The Game – Gefangen im Labyrinth - Christian Tielmann - E-Book

The Game – Gefangen im Labyrinth E-Book

Christian Tielmann

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Macke, Piddy, Lisa und Sepia dachten, sie hätten es aus der Spiel-Arena heraus geschafft, dabei sind sie tiefer ins GAME geraten als je zuvor: Level 3 ist ein Bergwerk mit einem schier endlosen System von Stollen, Schächten und Geheimgängen. Die Jagd nach einem Schlüssel zur Freiheit beginnt. In den düsteren Tunneln lauern ungeahnte Gefahren. Macke und sein Team sind verzweifelt: Wer steuert das GAME? Lebt Team Gelb noch? Werden sie es jemals schaffen, zu entkommen? Oder tun sie mit ihren Fluchtversuchen genau das, was das GAME will? In den Tiefen des Labyrinths kommt die erschreckende Wahrheit ans Licht.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 210

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Christian Tielmann

The Game

Gefangen im Labyrinth

Band 3

 

 

Mit Illustrationen von Pascal Nöldner

Über dieses Buch

 

 

Niemand entkommt dem GAME

Macke, Piddy, Lisa und Sepia dachten, sie hätten es aus der Spiel-Arena heraus geschafft, dabei sind sie tiefer ins GAME geraten als je zuvor: Level 3 ist ein Bergwerk mit einem schier endlosen System von Stollen, Schächten und Geheimgängen. Die Jagd nach einem Schlüssel zur Freiheit beginnt. In den düsteren Tunneln lauern ungeahnte Gefahren. Macke und sein Team sind verzweifelt: Wer steuert das GAME? Lebt Team Gelb noch? Werden sie es jemals schaffen, zu entkommen? Oder tun sie mit ihren Fluchtversuchen genau das, was das GAME will? In den Tiefen des Labyrinths kommt die erschreckende Wahrheit ans Licht.

 

 

Weitere Informationen finden Sie unter www.fischerverlage.de/kinderbuch-jugendbuch

Biografie

 

 

Christian Tielmann, geboren 1971 in Wuppertal, schreibt seit 1999 mit großem Erfolg Kinder- und Jugendbücher. Seine Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt und mehrfach ausgezeichnet. Er lebt in Detmold. Pascal Nöldner zeichnet als freiberuflicher Illustrator für Kinder- und Jugendbücher, Comics, Animationsfilme und naturwissenschaftliche Medienexponate. Seine Erfahrungen auf Musical- und Theaterbühnen charakterisieren Ausdruck und Dynamik seiner Zeichnungen. Im Web (www.pascal-noeldner.de) und auf Social Media (@_nerdner) gibt er Einblick in sein Leben und seine Werke.

 

Weitere Informationen zum Kinder- und Jugendbuchprogramm der S. Fischer Verlage finden Sie unter www.fischerverlage.de

Inhalt

8. Juli, 21.03 Uhr

8. Juli, 21.57 Uhr

9. Juli, 06.11 Uhr

9. Juli, 7.23 Uhr

9. Juli, 8.55 Uhr

9. Juli, 12.05 Uhr

9. Juli, 13.23 Uhr

9. Juli, 15.01 Uhr

9. Juli, 18.23 Uhr

9. Juli, 21.30 Uhr

10. Juli, 10.07 Uhr

10. Juli, 15.32 Uhr

10. Juli, 17.59 Uhr

10. Juli, 21.01 Uhr

11. Juli, 7.40 Uhr

»Hört das denn nie auf?«

Die Frage hallte in Mackes Kopf nach, als gäbe es ein Echo. Sepia hatte sie gestellt. Macke stand zwischen dem Mädchen mit den sanften braunen Augen und seinem Freund Piddy und sah hinab in das Licht.

Alle hatten gedacht, sie hätten einen Weg aus der Arena des GAMES gefunden, stattdessen erwartete sie nun das dritte Level.

Seit vier Tagen und drei Nächten versuchten sie, dem außer Kontrolle geratenen Spiel zu entkommen. Wieder und wieder waren sie am Gamemaster, von dem sie nur den Namen »Ellen« kannten, gescheitert. Von den vier Teams waren nur noch drei übrig. Was genau mit dem vierten Team, Team Gelb, geschehen war, wusste Macke nicht. Das GAME hatte Dave, Etienne, Flora und Fauna, wie die vier Mitglieder von Team Gelb hießen, verschwinden lassen. Von ihnen fehlte jede Spur.

Das Licht kam aus dem Untergrund. Es schien durch die Bodenklappe, die Ben vom Team Grün geöffnet hatte. Der Junge mit der Reibeisenstimme deutete hinunter. »Es gibt keinen anderen Weg von diesem Hof. Also nehmen wir diesen hier, oder?«, fragte er.

Macke zögerte. Sie hatten den ganzen Bereich, den Betriebshof, auf dem sie am Ende des zweiten Levels gelandet waren, so gut es ging, abgesucht. Gamemaster Ellen hatte ihnen das Licht abgedreht. Pechschwarze Nacht umgab sie, erhellt nur von ihren Stirnlampen. Der Eingang, durch den sie hierhergekommen waren, war verschüttet. Es gab kein Zurück. Und das, was sie für den Ausgang aus der Arena gehalten hatten, hatte sich als optische Täuschung entpuppt. Hinter der Schranke des Betriebshofs war keineswegs die Landstraße in die Freiheit, die sie anfangs gesehen hatten. Stattdessen waren sie gegen eine weitere dicke Panzerglasscheibe geprallt, die bis rauf in den Himmel reichte. Rechts und links von der Schranke war der Betriebshof eingemauert. Sie waren gefangen.

Macke musterte die Gesichter der anderen. Sie sahen schon verwegen aus, mit der Beleuchtung von unten und all dem Staub und Dreck in Haaren und Klamotten. Die Kleider von Ipek, Poi, Cosima und Dario aus Team Rot sahen eher nach Rost aus. Das Grün der Teamklamotten von Ben, Helena, Malik und Jamir wirkte ziemlich braun. Und er selbst und die anderen aus Team Blau steckten in Shirts, Hosen und Sneakern, deren Farbe er mittlerweile eher als Grauschwarz bezeichnen würde.

Diese zwölf rostigen, braunen und schwarzgrauen Gestalten standen nun vor der Stahlluke im Boden, über die Ben gestolpert war. Eine Leiter führte hinunter ins Helle, aber Ungewisse.

Immerhin kommt kein Staub aus dem Loch, das ist eigentlich ein gutes Zeichen, dachte Macke. Denn dann konnte der Tunnel nicht mit dem Teil der Arena verbunden sein, den sie gerade erst zum Einsturz gebracht hatten. Es würde wohl noch Stunden, wenn nicht Tage dauern, bis sich der Nebel aus Dreck und Trümmern gesenkt hatte, der beim Zusammenbruch der Felsensäulen aufgewirbelt worden war.

Piddy kratzte sich hinter seinem rechten, seinem aufrechten Ohr, das etwas mehr abstand als das linke. Mackes Freund bearbeitete dieses Ohr immer, wenn er scharf nachdachte – oder einfach nicht mehr weiterwusste.

Ipek und Poi aus Team Rot tuschelten miteinander. Dann sagte Ipek nachdenklich: »Da runterzuklettern ist bestimmt nicht gut. Aber es ist unsere einzige Möglichkeit, oder?«

Macke nickte. Sie hatten wirklich keine Wahl. Dies war die einzige Tür, die das GAME ihnen bot. Und Gamemaster Ellen hatte ihnen in leuchtend roter Schrift mitgeteilt, dass sie im dritten Level angekommen waren.

Er zögerte trotzdem. Er wurde das Gefühl nicht los, dass dieser Deckel, der einen Weg ins Licht eröffnete, nichts weiter war als eine überdimensionale Mausefalle. Das Licht war der Speck. Sie selbst waren die Mäuse. Und die Falle würde zuschnappen, sobald sie alle die Leiter hinabgestiegen wären.

Andererseits hatte Ipek von Team Rot ja recht: Es gab ganz offensichtlich keine andere Möglichkeit.

Lisa, das dunkelhaarige Mädchen aus Mackes Team, hatte noch eine Idee. »Wir müssen nicht da runter«, sagte sie. »Wir könnten uns einfach vor die Schranke setzen, gar nichts mehr tun und zwei Nächte abwarten. Dann ist das Spiel eh vorbei.«

»Jau, das könnt ihr probieren, wenn ihr wollt. Viel Spaß«, sagte Helena aus Team Grün. »Das GAME veranstaltet in solchen Fällen doch immer irgendwas. Ein Erdbeben, einen plötzlichen Schneesturm, eine Überschwemmung, oder ihr landet in irgendeiner Zelle in der Verbannung. Ich will jedenfalls nicht verschwinden wie Team Gelb. Darauf kann ich echt verzichten.« Helena kletterte die Leiter runter.

Ihr folgte Malik. Der breiteste Junge aus Team Grün stieg auf die erste Leitersprosse und murmelte: »Ich bleib garantiert nicht hier.«

Nun hielt es auch Jamir aus Team Grün nicht länger an der Oberfläche. »Da unten gibt es doch garantiert wieder eine Station mit was zu essen. Ich hab tierisch Hunger, Leute.«

Ben, der heimliche Anführer von Team Grün, grinste. Er winkte Macke zu und sagte: »Viel Glück im dritten Level!«

Er verschwand im Lichtschein aus der Tiefe.

Jetzt wollte auch Lisa nichts mehr von ihrem eigenen Vorschlag hören. »Na gut, vielleicht kommen wir ja irgendwie noch raus. Auf diesem Hof geht es jedenfalls nicht weiter!« Mit diesen Worten betrat das Mädchen aus Team Blau die Leiter.

Ihr folgte Team Rot. Piddy und Sepia zuckte mit den Achseln. »The GAME must go on, wie’s scheint«, sagte Sepia, als auch sie sich hinabtraute.

Macke war der Letzte. Er sah noch einmal auf den Betriebshof. Er hatte so sehr gehofft, dass dies das Ende wäre. Aber im GAME war anscheinend jedes Ende zugleich ein neuer Anfang.

»Na dann: Auf ins dritte Level!«, murmelte er, dachte zugleich an Sepias Worte und flüsterte: »Hört das denn nie auf?«

Macke traute seinen Augen kaum. Das GAME schien weiter zu denken, als sie alle es sich in ihren kühnsten Träumen ausmalen konnten. Am Ende der Leiter wartete ein Zug auf sie. 16 Plätze in vier kleinen Waggons waren frei. Es war eine kleine Grubenbahn, die freundlich mit den Scheinwerferaugen leuchtete.

»Glück auf!«, sagte eine Stimme, die aus einem Lautsprecher der flachen Lokomotive kam. »Einsteigen und festhalten!«

Macke schüttelte den Kopf. Noch vor vier Tagen hätte er sich sofort auf einen der Sitze gestürzt. Er hätte gejubelt vor Freude. Denn er liebte Achterbahnen. Und diese kleine Bahn mit den Wagen, auf deren Seiten gekreuzte Hämmer gemalt waren, schien tatsächlich eine Achterbahn zu sein. Aber inzwischen wusste Macke, wie unberechenbar das GAME war. Er wusste, dass er nicht wusste, worauf er sich einlassen würde. Eine Überschwemmung, einen Vulkanausbruch und den Einsturz der Felssäule hatten sie überlebt. Jedenfalls die drei Teams, die noch übrig waren. Er war sich nicht sicher, ob er Dave, Ben, Flora und Fauna aus Team Gelb jemals wiedersehen würde. Und auch Ingo, ihr erster Gamemaster, sowie die immer wieder auftauchende Nina, waren vermutlich unter den Trümmern des zweiten Levels begraben.

Macke war bestimmt kein Feigling. Ganz im Gegenteil. Michi, seine Trainerin der Stuntgruppe »Team Danger«, schimpfte oft mit ihm, weil er so waghalsig war. »Training, Team und Sicherheit«, predigte Michi immer. Egal, ob sie aus dem dritten oder vierten Stockwerk auf eine Matte sprangen oder für eine Filmszene eine Treppe runterfallen sollten. Für Michi ging es immer darum, die Stunts so oft zu üben, dass sich niemand verletzen konnte. Dank dieses Trainings war Macke tatsächlich schon einmal aus dem dritten Stock eines Hauses gesprungen. Und er hatte sich kein Haar gekrümmt. Aber das hier, diese Grubenachterbahn im GAME, die war das glatte Gegenteil von einem gut geplanten und oft trainierten Stunt: Es war ein Himmelfahrtskommando.

Sein Freund Piddy, der bereits auf der Bank im letzten Waggon Platz genommen hatten, grinste: »Worauf wartest du, Stuntman?«

Macke sah den Bahnsteig rauf und runter. Hierher schien nur die Leiter zu führen, die sie heruntergeklettert waren. Vom kleinen Bahnsteig ging keine weitere Tür ab. Über ihm fiel der Deckel der Bodenluke krachend ins Schloss.

»Komm jetzt, Macke!«, rief Lisa entschlossen. Sie saß in der Bank vor Piddy. Sepia hockt neben ihr. Ganz vorne, im ersten Waggon war Team Grün. Ben grinste und feixte rüber zu Macke. »Stell dich nicht so an! Bisher haben wir noch alles überlebt!«

Macke seufzte. »Das gilt auch für die Leute in einem abstürzenden Flugzeug, Ben.«

Hinter Team Grün war ein Waggon frei. Team Rot hatte sich mit Sicherheitsabstand in die Mitte des Zuges gesetzt. Der vierte Waggon gehörte Team Blau.

Macke gab sich einen Ruck. Allein wollte er nicht auf dem Bahnsteig versauern. Auch wenn er ein wirklich übles Gefühl bei dieser Achterbahnfahrt hatte. Er klemmte sich auf die Bank neben Piddy.

Kaum saß er, schnellten Sicherheitsbügel über ihren Schoß. Jetzt gab es kein Entkommen mehr. Sie konnten nicht rausfallen. Aber sie konnten auch nicht mehr aussteigen. Der Zug setzte sich in Bewegung. Erst tuckerte er ganz langsam geradeaus. Aber was so gemütlich begann, wurde in der ersten Rechtskurve schwungvoller. Viel schwungvoller. Die Bahn legte sich in die Kurve und donnerte bergab. In einer gewaltigen Spirale waren die Schienen verlegt. Sie sausten abwärts, immer rechts herum wie die Abfahrt in einem Parkhaus oder einer gigantischen Murmelbahn. Macke wurde schwindelig, als die Bahn unten wieder ein Stückchen geradeaus fuhr. Der Zug änderte die Richtung und schoss in einer steilen Linkskurve noch tiefer abwärts. Die Fahrt wurde so schnell, dass Macke die gelben Bergwerksleuchten nur noch wie einen einzigen Leuchtstreifen wahrnahm. Ab und zu zischten ein paar grün beleuchtete Türen der Techniker vorüber. Die Fahrt ging links und rechts herum, und das Licht fiel zwischenzeitlich komplett aus. Macke konnte nicht mehr abschätzen, wie tief sie unter der Erde waren. Er hatte die Orientierung komplett verloren.

Niemand von ihnen schrie vor Schreck oder Vergnügen, wie es die Leute im Freizeitpark oder auf dem Rummelplatz machten.

Die Bahn flog plötzlich regelrecht aufwärts. Aber nur, um von einer Kuppe abermals in die Tiefe zu stürzen. Die Fahrt wurde so schnell, dass Mackes Haare an seiner Kopfhaut zerrten. Die Kurven hauten seine Knochen nun nach links. Ohne Bügel wäre er hinausgeschleudert worden. Dann wurde der Zug in die entgegengesetzte Richtung geworfen, so dass seine Schulter gegen Piddy krachte.

Schließlich rollte die Bahn bergauf, anfangs mit gewaltigem Schwung, dann wurde sie langsamer und langsamer. Die Grubenlampen links und rechts erhellten die Szenerie mit einem gelblichen Licht, das ziemlich gemütlich hätte wirken können. Wenn es nur nicht so verflixt ungemütlich gewesen wäre in dieser Achterbahn.

»Verdammt, gleich rollen wir rückwärts wieder runter!«, sagte Piddy. Auch Sepia und Lisa wurden unruhig. Macke sah nach vorne. Die Spitze des Zuges neigte sich in eine Linkskurve, und sie hatten nur noch Schritttempo. Schließlich blieb die Bahn stehen. Macke konnte regelrecht spüren, wie alle den Atem anhielten. Denn ihre Grubenbahn stand am Hang. Und das auch nur kurz. Dann rollte sie wieder. Nun aber rückwärts!

Jetzt schrien sie doch alle. Macke war völlig egal, wie cool oder uncool das war. Er hatte nur noch ein Gefühl: Angst. Das System war offenbar komplett ausgefallen. Der Zug rauschte planlos den Hang wieder runter, den sie gerade raufgeeiert waren. Das konnte keine Absicht sein.

Die Achterbahnfahrt wurde wieder schneller und schneller. Macke warf einen Blick über die Schulter. Der Tunnel, durch den sie donnerten, war mit Holzbalken abgestützt. Das ganze Gelände sollte wohl an ein Bergwerk erinnern. Rechts hörte er Wasser plätschern. Das war kein gutes Zeichen unter Tage. Der Zug hielt genau auf die Steigung zu, die sie zuletzt heruntergefahren waren. Aber in der Senke bog er durch eine Weiche nach links ab. Macke sah nur noch pechschwarze Nacht auf sich zukommen. Dann spürte er kleine Fasern im Gesicht. Plötzlich stoppte der Zug.

»Autsch, mein Kopf!«, hörte Macke Lisas Stimme.

Die Bügel sprangen auf. Macke stieg etwas benommen aus der Achterbahn. Ihm war flau im Magen, als er auf den dreckigen Bahnsteig trat. Gelbliche Grubenlampen hingen hier an der Wand. Auch die anderen schälten sich aus dem Zug. Kaum waren auch Cosima aus Team Rot und Ben aus Team Grün aus ihren Waggons geklettert, rollte der kleine Zug aus dem Bahnhof und verschwand im Dunkel hinter einem Vorhang aus schwarzen Schnüren.

Ben war der Erste, der die Sprache wiederfand. Er sah sich um. »Glück auf, zusammen. Das dritte Level wird wohl was für Bergleute«, sagte der Junge mit seiner Reibeisenstimme. Er grinste.

Macke und Sepia tauschten einen Blick. Macke kapierte Ben einfach nicht. Wie konnte der Junge noch immer so gute Laune behalten? Sie alle hatten aus dem Spiel flüchten wollen. Noch am Nachmittag hatte Ben höchstpersönlich auf einem Vulkan um sein Leben getanzt und war mit ihnen vor künstlicher Lava geflüchtet. Sie wollten weg, raus aus der Arena. Und wo waren sie gelandet? Tiefer im GAME als je zuvor.

Vom Bahnsteig gingen vier Stollen ab, die mit dicken Holzbalken gestützt wurden. Keiner dieser Stollen sah besonders einladend aus. Schon nach wenigen Metern gähnte ihnen das schwarze Nichts entgegen. Über jedem der Tunnel war ein Symbol aufgemalt. Ganz links ein Plus, das Symbol von Team Grün. Der Stollen rechts daneben war mit einem Kreis markiert, dem Symbol von Team Rot. Der dritte Gang war offenbar für Team Gelb reserviert, über seinem Eingang prangte ein Minuszeichen. Der letzte Stollen, ganz rechts, war mit dem Quadrat von Team Blau gezeichnet.

Macke hörte das Rauschen einer Lüftung. Immerhin, ersticken würden sie wohl nicht.

Ein kleiner, knallroter Roboter kam aus dem ersten Stollen auf Ketten angerollt. Er war etwa so groß wie ein Industriestaubsauger. Auf seinem Kopf leuchtete eine Lampe grün. An der Vorderseite glotzen zwei Felder mit mehreren Kameras, die Macke an die Facettenaugen von Fliegen erinnerten, aus der Maschine auf die Teams. Unter diesen Augen öffnete sich ein Lautsprecher, der wie ein grinsender Mund geformt war. In der Mitte, genau unter diesem Mund, hatte die rollende Robotertonne einen Ausgabeschacht, der mit einer Klappe verschlossen war. Zwei Greifarme links und rechts winkten ihnen fröhlich zu.

»Keine Angst, ich will nur spielen«, plärrte der Roboter aus dem Lautsprecher. »Wo sind meine Kumpel?« Ein grünliches Licht scannte sie alle. Der kleine Roboter erkannte die Mitglieder von Team Grün trotz der Dreckschicht auf den Klamotten: »Team Grün, wunderbar, vollzählig. Bitte legt eure Punktearmbänder in den Schacht.«

Die Klappe unter dem Lautsprechermund ging auf. »Im dritten Level braucht ihr die nicht mehr. Punkte werden direkt den Konten gutgeschrieben. Wer gewinnt, gewinnt. Wer verliert, verliert.« Der Roboter drehte sich einmal um sich selbst. Dann kurvte er von Helena zu Ben, schließlich holte er auch von Malik und Jamir die Armbänder, auf denen im zweiten Level alle Punkte des Teams und der einzelnen Spieler gestanden hatten, ein. Noch während der kleine lustige Roboter mit der grünen Lampe auf dem Kopf herumkurvte, tauchten aus den anderen Stollen drei weitere Roboter auf. Sie waren ebenfalls rot und wären vom ersten nicht zu unterscheiden gewesen, wenn nicht die Lampen auf dem Kopf in verschiedenen Farben geleuchtet hätten. Der mit dem Blaulicht kam sofort auf Lisa zu und spulte denselben Text ab, den Macke schon vom grün leuchtenden Roboter gehört hatte. Ein weiterer Roboter, dessen Kopflampe rot leuchtete, fuhr zu Poi, Ipek und den anderen aus Team Rot. Nur der vierte Roboter, der mit der gelben Kopflampe, kurvte etwas ratlos auf dem Bahnsteig hin und her.

Er sagte immer wieder: »Scan gescheitert. Wiederholen. Ich will doch nur spielen.«

Schließlich verzog er sich wieder in den Stollen, aus dem er gekommen war, und sagte dabei: »Wer Glück hat, hat Glück. Und Pech ist einfach Pech.«

Macke tat dieser einsame Roboter fast leid. Er erinnerte ihn an einen verwaisten Hund, der sein Herrchen sucht. Und zugleich machte er ihm die Lücke deutlich, die Flora und die anderen aus Team Gelb hinterlassen hatten.

Es war schon verrückt: Wenn ihm jemand noch vor drei Tagen gesagt hätte, dass er ausgerechnet Team Gelb mal vermissen würde, hätte er ihm einen Vogel gezeigt. Dave und Etienne waren ihm ganz schön auf die Nerven gegangen mit ihrer schnöseligen Angeberei. Aber inzwischen hoffte er von Herzen, dass sie den Einsturz des Felsens irgendwie überlebt hatten.

»Macke! Leg dein Armband ab, bitte sehr.« Der kleine, freundliche Roboter mit der blauen Lampe auf dem Kopf scannte Mackes Gesicht und klapperte auffordernd mit dem Eingabeschacht unter dem Lautsprechermund. Macke lächelte das knuffige Gerät an.

Im kleinen Roboter begann etwas zu brodeln, die Maschine pfiff und quietschte wie ein verkalkter Wasserkocher. Macke trat einen Schritt zurück. Er war sich nicht sicher, ob das Teil gleich explodieren würde. Aber dann spuckte der Roboter doch nur einen Becher in den Ausgabeschacht, den er mit einer Suppe füllte.

»Guten Appetit, Macke!«, sagte er. »The GAME must go on!«

Macke sog den Duft der Suppe ein. Schlagartig merkte er, wie müde, hungrig und durchgeschüttelt er war. Die Suppe erschien ihm wie das leckerste, beste und gesündeste Essen, das er sich vorstellen konnte.

Auch die anderen bekamen eine Mahlzeit von ihren Robotern spendiert, und so saßen die Spielerinnen und Spieler bald müde, erschöpft, aber auch satt auf dem Bahnsteig dieses merkwürdigen Bahnhofs unter der Arena.

Die Roboter standen hinter ihnen und konnten sich nicht einigen, welches Spiel sie zum Zeitvertreib spielen sollten. Der mit dem grünen Licht war für »Stadt, Land, Fluss«, der mit dem roten nervte alle mit seinem Wunsch nach einer Runde »Ich scanne was, was du nicht scannst«.

»Könnt ihr auch einfach still sein?«, fragte Macke.

Der Roboter mit dem blauen Licht rollte näher an Macke heran. »Wir wollen nur spielen.«

Piddy fuhr sich mit den Händen durch die wirren Haare. »Weißt du, für uns ist die Stille die perfekte Musik an so einem Abend! Vielleicht könnt ihr ja ›Stille Post‹ spielen oder ›Roboter-Mikado‹: Wer sich zuerst bewegt oder einen Ton von sich gibt, hat verloren!«

Der Roboter blinkte einmal mit der blauen Leuchte. »Information vollständig verarbeitet«, sagte er. Er drehte sich auf seinen Ketten einmal um sich selbst und den anderen Robotern zu. Doch dann stockte er, kam noch einmal zurück und verkündete: »Das Schlafgemach ist bereitet.« Er zeigte mit seinem Arm auf den Stollen, der mit dem Quadrat von Team Blau markiert war. Nur eine Sekunde später flackerte ein gelbliches Grubenlicht in diesem Gang auf.

Macke, Piddy, Sepia und Lisa liefen von den anderen Teams weg in ihren Stollen. Der Gang schien endlos tief in den Berg hineinzuführen. Aber schon nach einigen Metern taten sich auf der rechten und der linken Seite kleine Kammern auf. Diese Kammern waren nur mit einem Vorhang als Sichtschutz zu verschließen. Die Decke wölbte sich im großen Halbrund bis zum Boden. In jeder Kammer standen ein Bett und ein kleiner Schrank mit frischer Wäsche, und Macke entdeckte neben dem Kopfende des Bettes hinter einer schmalen Tür sogar ein Badezimmer. Es war eng. Aber immerhin hatte es nicht nur ein Waschbecken und eine Kloschüssel, sondern auch eine richtige Duschkabine.

Macke ging zurück in den Stollen. Piddy kam gerade aus der Kammer, die neben seiner lag. Ein fettes Grinsen hatte er im Gesicht. »Klar, ich will raus aus dem GAME, Macke. Aber manchmal, wenn du gar nicht mehr damit rechnest, dann ist es schon cool, oder?«

Auch Sepia und Lisa, die die beiden Kammern auf der anderen Seite inspiziert hatten, traten zu ihnen. Sepia lachte. »Suppe und Dusche! So ein Luxus! Bisher gefällt mir das dritte Level.«

Lisa nickte. »Hättest du vor dem GAME geglaubt, dass du das mal als Luxus betrachten würdest?« Das dunkelhaarige Mädchen strahlte regelrecht vor Freude.

Der kleine Roboter mit der blauen Leuchte auf dem Kopf kam vom Bahnsteig her zu ihnen gefahren.

»Seid ihr mit den Zimmern einverstanden?«, fragte er und schien sie alle noch einmal zu scannen.

»Absolut!«, antwortete Lisa anstelle der anderen.

»Da wird sich Gamemaster Ellen freuen«, sagte der Roboter. »Ruht euch etwas aus. Eure Mission startet, sobald ihr bereit seid.«

»Und wie lautet die Mission?«, fragte Macke.

Der Roboter rollte hin und her und schwieg.

»Weißt du schon, wie sie heißt?«, hakte Macke nach.

»Ja, die Mission ist mir schon bekannt«, antwortete der Roboter.

»Dann kannst du es uns doch auch sagen!« Sepia kniete sich runter zum Roboter, legte den Knopf schief und sah ihm in die Facettenaugen. »Mir zuliebe, Robbi!«

Macke hätte losprusten können. Versuchte Sepia etwa allen Ernstes, ausgerechnet einem Roboter, der aussah wie ein Industriestaubsauger, den Kopf zu verdrehen? Wenn die Software dieser Roboter so programmiert war wie die der Caravans, die Macke im letzten Level ausgeschaltet hatte, dann konnte sie das vergessen.

Doch die Roboter schienen eine komplett andere Software zu haben. Der kleine Kerl rollte auf seinen Ketten aufgeregt vor und zurück und ließ sein blaues Licht auf dem Kopf immer mehr Richtung lila und schließlich knallrot werden.

»Wir verraten es auch niemandem!«, flüsterte Sepia verschwörerisch.

»Nun, dann …«, sagte der Roboter. »Ich bin ja für euch da. Und wenn Spielerin Sepia es so gerne wissen will. Eure Mission in diesem dritten Level liegt im Ausgabeschacht. Gute Nacht.«

Mit diesen Worten öffnete der Roboter die Klappe unter seinem Lautsprechermund.

Sepia holte einen Zettel heraus. Sie las den Zettel durch und reichte ihn weiter an Macke. Macke sah auf das Papier. Und er verstand kein Wort.

»Äh, aber warte mal! Wir hätten da noch Fragen«, rief Macke dem Roboter hinterher. Aber der kleine Kerl fuhr schon tief und tiefer in die Stollen. Die Leuchte auf seinem Kopf hatte er ausgeschaltet, und bald hörte Macke das knirschende Geräusch seiner Ketten nicht mehr. Inzwischen hatten auch Lisa und Piddy den Zettel gelesen. Aber sie kapierten offenbar genau so wenig wie Sepia und Macke.

Auf dem Zettel stand: »Bringt den Wahrhutsschlüssel ans Licht des Lichtpalasts.«

Piddys Haare standen wie ein ganzes Meer aus Fragezeichen vom Kopf ab. Lisa kniff die Augen zusammen und las den Zettel wieder und wieder. »Das ist ein Rätsel, so viel ist klar«, sagte sie. »Und vermutlich eins mit Rechtschreibfehler.«

»Oder es sind zwei Nachrichten, die ineinandergerutscht sind. ›Bringt die Wahrheit ans Licht, das ist der Schlüssel zum Palast‹ oder so«, mutmaßte Piddy.

»Wie auch immer. Wir werden dieses Rätsel heute nicht mehr lösen«, sagte Sepia und gähnte herzhaft. »Ich brauch echt eine Mütze Schlaf. Weckt mich, wenn es losgeht!«

Sie zwinkerte Macke zu. Macke merkte, dass sein Herz schneller klopfte. Diese kleine, vertrauliche Geste von Sepia verwirrte ihn mehr als die geheimnisvolle Mission im Bergwerksstollen.

Doch dann spürte er diese Müdigkeit in den Knochen. Er zog sich in seine Kammer zurück und schloss den Vorhang. Unfassbar. Sie waren so tief unter der Erde – und das GAME hielt hier unten ein Mini-Hotelzimmer für jeden bereit. Er stellte sich unter die Dusche, wusch den ganzen Dreck der vergangenen Tage gründlich ab, schlüpfte in den blauen Schlafanzug, den er im Schrank fand, und fiel ins Bett.

Morgen früh, dachte er, morgen früh geht es weiter. Vom Sonnenaufgang würde er hier unten allerdings nicht geweckt werden. Macke löschte das Licht. Nur ein schwacher, gelblicher Lichtschein drang unter dem Vorhang durch in seine Kammer. Von Ferne hörte er noch die Stimmen von Team Grün. Aber er konnte kein Wort verstehen.

Er atmete tief ein und lauschte dem leisen Rauschen der Lüftungsanlage. Wie ein Wald, ein Bach oder eine ferne Autobahn klang das.

Macke schloss die Augen und schlief ein.

Ein Helm, ein Paar Stiefel, drei Lampen, ein Gaswarngerät, Pickel und Klappspaten, eine Uhr, eine robuste Hose mit Ledereinsatz am Hintern und eine Jacke mit vielen Taschen. All das entdeckte Macke im Schrank. Alles war im Blau des Teams gehalten und hatte das Quadrat als Symbol an irgendeiner Stelle. Und alles passte mal wieder perfekt.

Was Macke leider nicht in seiner Kammer fand, war eine Karte des Bergwerks oder irgendeinen Hinweis darauf, was dieser »Wahrhutschlüssel« sein sollte und wo er zu finden war. Ganz zu schweigen vom Lichtpalast. Aber das GAME wäre nicht das GAME, wenn es nicht voller Rätsel und Geheimnisse wäre, dachte Macke.

Er zog sich um. Dann sah er auf die Uhr. Es war kurz nach sechs am Morgen. Mit seinem Stuntteam, »Team Danger«, hatte Macke schon einmal in einem Bergwerksstollen eine kleine Szene für einen Film trainiert und gedreht.