Tochter des Gauklers - Dritter Roman: Die Stunde der Hoffnung - Stefan Nowicki - E-Book
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Tochter des Gauklers - Dritter Roman: Die Stunde der Hoffnung E-Book

Stefan Nowicki

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Beschreibung

Wenn dein Leben und deine Liebe in Gefahr geraten: „Die Stunde der Hoffnung“, Band 3 der historischen Saga von Stefan Nowicki, als eBook bei dotbooks. Nur wer wahren Mut beweist, kann Heldentaten vollbringen … Im Jahre 1284 gelingt es 130 jungen Männer und Frauen, aus den Mauern ihrer Heimatstadt Hameln zu fliehen. Sie wollen ihr Glück in der Ferne suchen – aber werden sie ihren Verfolgern entkommen? Vor Lorenz, dem jungen Steinmetz, seiner Geliebten, der Rattenfängerin Uta, und ihren Freunden liegt eine gefahrvolle Reise, beseelt von der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Wer von ihnen wird in den Osten ziehen, um dort neue Ländereien zu besiedeln – und wer folgt dem Ruf der Kirche auf den Kreuzzug ins Heilige Land? Schon bald ist nichts mehr, wie es am Anfang schien. Und auch Lorenz‘ Gefühle werden auf eine harte Probe gestellt, als ein neuer Gefährte zum Tross stößt: Valentin, ein junger Fahrensmann, der schon einmal versucht hat, Utas Herz zu gewinnen … Bewegend, dramatisch und spannend: Bestsellerautor Stefan Nowicki begeistert in seiner Trilogie „Tochter des Gauklers“ mit einer ganz neuen Interpretation des Rattenfänger-Mythos – voller sympathischer Protagonisten, überraschender Wendungen und dem Wissen um die Abgründe der menschlichen Seele. Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Tochter des Gauklers: Die Stunde der Hoffnung“ von Stefan Nowicki. Wer liest, hat mehr vom Leben! dotbooks – der eBook-Verlag.

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Über dieses Buch:

Nur wer wahren Mut beweist, kann Heldentaten vollbringen …

Im Jahre 1284 gelingt es 130 jungen Männer und Frauen, aus den Mauern ihrer Heimatstadt Hameln zu fliehen. Sie wollen ihr Glück in der Ferne suchen – aber werden sie ihren Verfolgern entkommen? Vor Lorenz, dem jungen Steinmetz, seiner Geliebten, der Rattenfängerin Uta, und ihren Freunden liegt eine gefahrvolle Reise, beseelt von der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Wer von ihnen wird in den Osten ziehen, um dort neue Ländereien zu besiedeln – und wer folgt dem Ruf der Kirche auf den Kreuzzug ins Heilige Land? Schon bald ist nichts mehr, wie es am Anfang schien. Und auch Lorenz‘ Gefühle werden auf eine harte Probe gestellt, als ein neuer Gefährte zum Tross stößt: Valentin, ein junger Fahrensmann, der schon einmal versucht hat, Utas Herz zu gewinnen …

Über den Autor:

Stefan Nowicki, geboren 1963, studierte Germanistik, Politik, Kunstgeschichte, Philosophie und Theologie. Er arbeitet unter anderem als freier Kulturjournalist für verschiedene Zeitungen und lebt in der Nähe von Augsburg.

Der Autor im Internet: www.stefannowicki.de

Stefan Nowicki freut sich darüber, über Facebook in Kontakt mit seinen Lesern zu treten: www.facebook.com/stefannowicki.w.u.t

Stefan Nowicki veröffentlichte bei dotbooks bereits den Bestseller »Die Kreuzfahrerin«, in dem er die abenteuerliche Lebensgeschichte der jungen Deutschen Ursula erzählt, und »Der Sohn der Kreuzfahrerin«, in dem er sich Ursulas Sohn Shakib widmet, sowie die Trilogie »Tochter des Gauklers« mit den Einzelromanen »Die Tore von Hameln«, »Die Stadt der Lügen« und »Die Stunde der Hoffnung«.

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Originalausgabe September 2018

Copyright © der Originalausgabe 2018 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Redaktion: Ralf Reiter

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung von Bildmotiven von shutterstock/Alyona Mandrik, blue pencil und Sk_Advance studio.

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)

ISBN 978-3-95824-455-9

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Stefan Nowicki

TOCHTER DES GAUKLERS: Die Stunde der Hoffnung

Roman

dotbooks.

Vom Gottesdienst im Stifte Kehrten heim die Bürger Hameln’s,Heim zu ihren leeren Häusern, Leer von Ratten, leer von Mäusen,Leer von den geliebten Kindern.

Julius Wolf, Der Rattenfänger von Hameln: Eine Aventiure, Grote, Berlin 1875

Kapitel 1

27. Juni 1284, Hameln

Der neue Tag, zu dem die Bürger Hamelns erwachten, schien nur anfangs ganz gewöhnlich zu sein. Ein jeder tat, wozu er da zu sein glaubte, verrichtete sein Tagwerk, und das meiste davon war nicht der Rede wert.

Doch über die Veränderung, die sich an diesem Tag der Stadt bemächtigte, würde man noch in 1000 Jahren sprechen.

In den Backstuben regten sich schon vor Sonnenaufgang die ersten fleißigen Hände. In Öfen wurde Feuer entfacht, aus den über Nacht angeheizten wurde die Asche gefegt, und die in Körben und auf Brettern vorbereiteten Backwaren wurden in die Hitze geschoben.

Schon lief Roland, dem alten Bäckergesellen, der Schweiß in kleinen Bächen über Gesicht und Hals. Er musste sich sputen, denn heute fehlten die hilfreichen Hände Conrads, des Bäckerssohns. Gerade hatte er den Ofen mit den Roggenbroten verschlossen, da erschien der Bäckermeister selbst und sah sich suchend um.

»Wo ist Conrad?«, herrschte er Roland an.

Der zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Vielleicht schläft er noch. Er war doch bestimmt auch beim Johannisfeuer, oder?«

»Und? Ist das ein Grund? Dem werde ich Beine machen. Feiertag war gestern. Heute wird wieder gearbeitet.«

Mit diesen Worten eilte er aus der Backstube und rief schon im Gang zu den Wohnräumen seinen Sohn: »Conrad! Du fauler Hund! Aufstehen!«

In der Stube traf er auf Mathes, seinen Zweitgeborenen. »Conrad ist nicht da«, sagte der.

»Was soll das heißen, er ist nicht da?«

Mathes wagte kaum, den Blick vom Boden zu heben. »Er ist nicht auf seinem Lager. Vielleicht ist er mit den anderen draußen beim Feuer geblieben.«

»Na, der kann was erleben, wenn er heimkommt. Rasch, geh du in die Backstube und hilf Roland. Ich komme auch gleich.«

Mathes beeilte sich, der Aufforderung des Vaters nachzukommen. Der Bäcker selbst kletterte die Stiege empor, um seiner Frau von dem morgendlichen Ärger zu erzählen.

Draußen wurde es bereits hell, und schon bald würde die Sonne über den Rand der Stadtmauer steigen. Überall in den Häusern regte sich nun Leben, und mehr und mehr ungeduldige Rufe waren bis auf die Gassen zu hören. Kinder, von den Eltern geschickt, eilten zwischen Hütten und Häusern einher, um sich bei Nachbarn und Freunden nach dem Verbleib der fehlenden Familienmitglieder zu erkundigen. Selbst im Haus des Bürgermeisters, Heinrich Gruelhot, war man ungehalten darüber, dass die älteste Tochter, Elisabeth, offenbar in der Nacht nicht zurückgekommen war. Einer seiner Söhne kam und berichtete: »Vater, es konnte mir niemand sagen, wo Elisabeth ist, aber auch beim Steinmetz, beim Bäcker und beim Fleischhauer fehlen welche. Bei den Kaufmannsleuten hieß es, die seien alle draußen beim Johannisfeuer geblieben.«

Heinrich Gruelhot überlegte kurz. Den Groll, der sich in ihm aufstaute, konnte er nur mit Mühe unterdrücken. Als Oberster der Stadt sah er sich und seine Familie in der Pflicht. Dass auch seine Tochter nun offensichtlich über die Stränge schlug, ärgerte ihn und verlangte sofortiges Handeln. Er lief zur Unterkunft der städtischen Wachen und gab gleich den ersten Bütteln, die er auf dem Hof bei ihren morgendlichen Pflichten antraf, entsprechende Befehle: »Rasch, sattelt zwei Pferde und reitet hinaus zum Kalvarienberg, wo sie das Johannisfeuer gemacht haben, und treibt alle Müßiggänger, die ihr dort antrefft, nach Hause. Und meiner Tochter könnt ihr ausrichten, sie soll sich sofort bei mir melden.«

Auf dem Weg zum Rathaus musste er dann aber doch schmunzeln. Dass Elisabeth, ohne vorher um Erlaubnis zu fragen, ausgeblieben war, verlangte nach einer Zurechtweisung und einer kleinen Strafe, aber er konnte sich gut daran erinnern, dass auch er in jungen Jahren mit anderen um das Feuer getanzt war, bis sie betrunken und erschöpft direkt daneben eingeschlafen waren.

»Heinrich! Heinrich, warte mal!« Oswald, der Schreiner, kam über den Platz gelaufen.

»Oswald, was gibt es?«

»Meine beiden Söhne, Urban und Gottfried, sind gestern nicht nach Hause gekommen. Und ich habe gehört, auch in vielen anderen Häusern werden welche vermisst.«

»Ja, ich habe davon gehört. Die haben gewiss draußen beim Feuer geschlafen. Aber ich habe schon die Wachen geschickt, sie sollen die Kinder nach Hause treiben. Bis zur Mittagsstunde sind alle wieder da.«

»Ich weiß nicht.« Oswalds Stimme klang fast weinerlich. »Die Frau sagt, es fehlt Verschiedenes aus dem Hausrat, ihre Schalen, ein Topf und ihre Decken.«

»Was sagt das schon? Sie haben sich Decken mitgenommen für die Nacht und Schalen fürs Essen. Hättest du es anders gemacht?«

»Ich weiß nicht, Heinrich. Ich habe so ein seltsames Gefühl. Irgendetwas stimmt nicht.«

»Oswald, geh nach Hause und an die Arbeit. Die Kinder werden bald auftauchen. Seid ihr denn alle von Sinnen? Schau, da kommen schon die Nächsten.«

Über den Platz kamen der Gewandschneider und seine Frau. Schon von Weitem sah man ihnen die Aufregung an. Noch ehe sie ganz herangekommen waren und den Mund aufmachten, rief ihnen Heinrich entgegen: »Ja, ich weiß, die jungen Leute haben gestern ein Johannisfeuer gemacht und sind noch nicht wieder zurückgekommen. Ich habe schon zwei Reiter losgeschickt, sie heimzutreiben. Also geht nach Hause und lasst mich damit in Ruhe.«

»Nein, Heinrich.« Die Schneiderleute blieben stehen, und als der Bürgermeister sie fragend ansah, erklärte die Frau: »Es ist anders. Sie werden nicht zurückkommen. Sie sind weg. Unsere Tochter hat heute Morgen bitterlich geweint, und erst nach langem Fragen rückte sie mit der Sprache heraus. Unsere Söhne, Singulf und Lenz, haben sich zusammen mit anderen dem Lokator angeschlossen und sind weggegangen. Das Johannisfeuer war nur ein Vorwand, um sich aus der Stadt zu stehlen. Du bist doch mit diesem Notger befreundet. Er macht gemeinsame Sache mit dem Mönch und hat unsere Kinder weggeführt. Du musst die Wache zusammenrufen und ihnen hinterher, um sie uns zurückzubringen.«

»Ich soll die Wachen alarmieren, weil ein kleines Mädchen heult? Notger ist gar nicht in der Stadt. Er ist schon seit über einer Woche fort. Der Mönch ist auf der Suche nach Kämpfern, da fallen eure Söhne ja wohl aus, oder? Die jungen Leute haben gefeiert und schlafen nun ihren Rausch aus. Was soll die ganze Aufregung?«

»Wenn es sich nur um ein paar Burschen handeln würde, wäre ich deiner Meinung.« Willin, der Steinmetz, war hinzugekommen. »Aber aus fast jedem Haus fehlt jemand. Jungen und Mädchen. Auch bei mir. Lorenz ist fort, und Tomas, der Sohn des anderen Steinmetzes, ist verschwunden. Zudem fehlen zwei Pferde aus dem Stall. Ich glaube nicht, dass sie zum Johannisfeuer geritten sind.«

»Das sagt noch gar nichts. Wir wissen ja noch nicht einmal, ob das alles miteinander zusammenhängt.« Heinrich Gruelhot erwähnte nicht, dass auch aus seinem Haus jemand verschwunden war, doch langsam kamen in ihm Zweifel auf, und er begann, sich Sorgen zu machen. Konnte es sein, dass Notger ihn hintergangen hatte? Er sehnte die Rückkehr seiner Büttel herbei, in der Hoffnung, alles würde sich in Wohlgefallen auflösen. »Na gut.« Er bemühte sich, seiner Stimme einen festen, bestimmenden Klang zu verleihen. »Lasst uns auf die Rückkehr der Wachen warten. Sie müssten bald kommen. Und dann werdet ihr sehen, dass die ganze Aufregung umsonst war.«

Bis die Reiter endlich auftauchten, hatte sich noch mehr Volk versammelt. Das war dem Bürgermeister gar nicht recht. Ihm wäre es lieber gewesen, die Büttel hätten ihm allein Bericht erstattet. Dann wäre genug Zeit gewesen, um sich Gedanken darüber zu machen, was als Nächstes zu tun wäre. Doch so spitzten alle die Ohren, als der Soldat vom Pferd sprang und Heinrich berichtete: »Bei der Feuerstelle war keiner mehr, und auch auf dem Weg haben wir niemanden angetroffen.«

Ein Raunen ging durch die Menge. »Wo sind unsere Kinder?«, rief eine Frau.

»Der Mönch hat sie doch alle zum Tor hinausgeführt. Die Frau von Heinrich Lüde hat sie gesehen.«

»Gut, gut!«, versuchte der Bürgermeister, sie zu besänftigen. »Wir wissen, dass viele junge Leute an dem vom Mönch angemeldeten Segensgang teilgenommen haben. Das erklärt aber nicht, wo sie jetzt sind. Ist denn niemand nach der Prozession und dem Johannisfeuer nach Hause gekommen?«

»Doch, hier, meine Tochter!«, rief eine Frau und schob ihr Mädchen vor sich her in Richtung Bürgermeister.

Heinrich Gruelhot machte ein freundliches Gesicht. »Wie heißt du?«, fragte er erst einmal.

»Marlein«, gab das Mädchen leise und verschüchtert zurück.

»Nun, Marlein, warst du beim Feuer dabei?«

Sie nickte.

»Und warst du allein?«

»Nein.«

»Wer war denn noch mit dabei?«

»Alle.«

»Und wo sind sie alle hin?«

»Zuerst sind wir zusammen gelaufen und haben gebetet und gesungen. Dann hat der Mönch mit dem Schwert gesagt, wir sollten bei dem Platz bleiben und Holz für das Feuer sammeln. Sie wollten noch weitergehen. Das wäre für uns aber sicher zu weit.«

»Weitergehen? Wohin?«

»Zur Mühle.«

»Welche Mühle?«

»Die Afferder Mühle. Der Mönch hat gesagt, der Müller hätte um den Segen gebeten. Wir brauchten aber nicht mit. Zur Mühle hin und zurück wäre ein ganzes Stück, und wir sollten stattdessen das Feuer richten.«

»Ja, und was habt ihr dann gemacht?«

»Wir haben Holz gesammelt und einen großen Haufen aufgeschichtet.«

»Und sind die anderen zurückgekommen?«

»Ich weiß nicht. Als es dunkel wurde, haben wir das Feuer angezündet und haben drum herumgetanzt, bis wir nicht mehr konnten. Dann sind wir nach Hause gegangen.«

»Hast du meinen Lorenz gesehen?«, mischte sich Willin ein.

Marlein schüttelte den Kopf.

Heinrich Gruelhot hob die Hand und unterband so, dass alle mit ihren Fragen auf das Mädchen einstürmten. Er wandte sich dem Büttel zu. »Rasch, steig auf, nimm das Pferd von ihm mit und bring mir, so schnell du kannst, den Afferder Müller her.« Zu den Leuten sagte er: »Und ihr geht heim, fragt eure Kinder und eure Nachbarn. Ich möchte wissen, wer beim Feuer dabei war und wieder hier ist, und ich möchte wissen, wer alles fehlt. Jeder, der etwas weiß, soll herkommen. Ich möchte wissen, was wirklich geschehen ist. Und du«, er wandte sich an den Büttel, der sein Pferd abgegeben hatte, »du gehst und lässt den Rat zusammenrufen.« Und dann wieder zu allen: »Los, worauf wartet ihr noch? Wer etwas zu berichten hat, soll zu mir in die Ratsstube kommen, der Rest geht jetzt heim.«

Zögerlich löste sich die Menge auf, doch einige drängten hinter Heinrich die Treppe ins Rathaus hinauf. Er hörte einen nach dem anderen an.

Es kamen noch mehr, die mitgegangen waren zum Feuer, aber nun wieder zu Hause waren. Es erschienen Eltern, die auf verschiedene Weise – ob mit Schlägen, Drohungen oder Belohnungen – jüngere Geschwister dazu gebracht hatten, ihr Schweigen zu brechen, und nach und nach entstand ein schlüssiges Bild. Auch der Bericht des Afferder Müllers fügte sich da hinein, brachte aber keine neuen Erkenntnisse. Als niemand mehr kam, waren die Ratsherren fassungslos. Heinrich Gruelhot war müde, verärgert, voller Sorge um seine Tochter, und all das, was nun Gewissheit war, verschlechterte seine Laune zusätzlich. Mit hochrotem Kopf winkte er einen Büttel herbei und befahl mit zitternder Stimme: »Lasst die Glocken läuten! Ruft die ganze Stadt zusammen!« Dann ließ er sich in seinen Sessel zurückfallen und schwieg.

Als die Glocken erklangen, saß er noch immer da und überlegte, was er verkünden sollte und wie. Eins war gewiss: Notger hatte ihm nie gesagt, wer alles mit ihm ziehen wollte, und wohlweislich rechtzeitig die Stadt verlassen.

Die anderen Ratsmitglieder standen bereits in Gruppen zusammen und diskutierten, als Heinrich sich erhob. Es war ein schwerer Gang hinaus. Die Glocken verstummten. Viel Volk hatte sich auf dem Platz versammelt und schwieg, als er an die Brüstung der Treppe trat.

In die erwartungsvolle Stille hinein rief er: »Ihr Leute von Hameln, ich weiß, ihr habt viele Fragen und wollt Antworten, die ich euch allerdings nicht geben kann. Ich kann euch nur sagen, was ich mit Sicherheit weiß. Gewiss ist, es fehlen überall Mitglieder eurer Familien. Insgesamt 130 junge Männer und Weiber, dazu noch vier komplette Familien und einige Tagelöhner, von denen man aber wusste, dass sie die Stadt verlassen wollten. Von den 130 wissen wir nur, dass sie weg sind. Wir wissen nicht, warum, und auch nicht, wo sie jetzt sind. Zu vermuten ist, dass sie auf der Heerstraße nach Osten ziehen. Bei Afferde wurden sie gestern zuletzt gesehen, sie wurden von Odo, dem Mönch, geführt und hatten einige Pferde und wohl auch Wagen dabei. Sie sind …«

Weiter kam er nicht. In der Menge erhob sich allgemeiner Tumult. Man schrie durcheinander, äußerte Empörung, stellte Mutmaßungen an und streute Gerüchte. Heinrich Gruelhot hatte noch sagen wollen, dass die 130 nicht verschwunden, sondern weggegangen waren, und das aus freien Stücken, doch niemand hörte ihm mehr zu.

Buntin, der die Glocken gehört hatte, kam über den Platz. Er konnte kaum gerade gehen und wunderte sich über die vielen Leute, die ihm im Weg standen. Schrill erhob sich eine Stimme über alle: »Der da! Seine Tochter, die Rattenfrau, die Hexe, hat alle verflucht. Sie hat sie mit einem Spruch gebannt und fortgeführt, aus Rache, weil wir sie hier nicht haben wollten!« Viktorias Stimme überschlug sich. »Die Ratte hat alle verzaubert!« Das verfehlte seine Wirkung nicht. Schon packten welche den völlig verdatterten Gaukler, zerrten an seinem bunten Gewand und schlugen auf ihn ein. Die Menge teilte sich und stieß ihn nach vorne. Auf ein Zeichen des Bürgermeisters drängten die Wachen den Mob zurück. Er hob die Hand, und es kehrte wieder Ruhe ein.

»Buntin, so nennt man dich doch?«, sprach der Bürgermeister. »Wo ist deine Tochter?«

»Meine Tochter ist krank und liegt bei einem alten Kräuterweib draußen im Wald.«

»Das ist nicht wahr!«, keifte Viktoria. »Sie wurde gesehen, ganz vorneweg. Sie hat alle verflucht, sodass sie nach ihrer Pfeife tanzen!«

»Wir müssen sie holen!«, riefen daraufhin einige.

»Ja, holt sie zurück! Entreißt sie der Hexe!«

»Heinrich, schick die Stadtwache! Bring uns unsere Kinder wieder!«

Doch der Bürgermeister ging nicht darauf ein. Er war mit dem Gaukler noch nicht fertig. »Buntin, ich frage dich noch mal: Wo ist deine Tochter?«

»Ich weiß es nicht. Wenn es stimmt, was die sagen, muss ich hinterher. Sie kann doch nicht ohne mich gehen, ich bin doch ihr Vater.«

Die Umstehenden bekamen es mit, und einer rief sogleich: »Ja, los, nehmt ihn mit. Wenn wir ihn in der Gewalt haben, wird seine Tochter nichts gegen uns unternehmen können. Los, Heinrich, die Wachen!«

»Nein!«

Die Leute schauten ihn verständnislos an. Auch wenn er selbst seine Tochter gerne zurückgeholt hätte, er musste sich treu bleiben und durfte nun nicht eigennützig handeln. »Wir jagen keine Verbrecher und befinden uns auch mit niemandem im Krieg. Die Wachen sind für die Ordnung der Stadt zuständig und nicht für das Hüten eurer Kinder.«

»Dann gehen wir selber. Auf, holt die Pferde, wappnet euch, wir holen unsere Kinder aus den Fängen der Hexe.« Die Leute riefen durcheinander, einige reckten die Fäuste gen Himmel, andere liefen los, Reittiere zu besorgen. Zwei schnappten sich Buntin, banden ihm die Hände und zogen ihn mit sich.

Der Bürgermeister überlegte noch, ob er die Stimme erheben und dem Treiben Einhalt gebieten sollte, aber er sah, dass niemand jetzt noch auf ihn hören würde. Er war frustriert und enttäuscht. Notger hatte ihn hintergangen, und Elisabeth hatte sich entschieden wegzulaufen. War sie wegen ihm heimlich gegangen? Wegen seines Wunschs, sie mit einem Adligen zu vermählen? Oder hatte sie jemand dazu überredet? Er wusste es nicht, doch er war sich sicher, dass er, wenn er sie zurückholte, alles nur noch schlimmer machte. Er wünschte ihr in Gedanken Glück.

Die Leute kamen mit den Pferden zurück. »Los, eilt euch, allzu weit können sie noch nicht sein. Sie haben gerade mal einen Tag Vorsprung. Mit den Pferden müssten wir sie noch vor dem Abend eingeholt haben.«

Buntin wurde auf ein Pferd gesetzt, die Zügel des Gauls nahm ein kräftiger Müllersknecht in die Hand. Und schon setzte sich der Trupp in Bewegung.

Kapitel 2

Noch war die Sonne nicht aufgegangen, doch die Vögel zwitscherten schon in den Bäumen, und am hellen Himmel war keine Wolke zu sehen. Trotz all der Aufregung und obwohl sie unter freiem Himmel lagen, hatte Uta gut geschlafen. Sie waren gestern so weit gelaufen, wie es ging. Viele waren das lange Gehen nicht gewohnt, und auch wenn die allgemeine Aufbruchsstimmung so manches kleine Leiden überdeckte, waren am späten Nachmittag die ersten Klagen laut geworden. Sie hatte gleich neben dem Weg auf einer flachen Wiese ein rasches Nachtlager hergerichtet, einige Feuer entzündet, etwas zu essen bereitet und sich um die Kochstellen für die Nacht niedergelegt.

Uta konnte ihr Glück kaum fassen. Die ganze Nacht hatte sie in den Armen ihres geliebten Lorenz gelegen. Auch wenn das bisschen Fichtengrün, das sie unter die Decke geschichtet hatten, keine besonders bequeme Unterlage bot, schwebte sie wie auf Wolken. Er hatte den Arm um sie gelegt, und sie kuschelte sich an ihn; den Kopf auf seiner Brust, spürte sie jeden Atemzug und hörte das dumpfe Pochen seines Herzens.

Vor fast einem Jahr war sie mit ihrem Vater Buntin und einer Truppe Possenreißer nach Hameln gekommen. Sie fanden gute Einnahmen und ein Winterquartier, wie sie es noch nie zuvor gehabt hatten. Es war wie ein richtiges Zuhause gewesen. Sie hatte der Stadt ihre Dienste als Kammerjägerin angeboten und war zur Bekämpfung der Rattenplage angestellt worden. Selbst für ihren Vater hatte sie eine Einnahmequelle über den Winter gefunden. Sie hatte Lorenz kennengelernt und sich in ihn verliebt. Er liebte sie auch, und sie hatte gehofft, sie könnte bei ihm in der Stadt bleiben. Doch Lorenz war einer Müllerstochter versprochen, und die hatte alles getan, um Uta aus der Stadt zu vertreiben. Dass sie die Stadt gemeinsam mit dem Waisenjungen Hug von den Ratten befreit hatte und viele ihr deswegen wohlgesinnt waren, reichte nicht aus, um gegen die Väter und die Intrigen der Müllerstochter Viktoria anzukommen. Zuletzt hatte sie sogar um ihr Leben fürchten müssen. Um dem Ganzen ein Ende zu setzen, war Lorenz bereit, mit ihr fortzugehen, doch sie hatte nicht gewollt, dass er wegen ihr seine Familie und alles, was er kannte, verließ. Dann war ein Lokator in die Stadt gekommen, und die Aussicht auf einen Neubeginn in einer Siedlung weit weg war ihnen als einzige Möglichkeit zu einer gemeinsamen Zukunft erschienen. Mit einer List hatten sie Väter und Feinde getäuscht. Dann kamen immer mehr von ihren Freunden hinzu, und noch viele andere ihres Alters waren begeistert von der Idee, der Enge der Stadt und ihren Zwängen zu entfliehen, und die Schar derer, die mit ihnen gehen wollten, war unheimlich gewachsen.

Nun waren es zusammen mit einer Anzahl junger Männer, die der Mönch Odo für den Kampf gegen die Heiden im Heiligen Land angeworben hatte, einigen Tagelöhnern und vier kompletten Familien fast 200, die auf Wanderschaft nach Osten zogen. Heute sollten sie mit dem Lokator Notger zusammentreffen, der vorausgegangen war, um Wagen mit Proviant, Zelten und was man noch so alles brauchte, zu besorgen. Außerdem hatte ihm der Graf von Spiegelberg eine kleine Truppe Berittener zum Geleit zugesagt.

Uta kam ihr Vater in den Sinn. In letzter Zeit hatten sie sich nur noch gestritten. Sie war gewohnt, dass er keine Nähe zwischen ihnen zuließ, aber das Zerwürfnis mit ihm tat doch weh. Sie hatte sich nicht von ihm verabschiedet, denn auch er war gegen die Verbindung zu Lorenz gewesen und wollte sie von ihm wegbringen. Bestimmt lag er jetzt irgendwo auf einer Bank in einer Schenke oder in einer Scheune und schlief seinen Rausch aus. Er würde wahrscheinlich als Letzter merken, dass sie fort war. Schon während der letzten Tage war er nur noch selten vor die Stadt zu der alten Kat gekommen, um nach ihr zu schauen. Auch ihn hatte sie getäuscht. Damit er sie nicht fortbringen konnte und nicht mit anderen Spielleuten aufbrach, hatte Uta einen Pilz gegessen, der sie ernsthaft krank werden ließ. Der Plan war aufgegangen, doch dass ihre Genesung so lange dauern würde, hätte sie nie gedacht. Hin und wieder fühlte sie sich immer noch schwach.

Vorsichtig rutschte sie unter der Decke hervor, die Lorenz über sie ausgebreitet hatte, und schlich zum nahen Waldrand, um ihrem Harndrang nachzugeben. Bald würde einer nach dem anderen wach werden, und dann mussten sie etwas essen, aber vor allen Dingen brauchten sie ein Bächlein oder eine kleine Quelle, um zu trinken und Wasser für den Weg mitzunehmen. Sie vertraute auf Lorenz. Er kannte die Gegend und hatte gesagt, dass sie nicht weit von einem Bach entfernt waren. Überhaupt war das Land rechts und links vom Hellweg sehr feucht und sumpfig.

Zum Lagerplatz zurückgekehrt, bemerkte sie, dass bereits einige Leute aufgestanden waren. Aus den ersten Feuern züngelten Flammen, und in Decken gehüllte Gestalten wärmten sich auf. Als sie wieder unter die Decke kroch, rekelte Lorenz sich, streckte sich und umfing sie gleich wieder mit beiden Armen.

»Wo warst du so lange?«, nuschelte er.

»Lange? Ich war doch nur ganz kurz weg.« Sie gab ihm einen Kuss auf die bärtige Wange. »Komm, du Langschläfer, es wird Zeit. Wir müssen aufstehen und uns zum Aufbruch bereit machen. Vielleicht haben sie in der Stadt schon etwas gemerkt und haben uns Reiter hinterhergeschickt.«

»Ja, vielleicht haben sie schon was gemerkt. Aber wenn überhaupt, dann nur ein paar wenige Familien, und die denken erst einmal, dass wir beim Johannisfeuer übernachtet haben. Also werden sie darauf warten, dass wir endlich heimkommen, um mit uns zu schimpfen und unsere Strafen zu verkünden. Bis sie merken, dass wir nicht mehr heimkommen, vergehen noch Stunden, und dann ist es bestimmt schon Mittag.«

»Und bis dahin sollten wir besser noch ein ganzes Stück weitergekommen sein.«

»Ach, Uta, hab doch keine Angst. Sie wissen noch nicht, dass wir weggegangen sind, und wenn es ihnen dämmert, werden sie sich erst beraten, und das dauert alles seine Zeit. Und dann müssen sie ja auch noch den Weg zurücklegen, den wir bereits gegangen sind. Selbst mit Pferden brauchen sie dafür Stunden. Falls sie überhaupt jemanden losschicken, holt der uns frühestens Ende des Tages ein, glaub mir.«

Auch Odo, der Mönch, war unruhig. Er wäre lieber schon weiter entfernt von der Stadt, und noch mehr wünschte er sich Notger, den Lokator, mit seinen Reitern herbei. Nun schlug er mit dem Knauf eines Dolchs gegen einen Topf und rief: »Los, auf! Löscht die Feuer, packt eure Sachen, wir wollen weitergehen!«

Von einem Moment auf den anderen war die Wiese von Leben erfüllt. Überall ertönte Geplapper, die Leute liefen herum, wünschten sich einen guten Morgen und rollten ihre Decken zusammen. Die Feuer wurden mit Erde bedeckt und ausgetreten. Kaum hatte sich Lorenz erhoben, erschienen Dorlein und Conrad. Wenig später sprang Fang bellend um die kleine Gruppe herum, und Hug gesellte sich zu ihnen. Die Familien mit den Ochsengespannen erlaubten, dass der ein oder andere sein Bündel darauf verstaute, und auch die Pferde wurden bepackt. Es dauerte, bis die Ochsen eingespannt waren. Als die gutmütigen Tiere dann anzogen und sich die Wagen mit knarrenden Rädern in Bewegung setzten, formierten sich alle davor und dahinter in lockeren Grüppchen und folgten dem an der Spitze des Zuges kräftig ausschreitenden Mönch.

Die meisten waren guter Dinge, bis auf einige wenige, die sich darüber beklagten, dass sie schon wieder laufen sollten. Am nächsten Bach hielten sie an, ließen die Tiere trinken, füllten einige Schläuche und Fässchen und erfrischten sich. Dann ging es weiter, bis die Sonne hoch am Himmel stand. Als die Zugtiere eine Pause brauchten, machten sie länger Rast an dem Höhenzug, den man Koppen nannte. Wenn auch langsam, so kamen sie doch stetig voran. Odo hielt an der Spitze des Zuges Ausschau nach Notger und seinen Leuten, und im Zug gab es niemanden, der nicht von Zeit zu Zeit ängstlich über die Schulter nach hinten blickte.

Und tatsächlich, als ihre Schatten lang gezogen vor ihnen über den Boden glitten, kündigte sich mit dem dumpfen Grollen unzähliger Hufe das Herannahen einer größeren Gruppe von Reitern an. Einige Frauen schrien auf, liefen nach vorne oder versuchten, sich seitlich des Wegs zu verstecken. Odo eilte nach hinten, zog sein Schwert und hielt es wie ein Kreuz der Horde Reiter entgegen. Einige der jungen Männer, die mit ihm nach Jerusalem ziehen wollten, standen ihm zur Seite. Als die Reiter den Zug vor sich entdeckten, gaben sie ihren Pferden die Sporen und preschten heran. Erst wenige Schritte vor Odo rissen sie die Zügel herum, und die Pferde tänzelten aufgeregt auf der Stelle. Es waren keine Soldaten, doch soweit Uta sehen konnte, waren sie alle bewaffnet.

»Was wollt ihr?«, rief Odo ihnen entgegen.

»Wir kommen, die Kinder Hamelns zu holen, um sie zurück zu ihren Familien zu bringen«, antwortete einer der vorderen Reiter, der sich wohl als ihr Anführer oder Sprecher verstand. Lorenz kannte ihn, er kam aus einem der wohlhabendsten Kaufmannshäuser und hatte ein hohes Amt in der Gilde inne.

»Dies ist ein Pilgerzug des Herrn, und ich bin der Hirte dieser Herde. Was ist, wenn sie nicht mit euch gehen wollen?«

Die Männer lachten dreckig bei den Worten des Mönchs. Der Sprecher trieb sein Pferd an und kam einige Schritte auf ihn zu. »Pater, du irrst. Die Schäfchen, die du da führst, sind vom rechten Weg abgekommen, sie wurden verhext von der da!« Er deutete mit seinem Schwert auf Uta. »Sie sind nicht aus freiem Willen hier, sondern verflucht von der Rattenfrau. Selbst ihr Vater ist gegen ihren Auszug und kommt, sie zu holen.«

Er gab seinen Leuten ein Zeichen, und hinter ihnen kam auf einem Pferd Buntin hervor. Der Gaukler sah erbärmlich aus. Erschrocken hielt sich Uta eine Hand vor den Mund, um nicht aufzuschluchzen. Das Gesicht ihres Vaters war von Schlägen geschwollen, sein buntes Gewand teilweise zerrissen, die Hände waren gebunden, und er hatte Mühe, sich auf dem Pferd zu halten. Der Rädelsführer stieg ab, trat zu ihm hin und zog ihn vom Rücken des Gauls.

»Los, bring deine Tochter, wie du versprochen hast, zur Vernunft, auf dass sie die Hamelner heimkehren lässt.«

Odo ließ sein Schwertkreuz sinken, setzte die Klingenspitze auf den Boden auf und stützte sich auf den Griff. »Verhext? Mein Sohn, sag, mit welchem Zauber hat sie das getan?« Seine Stimme klang nun nicht mehr wie die eines Priesters, sondern verschlagen und gefährlich.

»Ich weiß es nicht. Sie ist von Haus zu Haus gegangen, mit ihrem Untier auf der Schulter, und hat überall ihren Fluch gelassen. Das hat sie aus Rache gemacht, sagt die Müllerstochter, weil sie nicht mit dem Erstgeborenen des Steinmetzes zusammen sein konnte.«

»Aber schau, sie ist doch mit mir zusammen.« Lorenz legte seinen Arm um Uta und grinste den anderen frech an.

»Du bist ihr erst recht verfallen. Aber jetzt ist Schluss. Ihr kommt jetzt alle mit nach Hause. Los!« Er gab Buntin einen Tritt. »Hol deine Tochter!«

Buntin stolperte ein paar Schritte vorwärts, blieb dann aber unschlüssig stehen. Der Kaufmann kam hinter ihm her, hob das Schwert und drückte die Spitze in Buntins Rücken, um ihn anzutreiben. Odo nahm sein Schwert auf und stellte sich ihnen in den Weg. Auch Lorenz sprang mit einer Klinge bewaffnet vor.

»Halt!«, rief er. »Keiner von uns wird mit euch gehen. Wir sind alle hier, weil wir es in der Stadt nicht mehr aushalten. Du wohnst mit deinem Schwager in einem großen Haus, doch wir haben keinen Platz und keine Aussicht auf ein eigenes Heim oder eine eigene Werkstatt. Allein deswegen und weil wir uns nicht ein Leben lang von anderen – solchen wie dir – beherrschen lassen wollen, gehen wir. Wer bist du, dass du glaubst, hier Gericht halten zu können? Hat Viktoria dich und die anderen gekauft? Das ist die einzige Hexerei, die ich hier sehe.«

Odo und die anderen traten hinter Lorenz. Ihre Mienen verrieten Entschlossenheit, und einige der Reiter wichen zurück. Ihr Anführer zog bei Lorenz’ Worten wütend die Brauen zusammen und presste die Lippen aufeinander, sodass alles Blut aus ihnen wich und sein Mund zu einem zornigen, blassen Strich in seinem rasierten Gesicht wurde.

»Feiglinge!«, brüllte er seine Leute an. »Ich werde euch zeigen, wie man solch einem Spuk ein Ende bereitet!«

Er sprang hinter Buntin hervor, hob das Schwert und schlug nach Uta. Buntin riss die gefesselten Hände hoch, verkrallte sich in die Schulter des Mannes und riss ihn herum. Der Schwertstreich verfehlte Uta, doch im selben Moment stach der Angegriffene zu und traf den Gaukler. Buntin riss ungläubig die Augen auf. Ein Stein traf den Kaufmann am Kopf und ließ ihn zur Seite taumeln. Er schrie auf, und seine Männer sprangen mit erhobenen Schwertern wieder vor, um ihm zu Hilfe zu eilen. Hug hatte schon den nächsten Kiesel in seine Schleuder gelegt, da preschten am Zug vorbei Reiter mit gesenkten Lanzen heran, drängten die Hamelner zurück und umzingelten sie. Buntin fiel auf den Rücken. Da, wo eben noch die Klinge gesteckt hatte, verfärbte sich sein Gewand blutrot.

War es Instinkt, eine Vorahnung oder einfach Zufall? Als er die Klinge im Sonnenlicht aufblitzen sah, gab er seinem Pferd die Sporen und wusste, dass es gut gewesen war, die Wagen zurückzulassen, um ein Stück vorzureiten. Die anderen folgten seinem Beispiel, und als er das Schwert zog, machten sie sich ebenfalls bereit, senkten die Lanzen und ritten im gestreckten Galopp gerade noch rechtzeitig zwischen die Parteien.

»Zurück! Die Waffen runter!«, brüllte Notger. »Was ist hier los?« Er ließ das Pferd auf der Stelle drehen und blickte hastig nach allen Seiten, um sich einen Überblick zu verschaffen. Er sah den Gaukler am Boden liegen, die verängstigten Gesichter der Siedler, den Anführer der anderen, dem über die linke Gesichtshälfte etwas Blut tropfte, und sein Gefolge, das erschrocken vor den auf sie gerichteten Lanzen zurückwich. Uta warf sich neben ihrem Vater auf die Knie. Vorsichtig hob sie seinen Kopf und legte ihn in ihren Schoß. Buntin atmete schwer.

»Ich bin Notger, Ritter und Gefolgsmann des Grafen! Steckt eure Schwerter ein. Diese hier haben sich mir, dem von Grafenhand eingesetzten Lokator, freiwillig angeschlossen, um das Land derer zu Spiegelberg zu besiedeln. Kehrt um und reitet nach Hameln zurück, ansonsten stellt ihr euch gegen die Fürsten und den König und werdet von ihnen gerichtet. Es sind auch Pilger für den Kampf im Heiligen Land darunter. Ein jeder, der sie hindert, wird von Gott mit ewiger Verdammnis und Höllenqualen bestraft. Entweder ihr geht jetzt, oder ich nehme euch fest und lasse euch zu Koppenbrügge in den Turm werfen.«

Notgers Worte, aber besonders die Übermacht der Soldaten, verfehlten ihre Wirkung nicht. Die Reiter ließen ihre Waffen sinken und steckten sie weg. Da ihr Rädelsführer weiter dastand und sich nicht rührte, verharrten sie unschlüssig auf der Stelle. Notger stieg vom Pferd und wandte sich zuerst Uta und Buntin zu. Fragend suchte er Blickkontakt zu Lorenz und Odo, sah aber nur Hilflosigkeit und Entsetzen.