Tief begraben - Brian Keene - E-Book

Tief begraben E-Book

Brian Keene

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Beschreibung

DIE ZOMBIES SIND NICHT DAS SCHLIMMSTE! Es passiert ohne jede Vorwarnung. Eine weltweite Seuche verwandelt Menschen und Tiere in lebende Tote. In einem Luxushotel verbarrikadieren sich 25 Angestellte und Gäste in einem früheren Militärbunker. Die Schläge der Zombies hämmern von außen gegen die Sicherheitstüren, während die Eingesperrten unaufhaltsam den Verstand verlieren. dazu kommt der wachsende Hunger, der sie irgendwann zwingt, das Unvermeidliche zu tun. Ein simples Motto bestimmt den Alltag der Überlebenden: Fressen und gefressen werden! Als Bonus enthält dieser Band zwei einzigartige Erzählungen von Brian Keene: ?Im Tal der verrückte Bären? und ?Die vergessene Schlucht der Verdammten?. Cowboys und Indianer, Holzfäller und Bigfoots, Zombies und Dinosaurier. Horror im Wilden Westen! The Word Zombie: 'Tief begraben ist eine erschreckende und erschreckend unterhaltsame Lektüre. Es gibt Blut, es gibt Eingeweide und von Gabelstaplern aufgespießte Leichen.' The Horror Review: 'Keenes Name sollte in einem Atemzug mit King, Koontz und Barker genannt werden. Ohne Zweifel ist er einer der besten Horrorautoren die es gibt.'

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EPUB
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Seitenzahl: 383

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Aus dem Amerikanischen von Michael Krug

Impressum

1. Auflage September 2014

Copyright © dieser Ausgabe 2014 by Festa Verlag, Leipzig

By arrangement with Books Crossing Borders, Inc.

Vermittelt durch Interpill Media GmbH, Hamburg

Lektorat: Alexander Rösch

Titelbild: Clinton Lofthouse

Alle Rechte vorbehalten

eBook 978-3-86552-313-6

www.Festa-Verlag.de

Für Sultan White und Wrath James White in der Hoffnung auf viele weitere Zombie-Weihnachten.

Anmerkung des Autors

Dieser Roman spielt in derselben »Realität« wie Totes Meer. Da es sich jedoch um keine direkte Fortsetzung handelt, kann man beide Werke genießen, ohne das jeweils andere zu kennen. Zwar basieren viele der Schauplätze auf realen Orten, allerdings habe ich mir gewisse schriftstellerische Freiheiten genommen. Andere Schauplätze sind auf Grundlage unterschiedlicher tatsächlich existierender Locations frei erfunden. Falls Sie also dort leben, halten Sie nicht nach Ihrem Lieblingsluxushotel oder uneinnehmbaren Atombunkern Ausschau. Ihnen wird nicht gefallen, was dort lauert.

Tief begraben

1

Ich saß im Kinoraum, sah mir gerade zum 20. Mal eine Folge von Aqua Teen Hunger Force an und unterhielt mich mit dem körperlosen Kopf von Dwight D. Eisenhower, als der Rest der Gruppe entschied, dass wir anfangen sollten, uns gegenseitig aufzuessen.

Die Auswahl an Videos traf nicht unbedingt meinen Geschmack. Die Sammlung im Bunker bestand aus einer Staffel von Reba McEntires alter Sitcom, einer Folge von The Wiggles, einigen Will-Ferrell-Filmen, der remasterten und digital überarbeiteten Krieg der Sterne-Trilogie, einer Staffel von Aqua Teen Hunger Force, einigen Episoden von American Idol und einer Dokumentation über die Rotwildjagd.

Ich verzichtete absichtlich darauf, mir Reba anzusehen, denn Joanna Garcia, die Schauspielerin, die Reba McEntires Tochter spielte, machte mich geil, was ein alles andere als hilfreiches Gefühl ist, wenn man sich als frisch Geschiedener 18 Meter unter der Erdoberfläche aufhält. Dasselbe galt für The Wiggles – man kann sagen, was man will, aber einige der Tänzerinnen der Truppe fand ich verdammt heiß. Wenn ich mir die Dokumentation über die Rotwildjagd ansah, musste ich immer daran denken, wie sehr ich Wildbratwurst und Hirschsteak vermisste, was mich hungrig machte – und das ist hier unten im Bunker noch weniger hilfreich, als geil zu sein.

Krieg der Sterne hatte ich mir schon ein paarmal reingezogen, seit wir hier unten festsaßen, aber mir ging immer noch gegen den Strich, dass Han Solo in dieser aktualisierten Fassung nicht mehr zuerst Greedo erschoss. Und was Will Ferrell anging – scheiß auf ihn. Ich hatte Will Ferrells Filme noch nie gemocht und fand ihn ungefähr so amüsant wie Hodenkrebs. American Idol hatte ich schon vor dem Ende der Welt beschissen gefunden und ich sah keinen Grund, jetzt damit anzufangen, mir diesen Mist anzusehen. Abgesehen davon spielte es keine Rolle mehr, wer gewann, weil mit großer Wahrscheinlichkeit keiner der Kandidaten mehr lebte.

Damit blieb nur Aqua Teen Hunger Force übrig, was ich ganz in Ordnung fand, obwohl ich mir manchmal wünschte, jemand hätte auch einige DVDs von Metalocalypse hier unten gelassen. Hin und wieder fragte ich mich, ob die Typen, die diese Sendungen produziert hatten, noch irgendwo lebten, vielleicht wie ich verschanzt in einem Bunker, und ob sie immer noch Sendungen in der Hoffnung drehten, dass irgendjemand sie sich eines Tages anschaute.

Ich hatte das Licht ausgeschaltet. Das Kino wurde nur vom Schimmer der riesigen Leinwand erhellt, die einen Großteil der vorderen Wand einnahm. Ich saß auf der linken Seite der ersten Reihe unmittelbar neben Eisenhowers Kopf. Besonders bequem waren die Stühle nicht. Mein Hintern fing zu schmerzen an, wenn er zu lange darauf hockte, und sie knarzten bei jeder Bewegung.

Bevor die Rattenfängerseuche – Hamelns Rache – die Welt in Scheiße verwandelt hatte, waren die Stühle nur von Besuchern des Bunkers benutzt worden – Touristen, die sich bloß einmal daraufsetzten, um sich eine siebenminütige Dokumentation über die Geschichte der Anlage anzusehen. Dwight D. Eisenhower bildete einen bedeutenden Teil jener Geschichte, weshalb sein Kopf hier herumstand. Man hatte die Technik modernisiert, um DVDs statt der alten Filmrollen abspielen zu können – für meine Museumsführerkollegen und mich gestaltete es sich erheblich einfacher, die Wiedergabetaste an einem DVD-Player zu drücken, als mit Filmdosen herumzuhantieren. Ich denke, Eisenhower hätte das gebilligt.

Eisenhower redete nicht viel. Das konnte er auch nicht. Immerhin handelte es sich bei ihm um eine Bronzebüste und Bronzebüsten reden nicht. Aber damit hatte ich kein Problem. Er brauchte nichts zu sagen, denn er erwies sich als guter Zuhörer, und was ich wirklich brauchte, war ein guter Zuhörer – vor allem, da die meisten anderen Menschen hier unten langsam, aber sicher vollkommen austickten. Das Kino enthielt nicht nur einen Eisenhower. Gerahmte Porträtaufnahmen von ihm hingen an den Wänden neben Aufnahmen des Hotels über dem Bunker und einigen Fotos der Anlage, die aus der Bauphase stammten – alte Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Arbeitern der technischen Heeresabteilung, wie sie mit Planierraupen, Kipplastern und Kränen auf dem Gelände ausschwärmten.

Sie schwärmten genauso aus wie damals die toten Ratten, als sie aus der Kanalisation von New York City an die Oberfläche kamen. So hatte alles angefangen – mit der Rattenfängerseuche. Hier in den Bergen von West Virginia kommt einem die Stadt so weit weg vor. Aber es muss stimmen, was man behauptet – dass New York der Mittelpunkt der Welt ist, denn was dort begann, fegte in weniger als einem Monat über den Rest des Planeten hinweg.

Mir laufen immer noch eiskalte Schauer über den Rücken, wenn ich mir vorstelle, wie es gewesen sein muss. Es geschah während der abendlichen Rushhour. Zombieratten krochen aus der Kanalisation hervor und begannen, Fußgänger anzugreifen. Da sie tot waren, bewegten sie sich deutlich langsamer als lebendige Ratten, doch das spielte keine Rolle. Das hohe Verkehrsaufkommen hatte die Stadt derart lahmgelegt, dass sich den Viechern reichlich Auswahl bot. Die Gehsteige, die Straßen, die Bushaltestellen und U-Bahn-Stationen – überall herrschte ein dichtes Gedränge von Pendlern. Die Leute versuchten zu fliehen, konnten aber nirgendwohin. Die Ratten stillten ihren Appetit. Etliche Menschen wurden zu Tode gebissen. Die Haut wurde ihnen von Gesichtern und Händen gefetzt, Bäuche wurden aufgenagt, damit ihre Angreifer an die Köstlichkeiten im Inneren herankamen. Zahlreiche weitere Opfer wurden zertrampelt, als ihre Mitbürger zu fliehen versuchten.

Schlagzeilen zum Thema dominierten in jener Nacht Fernsehen und Internet. Anfangs bezeichnete MSNBC die Vorfälle noch als Unruhen, während sowohl CNN als auch Fox mutmaßten, dass es sich um einen Terroranschlag handelte. Schon bald einigten sie sich auf Ratten als Auslöser – tote Ratten. So unmöglich es klang, Augenzeugenberichte untermauerten, dass die Tiere tatsächlich tot gewesen waren, als sie zum Angriff ansetzten. Experten machten sich darüber lustig und die Behörden verweigerten jegliche Stellungnahme. Es dauerte allerdings nicht lange, bis Aufnahmen bewiesen, dass es der Wahrheit entsprach, so unwahrscheinlich es auch sein mochte. Ständig neues Bildmaterial dokumentierte, dass die Lage vor Ort mit jeder verstreichenden Stunde chaotischer wurde. Fox sendete live aus einem Krankenhaus. Die Notaufnahme platzte beinahe vor verwundeten New Yorkern. Wen sie gebissen hatten, der wurde sehr schnell krank und starb wenig später. Und nach ihrem Tod kehrten sie zurück. Genau wie die Ratten.

Noch vor dem Ende jener ersten Nacht hatten die Medien bereits eine Bezeichnung dafür gefunden: Hamelns Rache. Die Rückkehr der Ratten, mit deren Beseitigung man den Rattenfänger beauftragt hatte. Es schien für sie keine Rolle zu spielen, dass es sich bei Hameln um den Namen der Stadt handelte, nicht um den des Rattenfängers. Früher fragte ich mich ehrlich gesagt manchmal, ob die Medien Bezeichnungen und Grafiken auf Abruf bereithielten und nur darauf warteten, sie einzusetzen, wenn die Hölle losbrach. In jener Nacht drängte sich mir dieser Eindruck jedenfalls auf. Wolf Blitzer präsentierte im Fernsehen eine große Illustration eines wie der Sensenmann gekleideten Rattenfängers. Die Worte »Hamelns Rache« überlagerten die Figur. Tote Menschen und tote Ratten griffen die Lebenden an und danach ergänzten diejenigen, die infiziert wurden, ihre Reihen. Die Sender bezeichneten die Toten anfangs als Kannibalen, doch dann, bei einer Nachrichtenkonferenz um zwei Uhr morgens, benutzte der Pressesprecher des Weißen Hauses das Wort, das jedem durch den Kopf ging.

Zombies.

Bis zum Sonnenaufgang am nächsten Morgen hatte die Nationalgarde alles abgeriegelt. New York stand offiziell unter Quarantäne. Brücken, Tunnel und Eisenbahnstrecken wurden mit Blockaden versehen. Die Gardisten hatten den Befehl, auf jeden zu schießen, der versuchte, aus der Stadt zu entkommen, und manche taten es wirklich. Sie mähten kaltblütig Zivilisten nieder. Dann verweigerten einige andere Soldaten den Befehl, auf Zivilisten zu feuern, und wandten sich stattdessen gegen ihre eigenen Kameraden. Schon bald kämpften die Truppen untereinander – und parallel gegen die Zivilisten, die zurückschossen.

Während das Chaos in den militärischen Rängen um sich griff, verbreitete sich die Rattenfängerseuche über die Stadt hinaus. Sie trat erst in Newark, dann in Trenton und anschließend in Philadelphia auf. Gegen Ende des zweiten Tages hatte sie Buffalo, Baltimore, Washington, D.C. und jenseits der Grenze Teile von Kanada erfasst. Der Präsident rief den landesweiten Ausnahmezustand aus, auch in jenen Gebieten, in denen sich noch keine Symptome der Krankheit zeigten. Die Armee wurde mobilisiert. Allerdings war es zu dem Zeitpunkt bereits zu spät. Man konnte einen Zombie erschießen, nicht jedoch die Krankheit bekämpfen, die überhaupt erst bewirkte, dass Tote wiederauferstanden und umherwandelten. Es bedurfte nur eines Bisses, eines Blutstropfens, etwas Eiter aus einer offenen Wunde – jeglichen Kontakts mit infizierten Körperflüssigkeiten –, und schon entstanden weitere Zombies.

Zunächst befiel die Seuche nur Menschen, Ratten und Mäuse. Bis zur zweiten Woche jedoch war sie auf andere Arten übergesprungen und trat auch bei Hunden, Katzen, Rindern, Bären, Kojoten, Ziegen, Schafen, Affen und anderen Tieren auf. Manche wie Schweine und Vögel schienen immun zu sein, doch die meisten hatten weniger Glück. Noch merkwürdiger fanden Beobachter, dass einige Spezies wie Eichhörnchen und Rehe, die anfangs Anzeichen von Immunität erkennen ließen, später doch noch infiziert wurden. In Wirklichkeit habe ich nie verstanden, warum die Seuche Eichhörnchen nicht von Beginn an befallen hat. Immerhin sind Eichhörnchen nichts anderes als Ratten mit buschigen Schwänzen. Ich weiß nur eins: Sollte sich die Seuche jemals auf Vögel ausbreiten, ist die Menschheit im Arsch.

Aber wahrscheinlich sind wir sowieso im Arsch.

Als die Seuche anfing, von einer Art auf die nächste überzuspringen, war sie nicht mehr aufzuhalten. Die USA, Südamerika und Kanada traf es als Erstes, danach folgten Europa, Asien und Afrika und zuletzt Australien. Schließlich konnten wir selbst über Satellit kein Fernsehen mehr empfangen. Das Letzte, was man meines Wissens zu sehen bekam, waren Aufnahmen von Zombies, die durch die Straßen von Mumbai schlurften.

Natürlich stellten die Zombies nicht die einzige Bedrohung dar. Neben umherziehenden Banden von Plünderern, Verbrechern und Extremisten gab es Mitglieder des Militärs und der Polizei, die beschlossen hatten, auf sich selbst statt auf uns aufzupassen. Als neues Gesetz setzte sich das Gesetz der Waffengewalt durch. Nicht genug damit, dass man sich davor fürchten musste, von einem toten Freund oder Angehörigen aufgefressen zu werden – man musste sich auch noch Sorgen machen, von einem durchgeknallten, asozialen Arschloch, das sich das Chaos zunutze machte und in der neuen Weltunordnung förmlich aufblühte, ausgeraubt, vergewaltigt oder ermordet zu werden.

Nicht, dass sich die Machthaber über all das den Kopf zerbrechen mussten. Washington, D.C. hatte man bereits frühzeitig evakuiert. Präsident Tyler, der Vizepräsident, das Kabinett, die hohen Tiere aus dem Pentagon und alle Senatsmitglieder sowie deren Personal und Angehörige wurden in sichere, unterirdische Bunker in Pennsylvania, Virginia, Maryland und Colorado verfrachtet. Bunker wie dieser hier, nur moderner. Ich frage mich unwillkürlich, ob sie sich in besserer Verfassung befinden als wir. Vermutlich schon. Ich bezweifle, dass unsere Anführer herumsitzen, sich Aqua Teen Hunger Force ansehen und darüber abstimmen, ob sie zum Kannibalismus übergehen sollen oder nicht. Jedenfalls noch nicht.

Ich bin so verdammt hungrig.

Dieser Bunker ist als Rückzugslager gebaut worden, und zwar damals Anfang der 1960er-Jahre, als der Kalte Krieg so richtig in die Gänge kam. Präsident Eisenhower gab ihn in Auftrag. Deshalb gibt es hier unten diese Bronzebüste seines Schädels und die ganzen Fotos von ihm. Im Fall eines atomaren Angriffs auf die Vereinigten Staaten sollte der Bunker die Senatsmitglieder sowie deren Familien und einige Mitarbeiter aufnehmen. Die Anlage wurde groß genug geplant, um circa 1000 Menschen aufzunehmen. Für ihre Errichtung hatte man knapp 250 Meter weit und 25 Meter tief in einen Felsen gebohrt und gegraben. Einem direkten Treffer eines Nuklearsprengkopfs konnte der Bunker nicht standhalten, aber er war tief und sicher genug, um Menschen darin vor nuklearen Feuerstürmen und radioaktivem Fallout zu schützen. Von Washington, D.C. aus ließ sich die Anlage einfach erreichen – mit der Bahn oder per Flugzeug brauchte man weniger als eine Stunde, zudem verlief ganz in der Nähe eine Autobahn. Damals, als die Regierung den Bunker noch mit Vorräten versorgte, hätten die Menschen darin bis zu 120 Tage überleben können.

Um zu verhindern, dass die Hinterwäldler aus der Umgebung während der Bauarbeiten misstrauisch wurden, ließ man sich für das Projekt eine Geschichte zur Ablenkung einfallen. Der Öffentlichkeit wurde weisgemacht, man errichte auf dem Berg ein neues Luxushotel, das der Gegend zusätzliche Arbeitsplätze bescheren und die lokale Wirtschaft ankurbeln werde. Und genau das geschah auch. Ein prunkvolles Nobelhotel wurde errichtet, das Pocahontas – benannt nach seiner Lage im Landkreis Pocahontas –, und es lockte tatsächlich die wohlhabende und mächtige Elite aus aller Welt an. Die Schönen und Reichen kamen in Scharen. Ganze Generationen von Schauspielern, Politikern, Ölbaronen, Bankmagnaten und anderen Wirtschaftskapitänen zählten zu den Stammgästen.

Das Hotel beschäftigte Einheimische und bot somit eine angenehme Alternative für alle jene, die nicht in einem Kohlebergwerk rackern, Holz fällen, sich an der Landwirtschaft versuchen, Schraubenschlüssel drehen oder sich einfach zurücklehnen und von Sozialhilfe leben wollten – die fünf verbreitetsten Beschäftigungen in West Virginia. Im Lauf der Jahre wuchs und florierte die Ortschaft. Dasselbe galt für das Pocahontas, das um weitere Gebäudeflügel, einen Golfplatz, Tennis- und Racquetballplätze sowie Stallungen und einen Reitparcours ergänzt wurde und sogar ein eigenes Rollfeld für kleine Flugzeuge bekam.

In all dieser Zeit hatte abgesehen von der Hotelverwaltung niemand eine Ahnung davon, was sich unter dem Berg befand – bis eines Sonntagmorgens vor etwas mehr als einem Jahrzehnt ein Enthüllungsjournalist der New York Times die Geschichte auf die Titelseite brachte. Sobald die Geschichte aufgeflogen war, verlor die Anlage jeglichen Nutzen. Die Regierung nahm sie sofort außer Betrieb und überschrieb sie dem Hotel. Irgendwann wollte ein Datenspeicherungsunternehmen den Bunker vom Pocahontas pachten, aber die Geschäftsleitung des Hotels hatte andere Pläne. Sie verwandelte die Anlage in ein Museum.

Seit nunmehr zehn Jahren steht der Bunker nun Besuchern und Gästen des Pocahontas offen – eine zusätzliche Attraktion für eine ohnehin an Höhepunkten nicht arme Institution. Ich muss es wissen. Seit drei Jahren hatte ich als Museumsführer im Bunker gearbeitet. Die einzige Alternative wäre ein Job bei Walmart gewesen und ich hasste diese verfickten Supermärkte. Nicht nur, weil meine Exfrau dort gearbeitet hat.

So bin ich hier unten bei den anderen gelandet. Zu dem Zeitpunkt war die Kacke in New York, Philadelphia und einigen anderen Städten bereits am Dampfen, aber sie hatte sich noch nicht allzu weit ausgebreitet. Jedenfalls nicht bis hierher. Bei uns tauchten zwar auch vereinzelt Berichte über Zombiesichtungen auf, aber West Virginia ist ein derart ländlicher Staat mit so viel Wildnis zwischen den Ortschaften, dass es uns nicht wie eine Epidemie vorkam. Eher so, als sähe man sich im Fernsehen den Anschlag vom 11. September oder Hurrikan Katrina oder eine ähnliche Katastrophe an – man wusste, dass es passierte, und fühlte sich auch damit verbunden, gleichzeitig jedoch schien es unendlich weit entfernt zu sein. Üble Dinge passieren immer nur anderen. Nie einem selbst. Jedenfalls nicht, bis die üblen Dinge unangekündigt an die Haustür klopften, reinkamen und sich für eine Weile einnisteten.

Über West Virginia war noch nicht der Ausnahmezustand verhängt worden und das Hotel ließ uns nach wie vor zur Arbeit antanzen, obwohl es keinerlei Reservierungen mehr gab. Ich stand gerade draußen auf dem Hinterhof und gönnte mir mit einigen der Mexikaner aus der Küche eine kurze Raucherpause, als die Toten im Pocahontas eintrafen. Wir rochen sie, bevor wir sie sahen, aber wir wussten nicht, worum es sich bei dem Gestank handelte oder woher er stammte. Draußen herrschte Hitze und nur eine leichte Brise wehte – gerade stark genug, um die Luft bloß zu bewegen, statt uns abzukühlen.

Uns allen stieg der Mief gleichzeitig in die Nase und brachte mich dazu, die Stirn zu runzeln. Es roch wie der weltgrößte Haufen überfahrener Tiere. Das war mir anfangs durch den Kopf gegangen. Ich erinnere mich noch, dass ich mir die Frage stellte, ob irgendwo in der Nähe ein totes Murmeltier oder dergleichen herumlag. Einer der anderen Angestellten sagte etwas auf Spanisch. Keine Ahnung, was, denn ich habe die Sprache nie gelernt. Wahrscheinlich so etwas wie »Verdammt, das stinkt!« Keine Minute später schien der Geruch regelrecht überwältigend zu sein. Wir alle schauten uns gegenseitig an, legten die Stirnen in Falten und verzogen die Gesichter. Die Mexikaner redeten miteinander. Ich nickte, als ob ich sie verstünde. Und dann ... dann trafen sie ein. Sie schlurften aus dem Wald und über den Parkplatz auf uns zu.

Zombies.

Ich glaube, am beängstigendsten fand ich, wie still alles blieb. Die Toten schwiegen. Kein Stöhnen, kein Röcheln, kein Rufen, kein Gebrüll. Das entsprach nicht der Norm – zumindest sollte es nicht die Norm bleiben. Im Regelfall geben Zombies durchaus Geräusche von sich. Diese Gruppe jedoch verhielt sich leise. Es ließ sich trotzdem nicht übersehen, dass die wandelnden Leichen es todernst meinten. Mit emotionsloser, zielstrebiger Entschlossenheit hielten sie auf das Hotel zu, humpelten und schleppten sich vorwärts, obwohl einigen Gliedmaßen und wichtige Organe fehlten, während andere ihre Eingeweide wie Hundeleinen hinter sich herschleiften. Die meisten Zombies waren menschlichen Ursprungs, es befanden sich aber auch Tiere unter ihnen. Vorwiegend Ratten, außerdem ein paar Füchse und Stinktiere sowie ein Schwarzbärenjunges, dem ein Auge und der Großteil des Unterkiefers fehlten, was es jedoch nicht davon abhielt, auf uns zuzukommen. Die Toten sind insgesamt sehr entschlossene Bastarde. Ihre Stille ließ diese Entschlossenheit nur umso beunruhigender wirken.

Zwei unserer Landschaftsgärtner rasten mit einem Golfwagen auf sie zu. Bis heute weiß ich nicht, was die Kerle sich dabei gedacht haben. Ist ja nicht so, dass sie bewaffnet gewesen wären, außerdem waren sie bloß Gärtner, keine Soldaten. Ich habe keine Ahnung, was sie vorhatten. Möglicherweise wollten sie die Zombies überfahren. Wie ihr Plan auch ausgesehen hat, sie bekamen nie die Gelegenheit, ihn umzusetzen. Die Toten mochten langsam sein, aber sie umzingelten einen durch ihre schiere Masse, bis man nirgendwo mehr hinkonnte.

Genau das widerfuhr auch den Gärtnern. Sie überrollten einen Zombiefuchs, allerdings verfing sich der Kadaver unter einem Hinterrad, was sie abrupt abbremste. Eine Erschütterung ging durch das Fahrzeug. Verfilztes Fell und verwestes Fleisch wurden über den Asphalt verschmiert. Dann lenkte der Typ am Steuer scharf nach rechts. Ich glaube, er wollte versuchen, das tote Vieh abzuschütteln. Das erwies sich als problematisch, weil Golfwagen nicht für solche Manöver gebaut werden.

Das verdammte Ding kippte auf die Seite und bevor sich einer der Männer aus dem Wrack befreien konnte, hatten die Zombies sie bereits von allen Seiten umzingelt und rückten näher. Einer der Männer fing zu schreien an, als die Toten auf sie zuschlurften. Der andere sank auf die Knie und begann, auf Spanisch zu beten und sich wie wild zu bekreuzigen. Für die beiden wurde es ein langsamer Tod. Die Zombies pferchten sie ein, drängten sich näher und näher, bis sowohl das Gefährt als auch die Opfer außer Sicht gerieten. Ihr Gebrüll verkam zu einem Wimmern, das kurz darauf erneut in Schreie umschlug. Ein Zombie reckte seinen Arm wie triumphierend in die Luft. In den Fingern hielt er ein Stück rohes, rotes, triefendes Fleisch.

Mehr brauchten wir nicht zu sehen. Wir drehten uns um und flüchteten, rempelten uns und brachten uns in unserer Hast gegenseitig zum Stolpern. Hinter uns setzten unvorstellbar grässliche Geräusche ein – reißende, schmatzende, knirschende Laute. Die Schreie waren inzwischen verstummt. Wir rannten zurück ins Hotel, mussten jedoch feststellen, dass die Kacke auch im Pocahontas bereits dampfte. Zombies strömten sowohl durch den Haupteingang als auch durch die Türen zum Meditationsgarten herein. Sie schwärmten durch die Lobby und um die Fahrstühle aus und bahnten sich einen Pfad, die lange Reihe der Nobelgeschäfte entlang, die den Großteil des Erdgeschosses der Hotelanlage einnahmen – Juweliere, ein Zigarrenhändler, Süßwarenläden, Coffeeshops, eine Buchhandlung, Boutiquen und ähnliche Einrichtungen, die ausschließlich für die Gäste des Hauses existierten. Kein Bewohner der Ortschaft hätte es sich leisten können, hier einzukaufen.

Ich stieß mit meinem Kumpel Mike zusammen, der als Bankettleiter im Hotel arbeitete. Rückblickend betrachtet ist es allein Mikes Schuld, dass ich in diese gottverdammte Lage geraten bin. Er streckte die Hände aus, packte mich an den Schultern und hielt mich mitten im Laufen auf. Zuerst erkannte ich ihn vor lauter Angst nicht mal. Ich versuchte, ihn wegzustoßen, aber er drückte kräftiger zu. Meine Hände ballten sich zu Fäusten.

»Lass mich los, Arschloch! Siehst du denn nicht, was hier abläuft?«

»Der Bunker!«, rief er. »Wir müssen alle nach unten in den Bunker, Pete.«

Und mit einem Schlag änderte sich alles. Es war, als hätte Mike magische Worte ausgesprochen. Ich hatte immer noch Angst, aber mein Verstand wurde klarer. Ich fing an, ans Überleben zu denken, statt nur in blinder Panik davonzurennen. Meine Furcht beherrschte mich nicht mehr – ich beherrschte sie. Es fühlte sich ungemein zenmäßig an. Menschen hasteten an uns vorbei, wankten, stolperten und weinten. Gebrüll und gellende Schreie erfüllten den Gang. All das schien weit entfernt zu passieren, von uns isoliert. Ich fühlte mich plötzlich wie auf einer einsamen Insel.

»Der Bunker ... Scheiße, warum ist mir das nicht eingefallen?«

»Du hast doch den Schlüssel, oder?«

Ich nickte. Als Museumsführer besaß ich eine von sieben Schlüsselkarten aus Plastik, die uns Zugang zum Bunker verschaffen konnten. Ich wollte gerade etwas erwidern, als mir auffiel, wie sich Mikes Augen weiteten. Er biss sich auf die Unterlippe, aber ich glaube, es war ihm gar nicht bewusst. Mike starrte auf irgendetwas in meinem Rücken. Ich drehte mich um und zuckte wegen des bestialischen Gestanks zusammen. Eine Gruppe von Zombies kam langsam auf uns zu.

»Scheiße.«

»Sag so vielen wie möglich Bescheid«, drängte Mike. »Wir treffen uns unten.«

»Wo willst du hin?«

»In die Küche. Unmöglich abzuschätzen, wie lange wir dort unten bleiben müssen. Wir brauchen Lebensmittel und Wasser.«

»Gute Idee. Ich komme mit.«

»Nein, Pete. Du musst allen anderen Bescheid geben. Ich kümmere mich darum, Vorräte zu beschaffen.«

»Du kannst den ganzen Kram nicht allein tragen.«

»Ich lade ihn auf einen Wagen und benutze den Lastenaufzug. Der fährt geradewegs zum Tagungszentrum. Solange du die Bunkertür offen lässt, passiert mir nichts.«

Ich runzelte die Stirn. »Bist du sicher?«

Er nickte. »Ganz sicher. Mach schon.«

»Sei vorsichtig.«

»Du auch. Lass nur unbedingt die Tür für mich offen.«

Ich versprach es ihm, dann rannte er den Flur entlang davon und wich dabei den Toten mühelos aus. Seine Bewegungen erinnerten mich an einen Footballspieler, der auf die Endzone zustürmt, um einen Touchdown zu schaffen. Wann immer die Zombies nach ihm griffen, war er bereits an ihnen vorbei. Ich drehte mich in die andere Richtung und trat den Weg zum Bunker an.

Als ich Mike das nächste Mal sah, war ihm die Kehle herausgerissen worden, seine Nase hing nur noch an einem dünnen Hautstrang und eines seiner Augen fehlte. Aber davon ließ er sich nicht aufhalten. Wie angekündigt kreuzte er an der Bunkertür auf.

Und dann wollte er mich fressen.

Es gab zwei Zugänge zum Bunker. Einer verlief durch einen Tunnel, dessen Zugang sich draußen auf der anderen Seite des Bergs befand, ein Stück vom Hotel entfernt. Wenn wir Besucher herumführten, fuhren wir normalerweise mit dem Bus dorthin und begannen dort mit der Tour. Der Eingang verfügte über eine drei Meter hohe Explosionsschutztür aus Stahl, an der ein großes Schild mit der Aufschrift GEFAHR: HOCHSPANNUNG prangte. Ursprünglich war das Schild angebracht worden, um Neugierige abzuschrecken – Spaziergänger oder Jäger, die zufällig darüber stolperten –, aber mittlerweile erfüllte es keinen Zweck mehr. Das Pocahontas ließ es nur um des Effekts willen wegen an der Tür hängen. Da der Bunker inzwischen nur noch als Museum genutzt wurde, verlieh ihm das Schild einen Hauch von Authentizität.

Der andere Zugang befand sich im Hotel selbst und grenzte an das im Untergeschoss untergebrachte Tagungszentrum. Das Tagungszentrum bestand im Prinzip aus einem riesigen, offenen Saal, in dem verschiedene Organisationen und Gruppen Konferenzen, Personalversammlungen, Abendveranstaltungen und Ähnliches abhielten. Man konnte den Saal nur als äußerst schlicht bezeichnen. Der Teppichbelag war dünn und abgewetzt. Die Deckenbeleuchtung strahlte zu hell. Die Wände waren in einem einfallslosen Weißton gestrichen.

Ich habe mal gehört, wie ein Hotelgast das Dekor als »unsagbar langweilig« beschrieb. Allerdings verbarg eine dieser langweiligen Wände den zweiten Eingang zum Bunker. Wenn man die Trennwand beiseiteschob, kam dahinter eine weitere Explosionsschutztür aus Stahl zum Vorschein, größer als jene am Tunnelzugang draußen. Sie maß dreieinhalb Meter in der Höhe, ebenso viel in der Breite und wog über 25 Tonnen. Trotz ihrer Dimensionen ließ sich die Explosionsschutztür von innen mühelos öffnen. Jeder gesunde Durchschnittsmensch wäre dazu in der Lage gewesen. Es gab ein Rad, das man drehte, um sie zu öffnen oder zu schließen, und man musste dafür lediglich eine Masse von etwa zehn Kilogramm bewegen. Bei Rundgängen verließen wir den Bunker immer auf diesem Weg und die Besucher zeigten sich jedes Mal überrascht, wenn sie auf einmal das Hotel betraten.

Ein Kreischen holte mich jäh in die Gegenwart zurück. Eine Frauenstimme. Ich konnte nicht einordnen, zu wem sie gehörte, aber sie brüllte, dass ihr etwas ins Gesicht beißen wolle.

Die Zombies fluteten die Lobby und es blieb keine Zeit, um auf einen der Aufzüge zu warten. Ich entschied mich stattdessen für die Treppe, nahm zwei Stufen auf einmal, stürmte hinunter und blieb am Ende des Treppenhauses stehen. Ich legte ein Ohr an die Tür und lauschte, wollte herausfinden, ob es im Tagungszentrum noch sicher war oder nicht, doch das ließ sich unmöglich abschätzen. Dafür hallte das Geschrei von oben zu laut herunter. Also holte ich tief Luft, öffnete die Tür langsam ein Stück und spähte in den Saal.

Entweder hatte sich Mikes Warnung verbreitet oder andere hatten dieselbe Idee wie er gehabt, denn an der Wand kauerte eine Gruppe von etwa 25 Personen. Ungefähr die Hälfte der Leute kannte ich – Hotelpersonal. Bei der anderen Hälfte schien es sich um Gäste oder Besucher zu handeln. Ein großer, kräftiger Kerl trug die Montur eines Technikers vom lokalen Kabelnetzbetreiber. Mein Freund Drew befand sich ebenfalls unter ihnen und ich fühlte mich auf Anhieb besser, als ich ihn bemerkte. Ich trat durch die Tür und eilte zu den Leuten hinüber.

»Pete!« Drew stürmte auf mich zu. »Bitte sag, dass du einen Schlüssel hast, um reinzukommen.«

Nickend zog ich die Schlüsselkarte aus meiner hinteren Hosentasche. Drew seufzte spürbar erleichtert.

»Gott sei Dank. Ich dachte schon, wir seien hier unten gefangen.«

Die Gruppe scharte sich um mich und versperrte mir den Zugang zur Trennwand. Hinter uns polterte etwas im Treppenhaus. Die Leute gingen mir aus dem Weg und ich eilte zur Mauer, um die Trennwand zur Seite zu schieben und die Explosionsschutztür freizulegen. Der Lärm aus dem Treppenhaus wurde lauter. Ich zückte meine Schlüsselkarte. Das Schloss öffnete sich und ich drehte das Rad. Mit einem tiefen, unheilvollen Dröhnen schwang das Tor auf.

»Alle rein!«

Das brauchte ich niemandem zweimal zu sagen. Die Gruppe hastete in den Bunker, die Leute rempelten sich dabei heftig. Drew bildete das Schlusslicht des Trosses. Er hielt inne, als er bemerkte, dass ich ihm nicht folgte.

»Kommst du nicht?«

Ich schüttelte den Kopf. »Ich muss auf Mike warten. Er ist zurück in die Küche gerannt, um uns Vorräte zu holen.«

Drew schaute zum Treppenhaus, zu den Fahrstuhltüren und dann zurück zu mir. Seine Augen waren geweitet, seine Züge verkniffen. »Glaubst du, er kann das schaffen?«

»Muss er. Sonst verhungern wir. Da drin sind keine Lebensmittel. Nur ein Verkaufsautomat mit Limonade, Chips und ähnlichem Mist.«

Hinter uns fragte jemand: »Was ist denn los?«

Drew und ich drehten uns um. Es war der Servicetechniker von der Kabelfirma. Er starrte uns verwirrt an. Durch die Angst wirkten seine Züge angespannt und bleich. Seine hohe Stirn glänzte vor Schweiß. Er sonderte einen säuerlichen Geruch ab. Aus dieser Entfernung konnte ich den über der Brusttasche seiner Montur eingestickten Namen lesen: CHUCK.

»Wir warten auf jemanden«, erklärte ich.

Chuck blinzelte. »Aber diese Kreaturen ...«

»Sind noch nicht hier unten. Mein Freund Mike ist losgerannt, um uns Lebensmittel und andere Vorräte zu besorgen. Sobald er hier eintrifft, schließen wir das Tor.«

»Scheiß drauf«, rief jemand. Ich konnte nicht erkennen, wer. Die Gruppe stand so dicht zusammengepfercht wie Sardinen in einer Konservendose. »Wenn Sie hier rumlungern und auf Ihren Freund warten wollen, dann nur zu. Aber machen Sie zuerst die verdammte Tür zu.«

»Ehrlich gesagt«, meldete sich Drew zu Wort, »seh ich das auch so.«

»Uns passiert hier unten nichts«, beharrte ich. »Die Zombies sind oben im Erdgeschoss.«

Dann schwang mit einem Knall die Tür zum Treppenhaus auf. Ein Leichnam polterte in den Konferenzraum und strafte mich Lügen. Mein Blick wanderte hinüber zum Lastenaufzug. Die Türen blieben geschlossen, die Lämpchen darüber zeigten an, dass sich der Fahrstuhl noch in der Lobby befand. Zähneknirschend unterdrückte ich den Drang, in den Bunker zu flüchten und das Tor zu verriegeln.

»Verdammt noch mal, Mike ...«

Der erste Zombie rappelte sich auf und starrte uns an. Dann schlurfte er los und streckte uns eine Hand entgegen. Der andere Arm hing schlaff an der Seite herab, offensichtlich an mehreren Stellen gebrochen. Gesplitterte Knochen ragten wie Igelstacheln aus der aufgerissenen Haut. Der Mund stand offen, die gräulich weiße Zunge baumelte wie eine Nacktschnecke heraus. Die Kreatur bewegte sich einen weiteren Schritt auf uns zu. Zwei andere Leichen kamen aus dem Treppenhaus und schlossen sich dem ersten Toten an. Dann stieß noch ein weiterer zu ihnen.

»Komm schon, Pete.« Drew zupfte an meiner Schulter. »Wir müssen zumachen.«

»Wir müssen auf Mike warten.«

»Offensichtlich kommt er nicht«, meinte ein anderer Mann. Später sollte ich erfahren, dass er Jim Mars hieß. »Wenn wir noch länger warten, sind wir tot.«

»Er hat recht, Pete«, sagte Drew. »Mach schon!«

Mit einem Schulterzucken befreite ich mich von Drews Hand und schaute erneut zum Aufzug. Die Lämpchen darüber leuchteten und zeigten an, dass er sich bewegte.

»Wenn wir ohne Lebensmittel da reingehen«, gab ich zurück, »sind wir genauso tot.«

»Das überstehen wir schon. Wir brauchen nur wenige Tage zu warten. Wenn wir nicht rauskommen, wird ihnen früher oder später langweilig und sie verziehen sich.«

Die Zombies schlurften näher. Hinter uns signalisierte die Gruppe im Bunker ihre Zustimmung zu Drews Meinung und bedrängte mich, die Tür zu schließen. Dann trat Chuck vor.

»Passen Sie auf«, sagte er. »Das ist Scheiße. Wenn Sie nicht mitkommen wollen, ist das Ihr Bier. Bleiben Sie ruhig hier und lassen Sie sich fressen. Aber wir schließen jetzt die Tür.«

Ich wollte ihn gerade anschnauzen, aber dann bimmelte der Aufzug und die Türen öffneten sich. Wir alle starrten in diese Richtung. Mike trat heraus. Selbst wenn er nicht so offensichtlich übel zugerichtet gewesen wäre, hätte ich auf Anhieb bemerkt, dass mit ihm etwas nicht stimmte, weil er sich ruckartig und stockend bewegte. Mich schauderte und ich konnte den Blick nicht von den grausigen Verletzungen abwenden, die er sich in der kurzen Zeit seit unserer letzten Begegnung zugezogen hatte. Neben dem fehlenden Auge, der herausgerissenen Kehle und der beinahe vollständig abgetrennten Nase, die nur noch an einem Hautfetzen baumelte und bei jedem Schritt gegen seine Wange klatschte, glich der Schritt von Mikes Hose einem blutigen Chaos. Ich konnte mir nicht sicher sein, aber es sah so aus, als sei ihm der Schwanz abgerissen worden.

Er befand sich nicht allein im Fahrstuhl. Unmittelbar hinter den geöffneten Türen stand ein Rollwagen, schwer beladen mit Konservendosen, Schachteln voller getrockneter Lebensmittel und Kisten mit Mineralwasser in Flaschen. Oben auf den Vorräten lag ein Erste-Hilfe-Koffer. Außerdem umgaben den Wagen fünf weitere Zombies. Sie schleppten sich hinter Mike her und starrten uns mit ausdruckslosen Zügen an. Ihre Münder glänzten rot. Die Lampen im Tagungszentrum flackerten und wurden schwächer, um dann wieder hell aufzuleuchten. Das Blut in den Gesichtern der Zombies wirkte dadurch noch schauerlicher.

Da sich die Toten mittlerweile aus zwei Richtungen näherten, bestand keine Chance darauf, zu dem Rollwagen zu gelangen. Noch während ich mir den Kopf darüber zerbrach, glitten die Fahrstuhltüren zu. Die Zombies bemerkten es nicht. Sie konzentrierten sich ausschließlich auf uns. Ich schaute mich nach einer Waffe um, fand jedoch weit und breit nichts Geeignetes. Seufzend wandte ich mich Chuck zu.

»Also kommen Sie. Gehen Sie rein.«

Er kam meiner Aufforderung nach. Drew folgte ihm und ließ mich allein zurück. Mikes Schuhe quietschten auf dem Fliesenboden, als er den Abstand zwischen uns verringerte. Ich starrte ihm ins Gesicht und fragte mich, ob noch ein Quäntchen seines Bewusstseins übrig sein könnte.

»Mike?« Meine Stimme kippte. Meine Kehle fühlte sich staubtrocken und geschwollen an. »Bist du noch da drin, Kumpel?«

Er streckte sich meiner Hand entgegen und seine Zähne klackten aufeinander. Ich zuckte zusammen, drehte mich um und rannte in den Bunker hinter mir. Mike stöhnte. Ein hungriger, kläglicher Laut.

»Beeilung!«, brüllte Chuck. »Sonst kommen die noch rein!«

Ich schloss die Explosionsschutztür hinter uns. Rumorend schwang sie zu und gab ein Klicken von sich, als die Verriegelung einrastete. Ein Zischen kam, als die Versiegelung erfolgte.

»Wird sie halten?« Eine Frau drängte sich durch die Menge. »Können die hier rein?«

Ich schüttelte den Kopf und erklärte den Leuten die Funktionsweise des Tors. Dabei ertappte ich mich, wie ich in meinen Text als Museumsführer verfiel. Als ich fertig war, erkundigte ich mich, ob es noch Fragen gab. Wie sich herausstellte, gab es welche. Eine ganze Menge sogar. Die nächsten 20 Minuten verbrachte ich damit, sie zu beantworten. Ich servierte den Leuten das volle Programm einschließlich einer Kurzfassung der Geschichte des Bunkers und wie sie uns in unserer gegenwärtigen Lage zum Vorteil gereichte. Als ich schließlich verstummte, standen wir eine Weile einfach nur da. Niemand sagte ein Wort. Unsere Atemgeräusche hallten leise durch den Gang. Darunter schwang ein noch leiseres Geräusch mit, kaum wahrnehmbar, wenn man sich nicht darauf konzentrierte – ein steter, monotoner Trommeltakt.

»Was ist das?«, flüsterte Drew.

»Die Toten«, erwiderte ich. »Sie hämmern gegen die Tür.«

Chuck runzelte die Stirn. »Und Sie sind sicher, dass die nicht reinkönnen?«

»Ganz sicher. Sie können nicht rein, aber solange sie auf der anderen Seite der Tür bleiben, kommen wir auf diesem Weg auch nicht raus. Wir müssen den anderen Zugang benutzen.«

»Was, wenn dort auch Zombies warten?« Drew fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. Seine geweiteten Augen glänzten feucht.

Ich zuckte mit den Schultern. »Dann müssen wir wohl eine Weile hierbleiben.«

Wie sich herausstellte, sollte ich recht behalten. Vor dem anderen Zugang trieben sich noch mehr Zombies herum, was dazu führte, dass wir im Bunker gefangen waren. Es dauert zwischen 40 und 50 Tage, bis ein durchschnittlicher Mensch verhungert, sofern er genug Trinkwasser hat. Wir sind seit mittlerweile knapp über einem Monat hier. Die spärlichen Lebensmittel, die wir hatten – Zeug aus dem Verkaufsautomaten und Minzebonbons, die einige Überlebende in den Handtaschen mit sich herumtrugen –, sind uns bereits in der ersten Woche ausgegangen. Selbst bei einer besseren Rationierung hätten sie nicht gereicht. Wasser gibt es dagegen reichlich. Ich bin nicht durstig, aber ich habe verflucht großen Hunger. Ich bin so hungrig wie die hartnäckigen Toten, die sich nach wie vor draußen vor den Türen herumdrücken.

2

Ich saß immer noch im Kinosaal, als Drew hereingestürmt kam. Fast wie an dem Tag, als wir den Bunker ursprünglich betreten hatten, waren seine Augen weit aufgerissen und ein panischer Ausdruck machte sich auf seinem Gesicht breit. Er atmete schwer und als ich ihn fragte, was los sei, hob er einen Finger und signalisierte mir zu warten. Er beugte sich vor, stützte die Hände auf die Knie und sog die Luft ein. Er klang, als schnaufe er seine letzten Atemzüge. Anstrengung rötete sein Gesicht, Schweiß bedeckte Stirn und Wangen. Ich wartete, bis Drew wieder zu Atem gelangt war.

»Was ist?« Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter. Sein Körper fühlte sich heiß an, das Hemd feucht vor Ausdünstungen. »Hast du einen Herzanfall oder so was?«

Keuchend schüttelte er den Kopf. »Sie haben gerade abgestimmt ... Chuck und die anderen.«

»Also ist es vorbei? Tja, Gott sei Dank haben wir das hinter uns. Jetzt können wir uns wieder damit beschäftigen, über eine Alternative nachzudenken und uns einen echten Plan einfallen zu lassen.«

»Nein ... Sie haben dafür gestimmt ... es zu tun. Sie haben mit Ja gestimmt.«

Ich erwiderte nichts. Konnte es nicht. Dafür war ich zu perplex. Ich hatte mich über diesen Wahnsinn lustig gemacht, seit Chuck es zum ersten Mal vorgeschlagen hatte. Ich hatte ihn nicht ernst genommen und geglaubt, die meisten der anderen taten das auch nicht. Na ja, zumindest nicht die Leute unserer Gruppe, die noch bei klarem Verstand waren. Einigen wenigen hätte ich zugetraut, darüber nachzudenken – denjenigen, die unter der Belastung unserer Situation allmählich einknickten. Aber ich war immer davon ausgegangen, dass letzten Endes die Vernünftigeren die Oberhand behielten. Dass die Mehrheit von uns nicht für etwas so vollkommen Irres wie Kannibalismus per Losentscheid stimmte. Deshalb hatte ich nicht einmal an der Gruppenversammlung teilgenommen. Ich war davon ausgegangen, die anderen würden Chuck wissen lassen, dass sie mit »Nein« stimmten, und damit die ganze verrückte Idee zu Grabe tragen. Ich meine, wer stimmt bei klarem Verstand tatsächlich dafür, sich einem Risiko von 1:26 auszusetzen, als Mahlzeit für den Rest der Gruppe zu enden?

Offenbar einige.

»Sie haben dafür gestimmt?« Meine Stimme glich einem bloßen Flüstern. »Dafür?«

Drew nickte. »Ja. Noch dazu einstimmig – abgesehen von mir. Ich hab mich natürlich dagegen ausgesprochen.«

»Niemand sonst? Nicht mal der Chinese?«

»Der hat auch dafür gestimmt.«

»Aber er spricht doch gar kein Englisch. Woher wusste der überhaupt, worüber sie abstimmen?«

Drew zuckte mit den Schultern.

»Also sind du und ich die einzigen Zurechnungsfähigen hier unten?«

»Sieht ganz so aus. Was sollen wir tun, Pete?«

»Ich weiß nicht, Kumpel. Ich weiß nicht.«

Eisenhower musterte uns. Sein Bronzegesicht blieb ausdruckslos. Auf der Leinwand lief immer noch Aqua Teen Hunger Force – Master Shake und Meatwad sangen ein Lied über Zombies. Die Ironie der Situation drehte mir den Magen um. Beiläufig wünschte ich, mir stattdessen Reba angesehen zu haben. Wenn ich schon sterben musste, holte ich mir doch lieber vorher zu Joanna Garcia einen runter, statt mich mit einer Horde von Zeichentrickfiguren zu amüsieren, so witzig sie auch sein mochten.

Drew streckte sich. Erfreut stellte ich fest, dass sowohl sein Teint als auch seine Atmung allmählich in den Normalzustand zurückkehrten. Nicht auszudenken, wenn er einem Herzinfarkt erlegen wäre, bevor unsere Mitüberlebenden die Chance erhielten, ihn anständig zu töten und zu verspeisen. Er schaute in den Gang hinaus und zog leise die Tür zu.

»Großer Gott ...« Fassungslos schüttelte ich den Kopf. »Ich kann diese Scheiße echt nicht glauben.«

»Das ist noch nicht alles, Pete. Es kommt noch schlimmer.«

»Wie kann es denn noch schlimmer kommen?«

»Da du nicht an der Versammlung teilgenommen hast, haben Chuck und die anderen entschieden ... Scheiße, ich weiß nicht, wie ich dir das beibringen soll.«

»Was haben sie entschieden? Sag mir einfach, was zum Teufel los ist.«

»Sie haben entschieden ... sie haben entschieden, dass du der Erste sein sollst. Sie ... sie meinten, das sei nur fair, weil alle anderen bereit waren, abzustimmen, obwohl es sie selbst hätte treffen können. Chuck sagte, weil du nicht den Mumm hattest, aufzukreuzen, hättest du dich respektlos gegenüber den anderen verhalten. Alle haben ihm zugestimmt. Na ja, zugestimmt ist wohl nicht das richtige Wort, aber sie haben sich zumindest nicht dagegen ausgesprochen. Statt das Los entscheiden zu lassen, wer uns als Nahrung dienen soll, machst du den Anfang.«

»Verarsch doch jemand anders.«

»Das ist kein Scherz. Du musst sofort abhauen, Pete. Sie kommen.«

Wie benommen stand ich da. Meine Arme hingen schlaff und taub an den Seiten hinab. Hände und Finger kribbelten, als seien sie eingeschlafen. Mein Arschloch kräuselte sich, meine Eier schienen zu schrumpfen. In meinem Magen nistete sich ein Gefühl ein, eine Empfindung, wie ich sie erst einmal im Leben verspürt hatte, und zwar an dem Tag, als mir meine Frau Alyssa nach acht Jahren Ehe mitteilte, dass sie mich verlassen wollte, um die Scheidung einzureichen.

An jenem Tag hatte ich mich auf die Couch gesetzt, obwohl ich eigentlich nur noch flüchten wollte, von ihr wegrennen, außer Hörweite dessen gelangen, was sie zu mir sagte. Wenn ich sie nicht hören konnte, wurden diese Drohungen auch nicht wahr, hatte ich mir eingebildet – aber ich konnte mich damals nicht von der Stelle rühren. An jenem Tag hatte sich mein Körper angefühlt, als gehöre er vorübergehend jemand anderem.

Nun befiel mich dasselbe Gefühl wie damals. Allerdings erwies sich diese Taubheit im Gegensatz zu dem, was Pink Floyd in Comfortably Numb behaupteten, in der Realität als nicht sonderlich angenehm. Es erinnerte mich vielmehr an die Vorstellung, in einer Badewanne voll Eis zu ertrinken. Drew sagte etwas zu mir, aber ich konnte ihn nicht verstehen. Das Klingeln in meinen Ohren war zu laut. Ich beobachtete seine Lippen, versuchte, seine Worte von ihnen abzulesen. Er packte mich an den Schultern und schüttelte mich heftig.

»Komm schon«, drängte er erneut. »Du musst abhauen, Pete. Reiß dich zusammen. Du musst dich verpissen, und zwar auf der Stelle.«

»Wo sind sie?« Es fiel mir schwer, Worte zu formen. Meine Zunge fühlte sich wie aufgeschwemmt an.

»Als ich sie zuletzt gesehen habe, befanden sie sich noch im Speisesaal.«

»Wie passend.«

»Sie haben darüber diskutiert, wie sie vorgehen sollen. Einige waren der Meinung, wir sollten es dir ins Gesicht sagen – das seien wir dir als anständige Menschen schuldig.«

Ich würgte Gelächter und Galle zurück. Drew bemerkte es nicht.

»Ein paar Leute meinten, wir sollten einfach warten, bis du einschläfst, und dich dann überwältigen, aber Chuck und der Rest waren dafür, schon früher zu handeln. Dann haben sie angefangen, darüber zu debattieren, wie. An der Stelle hab ich mich bereits zur Tür rausgeschlichen, um dich zu warnen. Wahrscheinlich diskutieren sie noch, aber lange dauert es bestimmt nicht mehr. Sie werden dich holen kommen. Deshalb musst du sofort weg, Mann.«

»Aber wohin? Der Grund für diese beschissene Abstimmung ist doch, dass wir hier gefangen sind. Wohin zur Hölle soll ich gehen, Drew?«

»Keine Ahnung.«

Verzweifelt schüttelte ich den Kopf. »Ich kann nicht nach draußen oder zurück ins Hotel. Dort sind noch die Zombies – sie treiben sich vor beiden Schutztüren rum. Was soll das für eine Alternative sein? Den Bunker verlassen und von den Toten gefressen werden oder hierbleiben und von den Lebenden gefressen werden? So oder so, ich bin erledigt.«

»Dann versteck dich.«

»Verstecken? Wo genau soll ich mich denn verstecken. Wir sind in einem Bunker, Drew. Was, verdammt noch mal, soll ich machen, wenn sie mich finden? Und sie werden mich finden. Was dann? Soll ich mich dann aus der Lage rausdiskutieren? Wir haben hier unten keine Waffen. Klar, es gibt Besteck in der Küche und Werkzeug und solchen Mist, aber ich kann mir den Weg nach draußen nicht mit einem elenden Buttermesser erkämpfen.«

Drew überlegte kurz. Dann grinste er aufgeregt, schnippte mit den Fingern und packte mich am Arm.

»Was ist mit dem Kraftwerk? Dort ist es dunkel und eng. Zwischen den Transformatoren, den Generatoren und dem restlichen Krempel gibt es alle möglichen Verstecke. Und das Beste daran: Dort ist es laut. Beim Lärm der ganzen Generatoren werden sie dich nie und nimmer hören. Versteck dich dort. Ich kann dir Wasser bringen, sobald sich eine Gelegenheit bietet.«

»Bis sie dich erwischen«, gab ich zurück. »Dann sind wir beide Futter.«

»Na ja, ich wüsste nicht, was du sonst für Möglichkeiten ...«

Abrupt verstummte er, als aus dem Gang Schritte ertönten, die näher kamen. Die Angst kehrte in Drews Augen zurück. Hektisch ließ er den Blick durch den Raum wandern.

»Schnell! Versteck dich!«

Ich hatte zwei Möglichkeiten – mich hinter die Tür zu stellen oder hinter Eisenhowers Büste zu ducken. Wenn ich mich an der Tür versteckte, bestand die Gefahr, dass mich derjenige bemerkte, der sie öffnete. Zwar herrschte im Raum abgesehen von der flimmernden Leinwand absolute Dunkelheit, aber wenn jemand die Tür zu kräftig aufstieß und sie gegen mich prallte, würde man mich entdecken. Ich schielte zu dem kleinen Podest, auf dem Eisenhowers Büste stand. Von bestimmten Positionen im Raum aus konnte man mich zweifellos dahinter kauern sehen. Meine einzige Hoffnung bestand darin, dass die Dunkelheit genau das verhinderte.

Gedämpfte Stimmen hallten durch den Flur, überlagert von der Hintergrundmusik des Cartoons. Die Schritte stoppten vor der Tür. Drew und ich starrten uns gegenseitig an. Ein Paar Schritte entfernte sich. Ich holte tief Luft und hielt den Atem an. Dann begann der Türknauf, sich zu drehen. Ich atmete aus, sprang über die Stühle und hechtete in dem Moment hinter das Podest mit der Eisenhower-Büste, als Licht in den Raum fiel.

»Wo ist er, Drew?«

Ich erkannte den Sprecher an seiner Stimme. Krantz, einer von Chucks Kumpanen. Ich bin mir nicht sicher, was er beruflich gemacht hat, bevor die Zombies die Welt überrannten. Ich glaube nicht, dass er es je erwähnt hat. Welchem Beruf auch immer er nachgegangen sein mochte, hier unten im Bunker verdingte er sich als Arschkriecher und Stiefellecker – einer jener Typen, die sich an das Alphatier des Rudels ranschmeißen und tun, was immer von ihnen verlangt wird, um akzeptiert, gemocht und beschützt zu werden.

Krantz war Mitte 40, hatte eine beginnende Glatze und den schlimmsten Fall von Kupferfinnen, dem ich je begegnet bin. Chronisch blutunterlaufene, tränende Augen. Sein Gesicht glich einem Geflecht spinnennetzartiger Adern. Die Nase erinnerte mich an eine verfaulte Frucht. Zum Zeitpunkt unserer Flucht hatte er außerdem einen gewaltigen Wanst gehabt. Mittlerweile hatte er so wie wir anderen einen deutlichen Gewichtsverlust erlitten. Der Mangel an Nahrung führte dazu, dass sich der Zustand seiner Haut drastisch verschlimmerte.

»Hallo, Krantz. Ich wollte gerade los, um euch zu suchen.«

Drew klang nervös. Ich hielt den Atem an und fragte mich, ob Krantz es bemerkte. Das tat er.

»Verarsch mich nicht, Drew. Dafür bin ich nicht in der Stimmung. Wo steckt dein Kumpel?«

»Pete?«

»Nein, die verfickte Zahnfee.«

»Ich weiß nicht, wo er ist.«

»Leg dich nicht mit mir an, Drew, ich mein’s ernst. Für dich kann das auf zwei Arten enden und ich glaube kaum, dass dir die zweite Möglichkeit sonderlich gefällt.«

»Ich sag dir doch, ich weiß nicht, wo er ist. Ehrlich, ich bin hergekommen, um nach ihm zu suchen. Ich dachte, er ist hier, weil er viel Zeit damit verbringt, sich Filme anzusehen. War er aber nicht. Ich wollte gerade zurück und euch anderen Bescheid geben. Ist die Versammlung zu Ende?«