Therme, Morde, Sahnetorte. Das Skelett im Kurpark - Valerie Salberg - E-Book
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Therme, Morde, Sahnetorte. Das Skelett im Kurpark E-Book

Valerie Salberg

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Beschreibung

Dorothea Hammerblech freut sich auf ihre Kur in Bad Hasendorf. Doch der Traum von einem erholsamen Kuraufenthalt mit allen Annehmlichkeiten platzt schneller als sie ihre Koffer auspacken kann: Die einst mondäne Kurklinik ist eine einzige chaotische Baustelle, ihr schmuckes Einzelzimmer entpuppt sich als Doppelzimmer - und im Kurpark stolpert sie über ein Skelett! So viel Ungemach kann Doro nicht tatenlos hinnehmen: Mit Hilfe ihrer Zimmernachbarin Esme will sie das Rätsel lösen! Dabei stoßen die beiden Frauen auf weitere ungeklärte Verbrechen in der Soester Börde. Treibt zwischen Kurgästen, Klinikpersonal und Tagestouristen etwa ein Serienmörder sein Unwesen?

Spannend, lustig und skurril - genießen Sie den unterhaltsamsten Kuraufenthalt seit Langem, Schmunzeltherapie inklusive!

eBooks von beThrilled - mörderisch gute Unterhaltung!


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Ähnliche


Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Die Reihe

Über dieses Buch

Titel

Widmung

Prolog

Eiskalte Dusche

Schleichkatzes Hobby

Zwei im Doppelbett

Per pedes

Tod am Friedhof

Wo der Hund begraben liegt

Eine Seefahrt, die ist lustig

Freund und Helfer

Deus ex machina

Highway to Hell

Salz und Mühle

Nasse Handtücher

O sole mio

Heimelige Begegnung der dritten Art

Schlangengrube

Gepflegt und eingecremt

Hals über Kopf

Der gestürzte Bürgermeister

Danksagung

Über die Autorin

Impressum

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Tango, Fango und ein Mord – Die Reihe

Doro, Esme und Manuela sind so unterschiedlich, wie frau nur sein kann. Trotzdem müssen sie gemeinsam in Bad Hasendorf den ganz normalen Wahnsinn im Gesundheitsbetrieb meistern. Zu allem Überfluss ist in dem idyllischen Kurort auch das Verbrechen zuhause! Doch mit ihren Schrullen, detektivischen Fähigkeiten und gesunden Körperteilen ergänzen sie sich die drei Damen hervorragend und sind schon bald den Bösewichten auf der Spur! Dabei vergessen sie aber nicht die schönste Nebensache der Welt: ein leckeres Stück Sahnetorte!

Über diese Folge

Dorothee Hammerblech freut sich auf ihre Kur in Bad Hasendorf. Doch der Traum von einem erholsamen Kuraufenthalt mit allen Annehmlichkeiten platzt schneller als sie ihre Koffer auspacken kann: Die einst mondäne Kurklinik ist eine einzige chaotische Baustelle, ihr schmuckes Einzelzimmer entpuppt sich als Doppelzimmer – und im Kurpark stolpert sie über ein Skelett! So viel Ungemach kann Doro nicht tatenlos hinnehmen: Mit Hilfe ihrer Zimmernachbarin Esme will sie das Rätsel lösen! Dabei stoßen die beiden Frauen auf weitere ungeklärte Verbrechen in der Soester Börde. Treibt zwischen Kurgästen, Klinikpersonal und Tagestouristen etwa ein Serienmörder sein Unwesen?

Valerie Salberg

Therme, Morde, Sahnetorte

Das Skelett im Kurpark

Gewidmet dem anonymen Kurgast für »Highway to Hell« sowie den unermüdlichen Mitarbeitern und dem medizinischen Personal im echten Bad Hasendorf

Prolog

Freitag, 13. August, Bad Hasendorf im Westfälischen

Doro

Doro äugte noch einmal in die regenfeuchte Grube. Sie war nun hellwach.

Heute war wirklich Freitag, der Dreizehnte! Sie musste unbedingt jemandem von ihrer Entdeckung erzählen. Bestimmt gab es eine vollkommen harmlose Erklärung dafür.

Mit zittrigen Händen zog Doro ihr Handy hervor – doch sie hatte im Chaos des gestrigen Tages vergessen, den Akku zu laden. Puh, erst einmal kräftig durchatmen, ermahnte sie sich. Die Straße war zu dieser Morgenstunde menschenleer, also war sie auf sich allein gestellt. Was nun? Im Grunde war die Sache klar: Sie musste zurück zur Klinik!

Doro schob das Telefon in die Tasche, ihre Beine waren bereits in Bewegung. Wieso passierte so etwas immer ihr?

Sie stürzte los und war gut zwanzig Meter gerannt, ehe sie merkte, dass sie in die falsche Richtung lief. Doro wollte auf dem Absatz kehrtmachen, da hörte sie das Quietschen von Bremsen auf nassem Asphalt.

Sie versuchte noch, sich mit einem Sprung in Sicherheit zu bringen, aber zu spät ...

Eiskalte Dusche

Einen Tag zuvor

Donnerstag, 12. August, Bad Hasendorf

Doro

Bepackt wie ein Muli eilte Doro durch den Eingang auf den Empfang der Salzquelle-Klinik zu. Schweiß rann ihr den Rücken hinab, und sie zog in jeder Hand einen Koffertrolley hinter sich her. Aus ihrem halb offenen Rucksack ragte ein Bonsai.

Doros Knie protestierten wie zuletzt nach einem Zehn-Kilometer-Lauf. Die Tage auf dem Handballfeld waren nicht folgenlos geblieben, und die Arthrose tat ihr Übriges. Allerdings war Doro erst zweiundfünfzig – liebe Güte, das machte doch gerade mal sechsundzwanzig Jahre pro Knie!

Anreisetag, 12. August, Ankunft bis 11 Uhr, hieß es im Schreiben der Reha-Klinik. Sie warf einen Blick auf die Fitnessuhr. Jetzt war es bereits eine Dreiviertelstunde später. Immer mir, immer mir, hämmerte es im Takt der klackernden Trolleys durch Doros Kopf. Wenn Doro eine Reise tut, dann kann sie sich schön quälen!

Diesmal hatte ein Stau ihre Pläne durchkreuzt, obwohl sie gar nicht selbst hinter dem Lenkrad gesessen hatte. Sie war im Auto ihrer Tochter Julia in eine Autobahn-Baustelle geraten, in der ausgerechnet ein Wagen mit qualmendem Motor liegen geblieben war. Quälend langsam hatten sich die anderen Fahrzeuge durch das entstandene Nadelöhr schieben müssen.

Nach der Anreise im sonnendurchglühten Auto war es angenehm kühl in der Eingangshalle. Das Gebäude wirkte verschlafen. Bestimmt saßen alle im Speisesaal und aßen zu Mittag. Unwillkürlich schnupperte Doro, doch da lag nicht das kleinste Aroma in der Luft, das ihre Neugierde hätte befriedigen können.

An der Rezeption im klassischen Glaskasten-Stil, der bei Doros Kollegen in der Praxis nur das »Aquarium« hieß, telefonierte jemand. Auf dem Stuhl daneben wartete eine aufgebracht wirkende Dame Mitte vierzig mit üppigen schwarzen Haaren.

Doro spitzte die Ohren.

»Es geht um zwei Gepäckstücke, aufgegeben unter folgendem Namen.« Die Frau am Telefon buchstabierte: »E-S-M-E-R-A-Y, K-A-D-E-S-C-H.« Pause. Es folgte ein kurzer Wortwechsel, dann legte die Dame – das Namensschild auf dem Tresen wies sie als Frau Sperling aus – kopfschüttelnd auf. »Es tut mir leid, aber das Gepäck ist noch nicht ausgeliefert, Frau Kadesch.«

»Dabei habe ich die Koffer pünktlich aufgegeben!« Die Schwarzhaarige ließ den Kopf hängen.

Frau Sperling schenkte ihr ein beruhigendes Lächeln. »Ihr Gepäck kommt bestimmt mit der Nachmittagslieferung.«

Während Frau Kadesch zwei Krücken zur Hand nahm und sich langsam erhob, wandte sich die Empfangsdame Doro zu. »Ja, bitte?«

»Dorothea Hammerblech«, sagte Doro wie aus der Pistole geschossen und schob ihr Schreiben über das polierte Holz des Tresens. »Ich bin leider spät dran. Da war eine Baustelle auf der Autobahn und ...«

»Nur die Ruhe! Ich statte Sie gleich zusammen mit Frau Kadesch aus. Bei ihr gab es auch eine ungeplante Verzögerung.«

Frau Kadeschs Kommentar bestand aus einem Geräusch, das man beim besten Willen nur als »Grumpfen« bezeichnen konnte. Sie kam langsam heran, und Doro zog den Trolley ein Stück zurück, damit für die Krücken genug Platz blieb.

»So, hier haben wir für sie beide ein Willkommenspaket: Tasche, Fragebogen und Info-Material«, erklärte die Empfangsdame und schob alles auf den Tresen. Sie drehte sich zum Schlüsselbrett, konsultierte eine Liste und stutzte. Ihr Gesicht rötete sich zusehends, während sie sich am Computer zu schaffen machte.

Doro trommelte mit den Fingern auf dem Tresen. Sie wollte nur auf ihr Zimmer, sich die verschwitzten Klamotten vom Leib reißen und eine kalte Dusche nehmen!

»Das gibt's doch nicht.« Von Frau Sperlings Rechner ertönte hektisches Tastengeklapper und Mausklicken. Schließlich drehte sie sich wieder zu ihnen um: »Es tut mir sehr leid! Die Reservierungen sind durcheinandergeraten, und ich muss erst mal sehen, wo ich Sie unterbringe.« Sie lächelte entschuldigend.

»Wie kann denn das passieren?« Doro versuchte vergeblich, sich den nörgeligen Unterton zu verkneifen. Als Sprechstundenhilfe bei einem Hautarzt erlebte sie täglich Dramen, die Pläne durchkreuzten, und wusste, dass es niemandem half, wenn sie jetzt unfreundlich wurde.

Frau Sperlings Lächeln büßte ein wenig Strahlkraft ein. Sie schluckte sichtlich und richtete das Wort an Frau Kadesch. »Ihr Zimmer wurde aus Versehen doppelt belegt, und der Patient ist schon eingezogen.«

»Aber Sie haben doch Platz für mich, oder?« Frau Kadesch klang besorgt. »Im Internet stand etwas von dreihundert Zimmern, über die Ihre Klinik verfügt.«

»Nun, wir sind voll ausgelastet.« Die Empfangsdame wandte sich an Doro.

Der schwante Übles.

»Und Ihre Anreise, Frau Hammerblech, steht erst für die kommende Woche im System. Und darum ist Ihr Zimmer natürlich auch noch bis voraussichtlich nächsten Donnerstag belegt.«

»Was?« Doro hielt das Einladungsschreiben mit dem heutigen Datum als Beweisstück hoch. Sie dachte an die stressige Fahrt in Julias Auto ohne Klimaanlage. An die Lauferei für die Reha-Unterlagen. Die vergebliche Hundesitter-Suche, sodass ihr Liebling, der Langhaardackel Cabanossi, am Ende doch bei Julia und dem windigen Jonas hatte unterkommen müssen. »Ich fahre jetzt auf keinen Fall zurück!« Wie auch? Julia war längst auf dem Rückweg.

»Das müssen Sie nicht.« Frau Sperling hatte ihr professionell-optimistisches Lächeln zurückgewonnen. Sie deutete auf eine Sitzgruppe. »Es kann einen Augenblick dauern. Nehmen Sie beide doch Platz, bis alles geklärt ist. Die Situation ist wegen der Baumaßnahmen neu für uns.«

Das Wort mit B echote Unheil verkündend in Doros Gedanken. »Welche Baumaßnahme?« Sie war gerade erst der Kölner Dauerbaustelle entkommen und fühlte sich, als hätte man ihr einen Elektroschock versetzt. Brizzel!

Die Prospekte, die mit der Bewilligung der Reha ins Haus geflattert waren, beschrieben Bad Hasendorf als ruhigen Kurort, der seine Wurzeln bis in die Zeit früher Salzgewinnung zurückverfolgen konnte. Ein Städtchen an der Soester Börde mit viel Grün, gerade recht zur Erholung von Leib und Seele.

»Die ganze Innenstadt wird umgebaut, das habe ich im Internet gefunden«, meldete sich Frau Kadesch. Sie hatte sich eine Krücke zwischen die Beine geklemmt wie ein Steckenpferd und wirkte eindeutig erleichtert, dass sie sich nicht allein in dieser misslichen Lage befand.

»Das stimmt«, erklärte Frau Sperling. »Unsere Klinik wird ebenfalls erweitert, ebenso das Kurzentrum. Es gibt deswegen eine Menge Veränderung in den gewohnten Vorgängen, gerade auch für uns Mitarbeiter.«

»Was für ein Schlamassel.« Jetzt brauchte Doro dringend den angebotenen Sitzplatz.

Schleichkatzes Hobby

Donnerstag, 12. August, Bad Hasendorf

Manuela

>>Der Mercury Drive war gegen drei Uhr morgens wie ausgestorben. Der Vollmond tauchte das Gelände an diesem 26. Mai zur Jahrtausendwende in helles Licht. Eine Silhouette schob sich auf die Mauer, die den Kiesweg zur Nummer drei einfasste. Erst auf Höhe des Fliederbuschs, der den Garten von der Straße aus abschirmte, stieg sie wieder hinunter. Mit einem Satz über den schmalen Kiesstreifen hinweg landete sie beinahe geräuschlos im Blumenbeet.

Aber jemand im Haus musste etwas gehört haben. Hinter einem Fenster ging Licht an. Die allein lebende Henrietta Burns spähte hinaus.

Die Gestalt duckte sich ins Beet und hinterließ dabei in der feuchten Erde beim Flieder einen Abdruck der Größe 48.

Stille. Nur das Dröhnen kreisender Jets durchdrang alle paar Minuten die Nacht. Der dunkel Gekleidete wartete minutenlang wie ein Profi, bis das Licht im Schlafzimmer erlosch und Ruhe im Haus einkehrte. Als das Flugzeug erneut mit donnernden Motoren über die Siedlung zog, setzte er den Schraubenzieher am Fenster an und hebelte es vorsichtig auf.

Die Gestalt räumte die Blumentöpfe sorgfältig zur Seite und kletterte ins Haus. Eine knappe Stunde verging, dann kam der Eindringling auf dem gleichen Weg heraus und schob auch die Pflanzen an ihren Platz zurück. Schließlich zog er mit dem Absatz Erde über die Trittspuren am Fenster – nur den am Fliederbusch vergaß er.

Das Blut des Opfers war auf seiner dunklen Kleidung nicht zu sehen, als er in der Nacht verschwand ...

>>Nekrolog @Schleichkatze: Nette Märchenstunde. Es wurden aber keine Einbruchsspuren entdeckt.

Ha, dachte Manuela und tippte eilig weiter:

>>Schleichkatze @Nekrolog: Die Nachbarin des Opfers hat ausgesagt, dass Mrs Burns häufig die Schlüssel vergaß und ein- oder zweimal mit ihrer Hilfe durchs Fenster ins Erdgeschoss eingestiegen ist. Ältere Spuren am Fensterrahmen können also von den neuen abgelenkt haben.

>>Wladislav-der-Pfaehler: Zeugen haben außerdem von einem fremden Fahrzeug berichtet, das am Vorabend der Tat ungewöhnlich oft durch den Mercury Drive gefahren ist. Es muss so ein Modell sein:

Anhang.jpg

>> BestBestFriend: Hübsche Karre!

Das Bild zeigte einen grauen Lieferwagen, dessen Front ein wenig eingedrückt wirkte, was das Fahrzeug wie die Schnauze einer Bulldogge aussehen ließ.

Das Foto erinnerte Manuela König an etwas. Sie richtete sich abrupt auf, und ein Stechen vom Feinsten zog in der Lendengegend durch ihren Rücken. Dämliche Bandscheiben!

Sie öffnete einen Ordner auf dem Computer und suchte.

Manuela hatte vor dem Kurlaub einen Großteil der gespeicherten Fotos vom Handy auf den Laptop übertragen und aus Platzgründen vom Smartphone gelöscht.

Da war es! Sie schickte den Scan der Zeitungsmeldung ins Spürnasen-Forum.

>>BestBestFriend @Schleichkatze: Übersetzung, bitte! 🖤🖤

Manuela postete eine kurze Zusammenfassung des englischen Textes.

>>Schleichkatze: Es gab in derselben Nacht einen Unfall mit Fahrerflucht nur vierzig Meilen vom Mercury Drive entfernt. Der Geschädigte hat von einem »geknautschten silbernen Pick-up« gesprochen. Da es sich um einen anderen Bundesstaat handelt, hat die Polizei das vielleicht übersehen.

>>Nekrolog @Schleichkatze: Wow! Zwei Crash-Autobesitzer mit fraglichem Geschmack. Wo soll denn da die Verbindung sein?

Manuela atmete aus und nahm mit einer bewussten Bewegung die Finger von der Tastatur. Ärger und Rückenschmerzen waren eine teuflische Kombination. Aber die Zeit war ohnehin fast abgelaufen. Sie gestand sich für die Dauer ihres Kurlaubs lediglich eine Stunde Bildschirmarbeit zu, um auch den strapazierten Augen mal eine Pause zu gönnen. Digital Detox – light!

Also loggte sie sich gleich aus dem Forum für Internet-Detektive aus und fuhr den Laptop herunter. Ein mehr als zwanzig Jahre zurückliegender Raubmord konnte noch einen weiteren Tag warten, ihr Massage-Termin im Thermalbad allerdings nicht. Doch während sie den Blick durch die gemütliche kleine Ferienwohnung wandern ließ, dachte sie darüber nach, wie es wäre, zur Abwechslung mit echten Menschen Auge in Auge über ungelöste Kriminalfälle zu spekulieren, statt mit Internet-Bekanntschaften.

Zwei im Doppelbett

Doro

Die beiden Frauen gingen bald zum »Du« über, schließlich saßen sie im selben Boot. Während Doro die Neuigkeiten verdaute, trauerte Esme brummelnd den Koffern hinterher. »So weit ist der Weg von Gelsenkirchen ja nun wirklich nicht!« Sie knautschte die Henkeltasche auf ihrem Schoß, aber man erkannte darauf trotzdem das markante Gesicht Frida Kahlos. Tatsächlich ähnelte Esme der mexikanischen Malerin.

Doro berichtete von der Anfahrt in Julias rollendem Backofen. »Den ersten Tag habe ich mir ganz anders vorgestellt! Bei dir scheint ja auch einiges schiefgelaufen zu sein.«

Esme nickte eifrig. »Ich bin mit dem Zug gekommen und hab die Koffer vorgeschickt, wie von der Klinik empfohlen. Gepäck kann ich wegen der Hüft-OP nicht tragen, weil das Bein nur zu siebzig Prozent belastet werden darf.« Esme stampfte mit der Krücke auf den Boden, um ihrem Unmut Luft zu machen. »Es ist Hochsommer, und ich habe keine Kleidung zum Wechseln dabei. Und nicht mal ein Zimmer!«

»Das wird schon wieder!«, versuchte Doro zu trösten. Die Sache mit der Unterkunft wurmte sie weit weniger als die Aussicht auf Bagger, Presslufthämmer, tutende Planierraupen und kreischende Sägen. Doro konnte kaum fassen, in welcher Form ihr spezielles »Reiseglück« diesmal zugeschlagen hatte. »Warum hat uns keiner vorgewarnt? Wie soll man sich bei Baulärm im Haus zwischen den Massagen entspannen?«

»Die buddeln seit Anfang der Woche, hieß es im Internet«, wusste Esme zu berichten. »Wie Frau Sperling schon meinte, muss sich alles erst einspielen.«

In diesem Moment kehrte die Empfangsdame zurück, wie gerufen. »Es ist im Augenblick wirklich schwierig«, entschuldigte sie sich. »Aus Sicherheitsgründen muss eine Reihe Zimmer frei bleiben. Aufgrund der Baumaßnahme haben wir daher erheblich weniger Manövriermasse.«

Halb hoffte Doro inzwischen, heimgeschickt zu werden. Dann kam sie vielleicht zeitnah in eine andere Klinik. Eine, an der nicht im laufenden Betrieb gebaut wurde.

Doch Frau Sperling hatte einen Vorschlag. »Es ist ein Doppelzimmer frei, das eigentlich für mitreisende Ehepartner gedacht ist. Können Sie sich vorstellen, dort vorerst zusammen unterzukommen?«

Die beiden schauten einander an. Doro atmete langsam aus. Sie hatte sich auf ein privates Refugium gefreut, mit Blick auf den Park ... Allerdings konnte man sich im Krankenhaus die Mitpatienten genauso wenig aussuchen.

»Wir würden zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen«, fügte Frau Sperling betont fröhlich hinzu. »Nur so lange, bis ein Zimmer frei wird. Uns sagen regelmäßig Patienten ab, die wegen Problemen nach einer OP nicht reisefähig sind.«

Bestimmt wuchsen die Chancen auf eine gelungene Reha, nachdem das Reisepech schon am Anfang so heftig zugeschlagen hatte! Das jedenfalls flüsterte die Stimme in Doros Innerem, die sie ihre »Frohnatur« getauft hatte. »Für ein paar Tage ...«

Esme nickte nachdrücklich. »Ich schnarche auch nicht.«

Frau Sperling atmete auf. »Sie müssten sich ein Postfach teilen, da drüben.« Lächelnd drückte sie beiden je einen Schlüssel mit Anhänger und einen Laufzettel in die Hand. »Gucken Sie ruhig mehrmals täglich nach, dort finden Sie Ihren jeweils aktuellen Therapieplan. Dann wäre da noch die Aufnahmeuntersuchung. Die müssen wir sofort angehen, weil die Doktoren nur vormittags im Hause sind: Sie können in zehn Minuten zu Dr. Kegel ins Sprechzimmer, Frau Hammerblech. Und auf Sie, Frau Kadesch, wartet Frau Dr. Walder.«

Doro warf einen Blick auf den Terminzettel: Dr. Kegel, Raum 21, Obergeschoss MK.»›MK‹, was bedeutet das?«

»Die Abkürzung für ›Moorklinik‹. Unsere Schwesterklinik nebenan.« Frau Sperling räusperte sich. »Frau Kadeschs Koffer kommen bestimmt am Nachmittag. Aber falls nicht ...« Sie sah Doro an. Sah noch länger hin, und endlich machte es Klick! Frau Sperling hatte von zwei Fliegen mit einer Klappe gesprochen ...

»Natürlich. Wenn nötig, helfe ich Esme mit Klamotten aus«, bot Doro an. Sie beide hatten ungefähr die gleiche Größe. Doro war froh, sich für die Reha-Maßnahme schicke Nachtwäsche geleistet und ihre alten Fähnchen zu Hause gelassen zu haben, die sie als Single sonst bevorzugte. So würde sie sich vor Esme nicht mit einem verwaschenen Nachthemd mit Dackelmotiv blamieren. Doro klimperte mit dem Schlüssel. »Dann bringe ich nur rasch das Gepäck aufs Zimmer.«

Frau Sperling hüstelte. »Stellen Sie das ruhig solange hier unter, sonst verlieren Sie vor dem Termin zu viel Zeit.« Sie wies auf einen leeren Schreibtisch, wo Doro das Gepäck verstaute, und begab sich zurück an den Computer.

Gehetzt suchte Doro den Umschlag mit ihren Knie-Aufnahmen in der Kofferaußentasche. Esme studierte in der Zwischenzeit den Grundrissplan der Klinik.

»Dann mal los«, sagte Doro.

Auf der Suche nach dem Ausgang entdeckte sie eine gläserne Doppeltür mit der Aufschrift Speisesaal. Der Raum dahinter war dunkel, menschenleer. Sogar Stühle und Tische fehlten. Eine Mitteilung klebte an der Tür, und Doro überflog die Nachricht. Im selben Moment fühlte sie sich wie im falschen Film. Sie guckte sich nach einer versteckten Kamera um. Wartete darauf, dass ihr Schwiegersohn um die Ecke bog. Doro traute Jonas durchaus zu, so etwas aufzuziehen, um ein Video von ihrem belämmerten Gesicht zu machen, das er bei Gelegenheit genussvoll herumzeigen konnte.

Nein, das wäre selbst für Jonas eine Nummer zu schräg.

»O Mann!« Ein Kribbeln breitete sich in ihrer Magengrube aus.

»Was ist los?«, wollte Esme wissen, und Doro wies fassungslos auf den leeren Saal.

»Küche und Speisesaal der Salzquelle-Klinik sind momentan geschlossen. Die Patienten sollen für ihre Mahlzeiten die Räumlichkeiten der Moorklinik mitbenutzen.«

»Lass mich raten«, erwiderte Esme trocken. »Wegen des Umbaus?« Sie hing sich die Henkel der Frida-Kahlo-Tasche um den Hals, um zu verhindern, dass sie damit den Krücken ins Gehege kam, und wollte losgehen.

Doch Doro blieb stehen wie ein stures Muli. »So viel Zeit muss sein«, sagte sie rigoros und klopfte wieder an die Scheibe der Rezeption. Sie konnte es immer noch nicht recht glauben: »Der Speisesaal ist geschlossen. Wir bekommen also in der Moorklinik unser Mittagessen?«

Frau Sperling schien sich unter Doros Blicken unbehaglich zu fühlen. »Richtig. Der Küchentrakt wird abgerissen. Die Salzquelle-Patienten erhalten ab heute deswegen alle Mahlzeiten auswärts.« Sie drückte ihnen direkt zwei Zettel mit den Essenszeiten in die Hand und erklärte, dass in drei Schichten gespeist wurde, damit die Bewohner der Moorklinik ebenfalls versorgt waren.

Ein richtiger Kuddelmuddel! »Und wo genau müssen wir da lang?«, wollte Doro wissen.

»Das ist von hier aus ganz einfach«, versicherte Frau Sperling. »Sie fahren mit dem Aufzug in den ersten Stock. Dann wenden Sie sich nach links, und dort verläuft der Hellweg-Tunnel, ein überdachter Übergang ...« Es folgte eine längere Erklärung, von der Doro erst mal nur mitnahm, dass die Schwesterklinik definitiv nicht direkt nebenan lag.

Abgehetzt traten Doro und Esme aus dem Fahrstuhl und bogen in die Glasröhre. Weil die Sommersonne ungehindert eindrang, stand die stickige Luft förmlich darin. Schweiß brannte Doro in den Augen.

Die beiden folgten dem Tunnel, der über einen Streifen verwilderter Holunderbüsche und Brombeergestrüpp hinwegführte. Die Röhre beschrieb einen kleinen Knick, sodass man wegen der spiegelnden Glasfläche nur bis zur Hälfte sehen konnte. Markierungen, die Fünfzig-Meter-Streckenabschnitte anzeigten, sollten die Patienten zu Gehübungen motivieren. Eine Bank in einer Ausbuchtung lud zum Rasten ein. Doro hätte sich gerne gesetzt, doch dafür fehlte schlichtweg die Zeit.

Ihr schwirrte noch der Kopf von der Wegbeschreibung, aber wenigstens war die Route eindeutig. Der Gang mündete nach gut dreihundert Schritten an einer sich automatisch öffnenden Doppeltür in ein belebtes Foyer.

»Puh, war ja einfach«, murmelte Doro. Menschen hasteten umher, Anzeigetafeln und beschriftete Pfeile wiesen zu den verschiedenen Anwendungen: Elektrotherapie, Massagekabinen, Moorbad, Ergotherapie. Den zweiten Aufzug, den Frau Sperling erwähnt hatte, entdeckte Doro auf Anhieb nicht, dafür sprang ihr ein Schriftzug ins Auge: Kurzentrum.

»Was?« Sie blieb stehen. »Wir können unmöglich falsch abgebogen sein.«

»Das ist unser erster Zwischenstopp!«, verkündete Esme, die glücklicherweise den Überblick behalten hatte. »Hier sollte irgendwo ein Aufzug sein.«

Erster Zwischenstopp, das konnte ja heiter werden!

Doro entdeckte eine vorspringende Säule, etwa auf halber Länge des Flures. »Da, der Lift!« Sie eilte los, um die Kabine zu sichern. Ihre innere Frohnatur streckte vorsichtig das Köpfchen hervor wie ein Schneeglöckchen Ende Februar.

Der Aufzug gleich neben einem gesperrten Treppenhaus führte zu weiteren Therapieräumen und einem Studio. Ärztenamen fand Doro keine. Dafür wogten im hinteren Teil des Flurs Schwaden, doch sie rochen nicht wie Saunaaufguss oder trockene Luft, sondern nach deftiger Baustellennote.

Nun erklang auch noch das typische Stakkato von Presslufthämmern: Tata Tata Tata Tata Tata Tata Tata Tata Ta Ta ... Grrrrrrrrrrrrrrrggggg.

Geisterhaft bleiche Gestalten in Rollstühlen, an Krücken oder mit umgehängten Sporttaschen kämpften sich durch die Staubwolken wie Nomaden in einem Sandsturm.

»Hierher, Esme!« Doro versuchte, gegen den Baulärm anzukommen, und zeigte auf den Liftschacht. Doch ihre Begleiterin machte sie auf ein kleines Pfeilschild Moorklinik an der Decke aufmerksam, das in den Staub hineinwies. »Da lang, schau!«

»Nee, oder?« Die Frohnatur verkroch sich wieder. Doro hielt sich auf dem Weg durch den Staubschleier den Arm vor Mund und Nase. Am dichtesten standen die Wolken, wo Arbeiter in einem angrenzenden Trakt die Wände attackierten.

Danach waren es knapp dreißig Meter bis zu einem weiteren Fahrstuhl. Eine winzige Infotafel am Durchgang in ein Treppenhaus verriet, dass sie tatsächlich auf den Übergang in die Moorklinik gestoßen waren.

»Sie hätten noch eine Lupe dazu anbringen sollen«, meinte Doro kopfschüttelnd.

Esme lehnte sich abgekämpft in die Krücken. Mit den vom Staub ergrauten Haaren und der bedächtigen Gehweise wirkte sie um Jahrzehnte gealtert.

Sie ließen sich zwei Stockwerke nach oben fahren, und langsam verklangen die Stemmgeräusche. Die Kabine bot höchstens drei Personen Platz. Doro konnte sich lebhaft vorstellen, was hier los war, wenn sämtliche Patienten der Salzquelle gleichzeitig zu den Mahlzeiten wollten. Die Treppe diente als Bypass, aber sie war ein echtes Hindernis für Rollstuhlfahrer, Leute mit Rollatoren oder Krücken.

Doro nutzte die Gelegenheit, um den Staub abzuwischen, der ihr im Gesicht klebte. Sie sahen beide aus wie Überlebende eines Erdbebens, wie sie bei einem Blick auf die Spiegelwand des Lifts feststellte.

Der Aufzug entließ sie ... in einen weiteren Fußgängertunnel! Die Röhre schwang sich auf einer Länge von vielleicht einhundertfünfzig Metern über ein niedriges Gebäude und eine Straße. Auch in diesem Gang standen vereinzelt Stühle für die Ermatteten und Beladenen bereit.

»Möchtest du dich einen Moment setzen?«, fragte Doro Esme, die sich schnaufend vorwärtsschob. Sie selbst hätte sich nur zu gerne ausgeruht.

»Nein«, krächzte ihre Begleiterin und kämpfte sich verbissen weiter.

Der verglaste Tunnel mündete in einen Korridor. Dort hingen ein paar vergrößerte Fotos (die verdächtig nach Baustellen aussahen, aber in Wahrheit wohl archäologische Grabungen zeigten) und Infotafeln an der Wand. Doro nahm deren Inhalt nur flüchtig im Vorübergehen auf. Westfälische Handelsroute Hellweg, las sie. Mittelalterliche Salzgewinnung ... Wenigstens waren keine Knochen abgebildet, das fehlte ihr noch. Doro stand seit der Ausbildung mit Gebeinen jeder Art auf Kriegsfuß. Treppenauf- und -abgänge zweigten vom Flur ab, dann gelangten sie – endlich und recht unspektakulär – in die Moorklinik. Von irgendwoher drangen Stimmengewirr und Besteckklappern. Doros Magen stimmte in den Chor ein, doch der Arzttermin hatte Vorrang.

Doro trat aus dem Sprechzimmer und sah Esme gerade noch um die Ecke biegen. Sie legte einen Zahn zu und spürte bei jedem Auftreten Stiche in den Knien.

»Mittagessen?«, fragte sie, nachdem sie die Zimmergenossin eingeholt hatte. Esme nickte. Doch im Speisesaal empfing sie erschöpftes Servicepersonal mit leer geräumten Tabletts. Sie waren zu spät.

Wo war noch gleich das Blatt mit den Essenszeiten hingekommen? Doro suchte in ihren Taschen.

»Meine Schmerztablette ist fällig!«, sagte Esme gequält. »Und dafür muss ich etwas in den Magen bekommen.«

Bedröppelt sah sich Doro um. »Also, hier gibt es jedenfalls nichts mehr.«

»Da war ein Café, gleich bei unserer Klinik.«

»Unserem Schlafsaal«, murmelte Doro, der erst jetzt aufging, dass wirklich alle Termine auswärts stattfinden würden und was das für ihren Tagesablauf bedeutete. »Ist sowieso Zeit für einen Cappuccino.« Und ein Stück Torte!

Wenigstens war das Zimmer geräumig und entsprach den Beschreibungen im Prospekt. Auf dem Tisch warteten Mineralwasserflaschen, von denen Doro gleich eine halbe trank, sowie zwei Laken. Doro überlegte schon, ob sie damit das Bett selbst beziehen sollten, aber ein danebenliegender Zettel erklärte, dass die Laken als hygienische Unterlage für die verschiedenen Anwendungen dienten.

Doro trat auf den sonnendurchfluteten Balkon hinaus, und ihr erster Blick fiel auf eine Parkanlage schräg gegenüber. Allerdings ebenso auf Bauzäune, Absperrungen und Bagger, sowohl bei der Klinik als auch am Park. Auf dem kleinen, von Bäumen eingefassten Klinikhof unterhalb des Balkons türmte sich ein riesiger Sandhaufen.

Entschlossen wandte Doro sich ab und löste die Schlaufe des Rucksacks mit dem Bonsai. Sie hatte den Topf sicher im Inneren verstaut, die Klappe jedoch halb offen gelassen, sodass sich das Bäumchen frei entfalten konnte. Der Bonsai fand Platz auf der abgeschalteten Heizung unter der durchgehenden Fensterfront.

Esme trat neugierig näher, nachdem sie sich lobend über die Ausmaße des Fernsehers geäußert hatte. Da ihr ganzes Gepäck aus der Frida-Tasche bestand, gab es für sie nicht viel wegzupacken. »Wen hast du da mitgebracht?«, fragte sie und tätschelte den Topf wie ein Haustier.

»Eine Japanische Mädchenkiefer!«, erklärte Doro und erwärmte sich noch mehr für ihre Mitbewohnerin. »Ein echter Bonsai, dreiundzwanzig Jahre alt.« Er war Doros ganzer Stolz. An den anmutigen Zweigen hingen winzige Nadeln und kleine Zapfen. »Warum nimmst du einen Mini-Baum mit zur Kur?«

»Ich kann ihn schlecht zu Hause lassen. Du weißt, was man über böse Schwiegermütter erzählt?«

Esme nickte. »Darum habe ich gar nicht erst geheiratet!«

Doro lachte trocken. »Tja, ich wünschte, meine Tochter dächte genauso. Jonas ist ein Schwiegersohn aus der Hölle.«

Esme riss die Augen auf.

Doro beeilte sich zu erklären: »Zu Julia ist er nett, doch ...«

»Gemein zu dir?«

»Jonas kann durchaus charmant sein. Aber ebenso gedankenlos und unsensibel.« Doro berührte den Topf. Sie holte tief Luft. »Bei meinem letzten Urlaub hat Julia angeboten, die Blumen in der Wohnung zu gießen. Ich habe genaue Pflegeanweisungen für die Bonsais aufgeschrieben.« Sie schluckte. »Als ich von Santorin zurückkam, war der Ahorn zu Tode gewässert. In den Töpfen tummelten sich diese Lego-Figuren aus der Ninjago-Reihe. Jonas hat sogar einige der Krieger zwischen die Äste geklemmt und dem Bonsai so den Todesstoß versetzt.« Doros Freude über die Heimkehr war augenblicklich verpufft.

»Waren das möglicherweise deine Enkelkinder?«, fragte Esme taktvoll, ihre Mundwinkel jedoch zuckten verräterisch. »Meine Neffen und Nichten vergessen beim Spielen alles, und immerhin passen japanische Minibäume und asiatische Figuren doch zusammen.«

»Selbst wenn ich Enkel hätte, könnten die sich nicht kindischer benehmen als mein Schwiegersohn. Das war Jonas, und zwar für ein furchtbar lustiges Foto unter dem Hashtag #spaßbeiSchwiemu«, stellte Doro klar. »Er verschwendet keinen Gedanken daran, was er mit seinen Ideen anrichtet. Genau wie mein Ex-Mann.« Ihre Augen wurden feucht. Es war hauptsächlich der Vertrauensbruch, der wehtat, mehr noch als der Verlust. »Wenn Jonas bei den blöden Fotos wenigstens aufgepasst hätte. Ich habe Humor, aber das ging zu weit. Darum musste die Kiefer jetzt eben mit!« Entschlossen rückte Doro die Mädchenkiefer in den Schatten. Die volle Sonne auf der Südseite wollte Doro dem Bäumchen nun nicht gerade zumuten.

Sie machte eine Zehn-Sekunden-Atemübung, um den Ärger aufzulösen, der sich in ihrem Bauch breitmachte. In dieser Kur sollte alles anders werden, und sie wollte den Stress weniger an sich heranlassen.

Doro dachte an ihren geliebten Langhaardackel, der für die nächsten drei Wochen bei Julia logierte. Wenigstens konnte sich Cabanossi gegen Jonas' Übergriffe verteidigen. Wenn dem jungen Mann hinterher ein Finger fehlte, war er selbst schuld.

Ehe sie sich wieder unter Menschen wagen konnten, stiegen beide nacheinander kurz unter die Dusche, um den Baustaub abzuspülen. Doro lieh Esme ein T-Shirt, das zwar reichlich um ihre Brust schlackerte, doch wenigstens frisch gewaschen war.

»Ich habe nicht mal einen BH oder einen frischen Schlüpper dabei!«, klagte Esme beim Anziehen.

»Einen was?«, wollte Doro wissen, während sie in ein luftiges, limonengrünes Sommerkleid und Sandalen schlüpfte.

»Schlüpper, Unterbuxe ... die guten Stücke, die gerade irgendwo durch die Republik reisen.«

Ah, Esme redete von Unterwäsche. »Vielleicht finden wir ja etwas im Ort. Sonst musst du eben zwei Beinlöcher in deine Stofftasche schneiden – und ...« Oh! Ihr Wortschwall versiegte angesichts des Mienenspiels ihrer Zimmergenossin. »Hey, das war nur ein Witz! Der Schlüpfer wäre doch vieeeel zu groß für dich«, fügte sie um Schadensbegrenzung bemüht hinzu.

Esme sah ein wenig gekränkt aus. Sie drückte ihren Frida-Beutel an sich. »Den hat meine Nichte genäht, weil ich ein Riesenfan bin.«

Fieberhaft suchte Doro nach einer unverfänglichen Antwort. »Frida ist ... umwerfend. In der Schule ist mal eine Frida-Manie ausgebrochen. Der halbe Kunstkurs hat sich an ihrem Markenzeichen versucht, der Monobraue. Bis jemand verbreitet hat, Leute mit durchgehenden Augenbrauen seien Werwölfe und wirklich überall behaart. Und ...« Sie warf einen Blick auf Esmes Gesicht, wo vereinzelte, dunkle Haare oberhalb der Nase sprossen. Ups!

»Also, ich habe bei Vollmond immer besonderen Appetit.« Esme lachte.

Doro

Das Café Sterngucker war in einer ehemaligen Salzsiedehütte untergebracht. Vergilbte Fotos zwischen den mächtigen, dunklen Balken zeigten Arbeiter und Kurgäste in Kleidern des letzten Jahrhunderts. Von der Decke hingen Sälzerhaken und andere Gerätschaften, mit denen man früher das Salz der hiesigen Solequellen gewonnen hatte.

Die Theke bot eine reiche Auswahl an Obstkuchen, Sahnetorten und einiges dazwischen. Doro bestaunte die Ausmaße der Tortenstücke. »Guck mal, wie riesig die sind.« Sie entschied sich für eine Milchreistorte mit Himbeerfüllung, Esme nahm ein Stück Flockensahne. Dazu gönnte sich jede einen großen Pott Kaffee.

Der üppige Milchreis des maurerkellengroßen Stücks schmolz förmlich im Mund, er war bestimmt mit Sahne aufgekocht. Und die aromatischen Himbeeren entzündeten ein Geschmacksfeuerwerk direkt auf Doros Zunge.

Nachdem Doro das Kuchenstück in kleinen Schritten bewältigt hatte wie ein Bergsteiger einen Achttausender im Himalaya, erzählte sie von ihrem Dackel Cabanossi und zeigte Esme die niedlichsten Schnappschüsse auf dem Smartphone.

Esme zückte ebenfalls ihr Telefon. »Ich sollte mal kurz zu Hause nachhorchen, ob alles beim Rechten ist.«

»Ist jemand krank?«

Man hörte das Freizeichen, und Esme machte eine entschuldigende Geste, die »gleich« bedeuten mochte.

Doro versuchte, Julia anzurufen, um sich bei ihr über den verkorksten Tag auszulassen. Doch die meldete sich nicht. Während Esme schnell – und deutlich lauter werdend – in einer fremden Sprache mit jemandem telefonierte, fischte Doro sich das Boulevard-Magazin Picknic aus dem Zeitschriftenkorb, der etwas vergessen unter der Garderobe stand.

Veralteter Promiklatsch, Mode von vorgestern und das Porträt eines Politikers, den längst ein Skandal zu Fall gebracht hatte, all das fesselte Doro wenig. Sie war zu satt für ein zweites Kuchenstück und zu erhitzt für einen weiteren Kaffee. Ein Eis vielleicht?

Esme telefonierte immer noch. Zwischendrin verstand Doro ein paar Begriffe wie »Koffer«, »Doktor«, »Geschäft« oder »Hasendorf«. Andere waren, der Betonung zufolge, exklusiv für den Mitarbeiter reserviert, der Esmes Gepäck verschlampt hatte. Es konnte sich dabei sowohl um farbenfrohe Ruhrpottbeschimpfungen als auch um Fremdworte handeln.

Doro blätterte weiter durch die kunterbunte Zeitschrift und blieb an einem Beitrag hängen. Mysteriöse Todesfälle: Bad Westernkotten - Tod am Königsood!

Das war im Nachbarort – Doro hatte den Namen bei der Ankunft auf einem Straßenschild gelesen. Es gab ein nachgestelltes Foto, auf dem ein Mann in einem Becken trieb. Weil sie gewissermaßen nebenan wohnte, überflog Doro die grausigen Details, statt einfach weiterzublättern, wie sie es sonst getan hätte.

Heiko R. war vor dreizehn Jahren leblos in einem Brunnen mitten im Städtchen aufgefunden worden. Ein Umstand hatte die Ermittler besonders irritiert: Mund und Magen des Toten waren voller Salz gewesen, weit mehr, als ein Mensch vertrug. Es schien unwahrscheinlich, dass sich das jemand freiwillig antat. Und obwohl die Polizei die Bevölkerung um Mithilfe gebeten hatte, waren keine Zeugen aufzutreiben gewesen.

Es war still geworden am Tisch. Doro sah von der Zeitschrift auf. Esme hielt ihr Telefon umklammert. Sie schäumte sichtlich. »Das ist die Höhe! Meine Nichte hat einen Anruf bekommen, dass die Koffer in Hassendorf unter der Adresse nicht zugestellt werden konnten.«

»Hassendorf?«, wiederholte Doro.

»Ja. Mit zwei s. In Niedersachsen! Da gibt es zufällig auch eine Schneiderstraße fünf.«

»Und wieso rufen die da deine Nichte an?«

Esme gestikulierte derart heftig mit dem Telefon, dass Doro angst und bange um ihren Kaffee wurde. »Weil ich auf dem Formular aus Gewohnheit die Nummer des Ladens angegeben habe, wo ich tagsüber immer zu erreichen bin. Xenia passt aufs Geschäft auf, bis Frau Montalbani, die Verkäuferin, aus dem Urlaub zurück ist.«

»Was denn für ein Laden?«, wollte Doro nun wissen.

»Schuhmode, mit Spezialabteilung für Brautschuhe. Wir haben noch für jede Braut das passende Schuhwerk gefunden«, sagte Esme mit Stolz in der Stimme. »Dabei ist diese Sorte Kundschaft unglaublich pingelig.«

»Das kann ich mir denken, wenn die alle mit gesammelten Centstücken bezahlen wollen.« Doro überlegte, ob der tägliche Kontakt mit anstrengenden Heiratskandidatinnen möglicherweise eine Rolle bei Esmes Familienstand spielte.

»Großvater kam als Gastarbeiter ins Land«, erklärte Esme. »Meine Eltern haben den Laden aufgebaut, und ich konnte mit der Spezialisierung dazu beitragen, dass dem Geschäft das Schicksal anderer Betriebe erspart blieb. Etwas Besonderes wie Brautschuhe will man eben persönlich auswählen, nicht per Klick kaufen.«

Doro kehrte zum eigentlichen Thema zurück. »Da sind die Koffer also in Niedersachsen gestrandet.«

»Ja!« Esme sah aus, als wollte sie mit den Zähnen knirschen, steckte jedoch entschlossen das Handy ein. »Und das bedeutet, wir machen jetzt ein bisschen Shopping!«

Eine Drogerie bot die Innenstadt zwar nicht. Dafür viele Cafés, eine Buchhandlung und ein Schützenhaus (was auch immer das war). An Bekleidungsgeschäften herrschte kein Mangel. Zuerst deckte Esme sich in der Apotheke mit Zahnbürste und einigen Hygieneartikeln ein, zu ... nun, Apothekenpreisen.

Anschließend klapperten sie drei Modegeschäfte in der Fußgängerzone ab, ohne jedoch fündig zu werden.

Im vierten Laden blieb Doro bei den Badeanzügen hängen, während sich Esme an dem Ständer mit Spitzenunterwäsche zu schaffen machte. Doro kaufte einen feschen Zweiteiler, der wegen eines abgerissenen Knopfs im Preis reduziert war.

Schließlich entschied sich Esme für das Set mit den wenigsten Rüschen. »Hier ist null Auswahl«, klagte sie.

»Aber das ist doch wirklich hübsch«, lobte Doro den fliederfarbenen Spitzentraum, auf den Esmes Wahl gefallen war. Obwohl sie im Alltag sportliche Kleidung bevorzugte, hatte sie durchaus eine Schwäche für verspielte Dessous.

Esme seufzte. »Spitzen sehe ich tagein, tagaus an Brautkleidern und Schuhen. Das hier ist viel zu zart für Gymnastik und Training. Ich brauche etwas Praktisches: einen Schlüpper ohne Chichi. Zu Hause hätte ich so eine Garnitur für die Hälfte bekommen.«

»Ja, die Preise sind gesalzen«, bestätigte Doro. Sie wollte sich für ihr Bonmot am liebsten auf die Schulter klopfen. »Hauptsache, du hast erst mal Wäsche zum Wechseln. Und falls das nicht genügt, borge ich dir was. Damit Frida heil bleibt.«

Die Innenstadt mit ihren verwinkelten Gassen bot allerhand Sehenswertes, und ehe sie sich's versahen, hatten sich Doro und Esme zwischen urigen Fachwerkhäusern, Speiselokalen und kleinen Geschäften in Nebenstraßen verirrt. Schließlich nahm Esme zum Verschnaufen auf einer der allgegenwärtigen Bänke Platz. »Ich habe Durst.«

Doro seufzte und glättete ihren knittrigen Kleidersaum. »Mh. Und ich brauche nach dem Kuchen von vorhin unbedingt etwas Herzhaftes. Es ist ja bald Zeit fürs Abendbrot.« Sie sah auf die Fitness-Uhr. 17:12 Uhr.

»Wann war das noch?«, wollte Esme wissen.