To Me and You. Amber & Jordan (Secret-Reihe) - Mimi Heeger - E-Book

To Me and You. Amber & Jordan (Secret-Reihe) E-Book

Mimi Heeger

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Beschreibung

**Liebe auf Umwegen** Ambers Leben könnte nicht besser laufen – zumindest bis zu dem Moment, an dem sich ihre Beziehung als größte Lüge überhaupt entpuppt. Kurz entschlossen kauft sie einen VW Bus, der sie so weit wie möglich von den düsteren Erinnerungen fortbringen soll. Aber die Vorstellung, mutterseelenallein durch Europa zu reisen, lässt sie zögern. Da trifft es sich ganz gut, dass Jordan Handerson, der Bruder ihrer Freundin Grace, eine Mitfahrgelegenheit sucht. Als der Junge von damals schließlich vor ihr steht, muss Amber allerdings feststellen, dass sie es nun mit einem sehr attraktiven Reisegefährten zu tun hat. Doch Jordan gehört genau zu dem Typ Mann, von dem sie sich geschworen hat, sich nie wieder das Herz brechen zu lassen …   Das neue Romance-Highlight von Bestsellerautorin Mimi Heeger Es geht weiter! Die Kinder der beliebten Figuren aus der »Secret«-Serie bekommen ihre eigene Geschichte. Mitreißend, frech und absolut gefühlvoll von der ersten bis zur letzten Seite. //Dies ist der dritte Band der romantischen Buchserie »To Me and You«. Diese Serie kann komplett unabhängig von den »Secret«-Romanen gelesen werden. Alle Bände der Liebesgeschichte bei Impress:   -- To Me and You. Grace & Adam   -- To Me and You. Marissa & Davis   -- To Me and You. Amber & Jordan  -- My Way To You. Eine »Secret Love«-Sammelausgabe Weitere New Adult Liebesromane der Bestsellerautorin Mimi Heeger:  -- Secret Kiss. Die Tochter vom Coach  -- Secret Crush. Der Star der Mannschaft  -- Secret Match. Team wider Willen//  Jeder Roman dieser Serien steht für sich und kann unabhängig von den anderen gelesen werden.

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Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.

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Mimi Heeger

To Me and You. Amber & Jordan (Secret-Reihe)

**Liebe auf Umwegen**Ambers Leben könnte nicht besser laufen – zumindest bis zu dem Moment, an dem sich ihre Beziehung als größte Lüge überhaupt entpuppt. Kurz entschlossen kauft sie einen VW Bus, der sie so weit wie möglich von den düsteren Erinnerungen fortbringen soll. Aber die Vorstellung, mutterseelenallein durch Europa zu reisen, lässt sie zögern. Da trifft es sich ganz gut, dass Jordan Handerson, der Bruder ihrer Freundin Grace, eine Mitfahrgelegenheit sucht. Als der Junge von damals schließlich vor ihr steht, muss Amber allerdings feststellen, dass sie es nun mit einem sehr attraktiven Reisegefährten zu tun hat. Doch Jordan gehört genau zu dem Typ Mann, von dem sie sich geschworen hat, sich nie wieder das Herz brechen zu lassen …

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Vita

Playlist

Danksagung

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© Jacqueline Radomski-Dicke Fotografie

Mimi Heeger wurde 1983 in Kreuztal geboren und wohnt mit ihrem Mann, ihren zwei Söhnen und einem kleinen Hund im Siegerland. Die zweite Welt, in der sie lebt, ist die der Bücher. Tag und Nacht taucht sie mit Figuren aus den verschiedensten Genres in deren Geschichten ein. Das eigene Schreiben von Romanen ist schon seit Kindheitstagen ein Wunsch, der schnell zur Leidenschaft und schließlich zum großen Traum wurde.

Verliere nie deinen Weg aus den Augen. Denn schon der erste Schritt ist Teil deines Zieles.

Nelli, dieses Buch ist für dich …

Playlist

You Are The Reason – Calum Scott, Leona Lewis

New Slang – The Shins

Night at Lake Unknown – Conor Oberst

Forever – Mumford & Sons

Thinking out Loud – Ed Sheeran

Born to Die – Lana Del Rey

Demons – Imagine Dragons

Over My Head – The Fray

Perfect – Ed Sheeran

Naked – James Arthur

A Thousand Years – Christina Perri

Detlef Schrempf – Band of Horses

Perfect World – Kodaline

Need You Now – Lady A

Sunsetz – Cigarettes After Sex

Like I’m Gonna Lose You – Jasmine Thompson

The Fear – The Shins

Angels – The XX

How – Regina Spektor

Prolog

Ich möchte wegsehen. Mich umdrehen und meinem Kopf die Chance geben, das gerade Aufgenommene einfach wieder zu vergessen. Aber es geht nicht. Sadistisch wie der menschliche Verstand ist, starre ich immer weiter aus dem leicht beschlagenen Fenster und beobachte meinen Pharmaziedozenten. Jedes Detail bohrt sich unerbittlich durch meine Netzhaut und dringt unter quälenden Schmerzen in mein Gehirn. Ich bekomme keine Luft mehr.

»O mein Gott«, trällert Ricarda. Anscheinend ist ihr Blick meinem gefolgt. »Ist das da hinten Carter? Scheiße, sieh dir seine Frau an. Jeder Ken hat seine passende Barbie. Halleluja, der Kerl ist so heiß. Und klug dazu. Keine Ahnung, wie du dich bei dem auf die Vorlesung konzentrieren konntest.«

»Vielleicht …« Ich muss mich räuspern, weil meine Stimme mich verlässt. So wie mein Mut, meine Hoffnung und der gottverdammte Glauben an die Menschheit – vor allem aber an die Liebe. »Vielleicht ist es seine Schwester oder so.« Ich sehe sie mit großen Augen an. Es muss einfach so sein. Es wird eine logische Erklärung geben. Alles wird sich aufklären. Ich japse nach Luft. Habe das Gefühl, keine Sekunde länger hier sitzen zu können. Einatmen. Ausatmen. Das sage ich mir in Gedanken immer und immer wieder, in der Hoffnung, der Schmerz in meiner Brust verschwindet so.

Heute Abend werde ich über meine Naivität lachen und er wird sich über mich lustig machen, wenn wir wie geplant an unserem reservierten Tisch im Douglas sitzen. Er wird seine Hand beschützend auf meinen Oberschenkel legen, wie er es immer tut, und sich nach meinem Tag erkundigen. Ich werde ihm von der Arbeit erzählen und ihm zuhören, wenn er sich über die neuen Studenten beschwert.

»Nein, das ist seine Frau«, wirft Mia ein und beugt sich über den kleinen runden Tisch nach vorne. Er ist übersät von Krümeln und Essensresten. Sie scheint das nicht im Geringsten zu stören. Ihre Worte hingegen zerstören meine ganze Welt.

Zufall. Es ist Zufall, dass wir ausgerechnet heute unsere Pause in dem kleinen italienischen Bistro unweit des Campus verbringen. Seit ich vor ein paar Wochen meinen Bachelor gemacht habe, treffen wir uns eigentlich nicht mehr zum Mittagessen. Ich sehe wieder rüber zu dem Mann, dem mein Herz seit fast zwei Jahren gehört. Denke an die vielen Stunden, die wir gemeinsam verbracht haben. Höre seine Stimme in meinem Ohr, wie er mir erst heute Morgen erzählt hat, was für ein stressiger Tag vor ihm liege.

Ich klammere mich an die Tischkante, während Carter keine fünf Meter vor dem Bistro seinen Arm um die elegante Brünette im Wollmantel legt. Ihr Haar weht im Wind und bildet einen seidigen Rahmen um ihr makelloses Gesicht. An der anderen Hand hält er einen kleinen Jungen, höchstens zwei Jahre alt. Der Kleine ist eines dieser Kinder, die gekleidet sind wie Erwachsene. Mit Cordjacke und dunkler Wollmütze. Als käme er geradewegs von einem Fotoshooting für nicht-funktionelle Kindermode.

»Meine Mum kennt ihre Schwester. Petra oder so ähnlich. Sie geht zum gleichen Friseur wie sie.« Ich zwinge mich zurück zu meiner Freundin zu sehen, die mit ihrem wirren Dutt aussieht, als hätte sie sich seit Tagen nicht gekämmt.

Automatisch lasse ich die Tischkante los, um über mein penibel geglättetes Haar zu streichen. Mia wohnt im Gegensatz zu Ricarda und mir schon ihr ganzes Leben in der Stadt. Sie kennt allen Klatsch und Tratsch der High Society rund um die University of Edinburgh. Bislang hielt ich das für einen Vorteil.

»Sie ist Ballerina in irgendeinem Theater. Ziemlich berühmt, die Gute, ständig mit dem kleinen Carter junior unterwegs. Daher sehen sie sich selten«, fährt sie fort und ich spüre, wie mir mein Panini hochkommt. Passiert all das gerade wirklich? Warum weiß eine meiner engsten Freundinnen so viel über ihn? Wie ist das möglich, dass wir all die Monate nie darüber geredet haben? Ich schlucke meine Tränen runter. Weil wir es so wollten … Unser kleines Geheimnis …

»Sie sehen einfach aus wie ein Hollywoodpaar«, schwärmt Ricarda und wir beobachten, wie die Bilderbuchfamilie lachend durch die Blätterhaufen auf dem Gehweg schlendert.

Die rot und gelb gefärbten Ahornbäume, die zu einem kleinen Park führen, lassen das Ganze zu einem herbstlichen Postkartenmotiv werden. Ein Bild der perfekten Familie in der perfekten Kulisse. Sie haben den Kleinen zwischen sich genommen und lassen ihn an seinen Händen hochfliegen. Selbst durch die dreckige Scheibe des Bistros kann man erkennen, wie vergnügt er lacht. Ich rutsche tiefer in meinen Stuhl, was völlig unnötig ist, denn James Carter, die Liebe meines Lebens, hat nur Augen für seine Ehefrau.

»So viel Schönheit ist ja schon fast wieder ätzend«, gluckst Ricarda.

»Perfekt«, säuselt Mia und starrt Carter auf den Hintern, während er mit seiner Familie auf dem Gehweg immer kleiner wird. Schmachtend seufzt sie ihm hinterher. Ich kenne das nicht anders und bislang dachte ich, die Schwärmereien meiner Freundinnen wären das einzige Problem meiner heimlichen Beziehung.

»Entschuldigt mich kurz«, presse ich hervor. Mein Stuhl fällt beinahe um, so hastig stehe ich auf. Ich bahne mir den Weg durch das enge Lokal, vorbei an der Kasse, hinter der der schmierige Ladenbesitzer mich anstarrt, bis zur Toilette. Die Tür knallt hinter mir ins Schloss und im selben Moment würge ich mein Mittagessen in die dreckige Toilettenschüssel. Ich spucke alles hinaus. Meine Wut. Meine Trauer. Den Verrat. Meine Liebe.

Perfekt. Wir waren doch perfekt. Unsere Beziehung, sie lief perfekt. Dachte ich. Denn offensichtlich war ich nicht perfekt genug.

Kapitel 1

Amber

»Und du bist dir wirklich sicher, dass es für dich okay ist, Jordan ein paar Tage mitzunehmen?« Grace bückt sich, um einen Stein aufzuheben. Marissa und ich müssen beide kichern. Das ganze Haus von Grace und Adam ist voll mit Steinen von diesem Strand. Überall liegen sie in Vasen und Schalen herum.

Ich mache einen Schritt nach rechts, denn die Flut treibt die Wellen immer höher. Die Sonne hat sich hinter den Wolken versteckt und das Salzwasser fühlt sich kalt auf meinen nackten Füßen an.

»Ja, bin ich. Auch wenn ich dir das schon hundertmal erklärt habe«, stöhne ich, lächele aber dabei. Ein unechtes Grinsen, das mittlerweile spielerisch leicht auf meinen Lippen erscheint. Nach sieben Monaten Höllenqual bin ich der Überzeugung, dass was dran ist an dem Spruch: Der Mensch gewöhnt sich an alles. Selbst wenn der größte Schmerz einem die Luft abschnürt; die Welt dreht sich weiter. Und irgendwann lebt man mit dem Stechen in der Brust, das einen am Einschlafen hindert und morgens das Erste ist, was einen erwartet. Genauso wie man lernt zu lächeln, wenn es erforderlich ist. Doch es wird leichter. Vor allem wenn die Menschen um einen herum ahnungslos sind. Irgendwann wird der Schmerz vorübergehen. Das weiß ich. Man kann über alles hinwegkommen. Und nach meiner Reise werde ich endlich ein ganz neuer Mensch sein. Hoffe ich zumindest.

»Ich weiß, Jordan ist mein Bruder und ich sollte das vielleicht nicht so sagen, aber er kann eine echte Nervensäge sein und wenn du lieber allein sein willst … Ich mein, in diesem Ding kann man sich wohl kaum aus dem Weg gehen.« Ihr Blick wandert den Strand entlang. Nicht weit vor uns, direkt neben ihrem Haus, parkt mein orangefarbener Bus. Er ist alt, hässlich und wahrscheinlich eine Katastrophe für die Umwelt, doch er ist meine Fahrkarte für einen Neuanfang. Es muss einfach so sein. Ich verschränke die Arme vor der Brust und sehe zu den Mädels.

Ich weiß, Grace meint es gut. Alle meinen es gut. Marissa, die mich schon seit Monaten mit Argusaugen beobachtet. Grace, die versucht meine Entscheidung seit nunmehr drei Tagen infrage zu stellen. Oder meine Eltern, die die ganze Aktion für bescheuert halten. Sie alle wollen höchstwahrscheinlich mein Bestes. Und dennoch kann ich nicht erwarten, all das hinter mir zu lassen. Ich bin müde. Erschöpft vom vielen Lächeln. Ich muss raus hier. Ganz dringend. Ich muss Abstand nehmen, das große Ganze von außen betrachten und ein für alle Mal mit der Vergangenheit abschließen.

»Ich will ihn ja nicht heiraten«, verteidige ich mich und Jordan. »Aber kommt schon. Seine Mitfahrgelegenheit fällt aus, ich reise sowieso nach Frankreich. Warum sollte ich ihn nicht mitnehmen?«

»Das ist echt toll von dir«, seufzt Grace. In dem gelben Wickelkleid mit den Gänseblümchen drauf sieht sie einerseits aus wie ein Schulmädchen, andererseits passt dieser junge Stil zu ihr – als wäre das Kleid einzig für sie gemacht. Was wahrscheinlich sogar der Fall ist. Seit die beste Freundin meiner Schwester Schneiderin ist, fallen ihre Klamotten noch eine Spur ausgefallener aus.

Das Haus, in dem sie und ihr Freund Adam wohnen, ragt inzwischen wieder vor uns auf und ich bin froh darum. Denn jedes Mal, wenn meine Schwester mich von der Gruppe isoliert oder zusammen mit Grace versucht ein Gespräch aufzubauen, fühle ich mich bedrängt. Ich weiß, wie schwer es für sie sein muss, dass ich mich ihr nicht mehr öffnen kann. Sie erkennt die Maske, die ich seit Monaten trage. Dafür kennen wir uns zu gut. Aber ich kann nicht. Ich will nicht. Alles, was ich mir wünsche, ist, in meinen neuen Bus zu steigen und für ein paar Wochen den Kopf freizubekommen. Frankreich, Spanien, Schweiz und wieder zurück. Sechs Wochen habe ich mir gegeben. Zweiundvierzig Tage, um endlich den alten Ballast abzuwerfen und danach neu anzufangen. Ich will den ganzen Mist, der mir immer noch das Herz zerreißt, einfach vergessen. Irgendwann kommt der Punkt, an dem es nach vorne gehen muss anstatt zurück. Und dieser Punkt ist jetzt.

Seit Monaten plane ich diese Reise und endlich ist es so weit. Vor vier Tagen bin ich zusammen mit Marissa und ihrem Freund Davis aus Edinburgh hergefahren. Die beiden haben ihre Weihnachtsferien ausgedehnt und fliegen erst übermorgen von London aus zurück nach Indien, wo sie seit über einem Jahr leben, und ich nehme morgen die Fähre rüber nach Calais. Frankreich ist mein erstes Ziel. Zusammen mit Grace’ Bruder Jordan.

Nennen wir es Zufall oder Schicksal, dass er nächste Woche an die französische Küste wollte, um dort Urlaub zu machen. Seine Mitfahrgelegenheit ist kurzfristig abgesprungen und ich habe mich direkt angeboten. Grace war nicht sonderlich begeistert, als ich ihr Telefonat belauscht und mich direkt eingemischt habe. Doch ehrlich gesagt bin ich froh darüber, nicht allein aufbrechen zu müssen. Ich bin nicht wie Marissa. Meine Schwester ist schon um die Welt gereist, da war sie nicht mal volljährig. Meine Erfahrungen beschränken sich auf eine Woche New York und ein paar Urlaube in Irland mit meinen Eltern. So sehr ich mich auch auf die Zeit freue. Ich bin nervös. Vielleicht habe ich sogar Angst. Streng genommen habe ich sogar ganz sicher Angst. Da kann es nicht schaden, die ersten Tage Gesellschaft zu haben.

»Wenigstens musst du dann nicht die ganze Strecke fahren.« Marissa hält den Blick aufs Meer gerichtet, während sie sich bei mir unterhakt.

»Ich mach das schon«, versuche ich sie aufzumuntern und tätschele ihre Hand, die auf meinem Arm ruht. Bereits auf der Fahrt von zu Hause hierher nach Whistable durfte ich so gut wie nie ans Steuer. Angeblich weil Davis den Motor testen wollte. Ich denke, sie trauen mir schlichtweg nicht zu mit einem Camping-Van klarzukommen. Ich schiele zu ihr rüber. Ihr Lächeln ist in den letzten Tagen genauso falsch wie meins.

»Ich mache mir halt Sorgen.« Mit einem Unterschied. Sie sagt, was sie wirklich denkt. Jeden gottverdammten Tag die gleiche Leier. »Du bist nicht du selbst in letzter Zeit. All das«, sie wedelt theatralisch mit der freien Hand, »bist doch nicht du.«

»Bist nicht du diejenige gewesen, die immer gewollt hat, dass ich mehr verreise und die Welt erkunde?«

»Jaaaa«, stöhnt sie. Dagegen hat sie kein Argument. Auch wenn ich genau weiß, was sie meint. Ich bin schon lange nicht mehr ich. Weil ich mich nicht mehr leiden kann. Ich will nicht mehr die alte Amber sein. Damit habe ich an dem Tag abgeschlossen, als James Carter mein Leben zerstört hat. Davon weiß meine Schwester jedoch nichts und das soll auch so bleiben.

Marissa und Davis leben seit über einem Jahr weit weg. Sie weiß nichts über mich. Daran ändert auch ein viermonatiger Heimaturlaub nichts. So sehr ich meine Schwester liebe, sie ist mir fremd geworden. Kein Mensch würde uns in diesem Augenblick für Schwestern halten. Allein rein optisch. Sie mit ihren Rastalocken und dem wilden Look. Ein buntes Stück Stoff um ihre schmale Taille gewickelt. Schwarze Tattoos blitzen durch den dünnen Stoff ihres weißen Tanktops. Ich dagegen wie die Barbie, die ich mein Leben lang war. Perfekt geföhntes Haar. Meine Tommy-Hilfiger-Jeans und das Poloshirt, das Carter mir zum letzten Geburtstag geschenkt hat. Ich möchte gerne so etwas denken wie »Als alles gut war«. Doch das war es nicht. Das war unsere Beziehung im Grunde genommen nie. Er hat mich nicht einfach betrogen. Mir die ganze Zeit etwas vorgespielt und ich war so dumm ihm zu glauben. Das beschämt mich am meisten.

Ich ergreife Marissas Hand und drücke sie fest, während der Wind unsere Haare durcheinanderwirbelt. Der Spaziergang war eine gelungene Abwechslung. Nach all den Monaten fehlt mir immer noch die Energie. Als hätte Carter alles aus mir herausgesaugt.

»Also«, versuche ich das Thema zu wechseln und lege mein Standardgesicht auf. Das des fröhlichen schottischen Mädchens. »Was gibt’s heute Abend zu essen?« Im Grunde genommen könnte mir das nicht egaler sein, doch auf Marissas Fragen habe ich noch weniger Lust.

»Na ja«, Grace schiebt mit ihrer dicken Zehe ein paar Kiesel vor sich her, »mein Bruder kommt.« Ein Lächeln breitet sich auf ihrem Gesicht aus. »Also kann es darauf nur eine Antwort geben.«

»Burger«, ertönt eine Stimme und wir heben alle drei den Kopf hoch zum Absatz der Verandatreppe, die wir gerade erreicht haben.

Zeitgleich bohrt Marissa ihre Fingernägel in meinen Arm und ich mache eine Vollbremsung im Kies.

»Da bist du ja schon«, ruft Grace ihrem Bruder entgegen und hopst die Stufen zu ihrer Veranda hoch. »Hi.« Sie stellt sich auf die Zehenspitzen und gibt Jordan einen Kuss auf die Wange. Über ihre Schulter trifft mich sein Blick und ich sehe schnell zu Boden.

Vor ungefähr zwei Jahren habe ich ihn kennengelernt und auch zum letzten Mal gesehen. Er war damals neunzehn und … ein Kind.

»Wow«, stößt meine Schwester aus und löst sich von mir, um ihn ebenfalls zu begrüßen. Wir erklimmen gleichzeitig die letzten Stufen. »Du hast dich kaum verändert«, kichert sie und nimmt Grace’ kleinen Bruder kurz in den Arm. Ich sehe zu ihm und hätte beinahe laut gelacht. Ein echtes Lachen. Ich verkneife es mir in letzter Minute und weiche Jordans Blick aus, der nach wie vor auf mir ruht. Er ist so … groß. Er muss leicht in die Knie gehen, um meine Schwester zu umarmen. Zugegeben, Marissa und Grace sind Winzlinge, doch ich bin relativ groß für eine Frau. Und auch mich überragt er ein gutes Stück. Mal völlig abgesehen davon, dass er ganz offensichtlich in den letzten Jahren erwachsen geworden ist. Seine Haare sind viel länger als in New York und ragen in wilden Locken unter seinem Basecap hervor. Bei Marissas Worten fährt er sich durch den Nacken und spielt am Schild seiner Kappe, die er falsch herum trägt.

»Was haben sie dir zu essen gegeben?«, scherzt sie und stellt sich zum Größenvergleich neben ihn. »Wenn das nur Burger waren, brauche ich unbedingt mehr davon.«

»Nicht doch«, kichert Grace, die ihren Bruder bewundernd ansieht, »du sprichst quasi mit Mr Gemüse.«

Wie von selbst tragen meine Füße mich näher und ich strecke Jordan die Hand hin.

»Hi, Mr Gemüse«, murmele ich und stelle mir vor, wie ich mit diesem Kerl durch Frankreich fahren soll. Noch dazu mit einem Auto, das sich schwerer schalten lässt als ein Traktor. Ich kann ihm nicht mal in seine hellblauen Augen sehen, ohne nervös zu werden.

»Schön dich zu sehen, Member of Amber«, benutzt er den dämlichen Spitznamen, den er mir damals in New York verpasst hat. Dabei müssen wir beide schmunzeln und er nimmt meine Hand, drückt sie fest und zieht mich etwas näher zu sich. »Du bist meine absolute Rettung. Danke.«

Meine Mundwinkel wandern immer weiter nach oben und ich bin mir sicher, das ganze Üben des Falschlächelns macht sich langsam bezahlt. Oder vielleicht ist es auch die Spur eines ehrlichen Lächelns.

»Kein Problem«, nuschele ich und beobachte, wie Jordan seine raue Hand aus meiner löst, um einen Rucksack von seiner Schulter zu hieven. Überall an den Schnallen klimpern Haken und unter der Klappe hat er ein Seil festgeschnallt. »Ich fahre ja sowieso in die gleiche Richtung«, murmele ich und starre auf seine Kletterausrüstung.

Grace hat mir von seiner Leidenschaft fürs Klettern erzählt. Ich konnte mir nur einfach nicht vorstellen den hageren Jungen von damals an einer Wand hängen zu sehen. Der neue Jordan allerdings passt ganz gut an einen Felsen. Seine Unterarme scheinen einzig aus Sehnen und Muskeln zu bestehen und auch das T-Shirt spannt über seinem muskulösen Oberkörper. Krass, wie sehr ein Mensch sich verändern kann. Gut für mich, denn dann besteht Hoffnung.

In diesem Augenblick treten Grace und Jordans Eltern aus dem stylischen Wohnzimmer auf den dunklen Verandaboden und es entsteht richtig Trubel. Die Handersons sowie Davis und Adam plappern alle wild durcheinander. Sie fallen sich in die Arme und schunkeln fröhlich bei der Begrüßung. Ich bin erst seit ein paar Tagen hier, dennoch gewöhne ich mich nur langsam daran. Bei dem Handerson-Clan geht es grundsätzlich etwas lauter und wilder zu, als man es eigentlich aus Familien kennt. Oder zumindest als ich das tue. Irgendwer ist immer hier. Ein Onkel, eine Cousine. Mal die Grandma oder Freunde aus dem Dorf. Heute kommen Grace’ Eltern dazu. Sie wohnen seit vielen Jahren in der Nähe von London und haben lediglich Jordan hergebracht, damit wir direkt von hier aus zum Hafen von Dover starten können.

Ich trete vor und schüttele ihnen zögerlich die Hand. Sie sind so jung. Modern. Ganz anders als meine Eltern. Wahrscheinlich würden sie auf einer waschechten Studentenfeier weniger auffallen als ich. Sam, Grace’ Dad, hat komplett tätowierte Arme und sieht mit seiner dunklen, kurzen Sporthose und dem Fußballtrikot aus wie Mitte dreißig. Seine Haare sind schwarz und sein Blick ist durch eine Pilotenbrille verschleiert. Ich bin irgendwie erleichtert, als er sich wieder Davis zuwendet. Maggie, ihre Mum, lächelt mich freundlich an und nimmt mich in den Arm, obwohl wir uns nie zuvor gesehen haben. Meine Mum würde nie und nimmer Freunde von uns in den Arm nehmen. Und schon mal gar nicht in knappen Hawaiishorts und New-York-Yankees-Kappe.

Spätestens als dann auch Karen, Grace’ Großmutter, in wehendem Kleid von hinten auf die Veranda tritt, ist das Chaos perfekt und ich nutze die Gelegenheit, um mich aus dem Staub zu machen. Ein Vorteil an dem Trubel in diesem Haus. Ich kann mich unbemerkt zurückziehen. So sehr wie ich mich wirklich verändern will. Wie ich wieder zu einem normalen, fröhlichen Mädchen werden will. Wenn viele Menschen zusammen sind, fühle ich mich unwohl. Die vielen Blicke. Das laute Gerede. Wahrscheinlich Macht der Gewohnheit. Ich habe die letzten sieben Monate quasi isoliert verbracht. Bis auf meine Arbeit in der Apotheke, versteht sich. Ich hatte einfach keine Lust auf dämliche Verbindungspartys oder meine Freundinnen, deren einziges Problem darin besteht, Richard Olsen, den Star aus dem Lacrosse-Team, zu einem Date zu überreden.

Ich hüpfe die Treppen wieder hinab und schlendere rüber zu meinem Bus. Ich habe ihn aus einer fixen Idee heraus gekauft und anschließend begonnen meine Reise zu planen. Das war meine Therapie.

Die Schiebetür knarzt, während ich sie aufschiebe, um mich in den Eingang zu setzen. Ich muss den Kopf in den Nacken legen, um vollständig an Grace und Adams Haus hinaufzusehen. Ich habe keine Ahnung, wie sie, beziehungsweise ihre Eltern, sich ein solches Anwesen zusätzlich zu einem Haus in London leisten können. Das Gebäude ist riesig und allein durch die Lage unmittelbar am Meer wird es ein Vermögen wert sein.

»Hey«, ich weiß, auch ohne hinzusehen, wer es ist, »darf ich mich zu dir setzen?«

»Wenn du nicht wieder versuchst mir meine Pläne auszureden.« Ich funkele meine Schwester einmal böse an, rutsche jedoch ein Stück zur Seite, um ihr Platz zu machen.

»Das will ich gar nicht.«

»Ach nein?«, fauche ich. In Momenten, in denen wir allein sind, habe ich Schwierigkeiten, meine mühsam errichteten Mauern aufrechtzuerhalten. Der Schmerz soll einfach vorbei sein. Die Zeit des Traurigseins. Warum kann sie es nicht gut sein lassen? Mich gehen lassen. So wie ich es bei ihr schließlich auch musste.

»Am«, seufzt sie und lässt sich neben mich plumpsen, »sag mir, dass nichts vorgefallen ist, weswegen du wegwillst. Sag mir, dass es dir gut geht und ich mich täusche. Sag mir, dass dir nichts wiederverfahren ist, weshalb du dich so zurückziehst. Sag mir, dass ich beruhigt nach Indien fahren kann, weil du klarkommst. Sag all das und ich bin still.«

»Du kannst beruhigt nach Indien zurück«, flüstere ich und vermeide ihr ins Gesicht zu sehen. Starre auf die dunklen Holzpfosten, die die Veranda stützen. Ich wünschte, mich trüge auch ein solch solides Fundament.

»Und der Rest?«

Ich ziehe die Knie an den Körper und stütze das Kinn darauf. Die Lippen fest aufeinandergepresst.

Marissa stöhnt und legt ihre Hände vors Gesicht. Ihr fällt es schwer, wieder zu gehen. Das hat sie mehrfach betont. Meinetwegen. Da bin ich sicher. Und das will ich nicht. Sie ist glücklich in Indien. Glücklich mit Davis und das haben die beiden verdient.

»Ich bin nicht wie du.« Zum ersten Mal seit Monaten wage ich zumindest den Versuch, mich meiner Schwester zu erklären. Bislang konnte ich dem immer gekonnt aus dem Weg gehen. Ich habe die Arbeit vorgeschoben. Oder es waren einfach Kopfschmerzen, die ich vorgespielt habe. Ich bin sogar joggen gegangen, nur um mich vor ihr zu verstecken. Dann waren die Reparaturen am Bus eine gute Ausrede, mich vor einem Gespräch zu drücken. Davis hat sich gleich an Weihnachten drangemacht das Auto startklar zu machen und sie mussten dafür ihren vierwöchigen Urlaub auf vier Monate ausdehnen. Ich war und bin dafür unendlich dankbar. Doch umso länger sie da war, desto schwerer war es, ihr und der Wahrheit aus dem Weg zu gehen. Ich straffe die Schultern und sehe sie an.

»Ich kann nicht alles so locker sehen und aus dem Bauch heraus handeln. Ich habe mir das hier gut überlegt. Ich brauche diese Reise, Marissa. Ich brauche diese Chance, wieder glücklich zu werden.«

Das Mitleid in ihrem Gesicht lässt mich schlucken. Ich will nicht mehr weinen. Ich habe im letzten Jahr genug Tränen vergossen.

»Aber warum bist du denn überhaupt unglücklich? Bitte rede mit mir.«

»Ich kann nicht«, presse ich hervor, ohne sie länger anzusehen. So lange habe ich all meine Gefühle verschwiegen. Es ist, als hinge ein fettes Vorhängeschloss an meiner Seele und ich hätte den Schlüssel verloren. Nein, verschenkt habe ich ihn … »Bitte, Marissa. Seit du hergekommen bist, versuchst du mich zu irgendwas zu drängen. Morgen trennen sich unsere Wege und wer weiß, wann wir uns überhaupt wiedersehen. Bitte«, flehe ich und lege all meine Sorgen in den Blick, den ich ihr schenke, »wünsch mir einfach viel Spaß und glaube an mich. Glaube an das, was ich mir vorgenommen habe. Die nächsten Wochen sind wichtig für mich. Ich brauche das wirklich.«

»Okay«, murmelt sie und in ihren Augen lese ich so viel Ungesagtes. Es tut mir leid, sie ausgeschlossen zu haben. Doch sie ist auch nicht ganz unschuldig an unserer Distanz.

»Ich habe diese Reise so akribisch geplant und du hast dich nicht ein einziges Mal wirklich dafür interessiert.« Ein Vorwurf, der mir wirklich schwer zu schaffen macht.

»Es tut mir leid.« Im selben Moment schlingt sie ihre Arme um mich und wirft uns beinahe um. »Ich wusste nicht, ob du das willst.«

»Es hätte mir viel bedeutet. Immerhin hast du fast ein Jahr lang in Frankreich gelebt. Ich …«

»O Am, bitte entschuldige«, winselt sie in mein Ohr. Sie löst sich ein Stück von mir. Ihre Augen sind tränennass. »Ich habe doch nur Angst, du läufst vor irgendwas davon. Natürlich sollst du Spaß haben. Und ich gönne dir diese Reise von ganzem Herzen. Du hast es verdient, glücklich zu sein.«

»Und das werde ich sein«, flüstere ich und wir nehmen uns wieder in den Arm. Ihre Rastas kitzeln mich an der Nase und ich atme ihren Duft ein. Meine Schwester riecht nach frischer Luft und Meer. Nach Freiheit.

»Versprich mir anzurufen, solltest du es dir anders überlegen und jemanden zum Reden brauchen. Ich setze mich in den nächsten Flieger.«

»Versprochen«, lüge ich. Denn wenn Marissa und Davis erst zurück in Indien sind, werden sie weit entfernt sein von mir und meinen jämmerlichen Problemen. Sie werden glücklich sein und ich bin die Letzte, die daran irgendetwas ändern würde. Völlig abgesehen von der Tatsache, dass ich nicht reden will. Ich will endlich das Leben genießen und fröhlich sein. Ich habe lang genug geschmollt. Nun wird es Zeit, all das, worauf ich mich in den letzten Monaten konzentriert habe, wahr werden zu lassen.

Wir lösen uns aus der Umarmung und meine große Schwester hält mich an den Oberarmen fest.

»Und jetzt zeigst du mir deine Reisepläne, ja?«

Ein Lächeln legt sich auf mein Gesicht. Es ist ein echtes und fühlt sich im ersten Moment komisch an.

»Und dabei«, lacht sie, »können wir darüber reden, warum Grace vergessen hat zu erwähnen, dass ihr Bruder sich von einem hormongesteuerten Teenager in einen Hottie verwandelt hat.«

So sehr ich es auch die letzten Monate vermieden habe, in diesem Moment muss ich richtig lachen. Beim ersten schrillen Ton, der ungebremst aus mir herauskommt, zucke ich kurz zusammen, doch dann kann ich mich langsam entspannen und lache zum ersten Mal seit sieben Monaten laut und herzhaft. Es ist erschreckend ungewohnt. Allerdings fühlt es sich auch nach einem Neuanfang an. Ich will nicht länger traurig sein. Das verlassene Mädchen, das allein in seinem Zimmer sitzt und die Welt verflucht. Hier und jetzt soll mein Wendepunkt sein. Ab heute wird alles anders. Da bin ich mir sicher.

Kapitel 2

Jordan

Abende wie diesen. Das ist der Grund, warum ich meine Familie liebe. Warum ich das Leben feiere. Wenn ich mit diesem Haufen völlig unterschiedlicher Menschen zusammen bin, die mir alles auf der Welt bedeuten. Und das tun sie. Meine Eltern und Grace, sie sind mir das Wichtigste auf der Welt.

Seit Grace vor ein paar Jahren mit Adam in unser altes Haus am Strand gezogen ist, scheinen alle in unserer Familie auf Wolken zu schweben. Meine Schwester ist megaentspannt, seit die Sache mit Adam läuft. Und wir anderen haben uns daran gewöhnt, dass ihr Loverboy ausgerechnet mein Cousin sein musste (okay, nicht falsch verstehen, ich bin kein Freund der Inzucht, da Adam allerdings nur adoptiert ist, können wir alle mittlerweile locker damit umgehen). Meine Eltern sind mit sich und ihren Karrieren glücklich beschäftigt und ich genieße einfach ein Leben voller Dinge, die mir Spaß machen. Scheiße, es kann so schnell vorbei sein. Man wäre doch bescheuert, wenn man nicht jeden Tag in vollen Zügen auskosten würde. Und das tun wir an Abenden wie diesen. Mum, Dad und ich schaffen es viel zu selten, raus nach Whistable zu fahren, um den Flair unseres alten Hauses zu genießen.

»Ich habe es geliebt. Wie Marco am Ende der Protagonistin mitten in den Weinbergen seine Liebe gesteht, ich habe so geweint«, schwärmt Marissa. Im Schein des Feuers glitzern ihre Augen beim Erzählen und meine Mum klebt bei jedem Wort an ihren Lippen. Obwohl sie so erfolgreich ist, bedeutet ihr jede einzelne Leserstimme immer noch viel. Sie hat nie den Boden unter den Füßen verloren. Ist sich immer treu geblieben.

»Und du fandest es nicht zu kitschig? Eine der Hauptkritiken in der Times behauptet, das Ende sei zu kitschig und ich habe zu viele Klischees bedient.«

Ich weiß, wie schwer sie die Kritiken zu ihren Büchern treffen. Dabei bräuchte sie sich um die wenigen Stimmen nicht zu scheren. Meine Mum ist der Hammer. Sie ist jung, modern, bodenständig und eine erfolgreiche Autorin. Sie ist einfach die coolste Mum der Welt. Meine Freunde ziehen mich ständig damit auf, wenn ich so was sage. Aber scheiße noch mal, deswegen bin ich kein Muttersöhnchen, es ist schlicht die Wahrheit. Okay, wahrscheinlich bin ich doch eins. Und zwar voller Stolz.

Für April ist es ungewöhnlich mild an diesem Abend. Und das obwohl die Sonne sich heute nicht hat blicken lassen. Neben dem Geschnatter der Frauen kann man die Wellen brechen hören und das Feuer knistert in der großen Edelstahlschale, die in unserer Mitte steht. Leise Gitarrenklänge, mit denen Davis uns einlullt, machen das Ganze perfekt. Wie gesagt, ich liebe Abende wie diesen. Und sie machen es mir leicht, denn ich habe die beste Familie der Welt.

»Eine Geschichte kann niemals zu kitschig sein«, wirft meine Schwester ein, die auf Adams Schoß sitzt. In Decken und Teddyjacke eingewickelt, als wäre sie in Sibirien. Ich trage nicht mal ein Sweatshirt.

Auf ihre Aussage hin verziehen mein Dad und Davis synchron das Gesicht und ich muss schmunzeln. Davis könnte sein Sohn sein. Er sieht ihm jedenfalls ähnlicher als ich. Allein durch die vielen Tattoos und den stechenden Blick. Adam hingegen himmelt Gracy bei jedem ihrer Worte an. Er hat ein kleines Notizbüchlein auf ihrem Schoß platziert und kritzelt etwas vor sich hin. Ein Zeichen dafür, dass er ebenfalls entspannt ist.

»Was ist eigentlich mit dir?« Marissa lehnt sich nach vorne und stützt die Ellbogen auf die Knie. »Wo wir gerade bei grenzenloser Romantik sind. Hast du eine Freundin?«

Mein Dad schnaubt und ich zeige ihm lediglich den Mittelfinger, was er unvermittelt erwidert. Bei uns ist alles etwas anders als bei gewöhnlichen Familien.

»Ich lege mich ungern fest«, sage ich und stemme meine Füße auf die Stuhllehne meiner Mum.

»Also hast du dich diesbezüglich eher nicht verändert«, stellt sie trocken fest und ich muss lachen. Marissa war schon damals in New York kein Fan meiner Art und sie wird es höchstwahrscheinlich auch nie werden.

»Ich bin besser geworden.« Ich wackele mit den Augenbrauen und nehme einen Schluck von meinem Bier. Tatsächlich provoziere ich sie nur. Mir ist klar, wie wenig geheuer es ihr sein muss, ihre kleine Schwester mit mir zusammen auf große Reise zu schicken. Grace hat gestern am Telefon immer mal wieder Andeutungen gemacht und der Blick, den die beiden sich jetzt zuwerfen, bestätigt meine Theorie nur. Doch ich werde die kleine Sanders nicht anrühren. Das brächte nur Chaos mit sich. Etwas, was ich versuche zu vermeiden.

»Dieses blonde Mädchen von letzter Woche. Das mochte ich.« Meine Mum sieht im Schein des Feuers viel jünger aus, als sie in Wirklichkeit ist. Wahrscheinlich weil sie einen Hoodie von meinem Dad trägt. Samt Kapuze auf dem Kopf, versteht sich. Wenn wir in Whistable sind, habe ich den Eindruck, meine Eltern kehren zu ihrer Ursprünglichkeit zurück. Ohne Hemd und Krawatte, ohne Businessstress. Einfach Sam und Maggie. Das mag ich. Und die beiden glaube ich auch.

»Die mit der piepsigen Stimme?«, wirft mein Dad ein und schüttelt sich unwillkürlich.

»Ihre Stimme war echt mies«, lache ich. »Keine Sorge, sie kommt nicht wieder.« Mein Dad hält seine Bierflasche nach oben, um mir symbolisch zuzuprosten.

»Gute Entscheidung, mein Junge. Was war mit dieser Kimberly?«

»Kimber-Marie meinst du.« Ich weiß, schräg. Meine Familie weiß über all meine Ex-Bekanntschaften Bescheid. Aber was soll ich machen? Unser Haus ist nicht riesig, die beiden arbeiten ständig im Homeoffice. Es lässt sich nicht vermeiden. Und ist mir obendrein vollkommen egal.

»Kimber-Marie?«, fragt meine Schwester und zieht ihre Nase kraus. »Allein der Name klingt furchtbar.«

»Oh, sie ist keineswegs furchtbar gewesen, sie hatte echt was drauf«, murmele ich in meine Flasche und sehe im Augenwinkel, wie Marissa die Kinnlade runterfällt.

»Jordi«, warnt meine Mum, doch ich ignoriere sie, denn die Show ist ohnehin vorbei.

»Meine Damen. Meine Herren.« Ich stehe auf und mache eine Verbeugung in alle Richtungen. »Es war nett, mit euch zu plaudern, doch ich gehe jetzt ins Bett.«

»Vor neun Uhr?« Grace sieht auf ihr freies Handgelenk. Sie hat keinen Schimmer, wie viel Uhr es ist.

»Gestern war ein langer Tag und eine kurze Nacht. Morgen und die kommende Woche wird anstrengend genug. Besser, ich nutze ein richtiges Bett, solange ich kann.« Ich winke einmal in die Runde und verabschiede mich mit einem demonstrativen Knicks Richtung Haus. Natürlich bin ich weder müde noch habe ich vor zu schlafen. Stattdessen werde ich Amber Sanders einen Besuch abstatten.

Ich bin froh über die Mitfahrgelegenheit rüber nach Frankreich. Vor drei Tagen erst hat Jonathan seine Pläne geändert und mich damit beinahe zum Ausrasten gebracht. Das heißt einiges, denn eigentlich bin ich die Ruhe selbst. Es hätte ihm nur ein bisschen früher einfallen können, dass er anstatt mit uns zum Klettern lieber mit seiner aktuellen Flamme nach Cornwall fahren will. All unsere Freunde sind bereits seit mehreren Tagen in der Bretagne. Jonathan und ich wollten in ein paar Tagen hinterherfahren. Der Penner.

Stattdessen fahre ich nun mit der Schwester der Freundin meiner Schwester. Auch gut. Prinzipiell ist es mir egal, wie ich rüberkomme. Hauptsache, ich schaffe es irgendwie bis nach Crozon. Seit einem Jahr planen wir unsere Kletterwochen und ich wäre echt angepisst, wenn ich nicht dabei sein könnte.

Ehe ich es mir genauer überlegen kann, stehe ich schon vor Ambers Gästezimmer und klopfe zaghaft an. Ich kenne dieses Mädchen im Grunde nicht. Vor über zwei Jahren waren wir für ein paar Tage zur gleichen Zeit bei meinem Onkel in New York. Damals schien sie echt locker zu sein. Heute hingegen hat sie kein Wort gesprochen. Vielleicht ist es den anderen nicht aufgefallen, doch mir ist nicht entgangen, wie sie in ihrem Essen rumgestochert hat, nur um sich kurz danach in ihr Zimmer zu entschuldigen. Hinzu kommt ein Gespräch, das ich dummerweise belauscht habe. Nicht absichtlich, versteht sich.

»Herein«, ruft sie, beinahe als wäre ich der Zimmerservice, und ich öffne die Tür. Früher war das hier Mums Büro und trotz des neuen Anstrichs und der freundlichen Möbel habe ich das Gefühl, der Geruch nach Büchern liegt nach wie vor in der Luft.

»Hey«, sage ich und lehne mich gegen den Türrahmen. Amber ist ein wirklich hübsches Mädchen. Das war sie schon damals in New York. Ich würde behaupten, sie ist der Traum vieler Männer. Mit den langen blonden Locken und der modelmäßigen Figur. Nur hilft ihr das nicht über den Ausdruck in ihrem Gesicht hinweg. Er ist leer.

Wie sie zusammengekauert unter der Decke hockt. Die Knie an den Körper gezogen, unterstreicht das leider nur die Worte, die ich zwischen Grace und Marissa aufschnappen konnte. Marissa sorgt sich um ihre kleine Schwester. Sie befürchtet, dass sie irgendwas bedrückt.

»Bist du in den letzten zwei Jahren Vegetarierin geworden?«, frage ich, um das Eis zu brechen, und verschränke die Arme vor der Brust.

Gekonnt zieht sie eine Augenbraue nach oben und wartet offensichtlich auf eine Erklärung. Daraufhin kann ich nur lächeln.

»Na ja«, beginne ich und schlendere in das Zimmer. Nein, sie hat mich nicht hereingebeten. Was soll’s. »Das Rind wäre ziemlich beleidigt, wenn es gesehen hätte, wie du in deinem Burger stocherst, nur um ihn dann wegzuwerfen.«

»Ich hatte keinen Hunger.«

Der erste vollständige Satz, den sie zu mir sagt. Ich befürchte, der Weg bis in die Bretagne könnte verdammt weit werden.

»Also, morgen dann«, versuche ich sie erneut aus ihrem Schneckenhaus zu locken.

»Morgen«, wiederholt sie. Ich sehe, wie sie auf das Fußende ihres Bettes schielt und trete einen Schritt näher.

»Was ist das?«, frage ich und deute mit dem Kinn auf einen fetten DIN-A4-Ordner. Time to Travel steht in dicken schwarzen Buchstaben auf dem goldenen Cover.

»Das ist meine Reise.« Amber setzt sich aufrecht in den Schneidersitz. Ihre Brust schwillt förmlich an vor Stolz. Jetzt gerade erinnert sie mich an die Amber aus New York. Glanz in den Augen. Leuchten im Gesicht, was mich dazu bewegt, dichter ranzugehen und den dicken Ordner umzudrehen, um ihn besser sehen zu können. Er ist randvoll.

»Du überlässt nichts gerne dem Zufall, oder?« Ich kratze mich am Kinn, um meine Belustigung zu verbergen. Dennoch öffne ich den verzierten Deckel vorsichtig und schon prangt mir in goldenen Buchstaben ihr erstes Ziel entgegen.

»Echt jetzt?« Angewidert ziehe ich die Nase kraus. »Paris?« Ich lasse mich auf die Bettkante nieder und schlage die folgenden Seiten auf. Sie hat alles geplant. Jede Minute durchgetaktet anhand von Flyern, Fotos und Broschüren. Dazu kommen Glitzer und Aufkleber, so weit das Auge reicht. Mit hochgezogener Augenbraue sehe ich sie an. Wie alt ist sie? Fünf?

Zum ersten Mal, seit ich hier bin, lächelt sie aufrichtig und nickt dabei so heftig, dass ihr hoher Pferdeschwanz hin und her wippt.

»Du willst also nach Paris und anschließend«, das nächste aufwendig gestaltete Deckblatt kommt zum Vorschein, »nach Versailles?«

Wahrscheinlich kann ich mein angewidertes Gesicht nicht so gut verstecken, wie ich dachte, denn ihr Lächeln verschwindet binnen Sekunden.

»Es hat dich niemand gezwungen mitzukommen. Ich kann dich bis Paris mitnehmen und du schlägst dich weiter allein durch«, ihre Stimme wird mit jeder Silbe leiser, sie schlägt den Blick nieder, »oder …«

»Oder?«, hake ich nach, nachdem sie nicht weiterspricht.

»Oder …«, sie zögert kurz und spielt an den Nähten ihres Bettbezugs, »du begleitest mich nach Paris und Versailles. Wartest die zwei Tage, denn anschließend fahre ich weiter Richtung Bretagne.«

Sie hebt den Kopf und wir sehen uns an. Ich schenke ihr ein schmales Lächeln und blättere weiter. Tatsächlich, nach Versailles, was ja wohl hoffentlich ein schlechter Witz sein soll, kommt Nantes. Das liegt keine drei Stunden Fahrtzeit von Crozon entfernt.

»Hör mal, ich bin dankbar für die Mitfahrgelegenheit. Wenn du nach Paris und Versailles willst, deine Entscheidung. Ich kann zwei Tage warten.«

»Dann fahren wir zusammen, bis wir Nantes erreichen?« Amber richtet sich auf. Wie ein kleines Kind, dem man einen Lolli versprochen hat, strahlt sie mich an.

»Wenn das für dich okay ist, wäre das wirklich großartig.«

Ich klappe den Ordner zu und versuche den rosafarbenen Glitzer am Stoff meiner Jogginghose abzuwischen. Amber kichert, unterbricht sich aber selbst schnell wieder. Meiner Einschätzung nach macht sich Marissa zu Recht Sorgen um ihre Schwester. Sie wirkt nicht wirklich unbekümmert.

»Das ist völlig okay«, sagt sie und zieht den Ordner auf ihren Schoß. Wie ein Baby hält sie ihn fest umklammert vor der Brust. »Darf ich dich was fragen?«

»Fragen darfst du mich alles, ich entscheide, ob du eine Antwort bekommst.« Mittlerweile glitzert nicht nur meine Hose, sondern auch die gesamte Bettdecke.

»Grace meint, du seist in Frankreich mit deinen Freunden verabredet. Warum bist du nicht mit ihnen gefahren?«

»Ein paar von uns sind schon vor einigen Tagen los. Ich wollte morgen mit meinem Kumpel Jonathan aufbrechen.« Ich gebe es auf, das Glitzerzeug wird nie wieder von meinen Händen verschwinden. »Allerdings ist er seit letzter Woche über beide Ohren verliebt. Und weil es diesmal wirklich die wahre Liebe ist, nicht so wie bei den hundert Frauen davor, will er lieber mit ihr nach Cornwall fahren, um einen auf vorgezogene Flitterwochen zu machen.«

Ich ziehe mir die Kappe vom Kopf, um mir durch die Haare zu fahren. Dabei entweicht mir ein Gähnen. Die letzte Nacht war tatsächlich kurz.

»Und du … hast kein Auto?«

Ich kenne den Ausdruck in ihrem Gesicht. Reicher Junge, reicher Eltern, steinreicher Onkel. Warum hat der Kerl keinen Ferrari? Das fragen sich die meisten Menschen in meiner Umgebung.

»Nope«, ich setze die Kappe wieder auf und zucke mit einer Schulter, »ich komme aus London. Ich fahre mit der Bahn oder mit dem Fahrrad. Warum sollte ich ein Auto besitzen? Außerdem hat meine Familie bereits zwei Wagen, die unsere Umwelt verschmutzen. Da brauchen wir nicht noch einen.«

»Okay.«

»Du hast mit einer anderen Antwort gerechnet, oder?« Ich lege den Kopf schief, was vollkommener Quatsch ist, denn dadurch sind ihre Gedanken für mich auch nicht zugänglicher.

»Ähm. Nein. Ja. Also …« Durch ihre langen Wimpern sieht sie mich an, während sie an ihrem perfekt manikürten Finger knibbelt. »Ich glaub schon«, seufzt sie anschließend und ihre Schultern fallen ein Stück nach unten.

Wir sehen uns einen Augenblick an und mein Mund verzieht sich zu einem fetten Grinsen. Amber ist das totale Gegenteil von Marissa. Nicht locker oder schlagfertig. Und dennoch kann ich den Blick nicht von ihr nehmen. Verdammt, sie ist so unfassbar hübsch. Daran kann die Traurigkeit in ihrem Gesicht nichts ändern. Grace mein Wort zu geben, die Finger von ihr zu lassen, war nicht meine beste Idee. Nicht dass sie mir eine Wahl gelassen hätte. Seit sie mir von Ambers Angebot erzählt hat, ruft sie gefühlt jede Stunde an, um mir zu drohen.

»Morgen dann …«, ich mache eine Pause, »Paris also.«

Scheiße. Sie ist echt heiß. Selbst in dem hässlichen lilafarbenen Oversize-Shirt und ihrer Leggings.

»Paris«, wiederholt sie und wir sehen beide kurz auf ihren Ordner, ehe sich unsere Blicke wieder treffen.

»Dann gute Nacht, Amber«, murmele ich, ohne Anstalten zu machen aufzustehen.

»Gute Nacht«, flüstert sie und wir sitzen noch eine Weile da, ehe ich aufstehe und ohne einen Ton ihre Zimmertür hinter mir schließe.

»Das könnte lustig werden«, nuschele ich vor mich hin, ehe mein Blick auf Marissa fällt, die im Türrahmen zum Wohnzimmer steht. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht spricht Bände. Offensichtlich bin ich nicht der Einzige, der in diesem Haus lauscht.