. Basol blickte den Messias mit großen Augen an. Meinte er damit etwa ...?

Michael nickte eifrig und trat vor. Die Sorge in seiner Aura wich nun Nervosität und Freude.

„Mein Herr ... Dies ist nur in äußersten Ausnahmen der Fall.“

Jesus nickte.

„In der Tat. Diese ist Eine.“

Er blickte Basol tief in die Augen.

„Es ist wichtig. Sie braucht außergewöhnliche Unterstützung.“

Der Messias kramte in seinem Gewand und holte ein schwarzes Säckchen hervor.

Basol beobachtete neugierig sein Tun. Jesus betrachtete das Stück eine Zeit lang nachdenklich und lächelte den Engel schließlich an.

„Das hier wird ihr helfen. Sie wird nicht viel damit anfangen können ... Zumindest am Anfang ... Aber es wird den Anstoß liefern ...“

Er übergab Basol das Säckchen. Neugierig drehte der Bote es in seiner Hand.

„Was ist das, mein Herr?“

„Ein sehr wichtiges Zeichen.“, antwortet Jesus.

„Zumindest der Inhalt. Die Gegenseite hatte es gestohlen und verborgen ... Ich und Michael haben es zurückgeholt ... Nun wird es Zeit, dass es wieder dorthin kommt, wo es hingehört. Allerdings ... Wird das nicht so einfach werden ...“

„Darf ich es öffnen?“, fragte Basol.

Der Messias nickte.

Basol zog an dem Verschlussband und tastete neugierig in das Säckchen hinein. Plötzlich blitzten seine Augen freudig auf.

„Mein Herr das ist ...“

„Ja.“, unterbrach ihn Jesus.

„Es ist Zeit, dass sie ihn bekommt. Auch wenn sie sich nicht daran erinnert ... Er ist unentbehrlich ... Er wird den Grundstein legen. Genau aus diesem Grund wollen Vater und ich eine Ausnahme machen ...“

Michael wandte sich voller Freude zu den anderen Engeln. Sein Körper erstrahlte heller als die Sonne und die Aura des Engels durchflutete den Raum wie eine mächtige Welle.

„Meine Freunde, wir stehen vor einem legendären Moment ... Wer mein Herr?“

Er wandte sich an Jesus.

„Wer soll die große Aufgabe übernehmen?“

Der Messias lächelte Basol liebevoll an.

„Derjenige, der sie am besten von Euch kennt.“

Die Luft versiegte in den Lungen des Boten und ein flaues Gefühl stieg in seinem Magen auf. War das wirklich sein Ernst? Jesus nickte.

„Ja. Wenn Du zustimmst, ist es beschlossen.“

Er musste nicht lange überlegen. Die Entscheidung war klar, auch wenn es für ihn, eine wahre Herausforderung werden würde! Jesus schmunzelte.

„In Ordnung, dann ist es beschlossen. Basol wird den Sonderauftrag übernehmen. Nehmt bitte Eure Plätze wieder ein. Wir werden besprechen, wie wir am besten Vorgehen.“

IM VERBORGENEN I

Mit einem lauten Krächzen ließ sich Boreg auf dem alten, brüchigenGemäuer nieder.

Aroneg warf einen flüchtigen Blick auf den Raben und rümpfte verächtlich die Nase.

„Mistvieh!“

Mit schweren Schritten eilte er auf den mächtigen Turm zu.

Boreg krächzte herausfordernd und kreiste genau über den Kopf des Dämons.

Er fletschte bedrohlich die Zähne.

„Ich weiß genau, dass Du mich hören kannst Karion! Ruf gefälligst Deine Drecksviecher zurück!“

Aroneg ballte die Fäuste.

„Du hinterhältiges Stück! Du wartest doch nur darauf, den Nächsten von uns ans Messer zu liefern! Aber da hast Du Dich mit dem Falschen angelegt!“

Er holte mit seinem Schwert aus und schlug auf den Raben ein. Mit panischen Flügelschlägen wich der Vogel aus. Seine schwarzen Augen glänzten wie Perlen aus dem prächtigen Gefieder hervor. Einige Meter vor dem Dämon ließ er sich auf den Mauervorsprung nieder und putzte unruhig sein Federkleid. Ein nervöses Gekrächze drang aus seinem Schnabel, während er Aroneg mit seinem Blick fixierte.

Eine Welle beißender Wut durchdrang den Körper des Dämonenfürsten.

Er umfasste den Griff seiner Waffe so fest, dass das Lederband, welches drum herum gebunden war, bedrohlich knirschte.

Jetzt lachte dieses Drecksvieh auch noch über ihn!

Langsam löste Aroneg seine Finger von der Waffe. Er musste sich beruhigen! Im Moment blieb keine Zeit sich mit diesen Plagen herumzuschlagen! Er hatte ganz andere Probleme!

Schnell warf der Dämon seinen samtenen, schwarzen Umhang über die Schultern. Seine Rüstung hatte ausgedient, zeigte viele Dellen und Kratzer. Was war das nur für ein Gefecht gewesen!

Karion war nach wenigen Hieben einfach abgehauen! Sagte, er müsse an einen anderen Ort, hätte einen wichtigen Auftrag.

Erneut kochte die Wut in dem Fürsten hoch.

Es war jedes verfluchte Mal das Gleiche! Wenn die Situation zu eskalieren drohte, machte sich dieser feige, widerliche Wichtigtuer aus dem Staub!

Als wenn das noch nicht genug wäre, schickte er jedes verdammte Mal seine Drecksraben, um das Tun der anderen zu überwachen!

Mit einem lauten Stöhnen stützte der Dämon sein Handgelenk. Ein großer, etwa drei Zentimeter breiter Schnitt zeigte sich auf seiner Haut. Langsam bewegte er seine Hand. Ein leises Knacken war zu vernehmen. Er biss schmerzerfüllt die Zähne zusammen. Verdammt! Sein Gelenk war beschädigt!

Ein Knurren drang aus seinem Mund. Dieses himmlische Gesindel! Wie Ratten waren sie über sie hergefallen!

Wieder hämmerte ein Stich durch seinen Arm. Er kniff die Augen zusammen.

Er durfte verdammt nochmal keine Schwäche zeigen!

Er war ein Mittelfürst der sechsten Riege. Erfahren im Kampf und ohne Gnade. Sein Blick wanderte zu seiner Rechten.

Ein hagerer Dämon, klein von Statur stand in gebückter Haltung neben ihm. Seine türkisfarbenen Augen blitzten unschuldig, fast demütig aus seiner Kapuze hervor, die er nur halb ins Gesicht gezogen trug. Einige rote, strubblige Haare hingen ihm in seine Stirn, die drei blutige Schlieren zeigte.

Ein wuterfülltes Schnauben drang aus Aronegs Nase. Konnte er nicht zumindest ein einziges Mal etwas richtig machen? Wieso musste ausgerechnet er mit diesen mickrigen Wurm ins Gefecht ziehen? War er der Babysitter? Nein, verdammt! Er war einer der angesehensten Fürsten! Ein großer Kämpfer. Stark, mutig, angesehen. Er war der Beste seiner Riege!

Der Kleine kam vorsichtig auf ihn zu.

„Aroneg? Es ... Es tut mir leid ich ...“

„Halt Deine Klappe!“, fuhr der Dämon ihn an.

Der Kleine senkte den Blick und schwieg.

Aronegs Körper bebte. Wie ein loderndes Feuer brannte die Wut in seinen Gliedern.

„Hast Du gar kein Rückgrat? Gar keinen Stolz?“

Er holte aus und schlug ihm mit seiner Faust in sein Gesicht.

Mit einem lauten Stöhnen ging der Kleine zu Boden. Er hielt sich seinen Kopf und blickte Aroneg erschrocken an.

Der Mittelfürst zog die Augenbrauen zusammen.

„Was bist Du nur für ein elender Schwächling Naronel! Ein echter Krieger entschuldigt sich nicht!“

„Aber ...“ , erwiderte der Kleine.

„Du bist nur verletzt worden, weil ich einen Fehler gemacht hab ...“

Aroneg grinste überheblich.

„Und? Denkst Du, dass mich so ein kleiner Schnitt aufhalten kann?“

Vorsichtig zog der Mittelfürst den Stoff seines Hemdes, das er unter seiner Rüstung trug, ein Stück nach unten. Eine große, tiefe Narbe zog sich quer über seinen Brustkorb.

„Ich habe schon so einiges mehr überstanden, Schwächling ... Außerdem ...“

Schnell zog er den Stoff wieder nach oben und warf Naronel einen abwertenden Blick zu.

„Was kümmert es Dich?!“

Der kleine Dämon band sich seinen Gürtel etwas enger und zupfte an den losen Enden herum.

Aroneg schnaubte. Was regte ihn dieses Getue auf! Naronel war kein Krieger. Er war eine Lusche, ein elender, kleiner Schwächling. Gut ... Was konnte man von einem erwarten, der seit der Rebellion auf der untersten Stufe stehen geblieben war! Niederfürst der ersten Riege ... Erbärmlicher ging es nicht mehr!

Der Kleine blickte ihn unsicher an.

„Ich ... Ich mag Dich Aroneg. Ich möchte nicht, dass Dir wegen mir etwas passiert. Es soll niemand wegen mir verletzt werden ... Keiner meiner Freunde ...“

Der Mittelfürst erstarrte einen Moment, ehe er in schallendes Gelächter ausbrach.

„Genau das ist der Grund, warum Du niemals ein großer Krieger werden wirst, Naronel!“

Er packte ihn am Kragen.

„Es gibt hier keine Freunde! Jeder kämpft für sich! Es wäre besser für Dich, Du würdest das endlich begreifen! Wir sind nicht auf Kuschelkurs!“

Er blickte ihm direkt in die Augen. Seine Aura wurde eisig.

„Es ist mir so egal, ob Du draufgehst oder nicht, Naronel! Erledige nur gefälligst Deinen Auftrag, wenn Du mit mir unterwegs bist. Sonst sorge ich dafür, dass Du nie wieder einen bekommst, verstanden?!“

Naronel schluckte. Er hörte sein Herz in seinen Ohren schlagen. So wütend hatte er Aroneg schon lange nicht mehr erlebt.

Mit einem gezielten Wurf schleuderte der Mittelfürst den kleinen Dämonen gegen die schwere Holztür, die vor ihnen lag. Der Kleine kauerte auf den Boden und hielt sich stöhnend seinen Kopf. Eine blutende Wunde zeigte sich an seiner Schläfe.

Mit erhobenen Haupt schritt Aroneg an ihm vorbei und schob die beiden Flügel der Tür auf, die mit einem grauenhaften Quietschen an den rauen Stein des Gebäudes donnerten.

„Komm jetzt Du Nichtsnutz! Der Meister wartet! Beeil Dich!“

Schnell stemmte sich Naronel hoch.

Ein bohrender Schmerz fesselte wie eine schwere Kette seine Brust und raubte ihm den Atem.

Der Aufprall war nicht spurlos an ihm vorüber gegangen. Einige seiner Rippen waren gebrochen.

So schnell es ihm möglich war, schleppte er sich in das Gebäude.

Große, rote Kerzen hingen an der Wand und spendeten schwaches Licht. Naronels Augen leuchteten in voller Pracht. Spezielle Partikel in seiner Iris ermöglichten es ihm, auch im Dunkeln zu sehen.

Er ließ seinen Blick durch den langen Gang schweifen. Links und rechts führten verschiedene Türen in große Hinterzimmer. Dahinter befanden sich Speise, Versammlungs- und Festräume. Hier versammelten sich die Dämonen wenn es etwas zu feiern gab, was die letzte Zeit aber nicht so oft der Fall war. Auch einige Trainingsräume waren hier untergebracht. Außerdem ... Ein Lächeln zeigte sich auf Naronels Lippen, das er jedoch schnell wieder abschüttelte. Nein. Jetzt war nicht der passende Augenblick daran zu denken! Aroneg lief nur wenige Meter vor ihm. Er musste auf seine Gedanken aufpassen! Wenn der Mittelfürst etwas davon mitbekam, würden sie ihn in Stücke reißen!

Die beiden liefen auf eine Wendeltreppe zu, die in zwei weitere unterirdische Stockwerke führte.

Schmerzerfüllte Schreie drangen von den unteren Korridoren nach oben. Ein beißender, widerwärtiger Geruch nach Blut, alten Staub und Rauch lag in der Luft. Naronel wandte sich angewidert ab. Was zum Henker war nur los mit ihm? Alle anderen hatten kein Problem damit, die Folterungen durchzuführen. Den Meisten bereitete es sogar Freude, die Ungehorsamen für ihre Vergehen zu bestrafen.

Niemand hatte damit ein Problem. Nein. Nur er. Der Dämon biss die Zähne zusammen. Wahrscheinlich hatten die anderen einfach recht! Er war ein Schwächling, ein Taugenichts! Er ...

„Beeil Dich jetzt gefälligst!“, brüllte Aroneg.

Schnell schloss der kleine Dämon zu dem Mittelfürsten auf. Er musste aufhören, nachzudenken und einfach handeln, genauso wie alle anderen auch. Aber ... Genau das war sein Problem: Er dachte zu viel und handelte dadurch falsch.

Der kleine Dämon stützte seinen Brustkorb mit seinem Arm und schleppte sich die Treppe nach unten. Eine alte, schwere Holztür mit einem eisernen Querbalken versehen, befand sich am Ende.

Aroneg wartete mit ernster Miene dahinter, in einem breiten, gemauerten Korridor.

„Na endlich!“

Er schubste Naronel mit Schwung gegen eine weitere Tür, die dem Durchgang der Treppe genau gegenüber lag.

„Scher Dich rein! Dieses Mal darfst Du erzählen, warum es nicht geklappt hat! Immerhin war es ... Mal wieder ... Ganz allein Dein Fehler!“

Naronel zögerte. Der Meister würde ihn vierteilen lassen! Das war das dritte Mal in einem Monat, dass er einen Auftrag vergeigt hatte!

Aroneg schlug ihn mit der flachen Hand gegen den Hinterkopf.

Schmerzerfüllt bis er die Zähne zusammen.

„Wirds bald?!“, fauchte ihn der Mittelfürst an.

Zitternd ließ der Dämon, den kalten Eisenring in seine Hand gleiten. Im selben Moment erklang ein Klicken und der schwere Sperrriegel löste sich von allein. Die Tür öffnete sich mit einem lauten Knarren, während ein wütendes Knurren aus der Dunkelheit des Raumes hallte.

„Ich weiß, dass Ihr da seid! Warum in aller Welt hat das so lange gedauert?!“

Eine große Gestalt mit einer langen, roten Robe trat aus der Finsternis hervor. Eine Kapuze verdeckte ihr Gesicht bis knapp unter die Nasenspitze. Um ihre Schultern war ein schwarzer, schwerer Umhang gelegt, der von einer schillernden Brosche an der Brust zusammengehalten wurde. Der Schein der Kerzen an der Wand ließ ihre Haut wie Feuer schimmern.

In Sekunden glitt sie zu Naronel und Aroneg herüber und fletschte bedrohlich die Zähne.

„Ihr verdammtes Dreckspack! Ich warte jetzt seit einer Stunde auf Euren Bericht! Diese geflügelten Plagen haben es geschafft, meine Verbindung zu unterbrechen! Ich habe gesehen, wie sie in Überzahl auf Euch zugekommen sind! Was zur Hölle ist da passiert?! Warum habt Ihr die Sperre nicht errichtet?!“

Aroneg warf Naronel einen eiskalten Blick zu.

Der Meister verstand sofort und packte den Niederfürst am Kragen.

„Du! Schon wieder Du! Was hast Du gemacht?! Was ist passiert?!“

Naronels Körper bebte so sehr, dass er sich kaum auf den Beinen halten konnte. So sauer hatte er den Meister selten erlebt!

„Rede! Du Nichtsnutz!“

Der Niederfürst klapperte mit den Zähnen.

„Ich ... Ich ... Es war ein Versehen ... Ich ... Ich habe einen Fehler beim Abriegeln der Sperre gemacht und ...“

Der Meister packte ihn am Hals. Eine Welle beißender Wut schlug den Dämon entgegen.

„Versehen! Versehen! Es ist immer ein Versehen!“

Er verengte seinen Griff.

„Ich kann es einfach nicht mehr ertragen! Dein jämmerliches, erbärmliches Geschwafel! Immer und immer wieder versaust Du die Aufträge! Ich habe Dir nichts Weltbewegendes mehr gegeben! Sogar ein Mensch hätte die Sache besser erledigen können als Du!“

Naronels Atem überschlug sich.

„Ich ... Bitte ... Es ... Ich bin zu unkonzentriert ich ...“

Die Augen des Meisters blitzten auf, ehe ein boshaftes Grinsen sein Gesicht zierte.

„Ach ja?!“

Er warf den Dämon mit Kraft auf den Boden.

„Aroneg, entblöß seinen Leib!“

„Nein!“, flehte Naronel.

Aroneg tat wie ihm befohlen.

Er riss Naronels Robe am Rücken auf, sodass seine blanke Haut unter seinen weißen, weichen Flügeln sichtbar wurde.

Der Mittelfürst zog die Arme des kleinen Dämons auseinander und fixierte sie mit Ketten, die er an zwei Haken links und rechts an der Wand befestigte.

Der Meister nahm eine der Geiseln, die an einem Mauervorsprung hingen, in seine rauen Hände und trat hinter Naronel.

Lange Ketten mit breiten, spitzen Widerhaken baumelten an einem veralteten Metallgestänge. Das Rasseln schepperte in seinen Ohren und ließ blanke Panik in den kleinen Dämon aufsteigen.

Ein gehässiges Grinsen zeigte sich auf dem Gesicht des Meisters.

„Ich werde Dir helfen, Dich zu fokussieren.“

„Bitte ... Nein ...“, flehte Naronel, doch er holte aus und schlug, so fest er konnte auf ihn ein.

Unnachgiebiges, rostiges Metall bohrte sich in Naronels Fleisch.

Mit einem lauten Schrei ließen seine Muskeln nach, er sackte zusammen. Aroneg zog ihn wieder hoch.

„Hiergeblieben!“

Der Meister zog die Geisel aus seiner Haut. Langsam lösten sich die Haken und rissen tiefe Löcher in seinen Leib.

Ein neuer, schmerzerfüllter Schrei drang aus seiner Kehle.

Der Meister holte erneut aus und schlug nochmals auf ihn ein.

Naronel windete sich in Aronegs Armen. Der verstärkte seinen Griff, je mehr er sich wehrte. Warmes, rotes Blut drang aus seinen Wunden und floss über seinen Rücken.

Mit einem Grinsen zog der Meister das Gerät zum zweiten Mal aus seinem Körper.

„Mal sehen wie lange es dauert, bis Du Dich wieder konzentrieren kannst.“

Ein neuer Schlag donnerte auf seinen Leib ein. Einer der Haken verfing sich in seinen rechten Flügel.

„Bitte Meister ... Nein ... Habt doch Erbarmen!“, weinte Naronel.

Das Grinsen des Meisters erlosch.

„Erbarmen? Du bittest um Erbarmen?!“

Mit einem kräftigen Ruck zog er die Geisel aus seiner Schwinge.

Ein großes Stück löste sich aus seinem Flügel.

„Aaaah!“

Sein Schrei ließ die Mauern des Saales erzittern. Der Schmerz schnürte ihm den Atem ab!

„Nein!“, ermahnte er sich still.

„Ich darf nicht aufgeben!“

Er musste durchhalten. Schon so viele Dämonen vor ihm hatten diese Strafe überstanden!

Erneut holte der Meister aus und schlug zu. Naronels Blut tränkte seine Robe. Dieses Mal zog er das Gerät schneller zurück. Er drosch wieder und wieder auf ihn ein. Bei jedem Durchgang wurde Naronels Körper schwächer. Er japste und schaffte noch mit Mühe, die Augen offen zu halten. Sein ganzer Leib war taub vor Schmerz.

Nach der elften Wiederholung gab er Aroneg ein Zeichen. Der Mittelfürst ließ ihn los.

Leblos sank der Niederfürst auf die Knie. Eine Schmerzwelle nach der Anderen donnerte durch seinen Körper. Bitteres, rotes Blut lief seine Nase und seinen Rachen hinunter. Der metallische Geschmack ließ ihn würgen.

Der Meister gab ihn einen Tritt in den Rücken, ehe er von ihm abließ.

„Vielleicht kannst Du jetzt Deine Aufmerksamkeit in Zukunft etwas besser bündeln!“

Aroneg grinste genugtuend und löste die Ketten von Naronels Handgelenken.

Als er damit fertig war, kam der Meister auf ihn zu und packte ihn am Kragen.

„Und Du?! Was ist mit Dir?! Ich habe mir eigentlich gedacht, Du bist schlauer! Bist Du nicht auf die Idee gekommen eine Absicherung zu errichten?!“

Aroneg schluckte und begann zu stottern.

„Ich ähm ja ... Nein ... Ich ... Ich weiß es war ein Fehler Meister, ich ...“

Der Meister trat ihm kräftig mit seinem Knie in den Bauch. Der Schlag presste Aroneg die Luft aus den Lungen. Langsam sackte der Fürst zu Boden. Der Meister packte den Dämon am Hals und zog ihn wieder hoch.

„Ihr unnützes Gesindel! Ihr seid zu absolut nichts zu gebrauchen!“

Ein schrilles Piepen hallte durch den Saal und unterbrach den Wutausbruch. Er warf Aroneg mit solchem Schwung gegen die Wand, dass sich sein Leib tief in die Mauer bohrte.

Der Meister eilte zu einem großen, steinernen Tisch, der in der Mitte des Raumes stand. Ein Hologramm, wie eine blaue Glasscheibe, zeigte sich auf der Tischplatte. Über die Oberfläche jagten Videofrequenzen von unterschiedlichen Menschen und Dämonen.

Ein Bild einer jungen Frau war mit einem roten Rahmen umhüllt und blinkte im Rhythmus des Piepens. Der Meister stieß ein angsteinflößendes Knurren aus.

„Verdammtes Miststück!“

Er strich das Hologramm entlang, bis eine weiß scheinende Tastatur erschien. In rasender Geschwindigkeit ratterten seine langen Finger über die geschwungenen Zeichen, dann verstummte das grauenvolle Piepen. Mit einem lauten, boshaften Lachen wandte er sich zu Aroneg.

„Du bist ein Glückspilz, Aroneg!“

Er kam auf den Mittelfürst zu, der gerade im Begriff war sich wieder aufzurichten und kniff ihn mit seiner Hand in die Schulter. Die Finger des Meisters bohrten sich tief in sein Gelenk. Schmerzerfüllt verzog der Dämon das Gesicht.

„Es gibt einen neuen Auftrag für Dich. Wenn Du ihn gut meisterst, wäre ich bereit, dein Versagen von heute zu vergessen.“

Trotz seiner höllischen Schmerzen zeigte sich ein seltenes Leuchten in den Augen des Dämons. Hatte er das gerade wirklich gesagt?

„Meister ... Ich ... Ihr seid zu gütig ...“

Er verneigte sich, so tief es ihm möglich war.

Der Meister grinste.

„Ich werde Dich zu dem wichtigsten Auftrag schicken, den ich seit jeher zu vergeben habe.“

Aroneg erschrak. Langsam trat er ein paar Schritte zurück.

„Meint Ihr ...“

Der Meister nickte.

„Ja.“

Aronegs Leib zitterte, als würde ein Stromschlag durch ihn hindurchfahren.

„Aber M ... Meister ... Seid Ihr sicher? Wollt Ihr nicht lieber jemanden Passenderes schicken?“

Er packte den Mittelfürsten am Hals und hob ihn hoch.

„Was soll das heißen?! Willst Du Dich etwa meinem Befehl widersetzen?“

Der Dämon schlotterte so sehr, dass es ihm kaum noch möglich war, zu sprechen.

„Nie ... Niemals Meister ... Aber ich ... Ich weiß nicht, ob meine Fähigkeiten hierfür ausreichen ...“

Der Meister drückte ihn den Hals zusammen.

„Du willst Dich drücken, Du kleiner, feiger Wicht! Aber Du wirst mir helfen oder es wird Dein allerletzter Auftrag gewesen sein!“

Er grinste ihn an.

„Oder willst Du lieber sofort Deine Strafe antreten?! Ich kann Dich auch verstoßen Aroneg!“

Langsam verengte er seinen Griff immer weiter.

„Alleingelassen von allen Seiten, schutzlos und umherirrend bis zum jüngsten Gericht ... Na wie würde Dir das gefallen?!“

Die Zähne des Dämons klapperten.

„Ich ... Nein ... Bitte ... Ich ... Es ist mir eine Ehre, Euch zu dienen.“

Der Meister ließ Aroneg fallen.

Konzentriert lief er im Saal auf und ab. Seine rote Robe verursachte dabei ein schleifendes Geräusch auf den unebenen Boden. Eine Welle beißender Wut durchströmte den Körper des Oberdämons. Seine Hand sauste mit aller Kraft auf den massiven Steintisch.

Große Risse kämpften sich ihren Weg durch die dicke Platte.

„Dieses kleine, widerliche Miststück!“

An seiner Hand prangerten drei goldene Ringe mit unterschiedlichen Diamanten darin. Der Erste, den er um den Zeigefinger trug, zeigte einen Saphir, der Zweite an seinem Mittelfinger einen Rubin und der Dritte an seinen Ringfinger einen Smaragd.

Nachdenklich drehte er an dem mittleren Schmuckstück herum. Das Licht der Kerzen an der Wand, ließ das Rot des Edelsteins, wie ein loderndes Feuer schimmern. Fast wirkte es, als befände sich etwas Lebendiges in seinem Inneren. Der Meister lachte boshaft und fixierte mit seinem Blick das Bild der junge Frau, dass noch immer auf dem Hologramm angezeigt wurde.

„Schon sehr bald werden wir sehen, wer das Spiel besser spielen kann, Lucy Behrens!“

NEUE WELTEN

Ein lauter Schrei erfüllte das Haus. Stechende Schmerzen pochten in ihren Gliedern und wanderten langsam den verschwitzten Körper hinauf.

Schmerzerfüllt kniff Lucy die Augen zusammen. Was war das nur für ein schrecklicher Traum gewesen!

Schnell vergrub sie sich unter der Decke, als könnte sie sich vor den grausigen Bildern verstecken, doch die Szenen ratterten weiter durch ihren Kopf. Zitternd wischte sich Lucy das verklebte, braune Haar aus dem Gesicht. Wieso träumte sie so etwas Schauriges?

Die Gefühle, die sie bis vor wenigen Augenblicken verspürt hatte, saßen noch ganz tief in ihrem Inneren und jagten einen Schauer nach dem anderen über ihren Rücken. Sie klopfte sich mit beiden Händen auf ihre Backen.

„Du bist wach!“, ermahnte sie sich und blickte sich vorsichtig in ihrem Zimmer um.

Sie war allein. Ihr Kleiderschrank neben ihrem Bett und ihr Schreibtisch waren nur schemenhaft zu erkennen. Einzelne, helle Lichtstrahlen kämpften sich durch die kleinen Löcher in ihren Rollläden, die sich vor dem Fenster gegenüber ihres Bettes befanden.

Licht! Genau das brauchte sie jetzt!

Sie schlug ihre rote Bettdecke nach hinten und versuchte, sich aufzurichten. Immer wieder sank sie dabei auf ihr Bett zurück. Verflixt nochmal! Wo war ihre ganze Kraft hin?

Ihr Schlafanzug war von oben bis unten schweißdurchtränkt. Wie eine kalte Schneedecke schmiegte er sich an ihre Haut.

Noch ein Versuch ... Mit all ihrer Kraft stemmte sie mit beiden Armen ihren Körper hoch. Sie taumelte einige Schritte nach vorn, dann stützte sie sich an der Wand neben dem Bett ab. Sie atmete schwer. Was war nur los? War der Traum der Grund für ihre merkwürdige Schwäche?

Dieser Ort ... Es war dort so unsagbar kalt gewesen! So dunkel und beklemmend! Eine fast erdrückende Schwere legte sich über ihr Herz.

Der arme Engel ... Sie hatte seine Schmerzen gespürt und seine Angst. Jedes Mal wenn dieses Scheusal in der roten Robe erneut ausgeholt hatte, erlosch das Licht ein bisschen mehr aus seinen Augen.

Schluchzend rieb sie sich über ihr Gesicht. Wie konnte man jemanden nur so behandeln? Das arme Wesen hatte noch nicht mal die Chance gehabt sich zu wehren!

Sie wischte sich ihre Tränen ab, während sich immer mehr ein dumpfes, bohrendes Gefühl in ihrem Leib vorkämpfte. Anscheinend war dieser Umgang dort üblich.

Der Große, mit der Narbe auf der Brust ... Aroneg hieß er, nicht wahr? Er schien ein eiskalter Kerl zu sein. Er hatte den Anblick seines gequälten Kollegen richtig genossen. Sie schüttelte den Kopf, um die Bilder loszuwerden. Diese Gefühle! Der Geruch! Nach Rauch, alten Kerzen, Pergament, Blut und Tod!

Sie fasste sich an den Kopf. Woher wusste sie das? Noch nie in ihrem Leben hatte Lucy Pergament auch nur gesehen! Aber es war deutlich da! Sie spürte es. Es war eine unumstößliche Sicherheit, die in ihr tobte und ihr zeigte, dass es so war.

Was war das nur? Warum hatte sie das geträumt? Was war das für ein schrecklicher Ort gewesen?

Wie so oft die letzte Zeit spürte sie tief in ihrem Inneren dieses Gefühl: Eine Gewissheit, die ihr zeigte, dass sie den Ort kannte, etwas damit verband, aber sie konnte sich nicht genau daran erinnern.

Stöhnend wischte sich die junge Frau eine weitere, verklebte Strähne aus dem Gesicht. Sie mochte sich gar nicht vorstellen, wie sie aussah!

Mit zitternden Knien kämpfte sich Lucy bis zu ihren Kleiderschrank vor. Ihre kalten Füße schmerzten bei jeden Schritt.

Dieser bescheuerte Steinfußboden hatte tiefe, wunde Abdrücke in ihren Sohlen hinterlassen. Moment ... Abdrücke?! Ungläubig starrte Lucy auf ihre Füße. Tatsächlich! Deutliche Kuhlen zeigten sich an ihren Zehen und ihrer Ferse. Sie war wirklich da gewesen! Aber wie war das nur möglich?

Plötzlich streifte ein weicher Windhauch ihre Wangen. Sie erschrak und fasste sich mit ihrer Hand ans Gesicht. Was war das gewesen? Sorgfältig tastete sie mit ihrem Blick durch das Zimmer. Nichts. Alles schien ruhig zu sein. Nur eines war merkwürdig: Die Schranktür stand offen.

Großvater hatte das schwere, rustikale Stück selbst geschreinert.

Sie schluckte. Die vielen Erinnerungen ... Mutter hatte den Schrank geliebt! Ein schmerzhafter Kloß entstand in ihrem Bauch und wanderte langsam ihren Hals hinauf. Ihre Lippen begannen zu beben. Mit einem tiefen Atemzug versuchte sie, sich wieder zu beruhigen.

„Nein, nicht weinen!“, ermahnte sie sich.

„Ich muss stark sein!“

Sie schluckte erneut, um den schmerzhaften Kloß wieder nach unten zu schieben.

Obwohl seit dem Unfall einige Monate vergangen waren, fühlte es sich so an, als wäre es gestern gewesen ... Der Schmerz betäubte noch immer ihren Leib. Es gab keinen Schuldigen, niemand auf den sie wütend sein konnte ... Das Auto hatte Mutter einfach übersehen.

Erneut begannen ihre Lippen zu beben. Warum nur, musste es ausgerechnet Mutter sein?

Lucy rieb sich ihre Augen. Sie wusste noch nicht einmal, warum Mutter überhaupt fortgefahren war! In ihrem Inneren tobte die Gewissheit, dass da etwas war, aber sie konnte es einfach nicht abrufen! Alles blieb schwarz. Nur eines wusste Lucy noch sehr genau: Sie war in ihrem Zimmer gesessen und hatte immer wieder die Melodie von „Something else matters“ auf ihrer Gitarre gespielt. Es war Mutters Lieblingssong gewesen. Doch seit dem Unfall ertönte jedes Mal das Klingeln des Telefons in ihrem Kopf, wenn sie die Tonfolge abgriff. Der eine Anruf, der alles für immer verändern sollte! Sie hatte sofort gespürt, dass etwas nicht stimmte.

Vater war in ihr Zimmer gekommen. Die Gefühlskälte, die er normalerweise ausstrahlte, war in dem Moment von ihm gewichen. Es war sofort klar gewesen, dass etwas passiert sein musste. Vater zeigte nie Gefühle. Er war immer gefasst, fast schon abweisend. Es war nicht notwendig gewesen, dass er etwas sagte.

Lucy hatte sofort gewusst, dass es mit Mutter zu tun hatte! Etwas in ihr hatte ihr mitgeteilt, dass es um Leben oder Tod ging! Sie war wortlos aus dem Zimmer geeilt und mit Vater ins Krankenhaus gefahren.

Im Auto hatte sie immer wieder mit den Tränen gekämpft. Vater hatte sie angefahren, es würde keinen Grund geben zu weinen. Es wär alles gut.

Im Krankenhaus war Mutter allerdings nicht mehr ansprechbar gewesen. Die Ärzte hatten alles versucht, um ihr Leben zu retten, doch bald war klar, dass es zu spät war.

Lucy machte niemanden einen Vorwurf, aber Vater war im Krankenhaus richtig wütend geworden. Er hatte die Ärzte angebrüllt und gedroht sie zu verklagen.

Sie war an Mutters Bett getreten, um sich zu verabschieden. Wie friedlich sie gewirkt hatte! Friedlicher als je zuvor in ihrem Leben.

Lucy schluchzte. Sie hatte dieses ganz besondere Lächeln auf ihren Lippen gehabt. Ein Lächeln, dass nur ihre Mutter hatte und niemand sonst. Ihre Hand hatte sich warm angefühlt und trotz der Striemen im Gesicht wirkte es, als würde sie schlafen.

Lucy hatte ihr einen Kuss auf die Stirn gegeben und schrecklich geweint.

Vater war gegangen. Er hatte sich später alleine von ihr verabschieden wollen.

Sie hatte nach dem Unfall oft ihre Großeltern besucht und wollte Vater überreden, mit ihr gemeinsam dorthinzufahren, doch er lehnte jedes Mal mit grimmiger Miene ab. Kein Wunder. Das Verhältnis, war immer schlecht gewesen. Großmutter und Großvater sagten, Uwe hätte Mutter nicht gutgetan und wäre ein egoistischer, herzloser Grobian. So ganz unrecht hatten sie damit nicht. 80 Prozent seiner Zeit verbrachte er in der Firma. Die anderen 20 Prozent mit Geschäftskollegen. Mutter schien oftmals traurig darüber gewesen zu sein, versuchte aber, sich nichts anmerken zu lassen.

Ein gequältes Lächeln legte sich über ihr Gesicht. Sie konnte sich an keinen Moment erinnern, an dem sie ausgiebig Zeit alleine mit Vater verbracht hatte. Mutter hingegen war immer für sie da gewesen.

Das Zusammenleben mit Vater war seit Mutters Tod eine regelrechte Tortur. Sie könnte ausziehen ... Sie müsste sich nur eine Studenten–WG in der Innenstadt suchen. Fast täglich las sie passende Anzeigen im Tagesblatt. Aber das konnte sie Vater nicht antun! Er war völlig unbeholfen, was den Haushalt betraf! Bei seinem letzten Kochversuch hatte er beinahe die Küche abgefackelt! Er hatte Eier auf den Herd gestellt und sie dann vergessen! Schon von außen hatte sie den Brandgeruch bemerkt. Als Lucy die Haustür geöffnete hatte, waren dichte Rauchschwaden durch den Flur gezogen. Sie war stocksauer zu Vater nach oben gestapft und hatte ihn betrunken und telefonierend in seinem Sessel vorgefunden. Seit diesen Vorfall übernahm Lucy das Kochen. Sicher war sicher.

Sie hatte früher oft Mutter geholfen und war sehr geschickt und flink. Ein schmerzhaftes Ziehen in ihrem Kopf riss sie aus ihren Erinnerungen. Langsam rieb sie mit ihren Fingern über ihre Schläfen. Verdammt! Es war, als hätte sie jemand verprügelt!

Vielleicht sollte sie zum Arzt gehen ... Aber am ersten Tag? Nein. Das konnte sie nicht tun. Es war nicht gut gleich zu Anfang negativ in Erinnerung zu bleiben, weil man zu spät kam oder fehlte. Zögerlich griff sie mit ihren zierlichen Fingern in den schwarzen Spalt und schob eine der schweren Türen weiter auf.

Wusch! Mit einem Mal schlug ihr ein warmer, kräftiger Hauch ins Gesicht. Sie schrie erschrocken auf und war in einem Satz an der Zimmertür.

„Warte!“, kam es plötzlich in ihren Kopf an.

„Warte und hab keine Angst.“

Lucy ließ ihren Blick durch das Zimmer schweifen, doch nichts war zu sehen.

Was war das? Hörte sie Stimmen? Nein. Das war keine Stimme. Es war ein Gedanke. Aber kein normaler Gedanke. Er kam von außerhalb, war deutlich, durchdringend und irgendwie ... Vertraut. Er tönte klar in ihren Kopf und hob sich von allen anderen Eindrücken ab. Sie vernahm eine ganz eindeutige Stimmfarbe dazu und er war harmonisch und einladend.

Langsam wurde der Druck in ihrem Kopf wieder leichter. Verwirrt tastete sie mit ihrem Blick die Umgebung ab. Etwas war da. Sie spürte eine Präsenz, konnte aber nichts erkennen. Augenscheinlich war alles so wie immer. Doch Moment ... Ein kleines schwarzes Kästchen lag auf dem Boden. Zögerlich trat sie näher und begutachtete das Stück. Es war ein quadratisches Etui.

„Lucy ...“

Sie blickte auf. Da war es! Etwas bewegte sich im Zimmer! Es glitt durch den Raum und kam direkt auf sie zu.

Sie kniff die Augen zusammen und schrie auf.

Erneut schlug ihr ein warmer Lufthauch ins Gesicht. Dieses Mal zerstreute die Wärme jedoch und nahm sehr bald das ganze Zimmer ein.

„Hab keine Angst.“, dröhnte es in ihren Kopf.

Wieder war es der merkwürdige Gedanke. „Bleibe ruhig.“

Eine intensive Energie durchströmte ihren Körper. Millimeter für Millimeter kämpfte sie sich vor. Alle schlechten Gedanken und Gefühle wichen von ihr. Fühlte sich das toll an!

Ein wärmender Kokon aus Licht hüllte sie ein und schirmte sie vollkommen von der Außenwelt ab. Die Wärme drang nach innen und vertrieb alle Dunkelheit und Angst aus ihren Körper.