The summer we kissed - Eva Des Lauriers - E-Book

The summer we kissed E-Book

Eva Des Lauriers

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Beschreibung

Ein Sommertag am Strand, sieben Briefe voller Geheimnisse und eine Nacht, die alles verändert Es ist Senior Sunrise: Der gesamte Abschlussjahrgang trifft sich, um einen Tag – und die Nacht – am Strand zu verbringen. Für Natalia und Ethan ist es das erste Mal, dass sie sich wiedersehen. Denn nach einem leidenschaftlichen Kuss in der Promnacht ist zwischen den beiden eigentlich besten Freunden nichts mehr, wie es war. Den ganzen Sommer über haben sie kein Wort miteinander gesprochen und jetzt – zwischen romantischen Sonnenuntergängen und knisterndem Lagerfeuer – versucht Natalia verzweifelt so zu tun, als wäre Ethan ihr egal, während der wiederum seinen Fehler unbedingt wiedergutmachen will. Bei der Tradition des Senior Sunrise, Briefe an sich selbst zu verfassen, lassen die beiden ihren Gefühlen endlich freien Lauf. Ganz anonym natürlich. So wie alle anderen in ihrer Klasse. Aber dann weht der Wind einige der Briefe über den gesamten Strand. Plötzlich sind Ethan und Natalia gezwungen zusammenzuarbeiten, um die verlorenen Zettel und damit auch die brisanten Geheimnisse, die diese bereithalten, zu finden, bevor jemand anderes es tut. Schließlich soll niemand von ihren Gefühlen füreinander erfahren ... - Sommerlich-leicht, hochromantisch und sehr berührend – die perfekte Friends-to-Lovers-Romance! - Ein Buch wie ein Taylor-Swift-Song

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Seitenzahl: 370

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Über das Buch

Zwei beste Freunde, sieben Geständnisse und eine letzte Chance auf die große Liebe

 

Senior Sunrise: Der gesamte Abschlussjahrgang verbringt 24 Stunden am Strand. Für Natalia und Ethan ist es das erste Wiedersehen seit ihrem leidenschaftlichen Kuss in der Prom-Nacht, den sie seitdem verzweifelt zu vergessen versuchen. Aber zwischen romantischem Sonnenuntergang und knisterndem Lagerfeuer ist das gar nicht so einfach.

 

Bei der jährlichen Tradition des Senior Sunrise, Briefe an sich selbst zu schreiben, lassen die beiden ihren Gefühlen endlich freien Lauf. Ganz anonym. Doch dann verstreut der Wind einige der Zettel und die brisanten Geständnisse segeln über den Sand. Plötzlich sind Ethan und Natalia gezwungen zusammenzuarbeiten. Schließlich soll niemand – wirklich niemand – von ihren Gefühlen erfahren.

 

Sommerlich-leicht, hochromantisch und sehr berührend – ein Buch wie ein Taylor-Swift-Song!

Eva Des Lauriers

The summer we kissed

Aus dem amerikanischen Englischvon Catrin Frischer

Anmerkung

In diesem Buch begegnen wir der Figur Leti, einer nicht-binären Person mit den selbst gewählten Pronomen they/them/their. Diese Pronomen wurden verwendet, da die deutsche Sprache sich noch nicht einheitlich auf Pronomen für nicht-binäre Personen geeinigt hat. Wir haben uns daher entschieden, der Figur ihre Pronomen zu lassen, die im englischen Original verwendet werden.

 

 

Für Justin, dessen Liebe alle Liebe übertrifft

1

Natalia

Nach dem Prom-Ball, 2:08 Uhr

Mir fallen so ungefähr neunzehn Gründe ein, gerade jetzt nicht mit Ethan in sein Zimmer zu gehen.

Eins: das Leichtathletiktraining morgen früh. Zwei: die Abschlusslerngruppe danach. Drei: die ganze Sache mit dem »diese Gefühle um jeden Preis vermeiden«.

Doch dann sehe ich sein typisch verhaltenes Lächeln und er sagt mit einer Stimme, die durch die späte Stunde ganz rau geworden ist: »Lautsprecherduell?«, und die Gründe verpuffen.

Da um uns herum alle in eine Art Prom-Trance gefallen sind, wäre es wirklich das Cleverste, auch schlafen zu gehen.

Ich grinse und gehe nach ihm die Treppe hoch.

Als ich seine Tür hinter mir schließe, sind wir endlich nur noch zu zweit. So ist es mir am liebsten.

Na ja, früher jedenfalls.

Ich schaue mich um. Hat sich irgendwas verändert in den Monaten, in denen ich es vermieden habe herzukommen? Nichts Krasses. Wie üblich ist es aufgeräumt, aber bewohnt. Die himmelblauen Wände sind mir so vertraut wie meine eigenen. Bücher stapeln sich vor dem Bett. Allerlei Gerät und Geschirr auf dem riesigen Schreibtisch. Mein Blick streift das gerahmte Foto, das ich ihm letztes Jahr geschenkt habe. Von uns beiden am Strand, wir lachen, die Augen zugekniffen, die Schultern aneinandergedrückt, die Haare wild im Wind. Das ganze Zimmer ist irgendwie gemütlich und beruhigend und tröstlich. Genau wie Ethan selbst.

»Da«, sagt er und wirft mir einen seiner Pullis zu.

Ich unterdrücke ein Lächeln. Ich musste nicht mal drum bitten.

»Hoffen wir mal, dass er sauber ist«, murmele ich.

Er verdreht die Augen und streckt sich auf seinem riesigen Bett aus, um Musik auszusuchen. Nichts als Gliedmaßen, Größe und glatte Muskeln, geformt auf dem Basketballfeld.

Ich ziehe mir den Pulli – riecht nach ihm – über den Kopf und verstreue dabei ein paar Haarnadeln aus meiner Hochsteckfrisur. Die entkommenen Strähnen fange ich wieder ein.

Als ich mich umdrehe, ist Ethans Blick auf mich gerichtet, als hätte er mich beobachtet. Sofort guckt er wieder auf sein Handy.

Mein billiges schwarzes Ballkleid hatte ich schon früher abgelegt und mich umgezogen. War mir peinlich, wie es da neben Ethans perfekt maßgeschneidertem Anzug hing. Ich hatte mich ja schon lange damit abgefunden, dass mein Kleid nicht mit den Designer-Outfits mithalten konnte, die der Rest der Schule heute Abend tragen würde. Ist nichts Neues für mich. Aber dass ich das Gefühl haben würde, selber Nichts zu sein, das war neu.

Andere Welten.

Die Worte hallen in meinem Kopf nach. Diese Warnung, von der ich Ethan nichts erzählt habe. Vieles habe ich meinem Freund in letzter Zeit nicht erzählt.

Wir machen es uns auf dem Bett bequem wie immer, Seite an Seite, eine Armlänge voneinander entfernt, auf die Ellenbogen gestützt, einander zugewandt. Unsere Körper kennen die Choreografie unserer Freundschaft noch, auch wenn ich es nicht mehr tue.

Ich schnappe mir mein Handy, um meine Wahl fürs Lautsprecherduell zu treffen. So nennen wir unseren Wettstreit darum, sich als Erster mit dem Bluetooth-Lautsprecher zu verbinden. Ist albern, aber typisch Ethan und Natalia – und genau das brauchen wir, um die Spannungen zu lockern, die sich zwischen uns eingenistet haben.

»Lass mich raten, du gehst auf Sad Girl Indie Album?«, sagt er.

Mein Daumen scrollt nicht weiter. Genau das hatte ich vor. Aber die Genugtuung gönne ich ihm nicht. »Du musst schon warten, bis ich gewinne.«

Er senkt das Kinn, sodass wir auf Augenhöhe sind. »Du bist so lange nicht hier gewesen, wahrscheinlich erinnert sich der Lautsprecher überhaupt nicht mehr an dich.«

Er zieht mich auf, aber da schwingt was Klitzekleines mit. Vielleicht Schmerz. Mit Sicherheit Verwirrung. Ich weiche dem aus, indem ich mich auf den Bauch wälze und die Knöchel zum Meerjungfrauenschwanz verschränke.

Ethan guckt einmal kurz auf meine Füße, dann sieht er mich wieder an. »Natalia«, sagt er ganz ruhig, »trägst du Schuhe in meinem Bett?«

Ich werfe einen Blick über die Schulter auf meine baumelnden Füße. »Nein? Flipflops zählen nicht.«

»Alles, was Sand in mein Bett schleppt, zählt.« Ethan starrt mich sauer an.

»Man merkt wirklich, dass dein Sternzeichen Jungfrau ist«, sage ich und zappele mit den Füßen, um ihn zu ärgern.

»Sagt der Kontrollfreak«, nuschelt er kopfschüttelnd. Er drückt sich mit einem Arm hoch. Seine großen Hände umfassen meine nackten Fußgelenke mühelos und stoppen das Gezappel. Langsam zieht er mir die Flipflops aus, die mit einem leisen Plopp auf dem dicken Teppich landen. Mein Bauch registriert, wie seine Fingerspitzen ein ganz kleines Stück an meinem Bein entlanggleiten, ehe er loslässt.

»Du kannst so ein Monster sein, wenn keiner guckt.«

Ich lasse die Wimpern klimpern. »Einer meiner besonderen Vorzüge.«

»Das ist mir klar«, sagt er liebevoll.

Er lehnt sich wieder zurück und ich kann nicht umhin, die klaren Konturen seines Kinns und der Wangenknochen zu betrachten. Diese Kurven und Kanten, die ich in- und auswendig kenne. Zum hundertsten Mal juckt es mich in den Fingern, ihn zu zeichnen, und ich balle die Hände zu Fäusten, um den Drang zu unterdrücken.

Ihm ist es zwar extrem peinlich, aber ein Wunder ist es nicht, dass er heute Abend zum Prom-King gewählt worden ist. Und das auch noch als Junior, eine Jahrgangsstufe vor dem Abschluss. Diese tintenschwarzen strubbeligen Haare, diese durchdringenden Augen … Er ist ein dunkler Prinz aus dem Märchenbuch.

Er kneift die Augen zusammen. »Warum guckst du mich so an?«, fragt er neugierig.

»Weiß nicht. Wie denn? Halt die Klappe«, sage ich schnell.

»O…kay.«

Der Lautsprecher gibt ein leises Blubb von sich, Zeichen dafür, dass er jetzt verbunden ist. Wir warten. Als ein Lofi-Beat ertönt, stöhne ich und Ethan grinst hämisch. Vielleicht hat er recht und sein Lautsprecher erinnert sich nicht an mich. Das macht mich trauriger, als es sollte.

»Wusstest du …?«, beginnt er, bricht dann aber ab. »Egal … ist blöd.«

»Das glaube ich nicht«, sage ich.

Ehe die Beliebten auf ihn aufmerksam wurden, hat Ethan sich nie als blöd bezeichnet, und mir sträuben sich die Nackenhaare. Ich mag seine Abschweifungen zu Fakten, Spekulationen und Zitaten. So weiß ich, worüber er gerade nachdenkt. Erwartungsvoll schaue ich ihn an.

»Na gut … Weißt du, woher das Wort Jungfrau ursprünglich stammt?«

»Äh, nein?«, sage ich. Ich klinge bitchy, denn es ist schon schwer genug, diese Gefühle auszublenden, wenn nicht Prom ist und ich mit ihm allein bin. Und jetzt guckt er tieftraurig in den Mondschein und redet von Jungfräulichkeit? Womit kommt er als Nächstes? Mit unserem lächerlichen Pakt aus dem ersten Highschooljahr?

Ethan zerrt an einem losen Faden an seinem T-Shirt. Er wickelt ihn erst um eine Fingerspitze, dann wickelt er ihn wieder ab und windet ihn um die andere.

»Historisch ist der Begriff austauschbar mit Maid, und das ist ja Quatsch, weil dieser Zustand nicht nur auf Mädchen zutrifft.«

Moment mal.

Ich richte mich auf, mit großen Augen. »Ethan Forrester, willst du mir damit sagen, dass du mit jemandem geschlafen hast?«

Er glotzt mich an. »Was? Nein!«

Ärgerlicherweise ist meine Erleichterung offensichtlich. Ich will mir Ethan gar nicht auf diese Weise mit jemandem vorstellen, aber es wäre gelogen zu behaupten, ich hätte noch keine derartigen Spekulationen angestellt. Er ist immer schön gewesen, aber es ist wirklich niemandem entgangen, dass der Schlaksige Ethan zum Heißen Ethan mutiert ist. Und ich bin dagegen auch absolut nicht immun gewesen.

»Du bist also immer noch Jungfrau und jungfräulich?« Soll ein Witz sein.

»Also, das kommt auf die Definition an«, sagt er, ohne mich anzuschauen. »Aber, ja, genau genommen.«

Die Hitze steigt mir den Nacken hoch. »Oh. Das ist … irgendwie sehr genau«, stammele ich. »Wann haben wir denn beschlossen, dass das ein Thema ist, über das wir reden?«

»Du hast doch direkt danach gefragt!«

Mädchen wie du bringen Jungs dazu, schlimme Sachen zu tun. Ob das eine von diesen Sachen ist? Ich muss echt das Thema wechseln.

»Davon mal abgesehen«, Ethan richtet den Blick auf mich, »reden wir doch über alles andere.«

Schuldgefühle prasseln auf mein Brustbein nieder. Nicht alles.

Huch, was mach ich denn? Ich sollte nicht mitten in der Nacht neben Ethan liegen und über unsere Sexleben reden. Oder deren Nichtvorhandensein. In meinem Fall. Aber … ich schaffe es auch nicht, mich von der Stelle zu bewegen. Ich nage an meiner Lippe, jeder Nerv meines Körpers ist in Alarmbereitschaft.

»Also, ich hoffe, du weißt, dass du es mir erzählen kannst … wenn es da mal was mitzuteilen gibt«, sagt er.

Die Stille zwischen uns ist kurz, aber spannungsgeladen. So als würde sich das Meer zurückziehen, kurz bevor die donnernde Welle anrollt.

»Wer sagt denn, dass es da nichts gibt?« Diese Schärfe im Ton kommt eindeutig von meinem Konkurrenzdenken.

Er setzt sich schnell auf, dunkle Locken fallen ihm in die Stirn, er wischt sie mit einer Handbewegung zurück. Seine normalerweise blasse Haut läuft rot an und wir sind uns so nah, dass ich sehen kann, wie seine Halsschlagader schneller pumpt. »Es gibt da was? War es Tanner?«

»Nein«, gestehe ich ein. »Er wollte, aber … Nein.«

Deshalb bin ich am Ende allein zur Prom gegangen, die ich organisiert hatte. Tanner Brown hatte mich in letzter Minute sitzen gelassen, weil ich – und ich zitiere – »es nicht wert war«. Bin mir nicht sicher, ob er damit seine Zeit meinte, die Eintrittskarte für die Prom oder die Tatsache, dass ich mir danach kein Hotelzimmer mit ihm nehmen wollte. Aber wir waren erst drei Wochen zusammen. Ich hatte nicht vor, meine Unschuld an jemanden zu verlieren, der nicht länger gehalten hatte als meine letzte Tankfüllung. Egal wie neugierig ich auf die ganze Sache auch war.

Offensichtlich erleichtert lässt Ethan sich auf das Kissen neben mir fallen. »Gut. Ich versteh nicht, wie du diesen Typen überhaupt daten konntest.«

Ich auch nicht, ehrlich gesagt. Aber niemand sonst hatte mit mir zur Prom gehen wollen und es wäre erbärmlich gewesen, wenn die amtierende Präsidentin ganz allein da auftauchen würde. Und genauso war es auch. Aber wie alle wissen, kann man sich so was ja nicht aussuchen und so weiter.

»Nicht jedem werden so die Türen eingerannt wie dir«, sage ich.

Ethan verdreht die Augen, als würde er überhaupt nicht ständig Textnachrichten checken. Drei verschiedene Mädchen haben gefragt, ob er mit ihnen zur Prom geht. Er hat gesagt, er habe abgelehnt, weil er wusste, dass sie ihn nur wegen seines Vaters gefragt hatten. Möglich ist das, aber ebenso, dass sie ihn mögen. Jetzt mögen ihn alle.

»Das bedeutet doch nicht, dass du dir einfach irgendjemanden aussuchen musst. Tanner ist so ein Vollidiot. Du hast was viel Besseres verdient.«

»Zum Beispiel?«

Ethan stupst mich mit der Schulter an. »Ich wäre mit dir gegangen.«

»Ein Mitleidsdate? Nein, danke«, sage ich und schubse die Gefühle weg, weg, weg.

Er runzelt die Stirn ein bisschen. »Im ersten Highschooljahr hättest du Ja gesagt.«

Ich schiebe die Pulliärmel bis über die Ellenbogen, mir wird warm. »Wovon redest du?«

»Erinnerst du dich nicht mehr? An unseren Pakt?«, sagt er und schaut mir endlich in die Augen.

Er hat es wirklich gesagt. Die Leinwand vor meinem inneren Auge flammt in Rosatönen auf. Blühend, sprühend und rosig.

»Ich erinnere mich«, sage ich vorsichtig.

Als ob ich das vergessen könnte. Damals hatten wir uns geschworen, füreinander da zu sein beim ersten Mal, falls wir bis zum Abschlussjahr noch keinen Sex gehabt hätten. Ich wollte meine Unschuld nicht an ein Arschloch verlieren und Ethan hatte derart Panik vor Mädchen, dass er überzeugt war, sonst als Jungfrau sterben zu müssen.

»Aber ich war auch das einzige Mitglied deines Waluigi-Fanclubs. Ich habe nicht gerade die besten Entscheidungen getroffen.« Ich albere weiter herum, um das Kribbeln in meinem Bauch zu dämpfen.

Nachdenklich starrt er vor sich hin. »Wenn du mich nicht in meiner Waluigi-Phase lieben kannst, hast du mich als Prom-King nicht verdient.«

Ich lache und streiche mir eine Haarsträhne hinters Ohr. Sein Blick folgt der Bewegung.

»Ich kann es immer noch nicht fassen. Ich glaub, da hat noch nie einer aus unserem Jahrgang gewonnen.«

Seine Aufmerksamkeit gilt nun wieder der Decke, dicke Brauen ziehen sich zusammen. »Wahrscheinlich war es Betrug.«

»Unverschämtheit. Ich habe die Stimmen höchstpersönlich ausgezählt.« Als hätte ich ihm schlechte Nachrichten beizubringen, sage ich: »Du wirst damit leben müssen, dass du die ironischen Emo-Stimmen abbekommen hast.«

Er lacht, aber ich merke, wie unangenehm ihm die ganze Sache ist. Die einzigen grellen Lichter, die Ethan wirklich mag, sind die seines Gaming-PCs und der Leselampe. Er ist schüchtern und kapiert einfach nicht, warum ihm irgendwer Beachtung schenken sollte, abgesehen davon, dass sein Arschloch-Dad ein ganz kleines bisschen berühmt ist. Er hat nicht die geringste Ahnung, wie cool er selbst ist, so ganz für sich allein.

Ein heftiger Windstoß treibt den würzigen Geruch nach Meer durchs Fenster, ich schließe die Augen und atme tief ein. Warme Fingerspitzen wandern träge meinen Unterarm auf und ab. Keine Ahnung, ob Ethan klar ist, was er da macht, wenn er nachdenkt, aber ich hab’s schon immer geliebt. Die Berührung hinterlässt Gänsehaut. Mit einem Seufzen sinke ich tiefer ins Bett.

Eine Weile liegen wir so da, nachdenklich schweigend. Die weiche blaue Tagesdecke ist so gemütlich, Müdigkeit zerrt an mir. Ethan streichelt mir den Arm, meine Augenlider werden immer schwerer.

Ich bin schon fast eingeschlafen, als er sagt: »Natalia, ich glaube, du bist mein Lieblingsmensch.«

Schon sind die Augen wieder offen, unsere Blicke treffen sich.

Wie ich es hasse, dass ich ihn so gern küssen möchte.

Ich kann gar nicht glauben, was ich da sage, aber die Worte fliegen mir trotzdem aus dem Mund: »Und wenn wir es tun? Was wir uns geschworen haben?«

Ethans Hand erstarrt. »Was?«

»Na ja, warum nicht? Wir sind jetzt fast in der Abschlussklasse, wir sind beide Single, wir mögen uns. Du bist kein … na, du weißt schon, grauenvoller Anblick.«

»Danke?«

»Mit irgendeinem x-beliebigen Typen würde ich mich niemals so sicher fühlen wie mit dir.«

Wenn Jungs mich näher kennenlernen, sagen sie alle in etwa das Gleiche: Ich bin zu heftig, ich stresse sie, ich muss mich mal locker machen. Die denken, sie kriegen das Mädchen, das ich vorgebe zu sein. Nett. Selbstbewusst. Glücklich. Keiner will mich so, wie ich in echt bin – dieses Wrack, das ich innen drin bin.

Sitzen gelassen am Abend vor der Prom.

Aber hier ist mein bester Freund und er … strahlt. Licht scheint durch ihn hindurch und er erschafft Farbe für mich. Er ist ganz er selbst. Lässt mich genau die sein, die ich bin. Kein Schutzschild, kein künstliches Lächeln. Ich bin sein Lieblingsmensch. Und er ist meiner.

Seine Miene ist unergründlich. »Du verarschst mich.«

Ich setze mich auf, der Gedanke macht sich selbstständig. »Tu ich nicht. Ich weiß … irgendwie ist es komisch …«

»Hm, ja, irgendwie«, sagt er, ein Hauch von Röte überzieht sein Gesicht. »Wir sind nur befreundet.«

Ich ignoriere das unerwartete Krampfen im Bauch. »Ich weiß … Ich mach dir ja auch keinen Heiratsantrag oder so. Es wäre ja nur zum Ausprobieren. Das war doch der Zweck von diesem Pakt, dass wir lernen, wie das ist, mit einer … Vertrauensperson, oder?«

Ich rede mir ein, dass unsere Freundschaft das überlebt, wenn wir es so machen. Wir kriegen es, was immer es auch ist, aus dem System und sind befreundet wie vorher. Keine Gefühle mehr. Dann ist alles wieder in Ordnung. Mit uns ist wieder alles in Ordnung.

»Du hast davon angefangen. Und heute war Prom«, sage ich.

»Moment, du meinst heute Nacht? Im Sinne von … jetzt sofort?« Seine Stimme wird schriller.

Ich zucke mit den Schultern, mein Herz rast. »Nein? Vielleicht? Was meinst du?«

»Hm. Das ist eine, hm, unvorhergesehene Entwicklung der Ereignisse.«

Je nervöser Ethan ist, desto förmlicher wird er. Das lässt mich innehalten. Und bei diesem Innehalten höre ich alles, was ich eben gesagt habe, noch mal aus seiner Perspektive – und jetzt will ich am liebsten sterben.

»Absolut. Vergiss es. Das war die schlechteste Idee aller Zeiten.«

Er kämpft gegen ein Lächeln an. »Nein. Das ist immer noch der Hummertag.«

Ich vergrabe das Gesicht zwischen den Händen. »Oh Gott. Erinnere mich nicht daran.«

»Hey, wenn du nicht gewesen wärst, wüsste ich immer noch nicht genau, wie allergisch ich auf Schalentiere reagiere.«

Als ich über meine Hände hinweg zu ihm rüberschiele, fangen wir beide an zu lachen. Und ich gehe davon aus, dass das seltsame Gespräch damit beendet ist, in dem ein offenbar sexbesessener Dämon in mich gefahren ist, der bereit war, sich mit demselben Typen nackig zu machen, dem ich letzten Sommer einen EpiPen in die Haut rammen musste, nachdem ich ihn zu einem Hummerbrötchenwettessen herausgefordert hatte.

Doch als ich mich zurück in die Kissen lege, fängt Ethan wieder mit diesen Berührungen an. Mein Arm. Dann mein Schlüsselbein, das ist Neuland. Unsere Blicke treffen sich. Und dann gerät einfach alles ins Wanken, als er die Hand um meine Hüfte legt und mich näher an sich zieht. Auf den Ellenbogen gestützt schaut er auf mich runter und mustert mein Gesicht forschend. Die Musik hat aufgehört. Das einzige Geräusch sind unsere Atemzüge, die immer schneller und schneller werden.

»Würdest du … das wirklich machen wollen?«, fragt er.

Da ich nie gern hinterherhinke, ziehe ich mir mit zitternden Händen Pulli samt Unterhemd über den Kopf. Seine Augen werden ganz groß, als er meinen nackten Oberkörper wahrnimmt. Den BH habe ich noch an, trotzdem werde ich rot unter seinen Blicken.

Ich bemühe mich, ganz ruhig zu klingen: »Komm schon. Am Strand haben wir uns schon in weniger gesehen.«

»Das hier ist was anderes«, sagt er.

Ich schlucke. »Ich weiß.« Ich merke das daran, wie sein Blick meine Haut in Flammen aufgehen lässt. »Wenn du nicht willst, ist es okay.«

»Nein, ich …« Seine Stimme versagt, er räuspert sich. »Ich will.«

Dann zieht er mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung das Hemd aus und lässt es auf den Boden fallen. Ich hab gedacht, ich könnte damit umgehen, ihn so zu sehen. Aber wenn der Typ, bei dem du dich auf der ganzen Welt am sichersten fühlst, schön ist und seine nackte Haut deine streift, dann brechen offenbar alle Dämme.

»Hast du Kondome?«, frage ich.

Er schluckt, dann nickt er.

Mädchen wie du …

Aber die Warnung geht unter, als er näher heranrückt, den Kopf an meine Schulter legt. Ich spüre heißen Atem am Hals, als er murmelt: »Ich kann gar nicht fassen, dass das hier passiert.«

»Ich kann nicht fassen, dass du redest«, erwidere ich trocken.

Seine Brust bebt vor Lachen und ich lächele in sein Haar. Etwas zögerlich lasse ich die Finger durch die schwarze Pracht gleiten. Ich spüre sein Zittern. Er zieht den Kopf zurück und schaut mich an mit seinen nussbraunen Augen.

»Gott, Natalia«, flüstert er.

Dann schmiegt mein bester Freund sich an mich und küsst mich.

2

Natalia

Senior Sunrise, zweieinhalb Monate später, 7:07 Uhr

Heute ist der Himmel voller Geheimnisse. Ich hasse Geheimnisse.

Der Küstennebel wabert durch die Zedern, die meine Straße säumen. Viel zu gruselige Vibes für einen Morgen Ende August. Würde ich an Zeichen glauben, könnte man meinen, dass diese ganze Schaueratmosphäre versucht, mir was über den heutigen Tag mitzuteilen. Ist also eine gute Sache, dass ich nicht an so was glaube, denn der Senior Sunrise muss perfekt sein. Er wird perfekt werden.

Auch wenn ich Ethan sehen muss.

Hinter mir quietscht die Haustür. Auf Puschen tapst Mom die Verandatreppe runter, beinahe bleibt sie an dem riesigen Pappplakat hängen, das an meinen Beinen lehnt. Ich schiebe es aus dem Weg, während sie mit einer Wortsalve in Spanisch das Telefongespräch mit einer meiner Tanten beendet. Danach lässt sie sich neben mir nieder, wickelt den rosa Pullover mit der einen Hand fester um sich, in der anderen hält sie einen dampfenden Kaffeebecher. Ihre ausdrucksvollen braunen Augen sind müde und ihre schnurgeraden schwarzen Haare sind das glatte Gegenteil der lockigen Mähne, die ich zum seidig glänzenden Pferdeschwanz hochgebunden trage.

»Immer noch nicht da?«, sagt sie.

»Offensichtlich«, murmele ich.

Ich werfe einen Blick auf die Uhr. In dieser trüben Morgenstimmung warte ich nun schon seit sieben Minuten vor unserem – na ja, nun wohl eher Dads – Haus. Egal was, egal wo, es scheint so, als würde ich immer auf Ethan warten. Wenn ich es mir leisten könnte, mein Auto reparieren zu lassen, wäre ich gar nicht erst von Mitfahrgelegenheiten mit meinem besten Freund abhängig.

Wenn wir denn überhaupt noch beste Freunde sind.

Für mich ist es immer noch unfassbar, dass wir den ganzen Sommer nicht geredet haben. Okay, klar, wir reden im Gruppenchat mit Rainn und Sienna, aber wir achten beide peinlich genau darauf, nie direkt auf irgendwas zu reagieren, was der andere gesagt hat. Mehr als zu wissen, dass der andere noch lebt, bringt das nicht.

Mom seufzt, schwer und unheilschwanger. »Ich wünschte wirklich, du hättest diese Übernachtungsparty nicht geplant. Ausgerechnet heute.«

Irgendwie schaffe ich es, nicht die Augen zu verdrehen. »Das ist keine Verschwörung gegen dich. Das ist der Senior Sunrise.«

Der Senior Sunrise ist eine heilige Tradition der Liberty Prep Schule. Die Abschlussklasse versammelt sich am letzten Ferienwochenende bei Sonnenaufgang, um Ziele und Absichten zu formulieren und das letzte gemeinsame Schuljahr mit den berüchtigten Lion Letters zu beginnen. Mir graut bei dem Gedanken, tatsächlich irgendwas von dem aufzuschreiben, was ich durchgemacht habe.

»Als dein Dad auf der Liberty war, wurde nicht übernachtet.«

Sie hat recht. Normalerweise verbringt man nur ein paar Stunden miteinander. Aber ich habe vorgeschlagen, den Senior Sunrise zu einem Campingausflug über Nacht abzuwandeln, damit es was ganz Besonderes wird. Als Präsidentin der Schülerschaft ist es mein Job, Vorfreude aufs nächste Schuljahr zu wecken, auch wenn ich selber nicht in Stimmung bin.

Mom seufzt, als ich nicht reagiere. »Mija, ich weiß ja, dieser Sommer war nicht der leichteste, aber dein Vater und ich finden …«

Ich schaue wieder in den dunklen Himmel, blende das nun Folgende aus und verziehe mich in meinen Kopf, um im Geiste zu malen.

Ich stelle mir vor, wie das Licht morgen früh den Himmel erobern wird. Die Farben, die es über uns alle sprenkelt. Goldtöne, Pink und – wenn wir Glück haben – Lila. Die Neuanfänge, die der Sonnenaufgang verheißt. So einen könnte ich gerade gut gebrauchen.

»Hörst du zu?« Moms müde Stimme dringt zu mir durch.

»Jaja«, lüge ich.

Wieder seufzt sie. »Das regeln wir schon. Bestimmt.«

Das. Gemeinsam haben meine Eltern entschieden, dass mit diesem Wort meine auseinanderfallende Welt bezeichnet wird. Das bedeutet die Scheidung. Das bedeutet die unmögliche Wahl, die ich noch vor dem Ende des Wochenendes zu treffen haben. Mom oder Dad.

Wenn ich bei meinem Vater bleibe, habe ich null Chancen, mich weiter mit Kunst zu befassen, weil das »ein abwegiges, prekäres Leben« ist. Wenn ich zu meiner Mutter ziehe, werde ich meine Schule und mein ganzes Leben hier aufgeben. Den Strand, das Amt als Schulpräsidentin, Ethan.

Endlich leuchtet diffuses Scheinwerferlicht durch den Nebel, dann kommt ein Auto ruckartig und schuldbewusst vor meinem Haus zum Stillstand.

Er ist da.

Doch da stimmt was nicht. Ethans Auto ist eine unauffällige Karre mit einem »I NEEDSPACE«–Sticker von der NASA auf der einen Seite und einem ausgeblichenen »GOLDENSTATEWARRIORS«-Sticker auf der anderen. Aber dieses Ding – dieses schnittige, schicke Elektroauto, das nur von den reichsten, widerlichsten Typen an unserer Schule gefahren wird – ist das totale Gegenteil von Ethan.

»Sieht ganz so aus, als hätte Roger ihn endlich überzeugt«, sagt Mom.

Mein Magen sackt eine Etage tiefer. Ethans Vater liebt es, mit seinem Reichtum um sich zu schmeißen, als würde auf der Welt nur Geld was bedeuten. Ethan hat das immer abgelehnt. Früher jedenfalls.

Die Fahrertür hebt sich wie ein verdammter Fledermausflügel, Ethan klettert raus und alles spielt sich plötzlich wie in Zeitlupe ab.

Zweieinhalb Monate räumliche Trennung haben nichts dazu beigetragen, das hier leichter zu machen. Irgendein Haarpflegeprodukt hat seinen Lockenschopf ein bisschen gezähmt und der graue Tag lässt seine haselnussbraunen Augen strahlen und betont seine dunklen Brauen. Er trägt eine rostfarbene Jeans hochgekrempelt, sodass die schwarzen Hightop-Chucks zu sehen sind – und einen schlichten schwarzen Hoodie, der sich an seinen schlanken Körper schmiegt.

Ethan ist hier, schön, greifbar und viel zu spät.

Durch den dichten Nebel kommt er zu mir gelaufen, sein fragender Blick quetscht mir das zerbrechliche Herz zusammen.

Wie gern würde ich die Arme um ihn schlingen und seinen Duft einatmen, denn nur so sind die langen Wochen ohne ihn aufzuwiegen. Aber das kann ich nicht. Abgesehen davon haben wir auch keine Zeit dazu.

Ich hebe mein Zelt vom Boden auf und drücke es Ethan in die Arme, der so gar keine Gelegenheit bekommt, was zu sagen. Er grunzt, als ihn das Bündel trifft, und ich stapele noch den Schlafsack obendrauf, damit auch sein makelloses Gesicht verschwindet.

»O…kay«, sagt er hinter dem Berg. Seine Stimme ist immer noch kratzig und rau vom Schlaf.

Ich bin froh, dass er mein Lächeln nicht sehen kann.

Eine schnelle Umarmung für Mom, dann schnappe ich mir das Plakat von der Veranda und laufe die Auffahrt runter zum Auto. Doch ich kriege das verdammte Ding nicht auf, weil kein Griff dran ist. Einen Moment lang starre ich es an. An der Stelle, an der ein Türgriff sein sollte, befindet sich ein schmaler silberner Streifen, aber nichts, was irgendwie einrasten könnte. Ob der meinen Fingerabdruck braucht? Oder eine Haarprobe? Ich bin klug und durchaus in der Lage, eine Tür zu öffnen. Und dennoch …

Als ich aufschaue, beobachtet Ethan mich mit einem belustigten Glitzern in den Augen. Dieser Gesichtsausdruck ist mir so vertraut, ich werde ein bisschen milder.

»Hi«, sage ich. Das purzelt einfach so heraus, dieses Wörtchen, das sich danach sehnt, ihn wieder zu mir zurückzuholen. Und es scheint, als wüsste er das.

»Hi«, erwidert er, sein Mundwinkel hebt sich.

Irgendwas piept und die Beifahrertür schwenkt hoch, so wie seine vorhin. »Endlich …«

Aber ich rede nicht weiter, weil Claire Wilson auf dem Beifahrersitz thront. Auf meinem Platz.

»Hey, Natalia«, sagt sie mit einem kleinen Lächeln.

Mir sträubt sich das Nackenhaar. Als Katze wäre ich total aufgeplustert. Aber ich kleistere mir mein bestes Präsidentinnenlächeln an, um das zu überspielen. Ich habe jede Menge Übung darin vorzugaukeln, dass mit mir alles in bester Ordnung ist. Und offenbar brauche ich diese Fähigkeit auch heute.

»Hey!«

Aber ganz im Ernst, seit wann fahren wir Claire Wilson – mit ihrem taufrischen sommersprossigen Teint und den strahlend blauen Haarsträhnen – irgendwohin? Und dann ausgerechnet zu dem Startschuss-Event für unser Abschlussjahr, das ich den ganzen Sommer lang geplant habe. Nachdem Ethan und ich uns so ungefähr ein Jahrzehnt lang nicht gesehen haben?

»Ethan hat angeboten zu fahren«, sagt Claire, als ob das völlig normal wäre.

Die beiden wohnen gegenüber voneinander in derselben Straße, seit Ethan letztes Jahr nach Cliffport Heights gezogen ist. Das Viertel ist bekannt für riesige Villen und die umwerfende Aussicht aufs Meer. Aber Claire ist nie auf seinem Radar gewesen. Bis jetzt, nehme ich mal an. Dieser Stich in der Rippengegend muss wohl von der Kälte kommen.

»Toll. Je mehr, desto besser!«, sage ich strahlend. »Das erklärt dann wohl, warum ihr zu spät seid.«

»Nee, war meine Schuld«, grummelt jemand vom Rücksitz. »Mein Wecker hat nicht geklingelt.«

Rainn hat sich über die gesamte Rückbank gefläzt, die langen Beine unbequem angewinkelt, die sonnenscheinblonde Mähne total verwuschelt. Er trägt ein T-Shirt mit einem den Mond anheulenden Wolf und Tie-Dye-Jogginghose.

Ich gehe um das Auto herum und setze mich auf den Platz hin-ter Ethan, mein riesiges Plakat zerre ich mit auf den Rücksitz. So-fort umfängt mich dieser vertraute Ethan-Geruch, kiefernwürzig, berauschend, tröstlich, und ich muss die Augen zukneifen, weil Erinnerungen an die Nacht nach dem Prom-Ball mich einfach überwältigen. Wie er mich gehalten hat, sein heißer Atem an meinem Hals …

Rainn legt die Beine auf meinen Schoß, schon bin ich wieder in der Gegenwart. Normalerweise würde ich sie runterschubsen, aber ich bin dankbar für die Ablenkung und die extra Wärme.

Er zeigt auf das Plakat. »Oh Mann, sind das Bilder aus unserem ersten Jahr an der Highschool?«

Ich nicke. »Um zu zeigen, wie weit wir gekommen sind.«

Drei Abende hab ich gebraucht, bis ich von jedem Senior die Fotos von drei Schuljahren ausgeschnitten und arrangiert hatte. Ich hatte mich sogar auf die Suche nach Fotos der wenigen Mitschüler gemacht, die erst nach dem Freshman-Jahr an die Liberty gekommen waren. Rainn zeigt auf unsere alten Gruppenfotos und lacht. Ich, mit krausen Haaren und Zahnspange. Rainn mit seiner schulterlangen Surfermähne und dem mageren Hals. Sienna mit breitem Grinsen und dicker Brille, bevor sie die neue, elegantere gefunden hatte. Und dann Ethan, der sich die tollen Haare leider abrasiert hatte, weil er nichts mit ihnen anzufangen wusste. Das war kurz bevor die Serie mit seinem Vater angelaufen war.

Obwohl sich danach eine Menge geändert hat – Ethans Haus wurde größer und er bekam immer mehr teure Sachen –, hat er sich nie geändert. Ich möchte immer noch glauben, dass der einzige Unterschied zu damals der ist, dass er mittlerweile weiß, was er mit seinen Haaren machen soll.

Doch wenn wir Claire Wilson in einem intergalaktischen Vehikel mitnehmen, stimmt das ganz offensichtlich nicht.

Ich presse die Hände auf die Lüftungsschlitze und zappele mit den Fingern, um sie aufzuwärmen. Mein Blick fällt auf Rainns albernes Shirt und seine Surferarme, die von Gänsehaut überzogen sind. »Frierst du nicht?«

Ohne die Augen aufzuschlagen, sagt er: »Kälte ist ein mentaler Zustand, Natalia.«

»Und ein temperaturbedingter, aber meinetwegen.«

Ich ziehe den extra Pulli aus meiner Tasche und werfe ihn ihm zu. Er landet auf seiner Brust und Rainn klappt ein Auge auf.

Mit einem dankbaren Grinsen knüllt er ihn zusammen, stopft ihn wie ein Kissen zwischen Kopf und Fenster und rutscht noch tiefer in den Sitz. »Wie du immer an mich denkst.«

Ich schüttele den Kopf und checke mein Handy. Leicht panisch stelle ich fest, dass Sienna auf keine meiner Weck-Nachrichten reagiert hat. »Wenn Sienna noch nicht wach ist, mach ich sie fertig, das schwöre ich.«

Ethan prustet.

»Du bist mies drauf«, nuschelt Rainn.

»Wohl eher hungrig«, sagt Ethan, der mich im Rückspiegel beäugt. Ganz so als hätte er uns beobachtet. Wie bitte? Nachdem er mich zehn Wochen geghostet hat?

Das Knurren im Magen verrät mich und er guckt mich erwartungsvoll an. Ich muss mich losreißen und beobachte, wie hinter uns meine Nachbarschaft mit den kleinen Häusern und Wohnblocks verschwindet, während wir Richtung Strand weiterfahren.

»Ich warte nur mit dem Essen, weil Sienna genau in dieser Minute Donuts und Kaffee besorgt.«

»Garantiert hat sie das Haus noch nicht verlassen«, sagt Rainn, immer noch mit geschlossenen Augen.

»Sag so was nicht. Laut Plan haben wir schon dreizehn Minuten Verspätung. Ich schwöre, wenn Prashant ohne mich mit dem Aufbau anfängt …«

»Machst du ihn fertig?«, schlägt Ethan vor.

Wütend starre ich auf seinen Hinterkopf. Ziemlich schlechte Idee irgendwie, denn meine Fingerspitzen erinnern sich, dass seine Haare an dieser Stelle besonders weich sind und sich im Nacken ein klein wenig kräuseln.

»Prashant ist doch der schlauste Typ im ganzen Jahrgang, warum kann er da nicht aufbauen?«, zwitschert Claire dazwischen.

Ich kräusele die Lippen. Hat sie echt so wenig Ahnung? Prashant mag ja schlau sein. Er mag auch der Vizepräsident des Abschlussjahrgangs und auf der Zielgeraden zum Jahrgangsbesten sein, während er mich in seiner Staubwolke zurücklässt. Dank der verdammten Prüfung in WiSo letztes Jahr. Aber er ist auch clever und hinterlistig und versucht seit drei Jahren, meine Position in der Schülerschaft an sich zu reißen.

Als ob ich das zulassen würde, jetzt, wo ich Präsidentin der gesamten Schülerschaft bin und endlich so viel Einfluss habe, dass ich wirklich was bewirken kann. Besonders für Stipendiaten. Das ist das Einzige, das mich auf den Beinen hält.

»Wer hat die denn eingeladen?«, raunt Rainn mir zu. Ich verstecke mein Lachen hinter einem Husten.

Ethan und ich waren uns zwar immer am nächsten, aber trotzdem sind Rainn und Sienna seit der Achten Teil unserer Freundesgruppe. Sie machen uns lockerer. Normalerweise ist Rainn mehr mit Ethan unterwegs und Sienna mit mir. Aber ohne Ethan haben Rainn und ich in diesem Sommer mehr miteinander unternommen.

Ich reibe die Hände und puste drauf, damit mir wärmer wird. »Kannst du die Heizung hochdrehen? Moment, Ethan, nein, nicht über die Main Street – all die Ampeln –, achMann!«

Er biegt in die Main Street ein. Nun werden wir an einer endlosen Reihe roter Ampeln hängen bleiben, während wir über die Maple Avenue halb so lange gebraucht hätten. Ich schleudere finstere Blicke in den Rückspiegel.

»Du bist so gestresst. Ich musste es tun.«

Ich haue auf seine Rückenlehne. »Das hast du mit Absicht gemacht? Was stimmt bloß nicht mit dir?«

»Eine ganze Menge.«

»Das ist nicht witzig, Ethan.«

»Ich lach auch nicht.«

Aber er lächelt. Dieses Ganovenlächeln, bei dem mir überall warm wird. »Warum musst du mich unbedingt quälen?«

»Ist mein liebster Zeitvertreib.«

»Ich hasse dich.«

»Du liebst mich.«

Die Luft im Auto knistert. Claire mustert uns komisch. Mit diesem Blick, mit dem jedes Mädchen, das auf Ethan steht, uns irgendwann mustert. Darin sind so viele Fragen enthalten:

Flirten die?

Mögen sie sich?

Ist Natalia Diaz-Price wirklich eine Bedrohung?

Antworten:

Manchmal.

Es ist kompliziert.

Absolut nicht. Die Prom-Nacht ist der Beweis.

»Vor allem weil ich was Leckeres mitgebracht habe«, verkündet Ethan.

Das muntert mich auf. Wir kommen zum nächsten qualvollen Halt. Er greift über Claire hinweg, öffnet das Handschuhfach und bringt eine Handvoll trockener, leicht zerknautschter Müsliriegel zum Vorschein. Lecker ist was anderes.

Ich schenke ihm einen langen Blick. »Da sterbe ich fast an Unterkühlung, während ich auf dich warte, und dann das?«

Ethan schnaubt höhnisch. »Unterkühlung? Bei zwölf Grad?«

»Netter Versuch. Ich halte durch bis zu den Donuts.«

Ethan schüttelt den Kopf. »Weißt du, ich höre hier wenig Dankbarkeit dafür, dass ich deinen faulen Hintern zu einer Schulveranstaltung karre, an der wir gar nicht teilnehmen müssten, und dir was zu essen mitbringe.«

Ich verdrehe die Augen. »Richtigstellung gefällig?« Ich zähle die Punkte an den Fingern ab. »Als Präsidentin der Schülerschaft bin ich verpflichtet, den Senior Sunrise zu organisieren, daran teilzunehmen und aufzubauen. Ich fahre nur nicht selbst, weil mein Auto in der Werkstatt ist – und das da fällt nicht unter Essen«, sage ich mit verächtlichem Blick auf den Haufen plastikverpackter Riegel.

Ethan runzelt die Stirn. »Was ist mit deinem Auto passiert?«

Das ist mir unangenehm. »Stoßstange verbeult. Nichts Schlimmes.«

»Echt? Dir ist nichts passiert?«

Ich hasse es, wie seine Stimme sanfter wird. Also fummele ich an meinen Haarspitzen herum. »Die Unterkühlung war schlimmer.«

Ethan verdreht die Augen, doch ich kann sehen, dass er ein Lächeln unterdrückt.

»Ihr beiden seid so süß«, wirft Claire ein, voller Selbstvertrauen.

»Ja, so was von, oder?«, sagt Rainn und stupst mich mit dem Fuß. Das Auto hält vor der nächsten Ampel.

Claire dreht sich um, damit sie mich anlächeln kann. »Ethan hat mir erzählt, wie nah ihr einander steht.«

Ich zwinge mich zu einem breiteren Lächeln. Sie tut so, als wüsste sie nicht, dass Ethan und ich seit der Mittelstufe beste Freunde sind. So groß ist die Liberty Prep nicht, jeder weiß alles.

Andererseits ist Claire eine von den Beliebten aus der Theatergruppe und fest davon überzeugt, einmal ein Star zu werden. Alles außerhalb ihrer Blase interessiert sie nicht. Schon deswegen ist es unerklärlich, dass sie mit uns in diesem intergalaktischen Vehikel sitzt.

Und noch unerklärlicher ist, dass Ethan in diesem Sommer offenbar mit ihr geredet hat statt mit mir.

Alle unsere Handys geben gleichzeitig ein Ping von sich, das katapultiert mich aus meinem Gedankenkarussell.

»Tja, Sienna ist gerade wach geworden«, verkündet Rainn.

Ethan lacht los. Wie lange ich sein Lachen nicht gehört habe, so laut und donnernd. Alles an ihm ist so … überwältigend. Anders. Sienna hingegen ist genau wie immer. Für eine Person, die komplexe Gleichungen im Kopf lösen kann, ist sie wohl die schusseligste Jahrgangsschatzmeisterin aller Zeiten.

»Oooooah«, stöhne ich.

Ethans Arm taucht vor mir über der Lehne auf, er lässt einen Müsliriegel vor meiner Nase baumeln wie einen Köder. Den schnappe ich mir. Als unsere Hände sich berühren, als meine eiskalten Finger auf seine warmen treffen, drückt er sie – hauchzart, aber spürbar. Irgendeine Art Signal. In Ethan-Sprache, die ich immer noch nicht ganz entschlüsseln kann, obwohl ich schon seit Jahren versuche, fließend darin zu werden. Hi, könnte er damit sagen wollen. Oder: Beruhig dich.

Oder: Ich muss auch ständig an diese Nacht denken.

Wir halten ruckartig vor der nächsten Ampel, Rainns Beine rutschen von meinem Schoß. Er reckt sich, sein Nacken knackt laut, dann schlingt er den langen, ausgestreckten Arm um mich und zieht mich auf diese flirtende Art an sich, die er schon den ganzen Sommer draufhat.

»Das wird so ein gutes Jahr. Ich kann es spüren.«

Ich kuschele mich in Rainns Wärme und Optimismus und erwidere sein Lächeln. Ich hoffe, das trifft auf alle zu, obwohl ich weiß, dass es für mich nicht so sein wird. Egal für welchen Wohnort ich mich letztendlich entscheide. Aber das kann ich nicht sagen, weil keiner davon weiß.

Im Spiegel begegnet mir Ethans Blick wieder.

Ja. Geheimnisse sind scheiße.

3

Ethan

Senior Sunrise, 7:19 Uhr

Cool. Supercool. Aber so was von. Eiskalt. Ich hasse Camping und Zelte aufbauen und auf dem Boden schlafen. Ich bin nur zum Senior Sunrise mitgekommen, weil ich versuchen wollte, diese Sache mit Natalia in Ordnung zu bringen. Und jetzt muss ich wohl davon ausgehen, dass sie und Rainn … was? Aufeinander stehen? Zusammen sind?

Nach allem, was er mir auf der Prom erzählt hat, ist das gut möglich.

Ich meine, die beiden waren nie die Art Freunde, die Körperkontakt haben. Und ich halluziniere ja nicht, er hat seinen Arm immer noch um sie gelegt und sie lächelt ihn immer noch an. Ich umklammere den Lenker so fest, dass meine Knöchel weiß werden.

Das ist ein Desaster.

Als ich sie vorhin auf der Veranda gesehen habe, hätte ich schwören können, dass in ihren blauen Augen ein Licht angegangen ist, genau wie bei mir. Doch das war offensichtlich Einbildung, denn seitdem hat sie mich kaum angeguckt.

Der Spruch »Manchmal ist es ein wunderbarer Glücksfall, wenn du nicht kriegst, was du dir wünschst« kommt mir in den Kopf. Hat der Dalai Lama das vielleicht gesagt? Egal, hilft mir auch nicht. Mit den Zähnen reiße ich einen Müsliriegel auf und schiebe mir das ganze Ding auf einmal in den Mund, der ranzige Geschmack ist mehr als grenzwertig. Sie hat recht, wie üblich. Die sind eklig.

Ich muss umdrehen, weil ich die Abzweigung zum Campingplatz verpasst habe. Natalias verärgertes Stöhnen vom Rücksitz registriere ich kaum. Warum bitte hat mir keiner was von ihr und Rainn erzählt? Warum hat Natalia mir nichts erzählt?

Ach, stimmt ja, sie hat mich den ganzen Sommer geghostet.

Ich hatte gehofft, der Sommer würde uns beide irgendwie runterkühlen, sodass sie bereit wäre, über das zu reden, was passiert ist. Aber das war Wunschdenken. Das hier ist Natalia. Die Weltbeste im Nachtragen. Die Leute halten sie für nett, aber in Wirklichkeit ist sie das nicht. Also, klar, sie ist lieb, mitfühlend, großzügig, aber nett? Nee, nee. Das ist ihre Rüstung. Darunter ist sie kleinlich, gerissen und wütend. Gott, ich kenne vermutlich keinen verkorksteren Menschen als sie.

Sie ist die Beste.

Es sollte keine Überraschung für mich sein, dass sie aus meinem Leben verschwunden ist. Schon vor dem Prom-Ball driftete sie allmählich ab. So macht sie das, sie zieht sich in ihren Kopf zurück, ihre Kunst oder ihre To-do-Listen, damit sie nicht wirklich reden muss. Aber nach der Prom, da war sie präsent. Es war so, als hätte sie den Mond verschluckt, sie leuchtete von innen heraus. Endlich hatte ich sie für mich, nachdem sie sich monatelang zurückgezogen hatte, und dann … ich weiß auch nicht, hat mein bescheuertes Hirn diesen Pakt irgendwo ausgegraben.

Eben hatten wir noch auf meinem Bett geredet, im nächsten Moment lag ihr Shirt auf dem Boden und meine Finger erkundeten ihre Haut. Als unsere Lippen sich berührten, war es, als wäre in mir ein Damm gebrochen. Ich konnte kaum fassen, was da passierte, außer dass es mir zu gut gefiel und niemals enden sollte. Das hier war Natalia. Eigentlich hätte es sich seltsam, komisch, falsch anfühlen sollen. Doch nichts hatte sich jemals so richtig angefühlt.

Das ist das Problem.

Ich hatte sie kaum berührt, da machte sie auch schon klar, dass sie nicht dasselbe empfand.

»So ist es besser«, sagte sie wie zu sich selbst, nachdem wir uns geküsst hatten, als ob es kein Morgen gäbe, nachdem ich diese kleine Kuhle an ihrem Schlüsselbein gefunden und ihr dieses zittrige, zerbrechliche Geräusch entlockt hatte. »Wenn wir es so machen, wird sich nichts ändern.«

Und ich bin erstarrt. Das war klar. Sie wollte mich nicht wirklich. Wenn dieser Pakt nicht gewesen wäre, hätte sie mich niemals berührt.

»Talia …« Ihr Kosename kratzte mir im Hals. »Ich … ich finde nicht … das hier ist blöd. Ich will nicht … mit dir … nicht so.«

Und dann zerbrach alles.

Sie riss sich von mir los, war schon runter vom Bett und schnappte ihr Shirt. »Absolut. Du hast recht. Tut mir leid … Mann, weg da.«

»Moment, ach, Natalia, warte doch mal.« Ich wollte sie fest-halten, bekam aber nur Luft zu fassen.

»Alles gut, Ethan.«

»Du bist sauer.«

Die Haarnadeln flogen nur so, die dunklen Haare ergossen sich in Wellen über ihren Rücken. Ich wollte wieder mit den Fingern hindurchfahren, mich darin vergraben. Zu spät.

»Alles in Ordnung. Ich … ich geh nur nach Hause«, sagte sie.

Ich lief hinter ihr die Treppe runter, als sie wie ein Tornado durchs Haus wirbelte und dabei ihre Sachen an sich riss. Sie hat sich nicht umgedreht, nicht ein Mal.

»Warte … geh nicht«, sagte ich auf der Veranda, als sie in ihr Auto stieg.

Bevor sie den ganzen Sommer verschwand, sagte sie als Letztes: »Bitte vergiss das Ganze.«

Ich sah zu, wie sie in die Dunkelheit fuhr und dabei alles mitnahm, was zwischen uns möglich gewesen wäre.

Jetzt schaue ich wieder zu ihr hin. Sie hält Rainns Shirt fest, zupft mit zwei Fingern dran und zieht ihn damit auf, wie scheußlich es ist. Er lacht und sie verkneift sich selber ein Lächeln.

Das ist alles meine Schuld. Was, wenn ich sie nun echt verloren habe, weil ich zu viel Angst hatte, ihr in jener Nacht die Wahrheit zu sagen?

»Vielen Dank noch mal fürs Mitnehmen«, sagt Claire, die mich aus meinen Gedanken holt.

Ich hatte ganz vergessen, dass sie da ist. »Oh. Ja.«

»Macht ja Sinn, dass wir zusammen fahren. Sollten wir öfter machen.« Sie schenkt mir ein süßes Lächeln.

»Klar«, sage ich.

Claire ist schon süß, aber bis vor Kurzem hat sie nicht mal in meine Richtung geguckt. Nach dem Showdown-Basketballspiel in der letzten Saison änderte sich das langsam. Und danach kam dann diese abgefahrene Prom-King-Sache, aber irgendwie kann ich mir das alles immer noch nicht erklären.

Letzte Woche, als ich aus Seattle zurückkam, tauchte sie bei mir zu Hause mit einem Buch auf, das sie sich letztes Schuljahr von mir geliehen hatte. Hatte ich total vergessen. Wir kamen ins Reden und dann – einfach so – hat sie mich geküsst. Und, na ja, ich fand es nicht furchtbar, aber ich hab auch nicht wieder dran gedacht. Natalia und alles, was bei uns zu Hause abgeht, beschlagnahmt in letzter Zeit jeden Kubikzentimeter meines Gehirns.

Mann, Natalia fehlt mir. Egal was da in jener Nacht auch passiert ist, ich hätte ihr schreiben sollen. Nur mit ihr hätte ich darüber reden können, wie grauenhaft dieser Sommer für mich war. Wie ich die Nachrichten auf Dads Handy entdeckt habe, wie Adam sich langsam erholt.

Ich hatte gehofft, ein Besuch bei meinem Bruder in den Sommerferien würde mir helfen, auf andere Gedanken zu kommen. Zu vergessen. Natalia, Dad, die Schule, die Mannschaft, Natalia