Theophil Spatz - Silvia L. Lüftenegger / RosaRot - E-Book

Theophil Spatz E-Book

Silvia L. Lüftenegger RosaRot

0,0
9,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Theophil, auch Theo oder einfach nur T genannt, lebt in der Altstadt. Er ist zwar im Bahnhofsviertel aufgewachsen, hatte aber die dort vorherrschenden rauen Sitten satt. Seine Behausung hat er sich oberhalb des Restaurants Gusto d`oro, einem Nobel-Italiener, eingerichtet, denn er liebt exquisites italienisches Essen. Durch seine spezielle Bettel-Methode, die er selbst entwickelt hat, ist es ihm ein Leichtes, an herrliche Happen zu kommen. Er könnte durchaus glücklich sein, doch er ist allein und hat sein Einzelgängerdasein satt. Ob und wie er Freunde findet, welche Rolle dabei Josy, Sonja Hansen, Lian und Tangmo spielen werden, was er dabei alles erleben und wohin die Reise gehen wird, das könnt ihr hier nachlesen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



o

Theophil Spatz

Memoiren aus dem Großstadtdschungel

Silvia L. Lüftenegger / Rosarot

o

Impressum

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Besuchen Sie uns im Internet - www.papierfresserchen.de

© 2022 – Papierfresserchens MTM-Verlag GbR

Mühlstr. 10, 88085 Langenargen

Alle Rechte vorbehalten. Taschenbuchauflage erschienen 2022.

Lektorat + Gestaltung: CAT creativ – www.cat-creativ.at

Bilder: Silvia L. Lüftenegger / RosaRot

ISBN: 978-3-96074-570-9 - Taschenbuch

ISBN: 978-3-96074-592-1 - E-Book

*

Inhalt

Vorwort

Katzenjammer

Das Leben auf der Straße

Kursbewerbung

Theophils erster Kurstag

Neuer Tag, neues Glück

Theophil und der freche Wiener Spatz

Ein neuer Tag auf der Straße

Magengrimmen und Pups-Probleme

Im Green Tomato

Auch vegetarisches Essen kann gefährlich sein

Von Albträumen und Frühstücksfreuden

Theophil und der bunte Vogel

Theophils Plan, Punkt eins und zwei

Feilen an Punkt eins und Test von Punkt drei

Planlos

Mitgehangen, mitgefangen

Zu Hause bei Sonja Hansen

Frühstück

Im goldenen Käfig

Tagträume

Was tun?

Der Ausbruchsplan

Schöne Bescherung

Die Flucht

Das Dreiergespann

Rettung in letzter Minute

Die Reise mit dem Glühwürmchen-Express

Bruschetta, Panini mit Prosciutto & Co

Frieda und Sophie

Ankunft in Bella Italia

Eine Stadt mitten am See

Piazza San Marco

Taubenfutter

Der Fischmarkt

Gondola

Kidnapping – Die Entführung

Il Capo – Der Boss

Ein Leben wie ein junger Hund ... sorry ... Kater natürlich

Ein Sommer in der fremden Stadt

Der Abschied

Gefährliche Manöver

Andreas

Wieder zu Hause

Stadt, Land, Perg

Herbergssuche

Handelnde Personen

Die Autorin

Buchtipp

*

Vorwort

Über die Wichtigkeit von Kinderbüchern muss heute wohl kaum noch ein Wort verloren werden. Umso erfreulicher ist es, zu beobachten, dass es Menschen gibt, die nicht müde werden, sich Geschichten mit viel Phantasie und vor allem Empathie auszudenken, zu schreiben, und auch in Bildern zu erfassen wie hier in Silvias neuem Buch.

Voller Tatendrang und Optimismus geht oder vielmehr fliegt der kleine Theophil durch seine Abenteuer und lernt Freunde wie Widersacher kennen. Aber auch, dass es möglich ist, neuen Mut zu fassen und sein Schicksal in die Hand zu nehmen, selbst wenn es Rückschläge und Hindernisse zu überwinden gilt.

Ein liebevoller Text voller Humor und Spannung, der uns mit Theo auf die Reise schickt und der auch die Größeren zu der einen oder anderen Selbstreflektion einlädt.

Viel Spaß beim Mitfliegen!

Manuel Witting, Schauspieler

*

Katzenjammer

Theophil ist wachsam, denn vor Kurzem ist eine neue Familie mit zwei Kindern und zwei Katzen in das Haus, das mit einer Thujen-Hecke, ihrem Zuhause, umzäunt ist, eingezogen. Jeden Morgen kurz vor halb sechs gilt es nun, aufmerksam die Eingangstüre des kleinen Eigenheimes zu beobachten, denn pünktlich um fünf Uhr dreißig ist die Zeit, an der die beiden Katzen Grisabella, eine rote, etwas behäbigere Katze, und Schneeflocke, ein kleiner, weißer Stubentiger, zu ihrem allmorgendlichen Frühstücksausflug das Haus verlassen.

Die beiden haben es sich zur Gewohnheit gemacht, gleich einmal die Thujen-Hecke zu stürmen, um eventuell einen morgendlichen Snack zu ergattern. Doch sie haben nicht mit Theophil gerechnet, denn er ist schlau und ein guter Katzenkenner. Er hat nämlich früher mit einem chinesischen Singvögelchen und einem dicken Perserkater bei einer Dame nahe der Altstadt gewohnt.

Zwei Minuten vor halb sechs weckt er seine Familie mit einem lauten Tschilper und mahnt sie zur Wachsamkeit. Seine Frau und seine sieben Kinder sind sofort in Lauerposition, denn sie haben es sich ihrerseits zur Gewohnheit gemacht, die Katzen zu erschrecken, um ihnen den Gusto auf Geflogenes kräftig zu verderben.

Schon kommen die beiden aus dem Haus gerannt und steuern direkt auf die Hecke zu, wobei Grisabella etwas langsamer hinter ihrer wendigen Zimmergenossin herläuft. Als Schneeflocke zum Sprung ansetzt, gibt Theophil mit einem lauten Terettett-Tschilper das Kommando und seine Familie fliegt unter lautem Getschilpe und Geflattere aus der Hecke hoch. Grisabella bleibt wie immer sofort wie angewurzelt stehen und Schneeflocke landet wie jeden Tag unsanft in den Thujen.

Theophil wundert sich sehr, dass die beiden noch immer nicht gelernt haben, dass er und seine Familie kein gefundenes Fressen sind. Sie haben wahrscheinlich früher in der großen Stadt gelebt und nie das Haus verlassen, denkt er, denn das Jagen ist offensichtlich nicht ihre Stärke und ihr Instinkt nicht der beste. Schon seit drei Wochen ist es Theophil und seiner Familie zu einem lieb gewonnenen Ritual geworden, die beiden so richtig einzuschüchtern.

Doch heute können sie die verdutzten Gesichter der Katzen gar nicht richtig genießen, denn Theophil und seine Familie haben es eilig. Heute ist ein großer Tag für sie. Sie ziehen nämlich um in die große Stadt, in eine Dachtraufe direkt oberhalb des Nobel-Italieners, dem Gusto d’oro, in dessen Nähe auch ihr alter Freund wohnt.

So begeben sie sich rasch und fröhlich tschilpend zum kleinen Bach, der in der Nähe ihrer Hecke fröhlich gurgelt, um ihre Morgentoilette zu absolvieren.

*

Das Leben auf der Straße

Theophil nannte man früher manchmal Theo oder einfach nur T. Er war ein Straßenjunge und in den Gassen der Altstadt zu Hause. Sein Futter fand er zwischen den Stühlen der Straßencafés und Restaurants. Manchmal, wenn er Glück hatte, gab es auch direkt etwas vom Teller.

Da er in der Stadt jede Menge Auswahlmöglichkeiten hatte, war es ein Leichtes, sich zu spezialisieren, und so hielt er sich am liebsten bei den noblen Restaurants auf, denn dort waren die Happen viel exquisiter, es kam sozusagen die weite Welt geschmacklich direkt in seinen Schnabel.

Sehr gerne schnappte er sich seine Leckerlis beim Nobel-Inder, aber am allerliebsten bei seinem Italiener, nicht beim Pizzabäcker, nein, bei dem Spitzenlokal für italienische Küche, dem Gusto d’oro. Es war zwar etwas schwieriger, dort an die Leckerbissen zu gelangen, da die Kellner sehr darauf bedacht waren, ihn zu verjagen. Jedoch war Theophil nicht dumm und fand seinen eigenen Weg, sich etwas zu ergattern. Waren Pärchen im Restaurant, war es automatisch immer komplizierter, denn die Männer hatten es nicht so gerne, wenn die Dame ihres Herzens durch einen Vogel abgelenkt wurde. So verlegte sich Theophil auf Singlemädchen, denn die freuten sich immer über etwas Gesellschaft. Dann flog er heimlich auf den Schoß, damit die Kellner ihn nicht entdecken konnten, plusterte sein Gefieder auf, äugte mit seinem schönsten Loverboy-Blick und schon kam der Happen direkt in seinen Schnabel. So einem süßen, knuffigen, kleinen Kerl konnten die meisten Damen nicht widerstehen.

Theophil war mit sich und der Welt zufrieden, nur manchmal fehlte ihm etwas Gesellschaft, denn er war, entgegen der Spatzeneigenschaft in Grüppchen aufzutreten, ein Einzelgänger geworden. Das war durchaus nicht seine Absicht gewesen, doch wer auf der Straße lebte, musste eben schauen, wo er blieb und sich gegebenenfalls selbst durchschlagen – und da war auch sein erlesener Gaumen nicht gerade förderlich.

Die anderen Spatzengenossen trieben sich dort herum, wo viele Menschen sich unter Stress in der Mittagspause schnell einen Imbiss gönnten, also in den Bürovierteln, die sich etwas außerhalb der Altstadt befanden. Da blieben ungemein viele Happen auf und unter den Stehtischen liegen, ein wahrhaft gefundenes Fressen, wenn man es mochte.

Oder sie drückten sich im Bahnhofsviertel herum, dort, wo noch schnell vor der Abreise beziehungsweise nach der Ankunft etwas in Windeseile den Hunger stillen musste und wo mitunter sogar größere Stücke im Mülleimer landeten. Aber wie bereits erwähnt, wer es mochte. Das war nichts für Theophil, dem die Qualität der Speisen besonders wichtig war.

Also, um nicht alleine im Großstadtdschungel zu vereinsamen, beschloss er, seinen Spatzengenossen den richtigen Umgang mit Menschen und Speisen beizubringen, denn er erhoffte sich einerseits Gesellschaft und andererseits wäre es auch ernährungstechnisch für seine Artgenossen ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Unter dem Motto Weg von Burger & Co und hin zu do und co – oder so ähnlich – möchte er nun seine Artgenossen dazu gewinnen, an seinem quasi Kursus teilzunehmen und hofft auf rege Teilnahme.

*

Kursbewerbung

Damit Theophil sein Ansinnen, einen Kursus für gutes Essen zu geben, unter die Spatzen bringen kann, muss er sich wohl oder übel an die Plätze begeben, wo er die meisten seiner Kollegen antrifft. Er hat sich vorgenommen, heute erst einmal ins Büroviertel zu fliegen. Zwischen zwölf und ein Uhr, das weiß er, sind viele seiner Kollegen dort anzutreffen. Das Büroviertel liegt südlich der Altstadt und ist nicht schwer zu finden, denn er folgt einfach der eisernen Schnur, an der ein Gefährt mit eisernem Arm befestigt ist und das stadtauswärts führt.

Es ist kurz vor zwölf Uhr, als er dort eintrifft, doch an und um die Imbissstände ist es noch spatzenleer. „Komisch“, denkt er sich, „wo sind denn alle, sie werden doch nicht erst in der letzten Minute eintreffen?“ Früher, als er sich auch noch in dieser Gegend herumgetrieben hatte, gab es schon eine halbe Stunde vorher immer ein Gerangel um die besten Futterplätze.

Er setzt sich auf die Lehne einer Bank und wartet ab. Die Zeiger der Turmuhr des großen Bürogebäudes hüpfen auf zwölf Uhr und plötzlich ertönt der Zwölfuhrschlag, der so laut ist, dass Theophil fast von der Rückenstütze gefallen wäre. Die Türen des Bürogebäudes fliegen auf und eine riesige Menschenmenge stürmt rastlos zu den Imbissständen, was geschäftiges Treiben vor und hinter der Theke zur Folge hat.

Wie auf Kommando erheben sich aus den Büschen Scharen von Spatzen und setzen sich unter die Stehtische der Schnellimbisse. Theophil hatte ganz vergessen, wie rau es hier zuging. Ein Geschubse und Gedränge um die größten Happen und nicht immer geht es fair zu. So mancher Kollege entreißt dem anderen seinen Bissen und fliegt damit davon. Nur wer stärker ist, bekommt den besten Teil ab.

Und das ist noch nicht alles, denn unter den Tischen lauert große Gefahr. Die Menschen sind so mit dem Hinunterschlingen ihres Essens beschäftigt, dass ein Vogel unter dem Tisch gar keine Rolle spielt. Wenn man nicht achtsam und wendig ist, besteht das Risiko, dass man von den Füßen der Menschen zertreten wird.

In Theophils Köpfchen kommen Erinnerungen hoch, die er schon längst verdrängt hatte. Erinnerungen an damals, als auch er noch hier um sein Futter streiten musste und dabei eine Kralle seines rechten Fußes verloren hatte. Bei dem Gedanken läuft ihm ein leichter Schauer über den Rücken und er plustert etwas seine Federn auf, denn es ist ihm kalt geworden. Damals saß auch er unter einem der Tische und versuchte, so wie jeder hier, den größten Happen abzubekommen, als er einen Moment unaufmerksam war und der Stöckelschuh einer Bürodame sich auf seinen Fuß stellte. Er schüttelt seine Federn, um den unangenehmen Gedanken loszuwerden, und blickt dabei auf seinen rechten Fuß, an dem eine Kralle fehlt.

Nach einer halben Stunde ist der Spuk vorbei und so schnell, wie die Menschen gekommen sind, so schnell sind sie auch wieder im Bürogebäude verschwunden. Die Großspatzen haben sich zurückgezogen und überlassen den kleineren das Feld, die nun versuchen, noch bevor die Imbissbesitzer mit dem Aufräumen beginnen, die Überreste auf den Tischen zu ergattern.

Theophil muss sich jetzt beeilen, bevor sich alle zum Mittagsschläfchen in die Büsche zurückziehen. Er fliegt auf das kleine Bäumchen, das mitten auf dem Platz steht, und mit einem lauten Terettett-Tschilper, der in der Spatzenwelt bedeutet, dass sich Bodenfeinde nähern, versucht er, Aufmerksamkeit zu erregen. Prompt fliegen alle aus den Büschen und flüchten sich auf das einzige Bäumchen, das am Platz steht, also zu Theophil.

„Danke, Kumpel, vielen, vielen Dank für die Warnung“, kommt es von allen Seiten.

Theophil schämt sich etwas über seine List, aber ergreift sofort die Gelegenheit und erzählt ihnen von seinem Kursus.

Man kann sich vorstellen, dass sein Ansinnen nicht bei jedem auf Gegenliebe gestoßen ist. Viele nennen ihn überheblich und Menschenfreund, was wirklich bei den Spatzen ein absolutes Schimpfwort ist, lachen ihn aus und fliegen davon. Nur zehn Spatzen bleiben sitzen und wollen mehr darüber erfahren, denn ihnen ist diese Nahrungsbeschaffung schon zu anstrengend und zu gefährlich geworden. Also kann morgen doch ein Kurs beginnen und sie machen aus, sich kurz vor Mittag am Brunnen in der Altstadt zu treffen.

*

Theophils erster Kurstag

Schon eine halbe Stunde vor zwölf Uhr sitzt Theophil am Stadtbrunnen und wartet auf die anderen. Er ist etwas nervös, denn so ganz sicher ist er sich nicht, ob denn, wie ausgemacht, seine zehn Teilnehmer kommen werden. Er beobachtet die Tauben, die sich schon rund um die Straßencafés wichtigmachen. Gut, dass Tauben bei den Menschen nicht so beliebt sind, so sind sie keine wirkliche Konkurrenz für ihn. Keine Taube würde es wagen, auf den Schoß eines Menschen zu fliegen, da gäbe es mächtig Ärger, denn sie haben es nicht so mit der Reinlichkeit. Des Öfteren entfleucht ihnen ein feuchtfröhlicher Pupser, der nicht selten auf der Schulter oder gar auf dem Kopf der Menschen landet. So versuchen sie, unter allgemeinem Geschubse unter den bereits leeren Tischen noch Speiseüberreste zu finden.

Theophil hat schon beobachten können, dass einmal in der Woche eine ältere Dame zum Stadtbrunnen kommt, um die Tauben zu füttern. Da herrschen dann immer ein großer Tumult und ein Gerangel um die besten Plätze. Gut, dass sie heute nicht kommt, denn ansonsten hätten ihn seine Kumpels im allgemeinen Krawall sicher nicht finden können. An das hatte er gestern gar nicht gedacht, als er sich den Stadtbrunnen als Treffpunkt ausgemacht hatte. „Puh, Glück gehabt“, denkt er sich.

Schon zehn Minuten vor zwölf Uhr sind alle versammelt, denn sie sind neugierig auf Theophils Ausführungen und Demonstrationen und vor allen Dingen sind alle schon sehr hungrig. Das ewige Fast Food macht nur schnell satt, hält nicht an und macht dick. Und da das Frühstück doch schon etwas länger her ist, knurren allen die Mägen. Etwas dicker zu sein, ist für die zehn Neuen momentan gerade von Vorteil, denn den Menschen gefällt das offensichtlich. Kleine, knuffige Vögelchen sind sehr beliebt und darum plustert Theophil immer sein Gefieder auf, um etwas dicker zu scheinen. Irgendwie weckt das bei den Damen den Beschützerinstinkt und sie sind daher eher geneigt, einige Happen abzugeben.

Das ist ein Punkt auf seiner Liste, den er nun schon einmal abhaken kann. So erklärt er vorerst einmal seine Strategie, bevor er sie ihnen demonstriert: „Also, ein Singlemädchen oder eine Mädchengruppe aussuchen, sich sanft auf den Schoß der Zielperson setzen, das Köpfchen nach oben neigen, treuherzig in die Augen des potenziellen Essensgebers blicken, sich ganz klein machen und nicht pupsen oder nervig hin und her hüpfen.“

Nach dieser detaillierten Einleitung fliegt er zu Demonstrationszwecken zu seinem Lieblingsrestaurant, dem Gusto d’oro, setzt sich ganz sanft auf den Schoß einer Dame, plustert sein Gefieder auf und wartet treuherzig blickend auf einen Bissen, den er prompt in seinen Schnabel gesteckt bekommt. Stolz und schmatzend fliegt er zu den anderen zurück, die ihn unter heftigem Getschilpe flügelschlagend beglückwünschen.

„Nun seid ihr an der Reihe“, meint er fröhlich, „aber verteilt euch gut, ansonsten kommen die Kellner und verjagen euch.“

Die Vogelschar fliegt los in Richtung Gusto d’oro. Leider befolgen sie nicht Theophils Anweisungen, denn sie fliegen alle zu seiner Singledame auf den Schoß, die daraufhin erschrocken aufspringt und den Kellner ruft, der seine Lehrgangsfrischlinge unter heftigem Gefuchtel mit einer Stoffserviette verjagt. In der Hektik dürfte auch noch einem ein Pupser entfleucht sein, denn entsetzt wischt die nette Dame mit einem Taschentuch auf ihrem Rock herum. Die Spatzenschar fliegt laut tschilpend zurück zum Stadtbrunnen, wo Theophil sie mit entsetztem Blick erwartet.

„Was habe ich euch gesagt?“, ruft Theophil erbost, denn für heute kann er den Nobel-Italiener abschreiben und muss sich etwas anderes suchen. „Verteilen und vor allen Dingen nicht pupsen!“ Die Spatzenschar, hungrig und aufgebracht macht sich auf in Richtung Büroviertel, um noch einige Happen unter den Imbisstischen zu ergattern.

„Das war es also mit Freunden und auch mit dem köstlichen Essen beim Nobel-Italiener, zumindest für heute“, reüssiert Theophil resignierend und fliegt in Richtung Nobel-Inder. „Dann eben indisch, obwohl mir italienische Küche heute besser geschnabelt hätte.“

*

Neuer Tag, neues Glück

Theophil ist heute ganz früh aufgestanden, denn er hat Hunger. Beim Nobel-Inder hatte er gestern nicht wirklich Glück. Leider gab es keine Gäste, die einem kleinen Spatzen etwas zukommen lassen wollten. Nur Pärchen – und das ist nicht gut. So musste Theophil hungrig in seine kleine Behausung oberhalb der schmalen Gasse neben seinem Lieblingsitaliener schlafen gehen. Die wundervollen Gerüche hielten ihn noch lange wach.

Jetzt schüttelt er kräftig seine Federn durch und hofft, dass schon ein paar Gäste unterwegs sind, um sich bei Cappuccino und Croissant den Schlaf aus den Augen zu reiben. Und er hat Glück, denn zwei hübsche Mädchen sitzen munter plaudernd, je ein warmes Croissant essend, bei Tisch des Kaffeehauses Coffee & Tea. Dass die beiden für Theophil eine leichte Beute sein werden, braucht man gar nicht erst zu erwähnen. Frische Croissants mit Butter und herrlicher Orangenmarmelade, leicht bitter, jedoch im Abgang süß, so kann der Tag beginnen. Theophil ist wieder einmal mit sich und der Welt zufrieden.

Heute will er von Neuem sein Glück versuchen und beschließt, zum Bahnhofsviertel zu fliegen, um dort eventuell ein paar Kurskandidaten zu lukrieren. Der Bahnhof ist ein richtig gefährliches Viertel, denn in der Hektik ist schon so mancher Vogel unter die Schuhe oder zwischen die Beine gekommen. Es liegt nicht weit von der Altstadt entfernt. Theophil folgt einfach den gelben Taxis, die hektisch hin- und herfahren.

Dort angekommen, ist die Hölle los. Ein Kommen und Gehen, Menschen laufen von den Zügen zu den Taxis oder umgekehrt. Tauben, Spatzen und Möwen, denn gleich in der Nähe befindet sich ein großer Fluss, drängeln sich unter den zahlreichen Imbisstischen. Theophil wartet auf eine passende Gelegenheit, um mit seiner Methode zu punkten und so eventuell die Aufmerksamkeit einiger Spatzen auf sich ziehen zu können.

Ein junges Mädchen, sie dürfte auf Städtetrip sein, denn sie studiert eindringlich den Stadtplan und verspeist dabei genüsslich ein Wienerle mit Senf gepaart mit einem frischen Salzstangerl.

„Sie ist die Richtige“, denkt sich Theophil, „und sie steht alleine an einem Stehtisch mitten im Getümmel.“ Er flattert zu ihr und nimmt seine gewohnte Haltung ein: aufplustern, Köpfchen nach oben neigen und treuherzig hungrig dreinschauen. Und, was soll man sagen, er hat mit seiner Strategie wie immer Erfolg. Schon wandert ein kleines Stück Wienerle mit einem Stangerlkrümel in seinem Schnabel.

„Gar nicht so schlecht für den Anfang“, denkt sich Theophil und verspeist, da ihn der Hunger schon wieder ziemlich plagt, genüsslich das Würstchen. Abwechselnd schnabulieren die beiden so lange, bis das Wienerle gegessen und die letzten Krümel vom Salzstangerl in seinem Schnabel verschwunden sind.

Argwöhnisch und neidisch beäugen einige seiner Artgenossen das Szenario. Theophil, dem das natürlich nicht entgangen ist, packt die Gelegenheit beim Schopf und fliegt zu ihnen auf die Lehne einer Bank, auf der sie sich versammelt hatten.

„No, du bist aber ned von do.“ Ein dicker Spatz drängt sich vor und rempelt Theophil unschön an. „Oba, mia is eh a Eitrige mit Buggl vü liaba. So a Frankfurter-Wiaschtl, passt eh bessa zu dia, du Zwutschkerl.“

„Der freche Wiener Spatz verdirbt mir noch meine ganze Aktion“, denkt sich Theophil und ergreift sofort höflich das Wort. „Hallo, Freunde, ich bin Theophil und wohne eigentlich in der Altstadt. Gestern hatte ich Pech und mein Essen ist etwas spärlich ausgefallen, sodass mich der Hunger hierhergetrieben hat. Sorry, wollte euch nichts wegschnabeln.“

„Wos biederst du di denn so bei unseren potenziellen Essensverteilern on, warum ha T. Wenn des jeda so mochat, bleibat jo gor nix mehr unter den Tischen liegen und mia gangatn leer aus, drah di Fetznschedl!“

Das ist das richtige Stichwort für Theophil und er hakt sofort nach. „Das stimmt, Freunde, aber wir könnten doch meine Strategie anwenden, so hättet ihr frische und vor allem warme Speisen und das ist wirklich ganz etwas anderes. So ein frisches, sandfreies Wienerle ist wirklich ausgesprochen lecker“, erklärt er äußerst höflich.

„Red ned so gschwoin daher, du host einfoch a Masn ghobt“, kontert der Wiener, der sich anscheinend verflogen hat und so in Theophils Stadt gelandet war.

Kleinlaut, aber mit Interesse verfolgen die anderen die Diskussion und bekunden ihre Zustimmung zu Theophils Erläuterungen mit leisem Getschilpe.

„Gusch auf den billigen Plätzen, oda glaubts ihr dem Dahergeflogenen?“, weist der Wiener seine Schar zurecht.

Ein mutiger aus der zweiten Reihe meint jedoch leise: „Schau, Josy, er meint es ja gut und möchte uns seine Strategie zeigen. Wir könnten doch einfach mal ...“

Schroff unterbricht ihn der Wiener, indem er sich zu einer Kugel aufplustert und laut tschilpend darauf hinweist, dass er der Anführer ist und er, und nur er sagt, was zu tun oder zu lassen sei.

Nun beginnt eine heftige Diskussion. Theophil, der auf keinen Fall ein Flügelgemenge auslösen möchte, zieht sich konstatiert auf den äußersten Rand der Banklehne zurück und beäugt etwas ängstlich das Treiben. Er will sich schon zurückziehen, denn die Diskussion scheint aus dem Ruder zu laufen, als sich Josy an ihn wendet. „Oiso, i hob beschlossn und nur i“ wiederholt er mit einem grimmigen Blick in die Runde, „das mia uns des amoi onschaun woin, oiso T, mia segn uns.“

Theophil freut sich, denn der Rest der Schar dürfte ganz nett sein und er hofft, dass der ein oder andere so lernfähig ist, bei ihm in der Altstadt bleibt und sie Freunde werden können. Er macht ein Treffen für den kommenden Samstag am Brunnen in der Altstadt aus, denn da sind viele Menschen zum Einkaufen unterwegs und alle Tische besetzt. Freudig fliegt er zurück zu seinem Stammitaliener und hofft auf ofenfrische Lasagne und ein Singlemädchen.

Wienerisch – Deutsch:

Zwutschkerl – Idiot

drah di Fetznschedl – hau ab Dummkopf

a Masn ghobt – Glück gehabt,

Gusch – Ruhe, anbiedern – einschmeicheln

*

Theophil und der freche Wiener Spatz

Heute ist Samstag und um seine Aufregung etwas zu beschwichtigen, fliegt Theophil zum Grünmarkt am Hauptplatz, denn dort sind viele kleine Straßencafés entlang der historischen Häuserreihe. Heute ist es ihm nach einem deftigen Frühstück, etwas Spiegelei mit Buttertoast, kross gebratenem Speck und gebratenen Tomaten, um seine leichte Nervosität in den Griff zu bekommen. Die Ruppigkeit des frechen Wieners macht ihm etwas Sorge.

Die Chancen für das gewünschte Frühstück stehen gut, denn es sind schon viele Menschen unterwegs, um ihre Einkäufe zu tätigen, und die Straßencafés sind voll besetzt. Langsam überfliegt er Tisch um Tisch, um die geeignete Person mit dem ebenso geeigneten Frühstück auszuspähen. Er ist schon nahezu am Ende der Häuserreihe angelangt und noch ist weit und breit kein Spiegelei mit geeigneter Person in Sicht. Und obwohl er sechsmal Spiegelei bereits von Weitem riechen konnte, musste er leider vorbeifliegen, zu schade. Es waren nämlich sechs Jungs, die sich offensichtlich nach einer langen Nacht stärken mussten und Theophil weiß genau, dass er bei denen keine Chance auf einen Happen haben würde. Das hatte er, als er noch unerfahren in Sachen Schnorren war, schon ausprobiert und war kläglich gescheitert. Einfach hinfliegen und sich etwas schnappen, ist auch zu gefährlich, das weiß er, denn zu schnell landet man dabei unsanft am Boden – und das ist noch das Geringste.

Am vorletzten Tisch entdeckt er endlich eine Gruppe junger Mädchen. Rein von der Gruppierung wäre das seine Zielgruppe, aber die Mädchen sind gerade dabei, die Frühstückskarte zu studieren, und noch weiß er nicht, was sie bestellen werden. So setzt sich Theophil auf eine Parkverbotstafel und wartet erst einmal ab, denn so schnell gibt er nicht auf.

Bei fünf Mädchen stehen die Chancen auf ein Spiegelei ausgesprochen gut. Kichernd und sich die neuesten Geschichten der letzten Woche erzählend, blättern die Mädchen unschlüssig in der Karte und kommen nicht zum Punkt. Theophil, den der Hunger schon sehr plagt, hüpft ungeduldig auf der Tafel hin und her und wäre fast von dieser gefallen, da er die Rundung der Tafel nicht bedacht hatte.

Endlich, die Kellnerin kommt und schreibt die Bestellungen auf ihren Block. Die Spannung steigt und Theophils Magen knurrt. Sollte kein Spiegelei dabei sein, würde er jetzt auf jeden Fall einfach alles nehmen, und so wartet er gespannt auf die herannahenden Teller.

Croissants mit Butter und Erdbeermarmelade, Schinken und Käse, ein Obstteller und Müsli werden von der Kellnerin fein säuberlich auf den Tisch drapiert. „Auch lecker“, denkt sich Theophil, aber bei fünf Mädchen kann das noch nicht alles sein, da ist er sich sicher. Zumindest ein weiches Ei wird bestimmt noch gebracht werden. Und er hat recht, zwei weiche Eier werden nebst Salz und Pfeffer auf dem Tisch platziert. „Auch gut“, denkt sich Theophil nun, denn ein in ein Ei getauchtes Buttercroissant schmeckt ausgesprochen lecker, dazu etwas Schinken und ein Krümel Käse und der Tag ist gerettet.

Er wartet, welche zwei der fünf Mädchen sich die Eier nehmen werden, um sich dann abwechselnd zu platzieren. Doch dann kommt es doch noch, das Spiegeleifrühstück. Zwei gebratene Eier und daneben liegen drei kross gebratene Speckstreifen und sogar zwei gebratenen Tomatenhälften am Tellerrand. Theophil ist selig.

„Doch nicht so eilig“, ermahnt er sich, „erst muss sie selbst einmal zu essen beginnen.“ Als sie das endlich tut, fliegt Theophil in Position, plustert sich auf, legt den Kopf schief, blickt treuherzig nach oben und, was soll man sagen, mit einem: „Oh, wie süß“, wandert schon der erste Bissen in Theophils geöffnetes Schnäbelchen. Abwechselnd wird er von den Mädchen gefüttert und auch ein in ein weiches Ei getauchtes Croissant-Stückchen mit Schinken und Käse findet den Weg in seinen Schnabel. Theophils Strategie ist wieder einmal aufgegangen und er ist vollauf zufrieden und satt. Was soll da heute schon schiefgehen, wenn die anderen kommen, denn seine Strategie ist einfach unschlagbar und effektiv.

Den restlichen Vormittag verbringt Theophil, in seiner kleinen Behausung oberhalb der schmalen Gasse neben seinem Lieblingsitaliener, sich ausruhend.

Kurz vor Mittag fliegt er, die leichte Nervosität ist wieder da und macht sich unschön in der Magengegend breit, zum Stadtbrunnen, um Josy und die anderen zu erwarten. Beim Gusto d’oro sind bereits alle Tische besetzt und Theophil geht nochmals in Gedanken seine Anweisungen durch: Erstens Mädchen oder Mädchengruppe ausspähen, einzeln zum Tisch fliegen – ganz wichtig –, aufplustern, wenn nötig, Kopf nach oben neigen, treuherzig dreinschauen und nicht pupsen. Gerade hat er seine Anweisungen zu Ende gedacht, als schon unter lautem Getschilpe Josy und seine Truppe am Stadtbrunnen landen.

„Gschamster Diena, no do samma hiatz. Heast, T, gib zua, dass du mit dem ned grechnet host. I hob ma scho moi a Eitrige mit Buggl und an Krokodü infiltriert, wei i bin ma goi ned sicha, ob i do heit no wos zum Habern kriag. Mei bin i gsponnt, wos der große Zampano uns heit no zum sogn hot.“

Theophil, von so viel Text und ungewohnter Sprache etwas überrumpelt, streckt ihm zum Gruß höflich mit einer kleinen Verneigung seinen rechten Flügel entgegen. Josy hingegen klopft ihm rüpelhaft auf die Schulter, sodass Theophil Mühe hat, nicht in den Brunnen zu fallen.

„Höhö Goschata, aufpassn, oder wüst plantschn gehen?“

Theophil reißt sich zusammen, begrüßt alle äußerst höflich und beginnt mit seinen Erklärungen. Er zeigt ihnen zuerst seinen Lieblingsitaliener und erläutert anschließend ausführlich seine Strategie.

„I hob scho gsegn, dass do koin Bröselfetzen mit Hongkongschotter gibt, nur ausländisches Glump. I bin echt froh, dass i scho gessn hob. Auf a Fleischlaberl mit Fettbolzn hättat i ollerdings no an Gusto, fois des überhaupt gabat“, unterbricht ihn Josy äußert lautstark. „Vielleicht hobms zumindest hoibwegs a Gschloder, des i kostn kuntat“, wartet er nicht auf Theophils weitere Erklärungen und fliegt einfach los.

Erschrocken blickt ihm Theophil nach und die anderen ducken sich ängstlich. Frech fliegt Josy zu einem Tisch, an dem ein Pärchen gerade Hummer verspeist, und landet direkt in der Fingerschale. Planschend und gurgelnd badet er zwischen den Zitronen, dass es nur so spritzt. Die Frau springt panikartig auf und wedelt erschrocken mit der Serviette die Fingerschale zu Boden. Der Kellner eilt herbei und versucht seinerseits, nicht ganz Herr der Lage, einmal die Situation zu überblicken. Als er Josy samt der Schale am Boden vorfindet, probiert er, heftig auf Italienisch schimpfend, Josy mit der Serviette zu verjagen. Josy weicht gekonnt aus und fliegt mit stolz geschwellter Brust zurück zu den anderen.

„So mischt ma die feine Gsöschoft auf, des is a Mulatschak, hobts des gsehn. Nix Gescheits zum Essn, oba noblich dahea toa. Kemmts Burschn, ab durch die Mitte und zruck zu unsan Beisl. Goschata, übrigens, di wü i bei uns neama segn, host mi?“ Josy scheucht seine Kumpane auf und fliegt mit ihnen in Richtung Bahnhof davon.

Theophil bleibt völlig überrumpelt von der Situation und betroffen am Brunnenrand sitzen. „Also heute wieder Indisch“, das ist der einzige Gedanke, der ihm in diesem Moment durch den Kopf geht.

Wienerisch – Deutsch:

„Ihr gehorsamer Diener, da sind wir jetzt. Hör mal, Theophil, gib doch zu, dass du damit nicht gerechnet hast. Ich habe schon sicherheitshalber eine Käsekrainer mit Brot und eine Essiggurke verspeist, denn ich bin mir überhaupt nicht sicher, ob ich hier heute noch etwas zu essen bekomme. Ich bin wirklich gespannt, was uns der Angeber heute noch erklären wird.“

„Also aufgepasst, du Großmaul, oder willst du im Brunnen schwimmen gehen?“

„Ich habe natürlich schon gesehen, dass es hier kein Wiener-Schnitzel mit Reis gibt, nur überflüssiges, ausländisches Essen. Ich bin wirklich froh, dass ich schon gegessen habe. Auf ein Fleischlaibchen mit Pommes frites hätte ich schon noch Lust, falls es das überhaupt gibt“, unterbricht ihn Josy lautstark. „Vielleicht haben sie ein Getränk, das ich noch nicht kenne und probieren könnte“, wartet er nicht auf Theophils Erklärungen und fliegt einfach los.

„So heizt man der feinen Gesellschaft ein, das ist eine Party, habt ihr es gesehen. Nichts Ordentliches zu essen, aber vornehm tun. Also kommt, Jungs, wir verlassen jetzt schnellstmöglich diese Szene und fliegen zurück zu unserem Lokal. Großmaul, übrigens, dich will ich bei uns im Viertel nicht mehr sehen, verstanden?“

*

Ein neuer Tag auf der Straße

In seiner kleinen Behausung oberhalb der schmalen Gasse neben seinem Lieblingsitaliener erwacht Theophil. Es sind nun drei Tage vergangen, seit Josy seinen Lieblingsitaliener aufgemischt hat. Darum ist derzeit im Gusto d’oro auch für ihn nichts zu holen, denn die Kellner kontrollieren mit strengen Blicken ihren Gastgarten.

„So ein Mist“, denkt sich Theophil und schüttelt seine Flügelchen, um wach zu werden. „Drei Tage indisches Essen ist gerade noch so zu verkraften, aber auf Dauer kann ich mir das nicht vorstellen. Täglich diese fremdländischen Gewürze sind meinem Magen nicht zuträglich.“

Schon jetzt muss er des Nachts aufstehen und zum Stadtbrunnen fliegen, um seinen Durst zu stillen, was zur Folge hat, dass er am Morgen unausgeschlafen ist und zu spät zum Frühstück kommt. Da sind dann schon die frühstückenden Menschen in der Arbeit und nur Kaffeetrinker und Croissant-Esser, selbstverständlich ohne Butter, belegen die Tische der Cafés am Stadtplatz. Kein Spiegelei, kein Schinken oder Käse.

„Da muss sich etwas ändern“, reüssiert Theophil, während er sich am Tisch von einer älteren Dame mit einem in Kaffee getauchten Croissant füttern lässt. „Kaffee, igitt!“ Kaffee gehört nicht zu seinen Lieblingsgeschmäckern und außerdem macht es ihn immer so hibbelig, dass an ein Mittagsschläfchen nicht zu denken ist, das er aber so nötig brauchen würde. Sein gewohnter Rhythmus ist völlig aus dem Ruder gelaufen. Im Kaffeetaumel fliegt er durch die Altstadt und überlegt, wie er seine verzwickte Situation ändern könnte.

Er kommt vorbei am vegetarischen Restaurant Green Tomato, am feinen Fischrestaurant Zum Goldsteinbeißer und dem traditionellen Haus am Platz mit Hausmannskost, dem Gasthaus zum Kirchturm. Da aber alle Spatzen bei einer Hauptversammlung, die vor einem Jahr stattfand und die Revierstreitigkeiten zum Hauptthema hatte, beschlossen hatten, sich die Bereiche aufzuteilen, ist hier für ihn auch nichts zu holen.

Hungrig, denn es ist gleich Mittagszeit, fliegt er zu seinem Lieblingsitaliener. Im Gusto d’oro sind die meisten Tische schon besetzt und es duftet herrlich nach Lasagne, Spaghetti vongole, nach frischer Pasta mit Basilikumpesto und hausgemachter Pizza. Theophil riecht deutlich die unterschiedlichen Speisen heraus und sein Magen beginnt, überaus laut und ungemütlich zu knurren. Von der Dachtraufe aus beobachtet er die Kellner und die Gäste. Da wäre ein Tisch mit der geeigneten Person – eine Singledame verspeist gerade genüsslich eine Pizza mit Rucola. Theophil kann sich nur schwer an der Dachrinne festhalten, so schwach fühlt er sich. Die Dame sitzt unmittelbar unter ihm, so steigt der Duft ihm direkt in sein Näschen und im Schnabel beginnt sich der Speichel zu sammeln. Noch immer im Kaffeetaumel, dadurch etwas mutiger und vom Hunger geplagt, wagt er eine sanfte Annäherung an die Dame.

Er fliegt vorerst unter den Tisch, damit ihn die Kellner nicht gleich zu Gesicht bekommen. Zaghaft blickt er nach oben und flattert vorsichtig auf den Sessel, der neben der besagten Dame steht. Er plustert sich auf, reckt sein Köpfchen hungrig schmachtend nach oben und tschilpt leise. Die Dame hat ihn bemerkt, blickt in lächelnd an und schon wandert ein kleines Stückchen Pizza in seinen Schnabel.

„Ach, wie herrlich“, denkt sich Theophil und verspeist es gierig. Doch da ist auch schon der Kellner zur Stelle, der am Nebentisch gerade herrliche Lasagne serviert hatte, und wedelt ihn mit seiner Serviette vom Sessel. Die Dame, die dem Kellner freundlich zu verstehen gibt, dass sie sich nicht gestört fühle, stößt bei ihm auf taube Ohren. Er wedelt nochmals heftig, sodass Theophil auch seinen Platz am Boden verlassen muss, wenn er nicht unschön von der Serviette getroffen werden möchte.

Heftig flügelschlagend fliegt er wieder zurück auf die Dachtraufe. Er ist frustriert, zumal er schon seit drei Tagen keine italienische Küche mehr im Schnabel hatte und der kleine Vorgeschmack in ihm heftig schöne Erinnerungen weckt.

„Na, dann wieder zum Inder“, denn er hat mächtig Hunger, „und dann überlegen, denn so kann es nicht weitergehen.“

*

Magengrimmen und Pups-Probleme

Heute ist der achte Tag ohne seinen Lieblingsitaliener. Er mag zwar indisches Essen, aber täglich? Sein Magen ist es nicht gewohnt und rebelliert schon heftig, was auch bedeutet, dass er Probleme mit dem Pupsen hat. Schon immer hat er es nicht verstanden, dass die Tauben und auch die Möwen rücksichtslos überall ... Na, ihr wisst schon. So etwas ist wirklich nicht schicklich und kommt bei den Menschen überhaupt nicht gut an. Theophil weiß das aufgrund seiner langjährigen Feldstudien ganz genau. Jetzt hat er wirklich große Not und muss mächtig aufpassen, denn sollte er es sich bei seinem Inder diesbezüglich verscherzen, muss er ins Büroviertel fliegen, um etwas in den Schnabel zu bekommen, denn ins Bahnhofsviertel kann er wegen Josy nicht mehr. Sollte es so weit kommen, wird es wirklich eng für ihn.

Heute ist er wieder früher aufgestanden, denn samstags sind wie immer viele Leute in den Straßencafés. Er fliegt zum Stadtplatz und beäugt die Tische. Dieses Mal fliegt er seitlich an den Tischen entlang, um nicht aus Versehen ein Pups-Malheur zu hinterlassen. Das macht ihm das Ausspähen der geeigneten Personen und Speisen etwas schwieriger. Glücklicherweise findet er eine Dame, er schätzt in den Mittvierzigern, die allein, neben sich ihren grell orangen Einkaufstrolley stehend, bei Tisch sitzt. Eine Tasse heiße Schokolade, ein weiches Ei, kleine Weißbrötchen, Honigkrustenschinken und ein Stück cremiger Brie-Käse stehen verlockend vor ihr.

„Dem Himmel sei Dank, kein Kaffee“, freut sich Theophil.

Langsam nähert er sich ihr und setzt sich vorerst auf den Griff ihres Trolleys. Das übliche Prozedere – aufplustern, Köpfchen schief nach oben strecken und treuherzig hungrig dreinblicken.

Die Dame ist jedoch so mit dem Aufstreichen ihres Brötchens beschäftigt, dass sie Theophil gar nicht bemerkt. Jetzt muss er vorsichtig sein und darf sie nicht erschrecken, indem er einfach auf den Tisch hüpft. Er darf sich jetzt keinen Fehler erlauben, ansonsten würde es auch hier schwierig werden – und das darf auf keinen Fall passieren.

Leise beginnt er zu tschilpen, doch das hilft nicht, denn am Platz herrscht reges Treiben. So tschilpt er etwas lauter und hüpft am Griff des Trolleys entlang näher zu ihr. Endlich, sie hat ihn entdeckt und mustert ihn aufmerksam mit liebevollem Blick.

„Hast wohl Hunger, Kleiner“, meint sie freundlich und steckt ihm ein Stück vom Weißbrötchen, das sie kurz in die leckere Schokolade taucht, in sein Schnäbelchen. Theophil schmatzt genüsslich und gleichzeitig merkt er, dass es in seinem Magen heftig zu rumoren beginnt. Rasch fliegt er weg, bevor noch ein unschönes Malheur passieren würde.

„Wegfliegen, einen geeigneten Platz finden, pupsen und wieder zurück zum Tisch. Wieder aufplustern, Köpfchen schief nach oben strecken und treuherzig dreinblickend auf Essen warten. Da könnte möglicherweise auch die netteste Dame nervös werden und sich gestört fühlen“, ist sich Theophil sicher. „So ein Mist, ausgerechnet jetzt!“

Nach geraumer Zeit fliegt er zu seiner Dame zurück und hofft, dass sie mit ihrem Frühstück noch nicht fertig ist. Und er hat Glück. Die nette Dame dürfte auf ihn gewartet haben, denn sie hat schon mehrere kleine Brotstückchen mit Schinken, Käse und leckerem Eidotter vorbereitet. Er setzt sich auf den Griff ihres Trolleys und lässt es sich gut gehen. Satt und glücklich über so viel Rücksicht fliegt er davon.

Während seines Frühstücks hat er jedoch nachgedacht und ist zum Entschluss gekommen, auch der Magenprobleme wegen, mit seinen Artgenossen beim Lokal Green Tomato zu tschilpen, denn Vegetarisches würde möglicherweise seinen nervösen Magen etwas entspannen. Er hofft, dass er sich ausnahmsweise in dem Lokal etwas zu essen holen darf, natürlich nur so lange, bis sein Magen sich beruhigt und sich beim Italiener die Wogen wieder etwas geglättet haben.

*

Im Green Tomato

Das ausgiebige Frühstück hat Theophil Kraft gegeben. Mutig fliegt er zum vegetarischen Restaurant, um mit seinen Kollegen zu tschilpen und ihnen die Situation zu erklären. Er dreht eine Runde über den Stadtplatz, setzt sich der Pupser wegen sicherheitshalber noch in einen der Blumenkästen am Stadtbrunnen und fliegt dann in die rechte Gasse oberhalb des Stadtplatzes, in der sich das kleine vegetarische Restaurant befindet.

Seine Kollegen sind bereits in Warteposition und sitzen aufgefädelt wie eine Perlenkette am Geländer des kleinen Wanderweges, der von dort hinauf zur Basilika führt. Die Kellner decken geschäftig die Tische und der Koch zupft frische Kräuter aus seinen Kräuterbeeten, die im kleinen Garten neben dem Restaurant angepflanzt sind. Ganz anders als bei seinem Lieblingsitaliener, wo um diese Zeit schon herrliche Gerüche – nach frischer Bolognese zum Beispiel – aus der Küche strömen. Er fliegt zu den anderen Spatzen und setzt sich ebenfalls auf das Geländer. Misstrauisch beäugen ihn diese, während sie sich leise zutschilpen. Theophil will keinen Ärger und beginnt sofort, ihnen seine Situation ausführlich zu erklären.

Mitleidig und erstaunt hören sie ihm zu. Äußerst verblüfft sind sie, als Theophil von Josy, dem Bahnhofsviertel und der Fingerbowlenaffäre erzählt.

---ENDE DER LESEPROBE---