Tigerherz - Der Berg des Feuers - Robin Dix - E-Book

Tigerherz - Der Berg des Feuers E-Book

Robin Dix

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Beschreibung

Tigerherz steht seine finale Prüfung bevor: die Höhle des Feuers. Nur wenn er sie besteht, wird er zum Schattenkrieger und kann seinen Thron zurückfordern. Doch wie schon so oft kommt ihm sein Erzfeind Eisenkralle in die Quere. Denn Tigerherz findet heraus, wie Eisenkralle seine todbringe Klaue erlangt hat. Er muss sich auf die Suche nach deren Ursprung machen und die anderen Waffen vernichten, sonst wird schon bald ein grausamer Krieg im Dschungel toben. Kann Tigerherz die Katastrophe verhindern und seinen ärgsten Feind besiegen?

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Seitenzahl: 264

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Inhalt

Cover

Über dieses Buch

Über den Autor/Illustrator

Titel

Impressum

Zitat

Prolog

1 Die letzte Prüfung

2 Unterwegs

3 Die Höhle des Feuers

4 In den Abgrund

5 Eiserne Klauen

6 Das Recht des Stärkeren

7 Das Erwachen

8 Eine wichtige Lektion

9 Der Beschluss des Rates

10 Mengangas Rückkehr

11 Pedangs Plan

12 Abschied

13 Im Dschungel

14 Verbündete?

15 Im Nebel

16 Einladung zum Essen

17 Gnadenlos gejagt

18 Hintergangen

19 Ein grausiger Fund

20 Semangata

21 Seltsame Träume

22 Am Berg des Feuers

23 Der Wächter des Drachen

24 Kalt erwischt!

25 Tukang

26 Im Herz der Finsternis

27 Das Blut des Drachen

28 Am Abgrund

29 Das Gleichgewicht der Kräfte

30 Auf Leben und Tod

31 Eine Prophezeiung erfüllt sich

32 In letzter Not

33 Unverhoffte Begegnung

34 Der Zorn des Drachen

35 Der König des Dschungels

Epilog

Karten

Über dieses Buch

Tigerherz steht seine finale Prüfung bevor: die Höhle des Feuers. Nur wenn er sie besteht, wird er zum Schattenkrieger und kann seinen Thron zurückfordern. Doch wie schon so oft kommt ihm sein Erzfeind Eisenkralle in die Quere. Denn Tigerherz findet heraus, wie Eisenkralle seine todbringende Klaue erlangt hat. Er muss sich auf die Suche nach deren Ursprung machen und die anderen Waffen vernichten, sonst wird schon bald ein grausamer Krieg im Dschungel toben. Kann Tigerherz die Katastrophe verhindern und seinen ärgsten Feind besiegen?

Über den Autor/Illustrator

Fabian Erlinghäuser arbeitet als Animation Supervisor für das Trickfilmstudio Cartoon Saloon in Irland. Er hat über 14 Jahre Erfahrung als Animator und Illustrator und u.a. für so renommierte Kunden wie Disney und Warner Special Marketing animiert. Der Kinofilm Song of the sea, bei dem er die Regie-Assistenz führte, wurde für den Oscar nominiert. Fabian Erlinghäuser hat schon für zahlrieche Verlage illustriert, ist freischaffender Zeichner für das bei Egmont erscheinende Mickey Maus-Magazin und unterrichtet seit 2010 jährlich an der Animation School Hamburg.

Robin Dix

DER BERG DES FEUERS

Band 3

Mit Illustrationen von Fabian Erlinghäuser

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Originalausgabe

Die Veröffentlichung dieses Werkes erfolgt auf Vermittlung der literarischen Agentur Peter Molden, Köln.

Copyright © 2018 by Robin Dix und Baumhaus in der Bastei Lübbe AG, Köln

Text- und Bildredaktion: Lisa Engels, Mathias Siebel

Covergestaltung: © Johannes Wiebel | punchdesign, München unter Verwendung von Motiven von shutterstock: Fona; MANSILIYA YURY; Julie Dreamcatcher; Ammit Jack; Petrovic Igor; Dudarev Mikhail

eBook-Produktion: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

ISBN 978-3-7325-5739-4

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

What the hammer? What the chain?

In what furnace was thy brain?

What the anvil? What dread grasp

Dare its deadly terrors clasp!

Welche Kett’ und Hammer fand

In welch’ Esse den Verstand?

Welcher Amboss, welche Welt

Deine Todesschrecken hält?

William Blake

Tyger, Tyger

Prolog

Ein Schrei gellte durch die Stille.

Die Vögel in den Baumkronen, welche sich über dem alten Palast von Astana in den grauen Himmel reckten, flatterten kreischend auf. Die Ratten in den Gängen und Stollen suchten quiekend das Weite.

Einst, vor langer Zeit, war der Palast die Heimat der Takrambuti gewesen, der kahlen Affen. Keines der Tiere, die im Dschungel lebten, hatte die Takrambuti jemals mit eigenen Augen gesehen. Doch die uralten Bilder, die an die Wände des verfallenen Palastes gemalt waren, ließen erahnen, wie sie ausgesehen hatten: aufrecht auf zwei Beinen gehend, fast völlig nackt, nur ein Büschel Fell auf dem Kopf. Und sie mussten mächtige Zauberer gewesen sein, denn sie hatten leblosem Stein die Form von Tieren gegeben: Affen, riesige Elefanten und sogar ein Abbild des Großen Drachen bewachten die Eingänge des alten Palastes, der sich inmitten des Dschungels auf einer Felsplattform erhob. Von den vielen Türmen, die er einst gehabt haben musste, waren nur fünf geblieben, und auch ihr Gestein war brüchig und von Wurzeln und Flechten überwuchert.

In glücklicheren Zeiten war der Palast von Astana der Herrschersitz großer Könige gewesen – mächtiger Tiger, die von hier aus den Dschungel regiert und über das Gleichgewicht der Natur gewacht hatten; doch dann war die Dunkelheit in den Palast von Astana zurückgekehrt.

In einer sturmgepeitschten Nacht hatte der grausame Tiger Eisenkralle den königlichen Palast überfallen. Mithilfe der hinterhältigen Kobra Bahaya hatte er den rechtmäßigen König Eisfell getötet und sich selbst zum Herrscher gekrönt. Seither herrschte Eisenkralle mit grausamer Macht und versetzte den Dschungel in Angst und Schrecken …

Erneut zerriss ein Schrei die Stille, gefolgt von einem gequälten Jaulen. Die Makaken–Affen, die den Palast bevölkerten und Eisenkralles Hofstaat bildeten, lachten schadenfroh. Denn jeder von ihnen wusste, wer da so erbärmlich schrie: der Schüler, den Eisenkralle vor Kurzem bei sich aufgenommen hatte und dem er nun seine ersten schmerzhaften Lektionen erteilte …

»War das alles?«

Die vor Hohn triefende Stimme Eisenkralles scholl durch die alten Gänge. Einige Makaken huschten los, um zu sehen, was dort vor sich ging. Sie fanden ihren Herrscher in einem Gewölbe, dessen Decke teils eingebrochen war. Im Lichtschein, der durch die Öffnung fiel, lag ein junger Tiger. Sein Gesicht war schmerzverzerrt, und er blutete aus einer Wunde an der linken Schulter. Den Schwanz hatte er eingerollt und zwischen die Beine gezogen.

Über ihm, im Halbschatten, stand ein ebenso großer wie hagerer Tiger. Sein Fell hatte die Farbe von Eiter, mit roten Einsprengseln am Rücken. Die Streifen, die seinen sehnigen Körper überzogen, waren gezackt wie die Blitze, die zur Zeit des Monsuns die Nacht erleuchteten. Dies war Eisenkralle, der Herr von Astana und König des Dschungels.

Seine gelben Augen leuchteten in wilder Glut. Hochmütig blickten sie auf den jüngeren Tiger hinab, der sich winselnd am Boden wand.

»War das alles?«, fragte er noch einmal und schüttelte mitleidig das kantige Haupt. »Dann wundert es mich nicht, dass die Bayangai dich nicht mehr unter ihresgleichen haben wollten. Du bist ein lausiger Kämpfer, Streifling.«

»Nennt … mich nicht so«, stieß der andere hervor, sich die blutende Schulterwunde leckend.

»Wie soll ich dich sonst nennen? Bei deinem Jägernamen? Ich wüsste nicht, dass du dir schon einen verdient hättest!«

»Kipas«, stieß der Jüngere hervor. Mit zusammengebissenen Zähnen raffte er sich auf die Beine. »Das ist mein Name«, erklärte er im Bemühen, einen letzten Rest Würde zu bewahren. »Und es ist nicht so, dass sie mich auf der Insel nicht mehr haben wollten. Ich bin freiwillig gegangen.«

»Weil sie dich sowieso verjagt hätten.« Eisenkralle bleckte die Zähne zu einem freudlosen Grinsen. »Früher oder später mussten ja selbst diese dämlichen Bayangai erkennen, dass du in Wahrheit nicht auf ihrer Seite stehst, sondern für mich arbeitest.«

»Sie hätten es niemals gemerkt«, versicherte Kipas bitter. »Weder Senjata, dieser alte Wichtigtuer, noch Kahaya«, fügte er hinzu und senkte den Blick.

»Deine Schwester«, meinte Eisenkralle und grinste genüsslich. »Vermisst du sie?«

»Nein«, behauptete Kipas schnell. »Weder sie noch sonst jemanden. Sie alle haben sich von mir abgewandt – und das nur seinetwegen.«

»Ah.« Eisenkralles Grinsen wurde noch breiter. »Nun kommen wir zum Kern der Sache.«

»Tigerherz ist schuld an allem«, war Kipas überzeugt. »Wäre er nicht gewesen, wäre ich noch immer Senjatas Liebling und könnte weiter auf der Insel der Bayangai als Euer Spion tätig sein. Aber so …«

»Du hast allen Grund, Tigerherz zu hassen«, stimmte Eisenkralle zu. »Und das ist gut so. Denn der Hass, mein junger Freund, gibt einem Krieger seine Stärke.«

»Die Bayangai sagen, dass unsere Stärke ein Geschenk des Großen Drachen sei. Und dass wir stets nur so stark sein dürfen, wie das Gleichgewicht der Natur es erlaubt.«

»Daran siehst du, wie dumm sie sind und wie feige«, folgerte Eisenkralle. »Sie fürchten sich vor ihrer eigenen Stärke, statt sich ihrer zu bedienen. Doch das ist ein Fehler. Im Dschungel herrscht ein gnadenloser Kampf ums Überleben, und wer nicht bereit ist, der Stärkere zu sein, der hat schon verloren.«

Er stieß ein bedrohliches Knurren aus, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, und hob seine linke Pranke – jene Pranke, an der die metallene Klaue befestigt war, der Eisenkralle seinen Namen verdankte.

Obwohl Kipas und er nicht wirklich gekämpft, sondern nur trainiert hatten, hatte er die Klaue zum Einsatz gebracht. Sie war der Grund dafür, dass Kipas an der Schulter blutete, und es schmerzte und brannte wie ein Schlangenbiss. Kipas fühlte sich betrogen, erniedrigt und gedemütigt – während er Eisenkralle gleichzeitig für dessen Rücksichtslosigkeit und Härte bewunderte.

»Wenn du damit zufrieden bist, ein Verlierer zu sein, dann geh zurück zu den Bayangai und lass dich verhätscheln«, spottete Eisenkralle weiter. »Ich kann keinen Schüler brauchen, der Angst davor hat, seine Stärke rücksichtslos einzusetzen. Rücksicht ist etwas für Schwächlinge!«

»Das tue ich nicht«, verteidigte sich Kipas und versuchte, auf dieselbe Weise zu grinsen wie sein neuer Meister. »Ich habe keine Angst, mein König – weder davor, stark zu sein, noch vor sonst etwas.«

»Glaubst du das wirklich?« Eisenkralle lachte kehlig. »Jeder hat vor etwas Angst, Streifling.«

»Also auch Ihr?«, folgerte Kipas.

»Unfug«, knurrte der Ältere.

»Ist es wahr, was man erzählt?«, wollte Kipas wissen.

»Was erzählt man denn?«

»Dass das Krokodil Menganga Euch geweissagt hat, dass Ihr ein großer Herrscher sein werdet, aber dass der Sohn von König Eisfell Euch einst gefährlich werden könnte?«

Eisenkralle zuckte zusammen. Sein Grinsen erstarrte, so als wäre er selbst einer der steinernen Wächter draußen vor dem Palast. »Erinnere mich nicht daran«, knurrte er.

»Also ist es wahr?«, hakte Kipas trotzdem nach. »Ist das der Grund, warum wir denselben Feind haben?«

Eisenkralle gab seine statuengleiche Haltung auf und trat auf Kipas zu, von innerer Unruhe getrieben. Sein Schwanz peitschte dabei hin und her. »Ich bin der Sohn von König Feuerfell und wurde dazu geboren, über den Dschungel zu gebieten«, sagte er. »Doch mein eigener Vater hat diesen dahergelaufenen Niemand namens Eisfell mir vorgezogen und lieber ihm die Krone des Dschungels gegeben als seinem leiblichen Sohn! Also musste ich mir mit Gewalt nehmen, was mir von Geburt an zustand – und ich werde es mir von niemandem nehmen lassen. Auch nicht von Raja Tigerherz.«

Kipas bleckte die Zähne und knurrte. Sein Hass auf König Eisfells Sohn war grenzenlos. Tigerherz trug Schuld an allem, was ihm widerfahren war, nur seinetwegen hatte er die Insel der Schatten verlassen müssen.

Jedenfalls redete sich Kipas das ein …

»Ich weiß, was in dir vorgeht«, behauptete Eisenkralle, »denn ich weiß besser als jeder andere, was es bedeutet, stets nur die Nummer zwei zu sein. Deshalb habe ich dich in mein Gefolge aufgenommen und dir gestattet hierzubleiben – aber übertreibe es nicht, Streifling. Ich bin weder dein Lehrer wie Senjata, noch bin ich dein Freund.«

»Ich brauche weder das eine noch das andere«, versicherte Kipas knurrend. »Ich will nur eins, nämlich Rache. Rache an Tigerherz! Und an Kahaya! Dafür, dass sie mich verraten hat …«

Eisenkralles gelbe Augen sahen ihn durchdringend an. »Bist du sicher, dass du das wirklich tun willst? Dass du den Mut hast, dich gegen deine Freunde zu stellen?«

»Wie ich schon sagte.« Kipas streckte den Rücken durch und warf sich stolz in die Brust, trotz der Schmerzen in seiner Schulter. »Ich brauche keine Freunde. Ich will Rache.«

Noch einen Moment ruhte Eisenkralles Blick auf ihm. Dann warf der Tyrann des Dschungels den Kopf in den Nacken und stieß ein raues Gelächter aus, das sich wie Gebrüll anhörte und bis hinaus in den Urwald drang.

1 Die letzte Prüfung

»Raja?«

Der junge weiße Tiger hörte die warme tiefe Stimme, aber nahm sie nicht wirklich wahr. Zum einen, weil er in Gedanken versunken war; zum anderen aber auch, weil der Name, unter dem er einst in einer stürmischen Monsunnacht das Licht der Welt erblickt hatte, inzwischen keine Bedeutung mehr für ihn hatte.

Als Raja, Sohn und Erbe von König Eisfell, war er zur Welt gekommen. Doch inzwischen nannte man ihn bei seinem Jägernamen, den er sich im Laufe gefährlicher Abenteuer und harter Prüfungen erworben hatte:

Tigerherz.

»Raja«, nannte die Stimme ihn dennoch wieder bei seinem alten Namen – und Tigerherz fand ins Hier und Jetzt zurück.

Er befand sich auf der Insel der Bayangai, in der Höhle des Schwarzen Panthers Senjata. Senjata war nicht nur der Oberste Kendar und somit der Anführer des Bundes der Schattenkrieger, die auf der Insel lebten; er war auch Tigerherz’ väterlicher Freund und Mentor. Als Leibwächter am königlichen Hof von Astana war Senjata damals dabei gewesen, als Eisenkralle König Eisfell in der Nacht von Rajas Geburt hinterlistig überfallen und getötet hatte …

»Ja, Meister?«, fragte Tigerherz und sah den Schwarzen Panther an, dessen strenge Miene von vielen Kämpfen gezeichnet war.

»Du bist unaufmerksam«, tadelte der Oberste Kendar ihn.

Tigerherz nickte und sah betreten zu Boden. »Bitte verzeiht, Meister«, sagte er schuldbewusst. »Ich wollte Euch nicht kränken. Es ist nur …«

»Es ist viel geschehen«, sagte Senjata.

»Sehr viel.« Tigerherz nickte abermals und fühlte die Blicke der gelbgrünen Pantheraugen auf sich ruhen. Senjata hatte ihn zu sich bestellt, in seine Höhle im Inneren des Felsens, der wie der Kopf eines riesigen Tigers aussah. Und hierhin wurde man gewöhnlich nur dann bestellt, wenn es etwas Wichtiges zu besprechen gab …

»Wie geht es dir?«, wollte Senjata wissen.

»Gut«, versicherte Tigerherz, auch wenn das nur die halbe Wahrheit war. Schließlich lag ihr Abenteuer im alten Tempel der Takrambuti erst wenige Wochen zurück, und die Erinnerungen daran waren noch immer gegenwärtig. Nur mit knapper Not waren Tigerherz und seine Freunde der Falle entkommen, die Eisenkralle ihnen gestellt hatte; und obwohl es ihnen am Ende gelungen war zu fliehen, war der Preis dafür hoch gewesen.

Ayah, der alte Tiger, der schon Tigerherz’ Eltern gekannt hatte und zu dem seine Mutter ihn einst geschickt hatte, war nicht mehr am Leben. Eisenkralle hatte ihn getötet, ihn kaltblütig mit der Metallklaue durchbohrt, und noch immer trauerte Tigerherz um seinen alten Freund.

Dazu kam, dass Kahaya, seine Meisterin, auf der Flucht verletzt worden war; ihr rechter Vorderlauf war gebrochen, und obwohl die Heiler der Bayangai alles taten, damit sie sich rasch erholte, waren ihre Kräfte noch nicht wiederhergestellt. Senjata selbst hatte deshalb die Aufgabe übernommen, Tigerherz die letzten Geheimnisse der Schattenkrieger zu offenbaren …

»Die Opfer waren groß, aber sie sind nicht vergeblich gewesen«, sagte der Schwarze Panther.

»Meint Ihr?« Tigerherz sah ihn zweifelnd an.

»Ayah hat sich geopfert, weil er an dich geglaubt hat, Junge. An das, was du bereits bist – und auch an das, was du noch werden kannst. Du bist der Sohn von König Eisfell, der rechtmäßige Erbe des Throns von Astana. Auf dir ruht die Hoffnung des Dschungels.«

Tigerherz sah überrascht zu ihm auf.

Senjata sprach nur selten über seine Herkunft. Meist war Tigerherz für ihn nur ein einfacher Schüler, ein Pelajar unter vielen. Dass er ein Prinz des Dschungels war, spielte auf der Insel der Bayangai keine Rolle. Und eigentlich war Tigerherz auch ganz froh darüber …

»Was denn?«, fragte der Oberste Kendar, als könnte er Tigerherz’ Gedanken lesen. »Bist du überrascht, dass ich über diese Angelegenheit spreche?«

»Ein bisschen«, gab Tigerherz zu.

»Mir war das große Glück beschieden, deine Eltern gut zu kennen«, sagte der Panther, und seine Stimme wurde sanft dabei. »Ich sehe viel von ihnen in dir, mein Junge. Nicht nur dein Fell ist so rein und weiß wie das deines Vaters; du hast auch sein gutes Herz geerbt, seinen Sinn für Gerechtigkeit und seinen eisernen Willen; von deiner Mutter hingegen hast du ihren Mut, ihre Liebenswürdigkeit und ihre Bereitschaft, sich für jene einzusetzen, die schwächer sind als wir.«

»Kann sein.« Tigerherz nickte. »Aber was nützt das alles, wenn ein anderer auf dem Thron von Astana sitzt?«

»Eisenkralle ist ein schrecklicher Gegner«, stimmte Senjata zu. »Mit Gewalt und Hinterlist hat er die Herrschaft über den Dschungel an sich gerissen und Dunkelheit über uns alle gebracht. Viele, die ich kannte, haben im Kampf gegen ihn ihr Leben verloren, der alte Ayah war nur einer von ihnen. Doch sie alle sind in der Hoffnung aus dieser Welt gegangen, dass Eisenkralle besiegbar ist und seine Schreckensherrschaft irgendwann ein Ende finden wird. Und das, mein Junge, bringt dich ins Spiel …«

Tigerherz nickte.

Ihm war klar, worauf der Panther anspielte – auf die Prophezeiung, die das Krokodil Menganga Eisenkralle einst offenbart hatte. Aus diesem Grund setzte Eisenkralle alles daran, Tigerherz zu beseitigen, und nicht viel hätte gefehlt, und es wäre ihm gelungen …

»Ich habe Angst, Meister«, gestand Tigerherz leise.

»Vor Eisenkralle?« Senjata nickte grimmig. »Das ist gut so, du darfst ihn nicht unterschätzen. Und die Furcht macht einen Schattenkrieger vorsichtig.«

»Er ist so viel stärker als ich«, gab Tigerherz kleinlaut zu. »Er war stärker als Ayah, und ganz sicher ist er auch stärker als …« Tigerherz unterbrach sich und sah wieder zu Boden.

»Stärker als ich, meinst du?«, hakte Senjata nach. »Das ist er, und es ist keine Schande, dies zuzugeben. In der Nacht, da du zur Welt gekommen bist, habe ich bereits einmal gegen ihn gekämpft und es teuer bezahlt«, versicherte er mit Blick auf seine Narben. »Dennoch werde ich die Hoffnung nicht aufgeben, dass eines Tages ein Tiger kommt, der stärker ist als Eisenkralle und ihn besiegen kann – und wenn ich dich ansehe, so denke ich, dass du dieser Tiger sein wirst.«

»Glaubt Ihr?«

»Aber nur ein Schattenkrieger, dessen Ausbildung abgeschlossen und der ein Meister der Jagd und des Kampfes ist, wird fähig sein, Eisenkralle zu besiegen – und deshalb, mein Junge, wirst du deine Ausbildung nun endlich beenden. Eine Prüfung steht noch aus, wie du weißt …«

Tigerherz knurrte leise.

Er hatte befürchtet, dass Senjata ihn aus genau diesem Grund zu sich bestellt hatte …

»Die Höhle des Feuers«, sagte er.

»Die Zeit ist reif«, bestätigte Senjata nickend. »Du wirst dich dorthin begeben, zusammen mit deiner Meisterin …«

»Aber Kahaya ist noch immer verletzt«, wandte Tigerherz ein. »Ihr gebrochener Vorderlauf ist noch nicht vollständig geheilt. Sie kann nicht …«

»Ich denke, dafür wird es genügen«, sagte eine sanfte Stimme, und eine schlanke Gestalt tauchte im Eingang von Senjatas Höhle auf, als hätte sie nur darauf gewartet.

Es war Kahaya.

Mit Bewegungen, die elegant und anmutig waren, obwohl sie auf ihrem rechten Vorderlauf leicht humpelte, trat die Tigerin zu ihnen. Kahaya war nur wenig älter als Tigerherz, jedoch schon sehr viel länger als er bei den Bayangai, weshalb sie bereits den Rang eines Kendars innehatte. Als sie Tigerherz als Meisterin zugeteilt worden war, war dieser zunächst wenig begeistert gewesen, denn für ihn hatte es so ausgesehen, als könnte Kahaya ihn nicht leiden und würde ihn von früh bis spät nur schikanieren.

Doch Tigerherz hatte sich geirrt.

Kahaya war nicht nur die beste Meisterin, die er sich hatte wünschen können, sondern auch eine treue Freundin. Als Einzige der Bayangai hatte sie zu ihm gehalten, als sich alle anderen von ihm abgewandt hatten, zuletzt sogar gegen ihren eigenen Bruder Kipas. Allein schon dafür war er ihr von Herzen dankbar, zumal er wusste, dass die Trennung von Kipas sie schrecklich traurig machte …

Er nickte ihr zur Begrüßung zu, und sie erwiderte sein Nicken mit einem sanften Schnurren, ehe sie sich Senjata zuwandte. »Oberster Kendar«, sagte sie feierlich, »ich melde mich zurück zum Dienst.«

»Nein«, widersprach Tigerherz ungefragt. »Das ist noch zu früh. Du bist noch nicht stark genug!«

»Willst du es nicht deiner Meisterin überlassen, das zu beurteilen, Pelajar?«, fragte Senjata.

»Selbstverständlich«, antwortete Tigerherz schnell, der sich plötzlich wie ein gescholtenes Kind vorkam. »Ich meinte nur …«

»Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich annehmen, dass du dich vor der letzten Prüfung drücken willst«, meinte der Oberste Kendar. »Aber natürlich ist das Unfug, nicht wahr?«

»Natürlich«, schnaubte Tigerherz.

So ganz sicher war er sich allerdings nicht …

»Tigerherz ist bereit für die letzte Prüfung«, ergriff Kahaya für ihn das Wort, »und ich als seine Meisterin bin es ebenfalls.«

»Gut.« Senjata nickte. »Morgen bei Tagesanbruch werdet ihr ausziehen, um euch der letzten Prüfung zu stellen. Die Höhle des Feuers erwartet euch.«

»Ist sie weit entfernt?«, wollte Tigerherz wissen.

»Für die einen ist sie unerreichbar – für diejenigen, die sich das Privileg verdient haben, sie zu betreten, ist sie in einer halben Tagesreise zu erreichen«, erwiderte Senjata. »Ich weiß, dass dir im Augenblick nicht danach ist, mein Junge. Dass du noch immer trauerst und Ängste in deinem Herzen trägst. Und wisse, dass du ihnen allen in der Höhle des Feuers begegnen wirst. Entweder wirst du an ihnen scheitern, oder du wirst die Höhle des Feuers stärker verlassen, als du es jemals zuvor gewesen bist.«

»Was heißt das?« Tigerherz legte den Kopf schief. »Ich fürchte, ich verstehe nicht, Oberster Kendar.«

»Da gibt es nichts zu verstehen. Die Höhle des Feuers zeigt jedem von uns etwas anderes. Sie wird dir sagen, was für eine Art Krieger du werden wirst. Sei also auf der Hut, und nimm diese letzte Prüfung nicht zu leicht. Und jetzt geh, Tigerherz, und bereite dich zusammen mit deiner Meisterin darauf vor. Möge der Geist des Großen Drachen euch geleiten.«

2 Unterwegs

Früh am nächsten Morgen brachen sie auf – und blieben nicht lange allein. Denn nicht nur Biru hatte sich zu ihnen gesellt, der vorwitzige kleine Gecko, der schon Tigerherz’ Eltern als weiser Ratgeber gedient hatte und niemals von seiner Seite wich; sondern auch zwei andere alte Bekannte, die bereits ungeduldig auf sie gewartet hatten, als Tigerherz und Kahaya endlich das Ufer erreichten.

Der eine war klein und keck, und seine Augen waren beinahe so groß wie sein Kopf, der wiederum fast die Größe seines schmächtigen, von kurzem grauen Fell überzogenen Körpers hatte.

Dies war Luku, der Koboldmaki.

Der andere war groß und tapsig, hatte dunkles Fell und eine kurze Schnauze und war eigentlich immer hungrig. Außer wenn er schlief, und das tat er gewöhnlich den ganzen Tag.

Das war Makan, der Malaienbär.

Nicht nur, dass die beiden unzertrennlich waren – vor langer Zeit, als Tigerherz verloren durch den Dschungel gestreift war, hatten sie ihn in den Kreis ihrer Freundschaft aufgenommen. Und diese Freundschaft hielt noch immer an, auch wenn sie erst vor Kurzem einer harten Prüfung unterzogen worden war.1

»Müssen wir wirklich den halben Tag latschen?«, fragte Makan wenig begeistert. Genau wie Luku jagte auch er nachts.

»Es wird uns nichts anderes übrig bleiben«, meinte Kahaya lächelnd. »Es sei denn, uns wachsen plötzlich Flügel – aber damit ist wohl nicht zu rechnen.«

»Ihr müsst uns nicht begleiten«, fügte Tigerherz hinzu. »Wenn euch der Weg zu weit ist …«

»Ist er nicht!«, versicherte Luku aus luftiger Höhe. Anders als seine vierbeinigen Freunde bewegte sich der Koboldmaki vorwärts, indem er wieselflink über Äste und Wurzeln sprang und dabei weite Strecken zurücklegte. Seinen langen Schwanz benutzte er als Steuer, was ziemlich komisch aussah. »Außerdem müssen wir dich doch begleiten – man hat ja gesehen, was passiert, wenn wir dich mal kurz aus den Augen lassen!«

Er kicherte, während Tigerherz nur beschämt knurrte – denn in Wahrheit war es genau umgekehrt gewesen.

Nicht Luku und Makan, sondern Tigerherz hatte seine Freunde aus dem Blick verloren. Daraufhin hatte Eisenkralles Affenhorde die beiden entführt, und um ein Haar hätte es übel mit ihnen geendet. Als Folge hatten die Freunde einander geschworen, sich niemals wieder zu trennen – und was Luku und Makan betraf, nahmen sie das durchaus wörtlich. Der Zugang zur Insel der Bayangai war ihnen zwar verwehrt, jedoch hielten sie sich stets in der Nähe des Ufers auf, sodass Tigerherz sie immer besuchen konnte.

»Was für eine Prüfung ist das eigentlich, die Tigerherz ablegen muss?«, erkundigte sich Biru, der es von allen am leichtesten hatte – der türkisfarbene kleine Gecko saß auf Tigerherz’ gestreiftem Rücken und ließ sich von ihm tragen – durch Haine von riesigen Tualang–Bäumen, Dickicht aus kräftigen Wurzeln und Wälder aus grünem Bambus.

»Es ist nicht wirklich eine Prüfung«, erwiderte Kahaya, die noch immer leicht humpelte – sie kamen deshalb etwas langsamer voran als gewöhnlich. »Tatsächlich habe ich noch nie erlebt, dass jemand an der Höhle des Feuers gescheitert wäre.«

»Klingt beruhigend«, meinte Tigerherz.

»Aber auch sinnlos«, kommentierte Luku keck.

»Das ist wahr«, pflichtete Biru bei. »Wozu ist eine Prüfung denn gut, wenn schon von vornherein feststeht, dass man sie besteht, geck-gecko?«

»Wer weiß?«, kommentierte Makan gähnend. Er blieb stehen und kratzte sich mit den langen Krallen. »Tiger sind manchmal echt seltsam, weißt du.«

»Ich darf nicht darüber sprechen«, entgegnete Kahaya ausweichend. »Und selbst wenn, könnte ich es euch nicht sagen. Denn die Prüfung in der Höhle des Feuers bedeutet für jeden etwas anderes.«

»Was soll das nun wieder heißen?«, fragte Luku. »Warum sprechen die Bayangai immer in Rätseln?«

Tigerherz lächelte still in sich hinein.

Früher hatte er sich dieselbe Frage gestellt – inzwischen glaubte er, zumindest zu erahnen, warum es so war … »Weil jede Antwort, die jemand dir gibt, nur immer neue Fragen aufwirft«, erklärte er seinem kleinen Freund. »Letztlich kannst nur du allein die wahren Antworten für dich finden.«

»Bravo. Wenigstens war nicht alles vergeblich, was ich dich gelehrt habe«, lobte Kahaya und stieß ihn sanft von der Seite an.

Sie hatte sich sehr verändert, seit er ihr das erste Mal begegnet war, damals als junger Tiger, der auf der Insel der Bayangai aufgenommen werden wollte – und brüsk abgewiesen worden war. Und auch als Kahaya zu seiner Meisterin bestimmt worden war, hatte es eine scheinbar unüberbrückbare Distanz zwischen ihnen gegeben. Davon war nichts geblieben. Kahaya und er verstanden sich so gut, dass bisweilen schon ein Blick zwischen ihnen genügte, um sich zu verständigen …

Aber auch Tigerherz war nicht mehr derselbe wie einst. Aus dem hochmütigen Dschungelprinzen war ein Jäger geworden, und auch wenn er noch weit davon entfernt war, die Erfahrung eines Meisters zu besitzen, war er doch auf dem besten Weg dahin.

Seit dem Tod seiner Mutter, seit sie ihm aufgetragen hatte, den alten Tiger Ayah zu suchen und ein Bayangai zu werden, hatte er davon geträumt, die letzte Prüfung abzulegen und in den ruhmreichen Kreis der Schattenkrieger aufgenommen zu werden. Doch nun, da er kurz vor der Erfüllung dieses Traumes stand, dachte er nicht mehr an Ruhm und Ehre, sondern an die Verantwortung, die damit verbunden war. Und auch daran ließ sich ermessen, wie sehr sich Tigerherz in den vergangenen Monden geändert hatte …

»Aber wenn die Prüfung in der Höhle des Feuers für jeden etwas anderes bedeutet, dann kannst du uns doch wenigstens von deiner Prüfung erzählen, Kahaya«, verlangte Luku neugierig.

»Lieber nicht«, erwiderte die Tigerin leise.

»Bitte«, bettelte nun auch Makan, der gemächlich hinter ihnen hertrottete. »Ich schlafe sonst gleich ein vor Langeweile.«

»Mich würde es auch interessieren, wenn ich ehrlich bin«, gestand Biru ein, der auf Tigerherz’ Kopf geklettert war und wissbegierig zu Kahaya hinüberlugte – doch sie schien nicht gewillt, etwas zu erzählen.

Sie senkte das Haupt, und in diesem Moment sah es so aus, als würde sie noch ein wenig stärker humpeln als sonst. Tigerherz, der den Grund dafür zu spüren glaubte, beschloss ihr zu helfen.

»Kommt schon, Leute, lasst sie in Ruhe«, ermahnte er seine Freunde – und fühlte den dankbaren Blick, den Kahaya ihm dafür zuwarf.

Was immer es gewesen sein mochte, das ihr bei ihrer Prüfung in der Höhle des Feuers begegnet war, es hatte ihr Angst gemacht.

Und plötzlich ertappte sich auch Tigerherz dabei, dass er leise Furcht empfand.

3 Die Höhle des Feuers

Der Marsch durch den Dschungel hatte länger gedauert, als Senjata angekündigt hatte.

Zum einen lag das an Kahayas verletztem Bein, das die Gefährten immer wieder zu Pausen zwang; zum anderen aber auch an Makan, der es tatsächlich fertigbrachte, unterwegs immer wieder mal einzuschlafen, und jedes Mal geweckt werden musste.

Erst am späten Nachmittag erreichten sie den Ort, an dem die letzte Prüfung stattfinden sollte. Die Prüfung, nach deren Bestehen Tigerherz ein vollwertiger Schattenkrieger sein würde, ein echter Bayangai …

Die Landschaft hatte sich verändert.

Das Grün des Waldes war verblasst, und die Bäume waren seltener geworden. Dafür war schwarzes Gestein zutage getreten, das in der Sonne glitzerte. Nur noch ein paar verkrüppelte Bäume gab es hier, ansonsten herrschte karge Ödnis, die wie eine schwarze Wunde im Dschungel klaffte und die vor allem Luku schwer zu schaffen machte.

»Wie sieht’s denn hier aus?«, beschwerte sich der kleine Kobold– maki, der nun, da er nicht mehr von Ast zu Ast hüpfen konnte, auf Makans breitem Rücken kauerte. »Kein Baum weit und breit, das ist ja entsetzlich.«

»Was is’n hier passiert?«, wollte auch Makan wissen.

»Der Atem des Drachen«, erwiderte Kahaya beklommen.

»Was weißt du darüber?«, fragte Biru.

»Nicht sehr viel – nur dass dieses Land einst blühend war und grün. Doch der Zorn des Großen Drachen hat alles ausgelöscht. Nur das schwarze Gestein ist geblieben, auf dass es uns alle ewig an die Macht des Drachen erinnert – und in der Tiefe schwelt noch immer die Hitze seines Feuers.«

Erst jetzt fiel Tigerherz auf, dass Kahaya recht hatte. Denn aus den Rissen und Spalten, die den schwarzen Boden überzogen, drang Rauch wie von Feuer, und ein beißender Gestank lag in der Luft. Und die Hitze, die sie alle spürten, rührte nicht von der Sonne über ihnen, sondern von dem Boden, auf dem sie standen.

»Aua«, brummte Makan und rieb sich die Pfoten. »Der Stein ist ja richtig heiß.«

»Das ist der Atem des Drachen«, versicherte Kahaya. »Auch nach all der Zeit ist er noch immer mächtig.«

»Und dorthin müssen wir?«, fragte Luku unbehaglich.

»Wir nicht«, schränkte Kahaya ein. »Nur Tigerherz.«

Tigerherz schluckte.

Er merkte, wie sich aller Blicke auf ihn richteten, und gab sich Mühe, sich seine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen. Die Gegend gefiel ihm nicht, und der Gedanke, sich ganz allein dort hinauszuwagen, gefiel ihm noch viel weniger. Aber ihm war klar, dass es kein Zurück gab.

Nicht mehr …

»Wo ist die Höhle des Feuers?«, wollte er wissen.

»Sie liegt in dieser Richtung«, sagte Kahaya und hob die eben erst verheilte Pfote, um geradeaus zu deuten. »Der Eingang ist ein breiter Spalt im Gestein. Du kannst ihn nicht verfehlen.«

»Verstanden«, knurrte Tigerherz nur und wappnete sich innerlich für die bevorstehende Aufgabe. Jeder Pelajar fand etwas anderes im Inneren der Höhle, hatte Kahaya gesagt – was ihn dort wohl erwarten würde?

»Ich weiß, was du jetzt denkst«, versicherte Kahaya sanft.

»Woher willst du das wissen?«

»Weil sich jeder Schüler in diesem Moment dieselbe bohrende Frage stellt. Auch ich habe Senjata damals gefragt, was ich in der Höhle vorfinden werde.«

»Und? Was hat er geantwortet?«

»Dass man vor allem eines in der Höhle des Feuers findet«, gab Kahaya zur Antwort, »nämlich sich selbst. Und soweit es mich betrifft«, fügte sie leiser und – so kam es Tigerherz vor – auch ein wenig traurig hinzu, »hat er recht behalten. Du brauchst dich also nicht zu fürchten.«

»Tue ich nicht!«, versicherte Tigerherz sofort. »Na ja, vielleicht ein kleines bisschen«, gab er dann zögernd zu – und auch das wäre ihm noch vor nicht allzu langer Zeit niemals über die Lippen gekommen. Aber seine Schwächen zu erkennen, sie sich einzugestehen und sie zu überwinden war eine der wichtigsten Tugenden der Bayangai.

Sie machte nicht schwächer.

Sondern am Ende nur noch stärker.

Tigerherz streckte die Vorderbeine und bückte sich, sodass Biru von seinem Rücken klettern konnte.

»Leb wohl, Raja, des Eisfells Sohn«, erklärte der Gecko feierlich. »Ich war am Tag deiner Geburt dabei, und ich werde nun auch dabei sein, wenn aus dem Knaben der Jäger wird. Ich glaube nicht, dass ich jemals so stolz auf dich war, wie gerade in diesem Augenblick, geck-gecko!«

»Danke«, sagte Tigerherz gerührt. »Aber noch habe ich die Prüfung nicht bestanden.«

»Pfff, was gibt es da zu bestehen?«, fragte Luku mit großen Augen. »Du hast doch gehört, durchfallen gibt’s nicht. Also zieh los und zeig’s ihnen. Du bist der erste Verlorene, der ein Bayangai wird!«

Tigerherz nickte – die Verlorenen.