Tinka und Mia: Wir Katzen vom Fluß - Maria Roth - E-Book

Tinka und Mia: Wir Katzen vom Fluß E-Book

Maria Roth

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Beschreibung

In einer alten Scheune am Fluss leben viele heimatlose Katzen. Da gibt es die dreibeinige Tinka, ihre beste Freundin Mia, Carlos, der Streunerkönig und der kleine Unglücksrabe Dandi. Zusammen erleben die Hauptdarsteller der Geschichte viele Abenteuer. Glückliche Erlebnisse, Geschichten, die uns zum Lachen bringen und traurige Geschichten - bei den Katzen vom Fluss ist immer was los! Eines Tages gibt es für die Katzen ein großes Unglück. Die Streuneroma, welche Tag für Tag die Katzen mit Futter versorgt, ist plötzlich verschwunden, und als auch noch Tinka von gemeinen Tierfängern eingefangen wird, wissen Mia, Carlos, Dandi und die anderen Katzen keinen Ausweg mehr. Doch alles wendet sich zum Guten: Die Streuneroma, die ins Krankenhaus musste, bekommt Unterstützung von ihrer Tochter und anderen Menschen, und als eines Tages der Obdachlose Joschka in der alten Scheune Zuflucht findet, ändert sich im Leben der Katzen vom Fluss vieles. Die Katzen vom Fluss - ein Buch für alle Menschen die Tiere lieben! Die Sorge für die heimatlosen Katzen bringt Menschen zusammen und gemeinsam schaffen sie, was vorher unmöglich schien.

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Seitenzahl: 281

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

1. Kapitel

Wenn Tiere eine menschliche Stimme hätten, würden sie uns von ihrem Leben erzählen. Sie würden uns von ihren Leiden, die sie durch Menschen erfahren, berichten, und sie würden von der Hoffnung erzählen, die Menschen ihnen schenken. Leider haben Tiere keine menschliche Stimme. Darum müssen wir Menschen für sie sprechen.

Ich kann mich noch gut erinnern! Damals, als ich ein kleines Kätzchen war, lebte ich mit meiner Mutter und meinen Geschwistern in einem schönen warmen Stall. Unsere Mutter war die ganze Nacht auf der Jagd nach Mäusen. Wir hatten eine tolle Mutter, die gut für uns sorgte. Nie hatten wir Hunger, und unser Leben auf dem Bauernhof war spannend, als wir die Welt auf unseren eigenen Beinen erkunden konnten.

Es gab einen Hund, der, wenn er uns sah, ganz komische Geräusche von sich gab. Ich glaube, er mochte uns Katzen, denn einmal, als ich satt im Heu schlief, ist er zu mir gekommen und hat meinen Kopf mit seiner großen Zunge geleckt. Das war vielleicht komisch. Ich war sehr erschrocken und habe mich versteckt.

Es gab auch noch andere Tiere. Große Tiere, die uns Katzen aber wenig Beachtung schenkten. Meine Mutter erzählte mir oft, ich sei ihre kleine Prinzessin. Während meine Brüder fast schwarz waren, hatte ich ein hübsches silberweißes Fell.

An einem schönen Sommertag, kam ein Mensch in den Stall und packte mich. Ich schrie vor Entsetzen und zappelte. Es half mir nicht. Ich war ein ganz kleines Kätzchen, und die Hand, die mich hielt, war sehr groß.

Der Mensch steckte mich in einen dunklen Karton. Voller Panik schrie ich nach meinen Geschwistern und meiner Mutter. Ich hörte meine Mutter, die entsetzt nach mir rief, aber ihre Stimme wurde plötzlich von einem lauten Brummen übertönt, das mir große Angst machte. Ich wurde in der dunklen Kiste hin und her geschleudert, und plötzlich war es still. Die Kiste wurde geöffnet und die Hand packte mich wieder. Ich saß auf dem harten Boden. Allein! Kein weiches Stroh, keine Mutter, keine Geschwister, auch keine anderen Tiere. Mit ohrenbetäubendem Lärm kamen kleine Menschen auf mich zu, packten mich, rissen mich hoch. Ich habe geschrien und wild um mich geschlagen. Sie ließen mich auf den harten Boden fallen. Es tat weh. Ich rappelte mich auf, so schnell es ging versteckte ich mich unter dem Schrank.

Dort saß ich sehr lange. Ich zitterte und bebte vor Angst, und vor lauter Angst, machte ich eine Pfütze. Ein Stock tauchte unter dem Schrank auf, und ich wurde aus meinem Versteck gejagt. Alles war laut, und ich hatte so große Angst. Immer wieder suchte ich nach neuen Verstecken. Die Menschen haben mich verfolgt.

Irgendwann war es still und dunkel. Ganz dringend musste ich mein Geschäft verrichten, und das wollte ich doch nicht auf dem harten, kalten Fußboden tun. Ich wollte doch mein Geschäft verscharren, so, wie ich es von meiner Mutter gelernt hatte. Ich nahm all meinen Mut zusammen, schlich aus meinem Versteck und erkundete diese fremde Welt, in der es keine vertrauten Gerüche gab und keine vertrauten Geräusche. Ich war ganz allein!

Schließlich fand ich eine Sandkiste, in der ich eine kleine Mulde graben konnte. In dieser kalten, fremden Welt fand ich etwas, das gut roch. Ich hatte sehr großen Hunger und probierte von dem Etwas, das so überhaupt nichts mit dem wohlschmeckenden Fleisch, das ich kannte, gemein hatte. Das klebrige Etwas füllte meinen kleinen Magen. Als ich, vor Heimweh nach meiner Mutter und Geschwistern, bitterlich weinend durch die fremde Umgebung tapste, fand ich ein kuscheliges Plätzchen, das gut versteckt war. Erschöpft schlief ich ein und träumte von meinem Leben auf dem Bauernhof.

Ich wurde von dem Lärm der Menschen wach, die noch lauter waren als vor der Dunkelheit. Ich machte mich klein, wollte am liebsten aus dieser Welt verschwinden, doch man packten mich, hoben mich hoch, sie berührten mich mit ihren groben Händen. Erst als ich fauchend nach diesen groben Händen schlug, ließ mich der kleine Mensch fallen. Wieder landete ich auf dem harten Boden, aber ich hatte aufgepasst und tat mir nicht weh.

Schnell verstecken, denn der kleine Mensch und die großen Menschen schrien nun ohrenbetäubend, weil ich eine böse Katze war, die den kleinen Menschen verletzt hatte.

Die nächsten Wochen waren sehr schlimm.

Ich wurde oft gepackt, geschüttelt, zu Boden geworfen. Wenn ich mich am Tag aus meinem Versteck wagte, stürzten sich die kleinen Menschen auf mich oder warfen Spielsachen nach mir. Lieber blieb ich in meinem Versteck und kam überhaupt nicht mehr raus. Wenn sie mich mit dem Stock jagten, flüchtete ich in ein neues Versteck.

Meine Verstecke suchte ich mir in der Nacht, wenn alles still war. Da ging ich auch zu der Sandkiste und aß von dem klebrigen Etwas ein wenig. Am Tag traute ich mich nicht zu der Sandkiste. Da verrichtete ich mein Geschäft lieber in meinem Versteck.

Außerdem ging es mir von Tag zu Tag schlechter. Ich musste ständig niesen und meine Augen taten weh. Bald war mein Fell ganz klebrig, und ich wollte auch nicht mehr von dem klebrigen Etwas essen. Ich schlief in meinem Versteck und, wenn ich wach war fühlte sich mein ganzer Körper sehr heiß an.

Irgendwann wurde ich wieder mit dem Stock aus meinem Versteck gejagt. Eine Hand packte mich und stopfte mich in die dunkle Kiste. Ich habe geschrien und geschrien, als das Brummen ertönte und ich in der Kiste hin und her geschleudert wurde. Bald habe ich nicht mehr geschrien. Mir fehlte die Kraft. Ich lag in der Kiste, bis mich die Hand packte und auf den Boden fallen ließ. Jetzt fiel ich ins weiche Gras, und der Mensch verschwand. Zuerst war ich glücklich, denn das sah nach meinem Zuhause aus! Ich schleppte mich voran, suchte nach meiner Mutter und nach meinen Geschwistern. Ich fand sie nicht. Völlig entkräftet legte ich mich in einen Graben und schlief. Als ich erwachte suchte ich wieder nach meiner Mutter und meinen Geschwistern. Ich kam kaum noch voran, denn mein kleiner Körper war heiß, die Nase lief und meine Augen brannten wie Feuer. Bald musste ich nach einem sicheren Plätzchen suchen. Völlig erschöpft lag ich unter einem Busch. Hungrig war ich nicht.

Mein Körper schmerzte, und die Augen konnte ich kaum noch öffnen. Sie waren verklebt. So wie meine Nase und mein Mund. Es war vorbei. Das wusste ich. Nie wieder würde ich den Bauernhof sehen. Nie wieder die Stimme meiner Mutter hören, und nie wieder mit meinen Geschwistern spielen.

Es war vorbei. Mein Leben, das doch erst begonnen hatte, war vorbei. Ich würde hier unter dem Busch sterben. Sterben war besser als von den Menschen gequält zu werden, dachte ich.

Ich schloss die Augen, und da war alles leicht.

„Ja, wer bist du denn? Hallo, aufwachen, dich habe ich ja hier noch nie gesehen!“

Panisch riss ich die Augen auf und sah in das Gesicht einer riesigen, roten Katze. Der Körper der Katze verdeckte die Sonne. Sie hatte den Kopf auf die Seite geneigt und blinzelte mich aus ihren großen grünen Augen an. Ich war starr vor Schrecken, und mein kleiner Körper wurde unter dem Busch noch kleiner.

„Keine Angst, du kleines Baby. Ich bin Carlos, der Streunerkönig und du? Bist du auch ein Streuner?“

„Was ist ein Streuner,“ piepste ich ängstlich.

„Okay, ich verstehe du bist noch zu klein, um das Leben zu verstehen. Ein Streuner ist ein Tier das kein Zuhause und keinen Menschen hat.“

Es fiel mir wie Schuppen von den Augen. Ich war eine Katze ohne ein Zuhause und kein Mensch kümmerte sich um mich. Ich war ganz alleine und musste bestimmt sterben.

Dicke Tränen kullerten aus meinen kranken Augen und mein Körper wurde vom Schluchzen erschüttert. Mein Magen tat weh, meine Augen brannten und mein Körper fühlte sich ganz heiß an. Ich würde nicht mehr lange leben.

„Na, na, Kleine. Es ist doch nicht schlimm ein Streuner zu sein. Pass auf, ich zeige dir, wo es etwas Leckeres zu futtern gibt.“

„Ich muss bestimmt sterben. Die Menschen haben mich einfach hier weggeworfen, wie Müll.“

„Du arme Kleine, so wie dir geht es vielen Streunern und noch viel schlimmer. Die meisten Menschen sind grausam, aber es gibt auch gute Menschen, die uns helfen.

Wie ist eigentlich dein Name?“

„Was ist ein Name,“ fragte ich kleinlaut.

„Menschen geben uns Namen. Ich bekam von meinem Menschen den Namen Carlos.

Bis er einfach verschwand hatte ich ein tolles Leben bei ihm.“

„Mir hat niemand einen Namen gegeben.“

Wieder rannen mir Tränen aus den Augen, denn ich ahnte, dass Tiere, ohne einen Namen verlorene Tiere sind.

„Das ist nicht schlimm. Du bist nicht die erste Katze ohne Namen. Wir gehen jetzt zur Streuneroma. Die wird dir sicher einen Namen geben. Komm, wir müssen uns beeilen, die Sonne steht schon tief. Die Streuneroma kommt immer zum Füttern, wenn die Sonne tief steht.“

„Was ist eine Streuneroma,“ fragte ich vorsichtig, während ich mich aufrappelte und dem großen Kater folgte.

„Das ist unser Mensch! Eine ältere Frau, die uns füttert und für uns sorgt, wenn wir krank sind.“

Ich war verwirrt und hatte so viele Fragen, aber ich brauchte meine Puste, um mit dem großen Kater Schritt zu halten. Carlos zu folgen war bestimmt besser, als alleine zu bleiben. Immer wieder musste ich stehenbleiben, und als ich nicht mehr weiterlaufen konnte, ließ mich Carlos auf seinen Rücken klettern. So kamen wir viel schneller voran. Schon bald erreichten wir eine alte Scheune, die mich an mein Zuhause erinnerte.

„Sie ist schon da ,“ rief Carlos ganz aufgeregt, und die letzten Meter konnte ich mich kaum auf seinem Rücken halten, denn er lief nun sehr schnell.

Als er stoppte kullerte ich von seinem Rücken direkt vor die Füße einer Frau. Ich war starr vor Angst. Am liebsten hätte ich mich verkrochen, doch ich war zu schwach, und so blickte ich ängstlich in das Gesicht der Frau.

„Ja, wer bist du denn ,“ sagte sie und nahm mich auf den Arm. Voller Panik erwartete ich wieder unsanft auf dem Boden zu landen, doch die Frau streichelte mich ganz sanft.

Dann setzte sie mich behutsam vor einen kleinen Teller mit dem klebrigen Etwas, das ich schon von meinem ehemaligen Zuhause kannte. Hastig schlang ich das Futter in mich hinein in der Hoffnung, dass meine Schmerzen im Magen aufhörten, sobald dieser gefüllt war. Das war eine falsche Hoffnung. Ich musste mich heftig übergeben.

Das tat so weh, und als es endlich vorbei war, zitterte mein ganzer Körper.

„Du armes kleines Kätzchen, dir geht es aber nicht gut,“ sagte die Streuneroma und verschwand.

Als sie zurückkam hatte sie eine komische Box dabei. Sie nahm mich auf den Arm und setzte mich vorsichtig in die Box auf eine herrlich weiche Decke. Dabei sprach sie ganz sanft mit mir, und ihre Stimme beruhigte mich. Völlig erschöpft lag ich auf der weichen Decke. Ich hörte das Brummen eines Motors, doch ich war zu schwach und konnte mich nicht mehr fürchten. Erschöpft schlief ich ein. Oder war ich wach?

Eine wohlige Wärme umgab meinen Körper, und ich hatte keine Schmerzen. Alles war angenehm, wohlig und weich. Ich spürte eine Hand, die zart mein Fell streichelte, und ich dachte, dass das der Himmel ist. Eine Menschenhand, die so zart streichelte gab es hier auf der Erde nicht. Das war der Himmel. Auf sanften Flügeln flog ich dahin, geborgen in Menschenhände, die mich zart streichelten. Kurz spürte ich einen stechenden Schmerz, der aber gleich wieder vorbei war, und dann war da wieder eine kuschelige Wärme, die mich einhüllte, die Menschenhand, die mich zart streichelte.

Dann war nur noch Dunkelheit um mich herum.

Wie lange ich schlief kann ich nicht mehr sagen. Wenn ich kurz erwachte, spürte ich die wohlige Wärme und die Hand, die zart meinen Körper streichelte. Beruhigt schlief ich wieder ein.

Irgendwann war ich richtig wach. Ich lag in einer Box auf einer weichen Decke. In meiner Pfote steckte so eine komische Nadel, die mir große Angst machte, doch eine leise Stimme und ein sanftes Streicheln beruhigten mich. Mein Kopf sank in diese sanfte Menschenhand, und ich schlief wieder ein.

Beim nächsten Erwachen fühlte ich mich richtig wohl. Ein Mensch sprach leise mit mir und stellte mir ein Tellerchen hin, das gefüllt war mit dem klebrigen Etwas. Dieses klebrige Etwas schmeckte sehr gut, und als ich satt war, nahm mich der Mensch ganz vorsichtig auf den Arm. Ich wurde auf einen Tisch gesetzt und ein komischer Gegenstand wurde an mein Herz gehalten. Dann wurde die Nadel aus meiner Pfote entfernt. Eine Frau nahm mich wieder vorsichtig auf den Arm und brachte mich zu meiner Box zurück.

Tag für Tag ging es mir besser. Ich wollte raus aus dieser Box. Inzwischen hatte ich mitbekommen, dass noch mehr Katzen in Boxen in diesem Raum waren. Viele Gespräche der anderen Katzen hatte ich gehört. Sie hatten darüber gesprochen, dass sie froh waren, wenn sie wieder in ihr Zuhause konnten. Mich würde niemand abholen, denn ich hatte kein Zuhause. In dieser Box würde ich den Rest meiner Tage verbringen. Wehmütig sah ich, wie die anderen Katzen aus den Boxen geholt wurden. Ich sah glückliche Menschen, die ihre Katzen auf ihren Armen hielten wie sie den Raum verließen. Die Streuneroma kam zweimal vorbei und brachte mich ganz leckeres Futter. Sie nahm mich auf den Arm und streichelte mich.

„Bald kannst du wieder zu Carlos, kleine Mia ,“ sagte sie zärtlich.

Was sollte ich davon halten? Sie nannte mich kleine Mia und sprach davon, dass ich zu Carlos zurück konnte. Sollte mein Leben doch nicht in dieser Box enden?

Mein Leben endete nicht in einer Box. Im Gegenteil! Der Aufenthalt beim Tierarzt war der Anfang eines neuen Lebens. Ich war gesund und hatte keinen Hunger.

Eines Tages war es soweit. Die Streuneroma kam und nahm mich aus der Box. Sie setzte mich in eine kleinere Box, und schon bald hörte ich Motorgeräusche. Mir war das ganze zwar nicht so geheuer, aber meine Angst hielt sich in Grenzen. Ich spürte, dass ich bei der Streuneroma gut aufgehoben war.

Das Auto stoppte. Wir waren an der alten Scheune angekommen. Die Streuneroma öffnete die Tür meiner Box. Vorsichtig verließ ich die Box.

„So kleine Mia, hier ist jetzt dein Zuhause.

Hier bei Carlos und den anderen Streuner.

Na, mal sehen, für so eine süßes Kätzchen wie dich, finden wir bestimmt ein richtiges Zuhause.“

Bloß nicht in ein Zuhause, dachte ich voller Schrecken. Damit hatte ich überhaupt keine guten Erfahrungen gemacht. Lieber wollte ich hier in der Scheune bleiben und ohne Menschen leben. Naja, von der Streuneroma mal abgesehen, denn sie mochte ich gerne.

Ich genoss ihre Streicheleinheiten, schmiegte mich an sie und rieb meinen Kopf an ihren Beinen.

„So kleine Mia, ich muss los,“ sagte sie und verließ die Scheune.

Ich blieb allein zurück. Wo war bloß Carlos?

Er blieb verschwunden, aber, als ich mich in der Scheune umsah, entdeckte ich eine andere Katze, die auf einem alten Sofa schlief. Als ich vorsichtig an ihr vorbeigehen wollte, hob sie den Kopf und sah mich aus sanften Augen an.

„Hallo, du bist bestimmt die Katze von der Carlos ständig spricht,“ sagte sie. Als sie aufstand und sich streckte, sah ich, dass diese Katze nur drei Pfoten hatte. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Katzen und Hunde, die ich in meinem kurzen Leben sah hatten doch alle vier Beine. Warum aber hatte diese Katze nur drei. Ich war neugierig, traute mich aber nicht sie zu fragen.

„Ich bin Tinka“, sagte die dreibeinige Katze.

„Ich bin Mia, “ sagte ich voller Stolz. Endlich hatte ich einen Namen.

„Freut mich Mia. Wie bist du zu unserer Scheune gekommen?“

Ich erzählte meine Geschichte. Als ich geendet hatte, traute ich mich sogar Tinka nach ihrem fehlenden Bein zu fragen. Sie senkte traurig den Kopf.

„Das ist eine lange Geschichte. Ich wurde auch von meinen Menschen verlassen.“

„Das ist traurig, “ sagte ich „Die Menschen sind böse.“

„Ja, aber manche von uns finden ihre Seelenverwandten unter den Menschen und leben ein glückliches Leben mit ihnen.“

„Ich kenne keine guten Menschen, außer der Streuneroma, naja und die, die sich um mich gekümmert haben, als ich krank war.“

„Du bist auch noch ein kleines süßes Katzenkind. Du wirst deinen Menschen noch finden, “ sagte Tinka und stupste zärtlich meinen Kopf.

„Du auch, “ sagt ich voller Überzeugung.

„Ach, nein, ich bin nicht mehr die Jüngste und habe nur drei Beine. Mich mag keiner.

Manchmal bringt die Streuneroma Menschen mit, die einer von uns ein Zuhause geben wollen. Ein paar hatten da schon Glück, aber an mir sehen sie vorbei.“

Tinka blickte mich aus ihren großen traurigen Augen an.

„Du bist eine ganz Liebe. Ich bin sehr froh, dass ich dich getroffen habe, “ sagte ich und rieb zärtlich mein Köpfchen an Tinkas Schulter.

„Du auch kleine Mia, “ sagte Tinka und schleckte zärtlich meinen Kopf. „Komm‘ mit, lass uns etwas jagen gehen. Später müssen wir rechtzeitig zurück sein, denn dann kommt die Streuneroma. Mit dir sind wir schon zehn Katzen. Da wird das Futter langsam knapp.

Wer nicht pünktlich da ist, muss essen, was übrig bleibt.“

„Wo wollen wir hingehen, “ fragte ich. Auf keinen Fall wollte ich die Streuneroma verpassen.

„Wir gehen zum Fluss. Da gibt es die besten Mäuse, und wir brauchen nicht weit zu laufen, “ sagte Tinka und ging voraus. So schlenderten wir am Fluss entlang, hielten Ausschau nach Mäusen. Als wir keine fanden, legten wir uns einfach ins Gras und ließen uns die Sonne auf den Bauch scheinen. So ein Streunerleben ist eigentlich gar nicht so schlecht, dachte ich. Hier hatten wir alles, was wir brauchten. Die Scheune mit ihren gemütlichen Kuschelplätzchen, frisches Wasser, wenn wir durstig waren und die Streuneroma, die für uns sorgte. Ich hatte Freunde gefunden. Die Erinnerungen an den Bauernhof und meine Familie waren immer noch in meinem Kopf, aber ich fühlte mich nicht mehr verloren.

Inzwischen waren schon einige Wochen vergangen. Ich war nicht mehr das kleine hilflose Kätzchen. In der Tierklinik hatten sie meinen Bauch aufgeschnitten, was aber nicht sehr wehtat. Von den anderen Katzen hatte ich erfahren, dass die Menschen diese Operation vornahmen, damit nicht noch mehr Katzenkinder geboren wurden. Verstanden hatte ich das nicht so ganz. Vielleicht, so dachte ich, taten die Menschen das, weil andere Menschen so grausam zu kleinen Katzen waren. Wenn das so war, fand ich, war es ein großes Glück. Keine Katze hatte es verdient, dass man sie einfach auf die Straße warf! Ich beschloss mich von den Menschen fern zu halten. Wir Katzen konnten ihnen nicht trauen.

„Ich bin richtig froh, dass ich hier bin, “ sagte ich zu Tinka. „Etwas Besseres kann mir doch überhaupt nicht passieren.“

„Doch, kleine Mia, wenn du Menschen findest, die dich lieben, ist dein Leben viel schöner. Dann bist du im Paradies, “ sagte Tinka.

Ich war verwundert, denn Tinka hatte von ihren Menschen nicht gut gesprochen: „Wie kannst du das wissen?“

„Ich weiß das nur aus Erzählungen von Katzen, die ein Zuhause haben und manchmal an den Fluss kommen, und Carlos hat mir das erzählt. Er hatte einmal eine tolle Familie gefunden und stell dir vor, der Döddel ist abgehauen und zu uns zurückgekommen.“

„Warum denn das, “ fragte ich erstaunt.

„Er liebt sein Streunerleben und möchte es nicht gegen ein Zuhause eintauschen. Wenn ich an seine Erzählungen denke, komme ich heute noch ins Schwärmen. Drei Mahlzeiten am Tag bekam er und er durfte bei seinen Menschen sogar im Bett schlafen. Sie haben ihn nur mit dem allerbesten Futter verwöhnt.

Carlos hatte drei Kuschelbetten und jede Menge Spielsachen, die extra für Katzen gemacht werden. Ja, und nach vier Wochen ist er abgehauen. Die Streuneroma hat ihn zurückgebracht, aber Carlos ist wieder abgehauen. Nach dem dritten Versuch haben die netten Menschen eine andere Katze mitgenommen. Die ist bei ihnen geblieben.“

Inzwischen waren wir an einer seichten Stelle des Flusses angekommen. Tinka zeigte mir die vielen Fische, die in dem Wasser schwammen. Ich blickte gebannt auf die schnellen Fische. Nie wäre ich auf die Idee gekommen sie zu jagen. Meine Mutter hatte mir gezeigt, wie man Nager jagen konnte, aber Fische gab es auf dem Bauernhof nicht. Erstaunt beobachtete ich wie Tinka blitzschnell ins Wasser sprang und einen Fisch packte. Mit einem Satz war sie am Ufer. Der Fisch zappelte noch kurz, dann war er tot.

„Komm‘, kleine Mia, ich gebe dir was ab,“ sagte sie.

Vorsichtig kostete ich den Fisch. Er schmeckte sehr lecker. Schnell war er verzehrt, und wir gingen zurück zum Fluss, um erneut unser Glück zu versuchen. Dieses Mal ging auch ich ins Wasser und versuchte mir einen Fisch zu schnappen. Noch nie war ich im Wasser gewesen, und es gefiel mir überhaupt nicht nass zu werden, aber ich wollte mir keine Blöße geben. So mühte ich mich einen der schnellen, glatte Fische zu schnappen, was mir aber nicht gelang. Tinka war beim Fangen der Fische sehr geschickt, obwohl sie nur drei Beine hatte. Es dauerte ein paar Minuten bis sie den nächsten Fisch an Land brachte. Dieser war fast doppelt so groß wie der erste. Sie teilte auch diesen Fisch mit mir. Als wir satt waren, legten wir uns ins Gras. Nach diesem köstlichen Mahl war nun ausgiebiges Putzen angesagt. Mein Fell schmeckte nass ganz komisch. Auf dem Bauernhof war ich vor dem Regen immer in die Scheune geflüchtet.

Als wir unsere ausgiebige Körperpflege hinter uns gebracht hatten, streckten wir uns wohlig aus und schliefen.

„Kleine Mia, aufstehen, die Sonne steht schon tief, “ weckte mich Tinka.

Ich war noch sehr müde und wollte einfach weiterschlafen, doch Tinka sagte, dass wir zurück zur Scheune mussten, weil die Streuneroma zum Füttern kam. Wenn wir nicht zur Stelle waren, würden die anderen Katzen von unserem Futter nichts mehr übrig lassen. Jetzt kam ich schnell auf die Füße.

Wir hatten den ganzen Nachmittag verschlafen, und mein Magen machte sich knurrend bemerkbar. Das Abendessen wollte ich auf keinen Fall verpassen.

Bei der Scheune angekommen, warteten wir erwartungsvoll auf die Streuneroma. Carlos war auch da und gab mir einen freundlichen Nasenstupser. Er ließ es sich nicht nehmen mich mit den anderen Katzen bekannt zu machen. Der schwarze Alessio, der nur ein Auge hatte, die hübsche Tigerkatze Hope, der ängstliche Joseph, Pandora und Louis, die mich misstrauisch musterten. Es gab noch drei weitere Katzen, die aber, so erklärte mir Carlos, seit ein paar Tagen verschwunden waren. Wohin diese Katzen verschwunden waren erfuhr ich nicht. Die Streuneroma kam. Wir hörten ihr Auto schon lange bevor es bei der Scheune war. Wir Katzen liefen zu ihr hin. Nur Pandora und Louis blieben im Hintergrund. Sie vertrauten der Streuneroma noch nicht. Schnell füllte sie kleine Teller mit dem klebrigen Etwas, das ich nun schon gut kannte. Wir verschlangen unsere Portionen, und genossen es von der Streuneroma gestreichelt zu werden.

Nach dem Essen lagen wir entspannt auf der Wiese, die die Scheune umgab. Carlos hatte sich zu uns gesellt. „Na, Mia, wie gefällt es dir bei uns, “ fragte er, und seine schönen Augen musterten mich fragend.

„Hier ist es sehr schön, aber sag‘ mal, warum wolltest du nicht bei deinen Menschen bleiben, Carlos.“ Immer wieder musste ich an die Geschichte von Carlos Paradies denken.

„Ich lebe viel lieber in Freiheit, “ sagte er. „Ich streife durch die Wälder und diese Freiheit kann kein Zuhause ersetzen. Ich kann dir meine Freiheit gerne einmal zeigen, Mia.“

„Carlos, du weißt genau, wie gefährlich es im Wald für uns ist. Die Menschen machen Jagd auf uns. Drei von uns sind schon seit Tagen verschwunden, “ mischte sich Tinka in unser Gespräch ein.

„Das Leben ist Risiko! Ohne Risiko kein Spaß, “ sagte Carlos und streckte sich wohlig.

„Die Menschen sind so böse, “ sagte ich.

„Mich werden sie nicht erwischen, “ brüstete sich Carlos. „Ich lebe schon so lange hier und kenne alle Schleichwege. Da kommt kein Mensch hin. Du kannst ohne Angst mit mir kommen, Mia. In der Nacht ist es im Wald besonders spannend. Da gibt es viele Mäuse, und ich treffe andere Katzen. Die haben alle ein Zuhause.“

„Vielleicht ein anderes Mal,“ sagte ich.

„Dann nicht, “ sagte Carlos. Ich bin jede Nacht im Wald und mir ist noch nie etwas passiert. Das bisschen Futter von der Streuneroma reicht mir nicht. Ich brauche noch etwas Deftiges zwischen den Zähnen.

Im Wald gibt es so viele Mäuse. In der Nacht sind die Menschen nicht unterwegs, denn sie können im Dunkeln nicht viel sehen. Am Tag muss man da schon aufpassen, aber, wie gesagt, ich kenne den Wald wie meine Westentasche.“

„In der Nähe der Scheune gibt es auch viele Mäuse oder du kannst im Fluss nach Fischen jagen. Im Winter, wenn der Fluss zugefroren ist, gehe ich in die Stadt, um in den Mülltonnen nach Resten zu suchen. In den Wald gehe ich nicht, “ sagte Tinka.

„Jedem das seine. Ich mag keine Reste aus den Mülltonnen, “ sagte Carlos. „Mein Angebot steht, Mia.“

Nach einem Nickerchen war es dunkel geworden. Hunger breitete sich in meinem Magen aus. Tinka ging es wie mir. Carlos war inzwischen verschwunden und so ging ich mit meiner neuen Freundin auf Mäusefang. Tinka war sehr geschickt. Sie fing eine Maus nach der anderen. Ich konnte nur staunen, denn ich brachte es in dieser Nacht gerade mal auf zwei mickrige Mäuse, aber meine Freundin sorgte wieder für mich.

Als der Morgen dämmerte waren unsere Bäuche gut gefüllt.

Inzwischen war der Sommer schon fast vorbei. Die Nächte waren schon kühlt. Wir verkrochen uns in der Scheune. Hier gab es kuschelig warme Decken, die die Streuneroma auf alten Sofas verteilt hatte.

Seite an Seite schliefen wir ein.

Die Tage vergingen am Fluss. Ich hatte mich an mein Streunerdasein gewöhnt.

Inzwischen war ich schon eine geschickte Mäusefängerin, denn ich hatte mir von Tinka viele Tricks abgeschaut. Nur beim Fischfang war ich immer noch sehr ungeschickt. Die Fische waren glitschig und schnell. Als ich den ersten erwischte, war ich sehr stolz.

Natürlich teilte ich meinen Fisch mit Tinka.

Sie war für mich eine Ersatzmutter geworden, die in den letzten Wochen sehr gut für mich gesorgt hatte. Ich liebte sie über alles und konnte mir ein Leben ohne Tinka nicht mehr vorstellen. Carlos und die anderen Katzen mochte ich auch, aber meine Freundschaft zu Tinka war etwas ganz besonderes.

Die Tage vergingen, und es wurde Herbst.

Eines Abends kam die Streuneroma nicht.

Wir warteten ungeduldig auf unser Abendessen, aber sie kam einfach nicht.

Tinka und die anderen Katzen erzählten, dass das noch nie vorgekommen war.

Manchmal kamen auch andere Frauen, die uns Futter brachten, aber, dass niemand kam, war ungewöhnlich. Mit knurrenden Mägen warteten wir, doch niemand kam.

Ausgerechnet an diesem Tag hatten Tinka und ich bei der Jagd wenig Glück gehabt. Ich hatte mich so sehr auf ein leckeres Abendessen gefreut und war nun sehr enttäuscht.

„Wir werden wohl selbst für unser Abendessen sorgen müssen, “ sagte Carlos.

„Kommt mit mir in den Wald.“

Der Hunger machte mich leichtsinnig. Ich war drauf und dran Carlos zu folgen, aber Tinka ließ das nicht zu.

„Nein Mia, geh‘ nicht in den Wald. Es ist sehr gefährlich. Lass uns in die Stadt gehen. Da werden wir sicher etwas Essbares finden.“

Gehorsam folgte ich Tinka. Sie war meine Ersatzmama. Ich vertraute ihr bedingungslos, auch, wenn mich ein Abenteuer mit Carlos sehr reizte. Ich bewunderte den stolze Carlos für seinen Mut. Er war mein Held. Tinka foppte mich manchmal und sagte, dass ich in Carlos verliebt sei. Davon wollte ich nichts hören, aber das Herzklopfen, welches ich bei seinem Anblick verspürte, zeigte, dass die weisen Tinka schon Recht hatte. Eine gewisse Schwärmerei war schon dabei, auch, wenn ich mir das nicht eingestehen wollte. Leider blieb es bei dieser Schwärmerei, denn Carlos zeigte an mir wenig Interesse. Er war ein Vagabund, der nicht selten tagelang einfach verschwunden war. Dieses Leben wäre nichts für mich gewesen. Ich liebte die alte Scheune mit ihren kuscheligen Plätzchen, und ein Leben ohne Tinka konnte ich mir auch nicht vorstellen.

So folgte ich Tinka, nichtsahnend, dass mich in dieser Nacht ein Abenteuer erwarten sollte, das ich nicht so schnell vergessen würde.

Der Weg in die Stadt war weit. Es war schon empfindlich kalt, und ich folgte Tinka schweigend. Mein Magen tat weh und manchmal unterbrach er mit einem Knurren die Stille. Tinka erzählte mir von der Stadt, doch ich konnte ihr kaum folgen. Der Hunger war sehr schlimm.

In der Stadt angekommen, schlichen wir an den Häuserwänden entlang. Ich hatte große Angst. Menschen hasteten an uns vorbei.

Manchmal hatten die Menschen Hunde dabei, die bei unserem Anblick laut bellten.

Wir rannten weg und versteckten uns in den Hausfluren. Tinka führte mich zu den Mülltonnen eines Restaurants. Geschickt fischte sie nach Fleisch-und Fischresten, die sie mit mir teilte. Das Essen schmeckte fremdartig und brannte auf meiner Zunge.

Noch nie hatte ich solche gewürzten Speisen gegessen. Trotzdem verschlang ich die Reste gierig. Als wir unseren Hunger gestillt hatten, schmerzte mein Magen. Kurze Zeit später wurde mir übel. Ich musste mich übergeben.

„Du wirst dich an dieses Essen gewöhnen,“ sagte Tinka und schleckte tröstend meinen Kopf.

„Ich will nur noch zurück in unsere Scheune,“ sagte ich und dachte an den langen Weg, der vor uns lag.

Wir liefen nicht den gleichen Weg zurück, den wir gekommen waren. Übelkeit wühlte immer noch in mir. Es fiel mir schwer mit Tinka Schritt zu halten. Plötzlich stoppte ein großes Auto neben uns. Schwarz gekleidete Männer sprangen aus dem Auto. Ich geriet in Panik und sprang in einen Hauseingang.

Kurz blickte ich mich nach Tinka um. Mit Entsetzen sah ich, dass Tinka in einem großen Netz gefangen war. Einer der Männer packte Tinka und warf sie in das Auto. Die Türen wurden geschlossen, das Auto fuhr weiter und verschwand um die Ecke. Eiskalte Angst griff nach mir. Tinka saß in dem Auto fest. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass diese Männer gute Menschen waren. Tinka war in großer Gefahr. Das spürte ich instinktiv. Was sollte ich bloß tun? Ich dachte an Carlos. Vielleicht wusste er einen Rat.

Schnell zurück zur Scheune, dachte ich.

Doch wo war ich? Fremde Gerüche umgaben mich. Menschen hasteten an mir vorbei, die mir Angst machten. Ich duckte mich in die Hauseingänge, wenn ein Mensch auf mich zulief. Ich hatte mich verlaufen, war ohne Tinka in dieser angsteinflößenden Stadt verloren.

Viele Stunden irrte ich durch die Straßen.

Irgendwann wurden die Autos weniger, und die Häuser hatten große Gärten. Ich war der Stadt entkommen. Hier waren Wiesen. In einiger Entfernung begann der Wald. War es der Wald, der hinter unserer Scheune begann? Vielleicht war ich nur auf der anderen Seite, überlegte ich.

Ich musste nur den Wald durchqueren, um zu unserer Scheune zu kommen. Voller Angst dachte ich an Tinka, die mich vor dem Wald gewarnt hatte, doch ich hatte die Hoffnung, dass ich so zur Scheune gelangen konnte. Vielleicht traf ich auch Carlos. Was sollte ich tun, wenn ich die Scheune nicht fand? Mein Kopf schwirrte, und ich war völlig erschöpft. Alles war hoffnungslos. Tinka war nicht mehr bei mir. Mein Herz schmerzte.

Tränen kullerten aus meinen Augen. Bald hatte ich den Wald erreicht. Carlos oder die Scheune zu finden waren meine letzte Hoffnung. Es musste eine Rettung für Tinka geben.

Ich tauchte in den Wald ein. Die Ruhe im Wald hatte, nach den Strapazen der Stadt, etwas Tröstendes für mich. Hier gab es keine Menschen. Das dichte Unterholz bot mir Schutz. Meine Augen durchsuchten die Dunkelheit nach Gefahren und nach Carlos.

War ich in Carlos Wald oder hatte ich mich hoffnungslos verlaufen? „Carlos, “ rief ich in die Dunkelheit. Meine Stimme hatte hier im Wald einen merkwürdigen Klang. Es raschelte im Laub. Hier waren viele Mäuse unterwegs, doch ich verspürte keine Lust zu jagen. Meine Gedanken kreisten um Tinka.

Was taten diese Menschen ihr an?

Hoffnungslosigkeit machte sich in mir breit.

Ich war völlig erschöpft und sehr durstig.

Würde ich je zur Scheune zurückfinden?

Müde ließ ich mich auf den weichen Waldboden sinken. Nur kurz wollte ich ausruhen, doch meine Augen waren plötzlich schwer wie Blei. Ich schlief ein.

„Ja wen haben wir denn da?“ Eine Stimme riss mich aus dem Schlaf. Ich öffnete die Augen und blickte in Carlos Gesicht.

„Carlos, ich bin so froh dich zu sehen, “ rief ich und war sofort auf den Beinen.

„Was tust du hier, Mia, “ fragte Carlos verdutzt.

Ich erzählte Carlos die Geschichte. Meine Stimme überschlug sich. Tränen liefen über mein Gesicht.

„Ach herje, das hört sich überhaupt nicht gut an, “ sagte Carlos. „Wenn Menschen uns Katzen einfangen kommen wir in ein Tierheim, und wenn uns da niemand rausholt werden wir getötet. Die einzige, die Tinka helfen kann ist die Streuneroma.“

„Aber sie ist doch nicht gekommen, “ sagte ich verzweifelt.

„Ja ich weiß. Das ist noch nie vorgekommen, seit ich in der Scheune bin. Wir können nur zurückgehen und auf den Abend warten.“

Ich trottete neben Carlos her. Bis zur Scheune war es nicht mehr weit. Dort angekommen verkroch ich mich unter einer Decke. Völlig erschöpft fiel ich in einen unruhigen Schlaf, der voller schlimmer Träume war. Immer wieder sah ich Tinka, die in einem Netz gefangen war. Manchmal war auch ich in einem Netz gefangen.

Spät am Nachmittag erwachte ich. Carlos lag neben mir. Mein Magen machte merkwürdige Geräusche. Ich war hungrig, aber ich wollte jetzt auf keinen Fall auf die Jagd gehen.

Sicher kam die Streuneroma bald. Sie würde sehen, dass Tinka nicht da war. Carlos hatte gesagt, dass sie Tinka bestimmt aus dem Tierheim holen würde. Wir setzten uns vor die Scheune. Es war ein schöner Herbsttag.

Die Sonne wärmte unser Fell. Wir warteten bis es dunkel wurde. Die Streuneroma kam nicht. Mutlos folgte ich Carlos in den Wald.