Die Kreuzfahrerin-Saga - Stefan Nowicki - E-Book
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Die Kreuzfahrerin-Saga E-Book

Stefan Nowicki

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Beschreibung

Eine mutige Frau, eine gefährliche Reise: Das historische Epos »Die Kreuzfahrerin-Saga« von Stefan Nowicki jetzt als eBook bei dotbooks. Süddeutschland, 1094: Als Magd einer Bauernfamilie führt die junge Ursula ein entbehrungsreiches Leben. Ihr einziger Lichtblick ist die Freundschaft zu der alten Esther, die sie in die Künste der Kräuterheilkunde einweiht. Als jedoch einer der Söhne der Familie ein Auge auf Ursula wirft, wird sie vom Hof verbannt. Um ihr Überleben zu sichern, schließt Ursula sich mit tausenden Menschen dem Kreuzzug an, und macht sich auf den langen und beschwerlichen Weg in das Heilige Land, nicht ahnend, welch unbekannte Gefahren – und Gefühle – ihr auf dieser Reise widerfahren werden … Viele Jahre später muss sich auch Ursulas Sohn Shakib großen Herausforderungen stellen: Obwohl er in einer arabischen Handwerkerfamilie aufwächst, schlagen ihm als »Frankenbastard« in Damaskus von klein auf Misstrauen und Hass entgegen. Wird es ihm dennoch gelingen, seinen eigenen Weg im Morgenland zu finden? Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der fesselnde Sammelband »Die Kreuzfahrerin-Saga« von Stefan Nowicki wird alle Fans der Bestseller von Rebecca Gablé und Noah Gordon begeistern. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 1050

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Über dieses Buch:

Süddeutschland, 1094: Als Magd einer Bauernfamilie führt die junge Ursula ein entbehrungsreiches Leben. Ihr einziger Lichtblick ist die Freundschaft zu der alten Esther, die sie in die Künste der Kräuterheilkunde einweiht. Als jedoch einer der Söhne der Familie ein Auge auf Ursula wirft, wird sie vom Hof verbannt. Um ihr Überleben zu sichern, schließt Ursula sich mit tausenden Menschen dem Kreuzzug an, und macht sich auf den langen und beschwerlichen Weg in das Heilige Land, nicht ahnend, welch unbekannte Gefahren – und Gefühle – ihr auf dieser Reise widerfahren werden … Viele Jahre später muss sich auch Ursulas Sohn Shakib großen Herausforderungen stellen: Obwohl er in einer arabischen Handwerkerfamilie aufwächst, schlagen ihm als »Frankenbastard« in Damaskus von klein auf Misstrauen und Hass entgegen. Wird es ihm dennoch gelingen, seinen eigenen Weg im Morgenland zu finden?

Über den Autor:

Stefan Nowicki, geboren 1963, studierte Germanistik, Politik, Kunstgeschichte, Philosophie und Theologie. Er arbeitet unter anderem als freier Kulturjournalist für verschiedene Zeitungen und lebt in der Nähe von Augsburg.

Der Autor im Internet: stefannowicki.de

Der Autor auf Facebook: facebook.com/stefannowicki.w.u.t

Stefan Nowicki veröffentlichte bei dotbooks bereits den Bestseller »Die Kreuzfahrerin«, in dem er die abenteuerliche Lebensgeschichte der jungen Deutschen Ursula erzählt, und »Der Sohn der Kreuzfahrerin«, in dem er sich Ursulas Sohn Shakib widmet, sowie die Trilogie »Tochter des Gauklers« mit den Einzelromanen »Die Tore von Hameln«, »Die Stadt der Lügen« und »Die Stunde der Hoffnung« – auch als Sammelband erhältlich unter dem Titel »Die Tochter des Gauklers«.

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Sammelband-Originalausgabe Oktober 2023

Copyright © der Sammelband-Originalausgabe 2023 dotbooks GmbH, München

Copyright © der Originalausgabe von »Die Kreuzfahrerin« 2011 Sankt Ulrich Verlag GmbH, Augsburg; Copyright © der überarbeiteten Neuausgabe 2013 dotbooks GmbH, München.

Copyright © der Originalausgabe von »Der Sohn der Kreuzfahrerin« 2014 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Shutterstock/HiSunnySky, Sergey Klopotov

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ah)

ISBN 978-3-98690-776-1

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Stefan Nowicki

Die Kreuzfahrerin-Saga

Zwei Romane in einem eBook: »Die Kreuzfahrerin« und »Der Sohn der Kreuzfahrerin«

dotbooks.

Die Kreuzfahrerin

Süddeutschland, im Jahre des Herrn 1094: Die Arbeit auf dem Bauernhof ist hart, aber Ursula ist froh, ein Dach über dem Kopf zu haben. In der alten Ester findet sie sogar eine Freundin, von der sie die Kräuterheilkunst erlernt. Doch dann fällt der Blick des falschen Mannes auf die junge Magd. Als sie schwanger wird, jagt man Ursula mit Schimpf und Schande davon. Mühsam schlägt sie sich durch – bis zu dem Tag, an dem Wanderprediger zur Befreiung des Heiligen Landes aufrufen. Für Ursula beginnt eine abenteuerliche Reise im Kreuzfahrertross voller Schlachten, Entbehrungen und Gefahren, aber auch unerwarteter Zärtlichkeit …

KAPITEL 1

Norditalien,Anfang Dezember 1095

Die Gruppe bewegte sich ohne Hast. In ihren ledernen Umhängen, die sie vor der Unbill des Wetters schützen sollten, verschmolzen die Reiter mit ihren Pferden. Der Regen war stärker geworden, und Mensch wie Tier ließen die Köpfe hängen. Ein ums andere Mal verloren die Hufe auf dem aufgeweichten, schlammigen Untergrund den Halt. Die Reise war alles andere als ein Vergnügen.

Andromikos hing seinen Gedanken nach. Er freute sich auf zu Hause. In Konstantinopel war es selbst bei schlechtem Wetter schöner als hier. Doch bis dorthin war es noch eine lange Reise. Die Gedanken an ihr Ende hellten die Gesichtszüge des Griechen auf. Der Basileus, Kaiser Alexios, erwartete sicherlich bereits voller Ungeduld seinen Botschafter, und das, was Andromikos ihm zu berichten hatte, würde den Herrscher zufriedenstimmen.

Andromikos dachte zurück. Das Reich hatte im Osten an Macht verloren. Die Turkmenen hatten sich zusammen mit anderen Stämmen gegen Byzanz gestellt und waren bis Nikaia vorgedrungen. Die Streitkräfte Alexios’ waren dem Ansturm der Steppenkrieger nicht gewachsen. Von Westen her hatten Normannen das Reich bedrängt, konnten aber zurückgeschlagen werden. In diese vertrackte Situation hinein kam die Nachricht, dass der neue Papst, Urban II., bereit sei, die Trennung zwischen Rom und Byzanz zu überwinden. Der Basileus hatte aus Rom die Nachricht erhalten, auf einem bevorstehenden Konzil werde das Schisma gegen die Kirche des Ostreichs aufgehoben. Wenn der Papst die Trennung aufhob, könnte er auch bereit sein, dem bedrängten Byzanz zu helfen. Andromikos wurde als Führer einer Delegation eingesetzt, und der Kaiser selbst überreichte ihm ein Schreiben, das er niemand anderes geben sollte als Papst Urban. So hatten sie sich als Handelsleute getarnt auf den Weg gemacht: von Konstantinopel mit dem Schiff bis an die Küste des von Normannen beherrschten Landes südlich von Rom, dann weiter auf Pferden, nach Norden.

Rom. Ein spöttisches Grinsen glitt über Andromikos’ Gesicht. Rom war eine einzige Enttäuschung. Die Stadt war groß, und bestaunenswerte Bauwerke befanden sich innerhalb ihrer Mauern, aber den Glanz und die Ausstrahlung einer mächtigen Metropole besaß die Stadt nicht. Große Teile der Vorstädte und auch Quartiere innerhalb der Mauern waren durch Krieg und Belagerung zerstört. Wie Andromikos erfahren hatte, war Rom vom römisch-deutschen König Heinrich, der den Papst zwingen wollte, ihn zum Kaiser zu krönen, angegriffen worden, und die zur Hilfe gerufenen Krieger der Normannen hatten ihn nicht nur in die Flucht geschlagen, sondern sich auch noch der Stadt bemächtigt. Man konnte sich nur schwer vorstellen, dass dies einst die Stadt gewesen war, von der aus die ganze Welt beherrscht wurde. Im Vergleich zu Konstantinopel war Rom ein Drecksloch. Ohne seinen Auftrag hätte Andromikos auf der Stelle kehrtgemacht. Als sie endlich an der Engelsburg jemanden fanden, der sie hätte melden können, hieß es, der Papst sei gar nicht in Rom. Die Gesandten Konstantinopels mussten ihm hinterherreisen, nach Piacenza. Dort angekommen stießen sie zuerst auf Ablehnung, nur der Papst, nachdem er das Schreiben Alexios’ studiert hatte, zeigte Interesse. Und das Konzil verlief sehr vielversprechend. Papst Urban konnte sich mit seinem Wunsch nach Einigkeit aller, die an Christus glauben, durchsetzen, und die Bitte des Basileus, Rom möge Byzanz gegen die muslimischen Turkmenen und Seldschuken helfen, wurde nicht abgeschmettert. Eigentlich war der Auftrag damit erfolgreich abgeschlossen, doch Andromikos wollte nicht mit vagen Versprechungen und Konzilsbeschlüssen zurückkehren. In mehreren Unterredungen mit dem Papst unterstrich Andromikos den Willen seines Herrschers zur religiösen Einheit. Gleichzeitig schilderte er aber auch die große Gefahr, die von den Muslimen ausging. Das Ergebnis war vielversprechend: Papst Urban rief zu einem Concilium generale auf. Andromikos erinnerte sich, wie er davon Nachricht erhielt und nur wenige Stunden später ein Bote bei ihm vorsprach. Papst Urban wollte eine Unterredung. Andromikos war in die Gemächer des Pontifex geleitet worden, und unter vier Augen sagte das oberste Kirchenhaupt dem Botschafter zu, dass er eine Armee ausheben werde, die nach Konstantinopel gesendet werden sollte. Doch dazu müsse er selbst mit einer ganzen Reihe von Fürsten des Frankenlandes sprechen und Vorkehrungen treffen. Das angekündigte Konzil solle im November im Frankenland abgehalten werden, und an seinem Ende werde er, der Papst, selber zur Hilfe für Konstantinopel aufrufen. Andromikos war zufrieden, doch er wollte selber Zeuge des Aufrufs sein. So entschloss er sich, bis November im Norden zu bleiben. Dafür ritten sie nun seit Tagen durch diesen Regen. Andromikos formte leise vor sich hin murmelnd Verse auf die Schönheit, die Sonne und die Wärme Konstantinopels. Kaiser Alexios würde ihn empfangen wie einen siegreichen Heerführer, und er würde ihn belohnen. In Gedanken stellte er sich bereits das Gesicht seiner Frau vor, wie er ihr sagen würde, dass sie nun die Herrin eines großen Landgutes sei, mit allem, was dazugehörte. Dafür nahm er diesen Regen und auch die Übelkeit, die ihn auf der Überfahrt nach Griechenland sicher erneut heimsuchen würde, gerne in Kauf.

Das Konzil in einer Stadt namens Clermont war beeindruckend gewesen. Nicht nur Bischöfe, Kardinäle und Äbte hatten sich dort versammelt. Auch eine Reihe weltlicher Würdenträger nahm daran teil, und unvorstellbar viele Priester, Mönche, aber auch jede Menge gemeines Volk aus allen Himmelsrichtungen waren dort zusammengekommen. Papst Urban hatte alles gut vorbereitet. Andromikos hatte in den Monaten zuvor vorsichtig Erkundungen einholen lassen. Man hatte ihm berichtet, dass landauf, landab Boten an allen Orten verkündet hatten, der Papst werde am Ende des Konzils etwas von großer Bedeutung verkünden. Voller Ungeduld und Erwartung waren sie schließlich auch in den Norden gereist. Am letzten Tag des Konzils war der Andrang so groß gewesen, dass der Papst seine Rede auf freiem Feld vor der Stadt halten musste. Man hatte dafür eiligst ein großes Podest erbaut. Die Menge, die sich davor versammelte, war von beeindruckender Größe gewesen. Andromikos durfte bei den Würdenträgern auf dem Podium sitzen. Papst Urban erhob seine Stimme und schilderte auf drastische Weise die Not der Glaubensbrüder im Osten. Er tadelte die Zustände im eigenen Land. Seine Schelte galt besonders den Rittern, die sich seit Jahren gegenseitig bekriegten. Er verdammte alle Christen, die sich gegenseitig niedermachten. Und immer wieder unterstrich er seine Worte mit dem Ausruf: »Gott will es!« Gott will, dass Friede einkehre im Land, Gott will, dass kein Christ einem anderen Leid zufüge, Gott will, dass man stattdessen die Heiden und Muslime im Osten bekämpfe. Dies sei dann nicht nur ein gerechter Krieg, der Gottes Willen entspreche, sondern auch ein Akt der Buße all jener, die sich durch ihre Fehden im eigenen Land versündigt hatten. Allen, die zu dieser Buße bereit wären, würde er in seiner Macht als Oberhaupt der Kirche Nachlass aller Sünden gewähren. Gott will es! Dieser Ruf wurde von den Massen zu Fuße des Podiums aufgenommen, und jedes Mal, wenn Papst Urban Gottes Willen ansprach, antwortete die Menge so voller Inbrunst, dass sich Andromikos unter seinem Gewand sämtliche Haare aufstellten. Als der Papst geendet hatte, kniete ein Bischof vor ihm nieder und bat mit lauter Stimme, sich diesem Bußgang zur Befreiung der geschundenen Christen im Osten anschließen zu dürfen. Seinem Beispiel folgte eine ganze Reihe anderer Würdenträger, auch Adliger, und jeder wurde von der grölenden Menge mit dem Ausruf »Gott will es!« gefeiert. Am selben Abend empfing der Papst Andromikos ein letztes Mal. Ein Bote brachte gerade die Zusage des Grafen von Toulouse, sich an dem Bußgang nach Konstantinopel zu beteiligen, und der Papst übergab Andromikos ein Schreiben an Alexios, das Byzanz zusicherte, im August des kommenden Jahres, am Fest der Himmelfahrt Mariens, werde sich ein Heer zur Unterstützung im Kampf gegen die Heiden und Muslime auf den Weg machen. Dieses Schreiben mit dem Siegel des Papstes trug Andromikos, in Leder gehüllt und vor Nässe sicher verpackt, seither bei sich. Als sie dann von Clermont aufbrachen, schien alles in Aufruhr. Nicht nur die Fürsten, auch jede Menge einfaches Volk machte sich bereit, zur Vergebung der Sünden nach Osten zu ziehen. Auf den Straßen verkauften Händler rote Stoffstreifen, die sich die Menschen als Kreuz an die Brust hefteten. Andromikos schien es, als wolle die gesamte Christenheit des Westens aufbrechen zur Pilgerfahrt.

KAPITEL 2

Südfrankreich,Dezember 1095

Seine Heiligkeit war müde. Seit nunmehr über acht Monaten hatte er die Schuhe des Fischers gegen die Stiefel eines Vagabunden eingetauscht. Seit Piacenza war er von Burg zu Burg, von Kloster zu Kloster gereist, hatte lange ermüdende Gespräche geführt und hatte gesät, was er nun ernten durfte. Den ganzen Tag hatte er stehend am großen Tisch verbracht und unzählige Briefe geordnet. Erfreulicherweise waren eine ganze Reihe guter Nachrichten darunter, der Rest waren jämmerliche Ausreden, klägliche Versuche der Verzögerung, Lügen und Ausflüchte. Gegen Mittag hatte der Kämmerer bereits begonnen, erneut zu packen, und gerade noch rechtzeitig war es ihm, dem Stellvertreter Christi, dem legitimen Nachfolger Petri, gelungen, die Diener daran zu hindern, seine Decke aus Biberpelz zu entfernen. Der Papst fror. In was für zugigen Bauten selbst hohe Adlige hier doch hausten. Dabei war diese Burg noch eines der besseren Quartiere. Im Laufe des Jahres hatte er Herrschaftssitze besucht, die mehr schlecht als recht aus Holz zusammengezimmert schienen. Er wickelte sich in die Pelzdecke und ließ sich in dem großen Lehnsessel nahe am Feuer nieder. Erschöpft schloss er die Augen. Seit er in Cluny mit seinem Vorgänger Gregor und anderen über die Möglichkeit einer geeinten, mächtigen Kirche diskutiert hatte, war so viel Zeit vergangen. Nun war er allerdings seinem Ziel ganz nahe. Hinter seinen geschlossenen Lidern formte sich das Bild jener Menschenmenge, die ihm vor wenigen Tagen zugejubelt und seine Worte »Deus lo vult!« gerufen hatte. Sieben Mal hatte er mit seinen engsten Beratern die Rede umgeschrieben. Und sie hatte ihre Wirkung nicht verfehlt. Aber das war ja nur der vorläufige Höhepunkt gewesen. Zuvor war er von einer Burg zur nächsten geeilt. Er kannte seine Heimat im Süden Frankens gut, doch ihm schien, als habe er im Lauf der letzten Monate mit jedem Stein und jedem Schlagloch Freundschaft geschlossen. Mit großer Überredungskunst war es ihm gelungen, eine ganze Reihe von mächtigen Fürsten für seinen Plan zu gewinnen. Er sicherte ihnen nicht nur den Schutz ihrer Güter, sondern auch Herrschaft über zu erobernde Landstriche im Osten zu, nebst aller Beute, die sie machen würden – und die Vergebung ihrer Sünden. Er wusste jetzt nicht mehr, wie viele Äbte er überredet hatte, Rittern, die sich dem Zug anschließen würden, Geld zu leihen. Wie gerissen doch diese Klosterbrüder waren. Zur Sicherheit verlangten sie, dass alle, denen sie Hilfe gewährten, ihnen ihre Ländereien für die Zeit der Abwesenheit überschrieben. Die Gewinne aus deren Bewirtschaftung standen dann dem Kloster zu. Das widersprach eigentlich dem kanonischen Verbot, Zinsen zu erheben, aber so wie er, der Papst, es dem einen oder anderen Abt in den Mund legte, erschien es selbst Zweiflern gerecht.

Gott will es, dessen war er sich sicher. Auch er war nur ein Werkzeug des Allmächtigen, wenn auch ein ständig zu noch größerer Macht heranreifendes. Die Vorbereitungen all der Monate hatten sich nun ausgezahlt. Seine Rede war mit größter Begeisterung aufgenommen worden. Zuletzt warf sich Adhémar von Le Puy vor seine Füße und bat, wie mit ihm besprochen, darum, der erste sein zu dürfen. Urban lächelte in Erinnerung an diese Inszenierung. Dann hätte der Trottel aus Toulouse beinahe noch alles verdorben. Der Bote sollte eigentlich frühestens zwei Tage später auftauchen und die Teilnahme Graf Raimunds verkünden. Aber in der allgemeinen Aufregung schien es, Gott sei Dank, niemandem aufgefallen zu sein, dass die Strecke von Clermont nach Toulouse und zurück unmöglich in weniger als fünf Tagen zu bewältigen war. Schon jetzt wusste er, dass Provencalen, Lothringer und auch die Ritterschaften des Südens bereit waren.

Wenn all diese Schläger und Ritter loszogen, würde von einem Tag auf den anderen Frieden im Land einkehren. Er, der Papst, würde in aller Munde Friedensfürst genannt. Der Kaiser von Byzanz wusste gar nicht, welch großen Gefallen er Gott und der Welt mit seinem Hilfegesuch gemacht hatte. Nicht nur, dass Alexios, indem er sich an ihn gewandt hatte, die Rechtmäßigkeit seines Anspruches auf den Stuhl Petri anerkannte, nein, mit der Aussendung des Heeres unterstrich Urban noch einmal seine große Macht.

Ein anderes Bild schob sich vor sein inneres Auge und ließ ihn sorgenvoll und angewidert das Gesicht verziehen. Kurz nach seiner Rede brachten sie einen Mönch zu ihm. Eine erbärmliche Gestalt, zerlumpt, schmutzig und stinkend. Er wurde ihm als Peter von Amiens vorgestellt. Der Mönch kniete vor ihm nieder und zog unter seiner Kutte ein Pergament hervor. Dies sei, so berichtete der Einsiedler, ein himmlisches Schreiben, welches er vom Herrn selbst empfangen habe. Er sei auf dem Weg ins Heilige Land von Engeln angehalten worden, und an ihn sei der Auftrag ergangen, die heiligsten Stätten und Jerusalem von den Feinden Gottes zu befreien. Die Herkunft des Pergaments ließ sich nicht prüfen, doch diese erbärmliche Gestalt hatte eine Ausstrahlung und eine so klangvolle Stimme, dass alle Anwesenden sogleich von der göttlichen Sendung dieses Kerls überzeugt waren. Ungeachtet dessen begann dieser Mönch in Gegenwart des Papstes auch noch zu predigen. Bei allem Negativen, das diese Gestalt umgab, wurde er selber, der Pontifex, von den Worten des Erbärmlichen ergriffen, und, bei diesem Gedanken glitt die Anspannung wieder von seinem Gesicht, ihm war die Idee gekommen, es wäre vielleicht sogar von Nutzen, wenn er diesen Einsiedler Peter für seine Zwecke einspannte. Schon war es ihm gelungen, einen Großteil der lästigen Ritterschaft zum Verlassen des Landes zu bewegen. Ihm war natürlich nicht verborgen geblieben, welche Not durch schlechte Ernten, Krankheiten und die ständigen Kleinkriege im Land herrschte. Dieser beredte Mönch mit der klangvollen, ja fast engelgleichen Stimme könnte, unterstützt von dem unleserlichen Gekrakel auf seinem Pergament, viele Menschen davon überzeugen, dass es ihr Bestes sei, sich auf den Weg nach Jerusalem zu machen. Er hatte den Mönch predigen lassen und währenddessen seine Möglichkeiten erwogen. Sollte es diesem Mönch gelingen, einen Teil der verarmten Bevölkerung außer Landes zu ziehen, könnte das geschundene Reich bar aller Raufbolde und armen Schlucker aufatmen. Schaden würde es nicht, wenn er diesen da ziehen ließe mit dem Auftrag, möglichst viele für eine Wallfahrt in das Heilige Land zu gewinnen. So gewährte er Peter dem Einsiedler auch, in seinem Namen zu predigen und allen, die es hören konnten, zu verkünden: Wer das Kreuz nimmt und gelobt, in das Heilige Land gegen die Muslime zu ziehen, dem sei vollständiger Ablass von allen Sünden garantiert.

Die Ritter sollten im folgenden August losziehen. Den Einsiedler sandte er in die Grafschaften Champagne, Berry und Lothringen.

Nun war Urban gespannt, wie sich alles weitere entwickeln würde. Das Seine hatte er getan, und im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes würde er die Kirche Jesu Christi vereinen und zu einem mächtigen Gegenpol gegen alle weltliche Macht erheben.

Zufrieden schaute er in die Glut des Feuers. Er würde das Werk, dessen Anfänge bereits in den Zeiten seiner Ausbildung in Cluny lagen und an dem sein Vorgänger Gregor bereits gearbeitet hatte, vollenden. Gott will es.

KAPITEL 3

Vor den Mauern Arqas,14. April 1099

Ursula hasste die Tage nach dem Kampf. Der Schlachtlärm war längst dem Stöhnen und Wimmern der Verwundeten und dem schrillen Klagen der Weiber gewichen. Heute hatten die Heiden einen Ausfall aus ihrer Stadt gewagt. Begonnen hatte der Tag mit einem Hagel von Pfeilen, dann drangen Hunderte von berittenen Bogenschützen aus den Toren Arqas, und kurz darauf ging alles erneut in ein Gemetzel Mann gegen Mann über. So rasch wie sie erschienen waren, zogen sich die Heiden wieder hinter ihre Mauern zurück. Auf dem Feld sah man nun, wie Leichen auf Karren gelegt, noch Lebende gestützt oder getragen Richtung Lager begleitet wurden, betende Mönche und Volk, welches noch brauchbare Waffen und Rüstungsteile abtransportierte, bis hin zu den Kindern, die Pfeile einsammelten. Zwischen all diesem erkannte Ursula auch Gefährtinnen, beim Verbinden von Wunden oder auch über leblose Körper gebeugt, auf Lebenszeichen hoffend. Der leichte Wind wehte nicht nur den Rauch der vielen Feuer, sondern auch das Gebrüll jener herüber, die von den Badern und Feldschern verarztet wurden und etwas von sich hergeben mussten. Abschneiden war hier leichter als Heilen. Das Schreien und Stöhnen mischte sich mit dem Latein der betenden Mönche und den Befehlen der Ritter, die im Lager und auf dem Feld gebrüllt wurden. Sie wandte sich ab und ging langsam durch das Lager zurück zu ihrem Zelt.

Auch sie hatte schon so oft zwischen all den Zeugnissen der Gemetzel nach Ohnmächtigen, Bekannten und manchmal auch nach Wertsachen gesucht. Noch Tage später hatte sie gemeint, den süßlichen Leichengeruch in der Nase zu haben. Heute war sie dazu aber nicht in der Lage. Ihr praller Unterleib spannte und hätte sie zu sehr behindert. Darüber hinaus spürte sie an diesem Tag, wie sich ihre Muskeln zusammenzogen, die neunmonatige Last nach unten drückten. Sie kannte diesen Schmerz. Schon einmal hatte sie ein Kind zur Welt gebracht. Es schien ihr, als wäre das vor vielen, vielen Jahren gewesen. Ihr damaliges Leben kam ihr wie ausgelöscht vor. Doch darauf hatte sie ja auch gehofft, als sie sich vor fünf Jahren auf den Weg gemacht hatte.

Im Zelt angekommen, drückten sie die Schmerzen auf den Schemel nieder, und die Bahnen ihres Zeltes schienen zu verschwimmen. Sie rümpfte die Nase, die ersten Feuer zum Verbrennen der sterblichen Reste all der gefallenen Christen und Heiden waren entzündet worden, und ihr Rauch kroch durch die Zeltstadt.

Ursula schloss die Augen, und Bilder unangenehmer Erinnerungen drängten sich ihr auf. Sie sah sich, vierzehn Jahre alt, mit einem schweren Eimer gebückt aus einer niedrigen Türe kommen.

KAPITEL 4

Auf dem Hof des Bauern Matthes,irgendwo zwischen Bamberg und Regensburg 1094

Das aus groben Brettern, Geflecht und Lehm gebaute Haus war mit Stroh bedeckt. Sie erkannte den Hof wieder. Durch die Öffnung im Dach quoll Rauch, den der Wind bis fast auf den schlammigen Boden herunterdrückte. Der Saum ihres aus grober Wolle gewebten Kleides schliff über die kleinen Pfützen hinweg, die ihre nackten Füße im Morast hinterließen. Im Eimer schwappten Essensreste von zwei Tagen, die sie zum Schweinekoben bringen musste. Das Seil des Holzeimers schnitt sich in ihre Handfläche.

Arbeit gab es nicht wenig auf dem kleinen Bauernhof. Manche Tätigkeit ging ihr hart an, doch sie war heilfroh, hier Hilfsmagd zu sein. So hatte sie ein Dach überm Kopf, was zu Essen und Arbeit.

Nach dem frühen Tod der Eltern, an die sie sich kaum noch erinnerte, war sie zuerst in der Verwandtschaft herumgestoßen worden. Alle taten sie hilfsbereit, aber wirklich gewollt hatte niemand ein zusätzlich zu stopfendes Maul. Schließlich hatte ein Oheim sich um eine Stellung für sie gekümmert, und so war sie schließlich auf diesen Hof gekommen. Das Dorf, in dem sie mit ihren Eltern gelebt hatte, war zwei oder drei Tagesmärsche entfernt. Von der Verwandtschaft hatte sich seitdem niemand mehr sehen lassen. Aber Ursula war zufrieden. Sie hatte ein neues Zuhause und war von den anderen Hofbewohnern gut aufgenommen worden. Ingrid, die Hausherrin, war froh gewesen, ein weiteres Paar Hände zu bekommen, das ihr mit den Kindern und bei der vielen Arbeit auf dem Hof helfen würde. Für sie und Ute, die Magd, war es immer schwieriger geworden, neben der Arbeit auch ihrem jüngsten Kind, der kleinen Magda, gerecht zu werden. Liesel, die erste Tochter, war gerade erst sieben Jahre alt und konnte die Kleine nicht wirklich hüten. Arnulf war mit seinen elf Jahren vernünftiger und umgänglicher, aber es war nicht seine Aufgabe, kleine Kinder zu hüten. Der älteste Sohn, Ludger, war alt genug, um mit Knecht Gernot und seinem Vater auf dem Feld zu arbeiten. Der Bauer selbst hieß Matthes. Er war nicht sehr groß gewachsen. Sein Sohn Ludger überragte ihn bereits um mehr als einen Kopf, doch Matthes’ Gliedern sah man Kraft und die viele Arbeit an.

Vom Gemüt her war er ein einfacher Mann, meistens schwieg er und pflegte nur dann seine Stimme zu erheben, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Er hasste das Geplapper der Weiber und Kinder, machte dazu meist ein mürrisches Gesicht, so dass er mit seinem dunklen Haar und dem Vollbart recht bedrohlich wirkte.

Sein Leben war kein leichtes, doch er mochte sich nicht beklagen. Der von den Eltern auf ihn übergegangene Hof brachte genug ein, um zu überleben. Die Hofgemeinschaft, die Tiere und das zu bestellende Land waren überschaubar. Mit den Nachbarn verstand er sich, man half sich gegenseitig, und vom Landesherrn, demgegenüber sie lehensverpflichtet waren, hatten sie seit sehr langer Zeit nichts zu sehen bekommen. Nun, wer nicht kommt und fordert, der braucht wohl auch nichts. Sollte der Herr doch eines Tages sein Lehen fordern, würden sie auch das schaffen.

Seit über einem Dutzend Sommern war er mit Ingrid verheiratet. Die Eltern hatten sie für ihn ausgesucht. Sie stammte von einem der Nachbarhöfe ab und brachte zwei Äcker mit in die Ehe. In den ersten Jahren waren sie zusammen mit seiner Mutter, dem Knecht und der Magd zu fünft auf dem Hof gewesen. Seither waren die Kinder und Ursula hinzugekommen, und die Zahl der zu stopfenden Mägen hatte sich verdoppelt.

Ester, die Mutter des Bauern, war schon alt, gebeugt von vielen Jahren und harter Arbeit. Was sie noch tun konnte, tat sie, aber viel war das auch nicht mehr. So war Ursula allen willkommen.

All das Wohlwollen ihr gegenüber erfüllte sie mit Stolz, und die Strenge der Bäuerin nahm sie hin. Es waren harte Zeiten, in denen Ingrid Matthes gegeben worden war. Die Äcker ihrer Eltern gaben einfach nicht mehr her, und so hatte sie sich gefügt, als sich die Eltern nach einem Mann umschauten. Bei Matthes auf dem Hof war sie anfangs nur schwer zurechtgekommen. Sie wusste sich nicht zwischen ihrem Mann und dessen Eltern einzuordnen. Als der alte Bauer beim Holzen von einem Baum erschlagen wurde, übernahm Ingrid die Rolle, die ihr Mann bis dahin innehatte. So war ihr Ton strenger und härter geworden als es ihrem Herz entsprach. Die Geburten der Kinder waren ihr auch nicht leichtgefallen. Zwei Bälger hatte sie bereits im Kindbett verloren. Seit Magda auf der Welt war, gab Ester ihr einen Kräutersud, der eine weitere Schwangerschaft zu verhindern verstand. Davon durfte Matthes aber nichts wissen. Ursula war ihr sehr willkommen, und sie hatte bereits nach wenigen Monaten das Mädchen mit seiner ruhigen, freundlichen Art ins Herz geschlossen. Nur Freude zeigen konnte sie nicht, dass ihr das neue Mitglied der Hofgemeinschaft mit ihrem wachen Verstand die eine oder andere Last abnahm. Zu lange war sie zweiter Bauer gewesen, und die mürrische Art ihres Mannes hatte auf sie abgefärbt. Ursula kam mit allen gut aus, nur die Freundlichkeit Ludgers machte ihr zu schaffen. Zuerst hatte der Jungbauer nur wenig Interesse an ihr gezeigt, doch mit den Jahren und Ursulas Heranwachsen änderte sich dieser Zustand, und Ludger stellte ihr nun schon seit einigen Monaten regelrecht nach. Als Sohn des Hausherrn und künftiger Erbe glaubte der heranwachsende Knabe, sich einiges herausnehmen zu dürfen. War sein Vater Matthes nicht in der Nähe, spielte sich Ludger auf wie der Herr selbst, gab Befehle, drohte und ließ besonders Ursula nach seiner Pfeife tanzen. Selbst der Knecht spurte unwillig, wenn der Knabe etwas sagte. Doch Knecht und Magd wussten sich auch zu wehren, und so war es Ursula, die am meisten unter Ludger zu leiden hatte. Und seit kurzer Zeit ließ es der Jungbauer nicht bei Befehlen und Ordern bleiben, sondern suchte auch immer wieder körperliche Nähe. Ganz unvermutet drängte er sich von hinten an sie oder berührte sie im Vorbeigehen. Und jedes Mal sah er ihr mit einem frechen Grinsen ins Gesicht.

Ursula war ständig auf der Hut und versuchte, ihm einfach aus dem Weg zu gehen. Vor allem achtete sie aber darauf, nicht allein zu sein, sobald sie ihn in der Nähe wusste.

Den schweren Eimer mit beiden Händen haltend hatte sie es geschafft, ohne auszugleiten den Hof zu überqueren. Am Gatter zum Schweinekoben holte sie noch mal tief Luft, bevor sie sich in den engen Verschlag bückte. Der Gestank verschlug ihr jedes Mal den Atem. Rasch wollte sie den Eimer in den Trog leeren, an dem bereits die zwei Sauen schmatzend und grunzend auf ihr Fressen warteten, als sie ihn hinter sich spürte. Sie drehte sich um und wollte das Weite suchen, doch er stellte sich ihr in den Weg. Mit niedergeschlagenen Augen raunte sie ihn an: »Lass mich, ich hab’ zu tun.«

Er rührte sich nicht. Sie wollte sich an ihm vorbeidrücken, aber er machte einen schnellen Schritt zur Seite, und sie prallte gegen seine Brust. Seine kräftigen Hände packten zu, hielten sie an der Hüfte. Er leckte sich über die Lippen. »Langsam, langsam, Mädchen.« Er langte fester zu, knetete ihr Fleisch. Es tat schon fast weh, und sie fand es ebenso widerlich wie den Geruch der hinter ihr schmatzenden Tiere. Mit zornig blitzenden Augen schaute sie ihm direkt ins Gesicht.

»Lass los, sonst …«, zischte sie und versuchte sich aus seinem Griff zu winden.

»Sonst was?« Kurz ließ er locker. Ursula drehte sich und wollte weglaufen, doch seine Arme schlangen sich von hinten um ihren Leib.

»Sonst was?«, flüsterte er erneut. »Sonst gehst du wieder zurück in die Gosse?« Seine Hände grabschten nach ihrer Brust. Mit aller Kraft riss sie sich los, fuhr herum und gab dem Kerl eine kräftige Backpfeife. Dann rannte sie über den Hof und schlich verstohlen zu ihrem Lager. Erst dort merkte sie, wie erhitzt sie war und wie ihr heiße Tränen über die geröteten Wangen liefen. Zurück in die Gosse. Die Worte hallten in ihr nach. Sie machten ihr ihre Stellung als Waise und Hilfsmagd nur zu deutlich. Und jetzt hatte sie den Jungbauern geschlagen. Sie war drauf und dran, ihr Bündel zu packen, als die Bäuerin nach ihr rief.

»Ursula, wo bleibst du? Was hast du mit dem Eimer gemacht?«

Ursula war zum Herdfeuer getreten. Ingrid rührte den allabendlichen Eintopf im Kessel. Dies schien ihre ganze Aufmerksamkeit zu fordern. Sie schaute nicht auf, als Ursula Auskunft gab: »Oh, den hab ich bei den Sauen stehengelassen.« Zögerlich kam diese Antwort, und sie versuchte, mit gesenktem Haupt ihre Tränen zu verbergen. Die Bäuerin bemerkte aber nicht einmal das leichte Zittern in Ursulas Stimme. Der Dampf aus dem Kessel roch nach Knochen, Talg und Kräutern. Einen kurzen Moment atmete das Mädchen diese Mischung und spürte, wie ihr das Wasser im Mund zusammenlief, bevor Ingrids Worte sie mahnend fortschickten.

»Ja, dann hol ihn rasch! Was soll er da draußen?«, befahl sie ohne aufzusehen.

Ursula beeilte sich, den Worten der Hausherrin nachzukommen, und huschte erneut nach draußen. Sie betrat den Koben ohne Zögern. Sie wusste, Ludger würde dort nicht mehr stehen. Schnell griff sie sich den Eimer und eilte zurück ins Haus.

Der Rest des Tages war angefüllt mit Arbeit, die Ursula, getrieben von ihrem schlechten Gewissen, beflissener als sonst verrichtete. Doch niemand kam, um sie zu schelten. Ludger sah sie an diesem Tag nicht mehr. Erst beim Abendbrot saßen sie dann zwangsläufig gemeinsam am Tisch. Nur einmal wagte sie, verstohlen in seine Richtung zu schauen, er schien sie aber nicht zu beachten. Innerlich atmete sie auf und nahm sich vor, noch mehr auf der Hut zu sein. Später, im Dunkeln auf ihrem Lager, kam ihr der Gedanke, dass Ludger trotz der Schelle so schnell nicht aufgeben würde.

Ute, die Magd, lag neben ihr. Sie lauschte auf das gleichmäßige brummende Atmen der Schlafenden. In der Dunkelheit drückte sie ihr Gesicht etwas fester in das Lager, das Heu knisterte unter dem groben Sacktuch. Es roch nicht mehr frisch, sondern dumpf nach ihrem Schweiß und feucht-faulig. Wenn sie die Augen schloss, sah sie Ludgers Gesicht dicht vor sich. Seine feuchten Lippen, den flaumigen Bartwuchs, die Strähnen seines schulterlangen Haars, die teilweise sein Gesicht verdeckten. Die Erinnerung an seinen Blick, die Wärme seiner Hände und seiner Arme beunruhigten sie. Er hatte sie so an sich gedrückt, dass sie ihn von oben bis unten hatte spüren können, und dann hatte er nach ihrer Brust gegriffen. Ursula war sich der Veränderungen bewusst, die in den letzten zwei Jahren in ihr vorgegangen waren. Ihre Brust hatte irgendwann ganz von selbst angefangen anzuschwellen. Nun waren da zwei feste Hügel, an deren Spitzen sich dunkler ihre Brustwarzen erhoben. Letzten Sommer hatte sie zum ersten Mal geblutet. Ute hatte ihr geholfen und sie unterrichtet, dass die Schöpfung dies bei den Frauen so angelegt hatte. Sie hatte ihr gezeigt, wie sie sich ein gefaltetes Stück Stoff zwischen die Beine binden musste, um den Monatsfluss aufzufangen und ihre Arbeit verrichten zu können.

»Du bist jetzt kein Mädchen mehr«, hatte sie ihr noch gesagt, doch was das bedeutet, wurde ihr nun erst klar. Die Erinnerung an Ludgers Nähe machte ihr Angst und erfüllte sie gleichzeitig auch mit einem anderen Gefühl, das ihr aber völlig fremd war. Sie spürte Wärme in ihre Wangen schießen und versuchte, sie mit den Handrücken zu kühlen. Sie drehte sich auf den Rücken und spürte dieselbe Hitze mitten in sich. Beunruhigt legte sie sich die Hände auf den Bauch und versuchte, den Drang, heftiger zu atmen, zu unterdrücken. In sich hineinhorchend fielen ihr schließlich die Augen zu.

Ein blasser Schimmer über den Wipfeln des nahen Waldes kündigte den neuen Tag an. Die alte Ester war immer die erste, die frühmorgens durch das Haus schlurfte. Sie fachte das Herdfeuer an und schob den mit Wasser gefüllten Kessel über die auflodernden Flammen. Das war meist die Zeit, in der sich Ingrid zu ihr gesellte. Sie half der Alten, in einem weiteren Topf das geröstete und über Nacht gequollene Getreide zu einem Brei zu kochen. Die Handgriffe waren jeden Tag die gleichen, und kein Wort war zwischen beiden nötig. Die Geräusche, die sie machten, und der frische Rauch des Feuers weckten alle anderen. Nur die Kleinsten schliefen noch weiter und mussten später geweckt werden. Ute gab jedes Mal, wenn sie sich vom Lager erhob, Ursula einen kleinen Stoß, dabei wäre das gar nicht nötig gewesen, denn das Mädchen lag längst wach da und lauschte auf all die Geräusche des erwachenden Hofes. Nicht lange, und eine der beiden Kühe würde zu brüllen beginnen. Ute hatte dann oft erst ein oder zwei Löffel Brei gegessen und ließ ihre Holzschale nur äußerst ungern stehen. Das Melken hatte allerdings Vorrang. Sie würde später den kalten Rest zu sich nehmen. Auffordernd schaute Ute Ursula an. »Ja, ich komme«, murmelte sie mit vollem Mund, stand auf, griff sich den Eimer und folgte der Magd in den Stall.

Die beiden Kühe verstummten und sahen den beiden Frauen erwartungsvoll entgegen. Ute hockte sich mit dem Eimer hin und griff nach dem vollen Euter. Ursula kämpfte zuerst mit dem Schwanz des Tieres, bis sie ihn mit einer Schlaufe gebunden daran hinderte, sie oder Ute zu treffen. Dann hockte sie sich auf die andere Seite, ergriff die beiden freien Zitzen und drückte die Milch mit gleichmäßigen Bewegungen aus ihnen heraus. Sie schmiegte ihre Wange an den warmen Bauch der Kuh, und diese Wärme sowie der Duft aus Heu und Dung ließen sie manchmal die schon nach kurzer Zeit schmerzenden Unterarme vergessen. Noch gar nicht lange zählte das Melken auch zu ihrem Aufgabenbereich, und ihre Muskeln mussten sich noch an die neuen Anforderungen gewöhnen. In der dunstigen Wärme des Stalls gab sie manchmal dem Drang nach, die Augen zu schließen, doch spätestens, wenn Ute mit ihrer Seite fertig war und unwirsch ihre Hände beiseiteschob, fühlte sie sich dabei ertappt und hatte ein schlechtes Gewissen. Bei der Arbeit träumen, eigenen Gedanken nachhängen, all das wurde nicht gerne gesehen. Manchmal glaubte Ursula, sie sei auf dem Hof die einzige, deren Gedanken sich immer wieder in Träumereien und Wünsche verloren.

KAPITEL 5

Vor den Mauern Arqas,14. April 1099

»Ursula, Ursula! Was ist mit dir? Träumst du?« Hildes Stimme holte sie zurück unter die Zeltplanen des Lagers. Mit besorgtem Blick stand die Freundin vor ihr und schaute ihr ins Gesicht. Amüsiert registrierte Ursula, dass Hilde sich dazu nicht einmal zu ihr herabbeugen musste, obwohl sie in sich gesunken auf dem Schemel kauerte. Zu Hildes geringem Wuchs kam noch ihre körperliche Fülle hinzu, die etwa das Ausmaß und den Umfang von Ursulas den Umständen nach angeschwollenem Leib hatte. So ungleich die beiden Frauen auch sein mochten, so tief war ihre Zuneigung zueinander, die im Lauf der gemeinsam durchstandenen Monate gewachsen war. Ursula versuchte zu lächeln. »Es geht schon, Hilde. Dem Kleinen wird es wohl langsam zu eng. Hast du einen Becher Wasser für mich? Ich habe nur etwas gedöst.«

Erstaunlich flink wuselte Hilde durch das unaufgeräumte Zelt und brachte ihrer Freundin einen Becher. »Ursula, du musst noch etwas durchhalten. Wir werden wohl heute noch packen müssen«, sagte sie und beobachtete, wie Ursula den Becher in einem Zug leerte. Sie machte sich Sorgen. Es konnte nicht mehr allzu lang bis zur Geburt dauern, und sie wünschte sich, vorher noch in der Stadt angekommen zu sein. Ihr Mienenspiel verriet allerdings nichts von all ihren Gedanken.

»Danke«, seufzte Ursula und stellte den Becher ab. »Wie sieht es draußen aus? Ist es schlimm?«

»Nein, nicht schlimmer als sonst auch. Auch die Schwerter der Heiden schlagen tiefe Wunden. Aber allzu viele Tote haben wir diesmal nicht zu beklagen. Ich habe dem Bader versprochen, ein paar saubere Tücher zu bringen. Weißt du, wo wir noch welche haben?« Hilde war schon wieder auf den Beinen, huschte im Zelt umher und schaute in Säcke und Kisten. »Ah, da sind sie«, rief sie noch aus und war fast im selben Moment mit ihrer Beute wieder durch die Zeltbahnen hindurch Ursulas Blicken entschwunden. Ursula richtete sich langsam auf, blieb aber noch etwas auf dem Schemel sitzen. Sanft streichelte sie über die pralle Rundung ihres Bauches. Als sie sich schließlich langsam erhob, spürte sie erneut dieses Ziehen. Sie hielt sich am Holz der Tischplatte und sog heftig Luft zwischen den zusammengebissenen Zähnen ein. Der Schmerz ließ nach, doch nun spürte sie ein anderes Drängen. Sie musste raus, das Kind drückte ihr heftig auf die Blase. Vorsichtig setzte sie sich in Bewegung, trat vor das Zelt in die gleißende Sonne und ließ ihren Blick über den etwas abgelegenen Teil des Heerlagers schweifen. An einigen Stellen kringelte sich träge Rauch in die vor Hitze flimmernde Luft. Kaum jemand bewegte sich zwischen den Zeltpyramiden. Die meisten lagen sicherlich auf ihren Säcken und ruhten nach den Anstrengungen der letzten Tage. Niemand begegnete ihr auf dem Weg an den Rand des Lagers. Hinter dem ersten dürren Busch ging sie vorsichtig in die Hocke und befreite sich von dem unangenehmen Druck. Als sie wieder stand, fühlte sie sich bedeutend besser und hatte eine Idee. »Wenn ich schon mal unterwegs bin«, dachte sie bei sich, »kann ich gleich mal schauen, ob ich nicht ein paar Kräuter für einen entspannenden und lindernden Sud finde.« So wie jedes Mal, wenn sie sich anschickte, ihr Wissen um all die Kräfte der Pflanzen zu benutzen, dachte sie voller Dankbarkeit an Ester, die alte Bäuerin, die sie in den Jahren auf dem Hof darin unterrichtet hatte. Mit kleinen Schritten kehrte sie zum Zelt zurück, trank noch einen Schluck und griff sich ihren Beutel. So ausgerüstet kehrte sie den Zelten den Rücken zu und mühte sich bedächtig den nächsten Hügel hinauf. Ihre Blicke richtete sie vor sich auf den Boden. Die verschiedenen Gewächse musternd, die hier auf dem kargen Boden wuchsen, suchte sie nach vertrauten Blüten oder Blattformen. So stapfte sie eine ganze Weile vor sich hin, die Hände in die Hüften gestützt, ihren runden Bauch vor sich her tragend, als ihr plötzlich ein vertrauter Geruch in die Nase stach. Der Herkunft dieses Aromas nachspürend, hatte sich vor ihrem inneren Auge bereits die dazugehörige Pflanze geformt, und die Erinnerung an ihren Nutzen stimmte sie zuversichtlich. »Majoran, sehr gut, der kann helfen.« Einige Schritte weiter erstreckten sich die Pflanzen mit den weiß bis zart rosafarbenen Blütendolden über eine kleine Mulde. Ursula zog einige Blätter von den Stengeln, zerrieb diese zwischen ihren Handflächen und führte sie dann gefaltet zur Nase. Tief sog sie den würzigen Duft ein. »Hmm, sehr gut.« Der Lust folgend, ließ sie sich zwischen die Kräuter sinken, genoss den Geruch und schloss verzückt die Augen. Wieder stieg Dankbarkeit in ihr auf. Ob Ester je geahnt hatte, wie viel Gutes die Weitergabe ihres Wissens an Ursula im Leben des Mädchens bewirken würde? Ohne dieses Wissen wäre sie jetzt wahrscheinlich nicht hier. Sie schloss die Augen und erinnerte sich daran, wie alles begann.

KAPITEL 6

Auf dem Hof des Bauern Matthes,Sommer 1094

Gebückt auf ihren Stock gestützt stand die alte Frau am Rand der Wiese und wiegte den Kopf hin und her. An den Rändern ihrer Haube zeigten sich einige weiße Strähnen, die der Wind hervorgezerrt hatte. Ursula sah sich durch das Gras hüpfend zur Alten eilen. »Was schaust du da, Ester?«

Die Angesprochene hob den Kopf ein wenig. Schräg nach oben blinzelnd lächelte sie dem jungen Mitglied der kleinen Hofgemeinschaft entgegen und antwortete: »Was da wächst, mein Mädel, was da wächst.«

»Und was wächst da?«

»Gutes Kraut. Feines Kraut, das hilft, wenn du nicht schlafen kannst oder gar zu zappelig bist.« Und sie zeigte mit ihren knorrigen Fingern auf ein Gewächs mit kleinen fedrigen Blattreihen, das zwischen den Grasbüscheln seine jungen Triebe der Sonne entgegenreckte. »Kann auch vor Geistern schützen, aber noch ist die Pflanze zu jung, zu jung. Muss noch eine Weile wachsen, damit viel Saft und Kraft in die Wurzeln geht.«

Ursula sah das Mütterchen mit offenem Mund staunend an. Ester kicherte angesichts des sprachlosen Mädchens. Um ihren beinahe zahnlosen Mund und ihre hellen Augen herum vertieften sich dabei die Furchen der unzähligen Falten ihres Gesichts.

»Woher weißt du das? Wie macht die Pflanze das?«, wollte Ursula wissen, nachdem das erste Erstaunen von ihr gewichen war. Ester wiegte schweigend den Kopf.

»Komm«, sagte sie schließlich, richtete sich auf, nahm das Mädchen an die Hand und führte es zu einem in der Nähe liegenden Baumstamm. »Lass uns hier kurz sitzen.« Langsam ließ sich die alte Frau auf den Stamm sinken, und Ursula musste sie dabei stützen. Als sie sich neben Ester niedergelassen hatte, schwieg die alte Frau noch eine Weile. Das Kind neben ihr merkte, es war jetzt besser zu schweigen, auch wenn ihm Hunderte von Fragen auf der Zunge brannten. In Ursulas Kopf herrschte die reine Neugierde.

»Ganz altes Wissen. Immer wieder weitergegeben von Mutter zur Tochter und deren Tochter und der Tochter der Tochter der Tochter. Meine Mutter hat mir viele Pflanzen gezeigt und mir beigebracht, welche Kräfte in ihnen wohnen und wie man sie benutzen kann. Nur ich, ich habe keine Tochter, und wenn ich sterbe, stirbt mein Wissen mit mir. Ingrid weiß ein wenig, doch ich weiß viel mehr. So ist das Leben. Unser Herrgott weiß, wozu es gut war. Ja, er weiß es.« Sie holte tief Luft und seufzte. Die entstehende Pause nutzte Ursula, begierig mehr zu erfahren über das alte Wissen, und von einem Anflug Mitleid angespornt. »Lass mich deine Tochter sein!«, entfuhr es ihr spontan, sie kam sich zugleich aber sehr vorlaut vor und fügte kleinlaut hinzu: »Ich würde gerne all die Pflanzen kennen.«

Ester lächelte schweigend vor sich hin. Sie hatte schon bald, nachdem das Mädchen auf den Hof gekommen war, gespürt, unter diesem Blondschopf wohnt ein heller Geist. Nun konnte sie die Wissbegierde neben sich geradezu fühlen und wog die Idee des Mädchens in sich ab. Sicher, es wäre gut, wenn sie ihr Wissen noch weitergeben könnte, aber was würde ihr Sohn davon halten? Ihr Umgang mit Kräutern und Wurzeln war ihm verdächtig, und nicht selten hatte er gewarnt, sie werde den Hof mit solcher Hexenkunst noch in Verruf bringen. Doch den Sud, der seinen Husten im Winter gelindert hatte, und die Umschläge auf das verstauchte Bein hatte er dankend angenommen. Ach, was sollte er schon sagen? Wenn das Mädchen seine sonstigen Arbeiten nicht vernachlässigte, gäbe es nichts einzuwenden.

Schließlich drehte sie ihren Kopf und schaute Ursula fest in die Augen. Mit ernstem, offenem Blick hielt diese der Musterung stand. Was ging in Esters Kopf vor? fragte sie sich und wusste zugleich, dass die alte Frau sich dasselbe in Bezug auf sie fragte. Ein kleines verlegenes Lächeln schlich sich um ihre Mundwinkel. »Gut, ich werde es dir zeigen. Aber zuerst bring mir ein Blatt von dem Kraut, das ich dir eben gezeigt habe.«

Es war ein kleiner Test, und Ester hatte keinen Zweifel daran, dass Ursula ihn bestehen würde. Schon war das Mädchen wieder bei ihr mit einem Zweiglein Baldrian in der Hand. Was folgte, war für Ursula ein wunderbares Spiel, das sie hätte endlos betreiben wollen. Die Alte zeigte ihr ein Kraut und wies sie an, woanders danach zu schauen. Wenn Ursula meinte, das gleiche Gewächs gefunden zu haben, trat Ester hinzu und lobte den Fund oder schüttelte mit dem Kopf. Dann zeigte sie Ursula die kleinen Unterschiede zwischen der richtigen und der falschen Pflanze. Sie wies auf verschieden Blattformen, Blütenstände oder Stengel hin. Hatte Ursula die richtige Pflanze gefunden, folgten dem Lob einige kurze Sätze über die Kraft und Nützlichkeit, die in dem Kraut zu finden waren. Die Zeit verging Ursula dabei wie im Flug, und viel zu bald war immer der Zeitpunkt erreicht, an dem sie sich wieder ihren Pflichten zuwenden musste oder von der Bäuerin gerufen wurde.

Behutsam unterrichtete Ester ihren Sohn und dessen Frau Ingrid von ihrem Plan, Ursula zu unterweisen. Sie führte ihre eigene Gebrechlichkeit an und dass sie nicht mehr so gut sehe. Das Mädchen wäre ihr eine große Hilfe und würde so auch dafür sorgen, dass immer reichlich Kräuter für Essen und Trinken im Hof wären. Ihr Wissen, das wusste die alte Frau, hatte auf dem Hof schon so manchem geholfen, und auch wenn klares Wasser, die Flüssigkeit, die nach dem Buttern übrigblieb, Dünnbier, das sie selber brauten, und verdünnter Wein die häufigeren Getränke waren, so hatten sich längst alle daran gewöhnt, dass es auch Aufgüsse von Kräutern gab. Besonders der Sud aus Melisse, Hagebutten und getrockneten Apfelschalen sowie Brombeerblättern, etwas gesüßt mit Honig, erfreute sich als erfrischender Trank großer Beliebtheit auf dem Hof. Matthes war rasch bereit, seine Mutter gewähren zu lassen, doch seine Frau sträubte sich. »Ja, und was wird aus der Arbeit? Dann hängen die Kleinen mir wieder an den Rockzipfeln, und nichts geht voran.« Ester ließ diesen Einwand nicht gelten. »Ursula kann Liesel und Magda mitnehmen, sie werden nicht stören«, erwiderte sie ihrer Schwiegertochter. »Sollte Arbeit liegenbleiben, werde ich das Mädchen scheuchen«, versicherte sie zusätzlich. Matthes brummte: »Lass sie es versuchen. Wenn es nicht geht, geht’s nicht. Ansonsten kann es nicht schaden.« Damit war eigentlich alles entschieden, und Ingrid zeigte sich einverstanden.

Für Ursula waren die folgenden Wochen wie ein Rausch. Sie wurde nicht müde, Neues zu lernen, und all das, was sie erfuhr, bewahrte sie in ihrem Kopf auf wie in einem Schatzkästchen. Schon bald begann Ester zu überprüfen, was das Mädchen von den Eigenschaften der Pflanzen und ihren Erscheinungsbildern behalten hatte. Zu ihrer großen Freude zeigte sich, dass Ursula nicht nur immer weniger Fehler machte, sondern auch fast jeden Satz der Alten so gut wie wörtlich behalten hatte. Sie änderte das Spiel und forderte ihre Schülerin nun auf, ihr etwas gegen das eine oder andere Leiden zu bringen. Ursula versuchte, jede gestellte Aufgabe möglichst rasch zu erfüllen, und wollte immer noch mehr. Zwischendrin lief sie den Kleinen nach, erledigte flink eine Arbeit und kehrte wissbegieriger denn zuvor zu Ester zurück.

Dann sprang sie wieder zwischen den Bäumen und Büschen hin und her, die Augen suchend auf all die Pflanzen um sich herum gerichtet. Doch sie lernte nicht nur all das, was Ester ihr erzählte. Unbewusst nahmen ihre nackten Füße auch den Untergrund wahr, über den sie lief, waren es trockene Nadeln, raschelnde Blätter oder feuchtes Gras. Ebenso prägten sich ihr die Umgebungen der Pflanzen ein, welche Bäume in der Nähe standen, welches Kraut in direkter Nachbarschaft wuchs, ob die Sonne eine Pflanze beschien oder ob sie verborgen im Halbdunkel des Schattens gedieh. Ester beobachtete das alles mit wachsender Freude. Oft huschte ihr ein Lächeln über das faltige Gesicht, wenn sie dem rotblonden, im Laufen wehenden Haarschopf nachsah, auf dem das Sonnenlicht helle Reflexe zeichnete. Der Umgang mit Ursula tat ihr gut. Längst war sie nicht mehr die mürrische Alte. Sie genoss es, wenn sie sich mit dem Mädchen gemeinsam über eine Blüte beugte, beide prüfend und genussvoll schnuppernd. Wenn Ursula zu ihr zurückgeeilt kam, stolz ihren Fund präsentierte oder die Blätter eines Krautes zwischen ihren Handflächen zerrieb und ihr die leicht geöffneten Hände unter die Nase hielt, damit sie daran riechen konnte.

Staunend sah sie die Geduld des Mädchens im Umgang mit den Bauernkindern. Kein Stöhnen oder Murren entfuhr ihr, wenn die Kleinen sie von der Pflanzenkunde abhielten. Nie schien dem Mädchen eine Arbeit zuviel oder zu einer unpassenden Zeit, willig und duldsam fügte sie sich und gab sich offensichtlich allergrößte Mühe, allen gerecht zu werden, um ja nicht die Zeit mit ihr zu verlieren. Unterm Scheunendach hingen große Sträuße gesammelter Kräuter zum Trocknen, mehr als je zuvor. Beeren und Früchte sammelte Ursula mit den Kleinen, und Matthes sorgte dafür, dass Ester mit ihr immer öfters auch allein ohne die Last der beiden jüngsten Hofbewohner losziehen konnte.

So ging der Sommer schneller dahin, als sich die beiden ungleichen Freundinnen gewünscht hätten. Als kühlere Nächte und flammendes Laub den nahenden Winter ankündigten, konnte Ester ihrer Schülerin schon zusätzlich einiges vom Pilzesammeln vermitteln. Stundenlang streiften sie über Nadeln und Moosteppiche und durch feuchtes braunes Laub. Ursula verschwand immer wieder im Unterholz, suchte Plätze auf, an die Ester nicht mehr gelangen konnte. Doch nie war sie lange weg, da sie alles, was sie fand, der alten Frau sofort berichten oder zeigen wollte. Über die Monate hinweg hatte Ursula so starkes Vertrauen in die Großmutter gefasst, dass sie auch ihre innersten Regungen und Gedanken vor ihr nicht verbarg. »Schau, Ester«, rief sie voller Freude, »der Baum dort sieht aus, als würde er brennen. Ist das nicht wunderschön?« Und wirklich, das im leichten Wind zitternde Laub in seiner goldenen, rotbraunen Pracht flammte im Sonnenlicht. Diese Freuden teilten beide ganz allein, denn auf dem Hof war kein Platz für dergleichen.

»Schau Mütterchen, dieser Pilz sieht ganz so aus wie das Teil des Hundes, wenn er die Hündin bespringt.« Es gab nichts, was Ursula Ester gegenüber nicht äußerte. Auch die Veränderungen an ihrem Körper, die Blutungen und die Haare in den Achselhöhlen waren Inhalte ihrer vertraulichen Gespräche. Vorsichtig weihte Ester ihren Schützling in die Geheimnisse von Leben und Geburt, von Mann und Frau und auch von Gott und der Welt ein. Ursula nahm auch diese ernsteren Dinge ohne Argwohn auf und stellte nur kurze, unbedingt nötige Fragen. Längst hatte sie begriffen, dass neben ihr eine unbegreiflich große Menge an Wissen zwischen den Bäumen spazierte, und sie zweifelte keines der Worte Esters an.

Diese beobachtete mit Freude und Stolz, wie sich das Mädchen entwickelte. Die viele Bewegung, das ständige Hin- und Herlaufen hatten ihm sichtlich gutgetan. Ursulas Beine waren kräftiger geworden, ihre Haut war gebräunt, und ihr ganzes Erscheinungsbild wirkte sehr viel gesünder als zu der Zeit, da sie auf den Hof gekommen war. Ester wusste, dass all die Erd-, Blau- und Himbeeren, die das Mädchen im Vorübergehen naschte, die für sie nur eine willkommene Süßigkeit darstellten, viel zu der Gesundheit der Heranwachsenden beigetragen hatten. Gerne hatte Ester dafür ihr Wissen von besonders ergiebigen Fundorten preisgegeben, das sie bisher ganz für sich behalten hatte.

Auch der Bauer Matthes bemerkte die Veränderungen an der jungen Magd. Er sah, dass auch seine Mutter über den Sommer wieder lebendiger geworden war. Er wusste nicht, wie das vonstatten ging, spürte aber, dass der Umgang des Mädchens mit seiner Mutter gut war, und so beschloss er, diesem Geschick einfach seinen Lauf zu lassen, selbst wenn es über das nächste Jahr hinausgehen sollte.

Ihn plagten indes andere Sorgen. Das Wenige, das sie geerntet hatten, war eingebracht. Das Futter würde für die zwei Kühe, die Ochsen, die Schweine und das andere Viehzeug reichen, darüber musste er sich keine Gedanken machen. Er wusste aber, wie sich die bevorstehende Jahreszeit, das schlechte Wetter, die Kälte und die Dunkelheit auf die Hofgemeinschaft auswirken konnten. Jedes Jahr war ihm nicht wohl bei dem Gedanken an die Monate nach der Ernte. Wie lange würde der Winter diesmal dauern? Er hasste es, in der Hütte eingesperrt zu sein, mit allen Hofbewohnern und dem Vieh in einem Raum zu hausen. Tatenlos ausharrend, bis die Vorräte immer mehr zur Neige gingen. Prüfend schaute er noch einmal hinauf zum dunkelgrauen Abendhimmel. Es würde nicht mehr lange dauern. Dann duckte er sich unter dem Türsturz hindurch, schüttelte die Gedanken zusammen mit der kühlen Luft von sich ab, um nicht noch mürrischer als sonst am Tisch zu sitzen.

Er sollte recht behalten. Schon wenige Tage nach seinem düsteren Ahnen hielt der Winter Einzug, und es gab kaum ein Eck auf dem Hof, wo man nicht seine eisige Hand spürte. Nur in der großen Stube, bei dem Herdfeuer war es einigermaßen erträglich. Dort saßen sie dann alle am Tisch oder direkt neben dem Feuer. Die Zeit war lang, und jede Beschäftigung willkommen. Außer dem Versorgen der drei Schweine, der Rinder und besonders des neuen Kalbs, der Ziegen, Schafe und des Federviehs gab es nicht viel zu tun. So versuchten alle, den Alltag mit den Dingen zu füllen, für die im Sommer keine Zeit gewesen war. Reparaturen an Kleidung und Hausrat, das Erstellen von Flechtwerk gehörten ebenso dazu wie das wiederholte Reinigen von Koch- und Essgeschirr.

Ursula hatte den großen Kessel jetzt schon zum dritten Mal ausgescheuert und außen von der dicken Rußschicht befreit. Der Bauer saß mit Ludger am Tisch. Sie schliffen ihre Messer. Gernot, der Knecht, und Arnulf, der zweite Bauernsohn, waren neben dem Feuer mit dem Flechten von Körben beschäftigt. Liesel und Magda saßen auf dem Boden und spielten mit Tannenzapfen. Ingrid und die alte Ester spannen im Licht der Flammen Schafswolle mit Handspindeln. Ursula sah ihnen gerne dabei zu. Immer wieder neu ließ sie sich vom Entstehen der Fäden unter den geschickten Händen der Frauen fesseln. Wie diese immer wieder die Spindel mit gekonntem Fingerschnippen zum Drehen brachten und diese sich mit wachsender Fadenlänge immer weiter zu Boden senkte, bis sie aufsetzte, die Spinnerin das neu entstandene Garn aufwickelte und die Spindel erneut kreiseln ließ. Außer den Geräuschen der Arbeiten, dem Sirren der Klingen, die über den Schleifstein gezogen wurden, dem Knacken der Äste beim Flechten und des Holzes im Feuer, war nur das Brabbeln der Kleinen zu hören. Und natürlich das Husten aus allen Ecken des Raumes, von Mensch und Tier, denn die Luft war schwanger mit dem Rauch des Feuers, der an manchen Tagen gar nicht abziehen wollte, obwohl es durch alle Ritzen und Lücken zog.

Die Tage, an denen man kaum vor die Türe gehen konnte, wurden dann immer häufiger. Der eiskalte Wind und der Schnee machten selbst die nächste Umgebung des Gehöfts zur gefährlichen Wildnis. Die Tage selbst waren draußen schon düster, wenn es der Sonne nicht gelang, durch die dicken Wolken zu dringen. Um so dunkler war es dann in der Stube, deren kleine Fensteröffnungen längst mit Fellen und Lumpen gestopft waren. Wenn dann am späten Nachmittag die meiste Arbeit getan war, aßen sie früher, und danach, wenn der Bauer gute Laune hatte und es zuließ, fing das Geschichtenerzählen an. Der Bauer selbst und der Knecht erzählten von guten Ernten, Katastrophen, Unfällen und Geschehnissen, die sie von anderen Bauern oder im Dorf gehört hatten. Ludger schnitt mit selbstüberschätzenden Heldentaten auf, und alle hörten gespannt zu, wenn von Wölfen die Rede war, die einen einsamen Wanderer auf einen Baum getrieben hatten, wo er zu erfrieren drohte, bis dann ein Blitzschlag ihn auf wundersame Weise rettete. Von Kaiser Heinrich wurde erzählt, von Fürsten, von deren Prunk, Rüstungen und Taten, die allesamt bunt und phantastisch ausgemalt wurden. Die Frauen erzählten andere Geschichten. Besonders mochte Ursula die Erzählungen von Gott. Ester, Ingrid und Ute, die Magd, kannten eine ganze Reihe von Geschichten über den Herrn Christus und das Jesuskind, die sie aus den Besuchen in der Dorfkirche oder von Wanderpredigern hatten und nacherzählten. Einige wenige ganz andere Geschichten schienen uralt zu sein. Nur Ester konnte sie erzählen, und es kamen fremde Namen und seltsame Spukgestalten darin vor. Da gab es Irrlichter, Waldgeister, Trolle und Hexen. Ute dagegen gefiel sich sehr im Erzählen weniger schöner Dinge aus dem Fundus der Wanderprediger und Mönche. Mit offensichtlicher Lust schilderte sie, sich an den erschreckten Gesichtern der Kinder ergötzend, wie Herodes’ Soldaten die kleinen Kinder von Bethlehem erschlugen, aufspießten, schreienden Müttern entrissen und ihre Schädel gegen Mauern schlugen, oder ihre Rösser über Frauen und Kinder stampfen ließen. Das Jesuskind allerdings erwischten sie nicht. Doch spätestens, wenn die kleine Magda zu weinen begann, war mit den Schauergeschichten Schluss. Mutter Ingrid erzählte dann, wie Maria das kleine Jesulein in einem Stall auf die Welt brachte, dass sie, Josef und das Kind genauso arm gewesen waren wie man selbst, und dass Hirten kamen und Engel erschienen. All das passierte in einem Land, das nicht nur fremd, sondern auch ganz weit weg war. Dort gab es eine Stadt, Jerusalem, deren Tore waren aus Edelsteinen erbaut, und die ganze Stadt strahlte unermesslichen Reichtum aus. Dort stand einst der Tempel des Salomon, und der Herr Christus, der Sohn Gottes, sei selber dort gewesen und unter den Menschen einhergegangen. Dort hätte man ihn auch an das Kreuz genagelt. Jerusalem sei so prächtig, groß und reich, weil es der allerheiligste Ort auf der Welt wäre. Die Kinder hörten mit roten Ohren zu, und die Männer schnitzten nebenher. Meistens machten sie Löffel und Schalen, doch manchmal, besonders, wenn der Bauer gute Laune hatte, schnitten sie aus Holzstücken und Ästen auch Figuren. Meistens waren es Tiere, ab und an aber auch ein kleines Menschlein aus Holz. Eine Frau mit einem langen Rock, einen bärtigen Alten mit einer Kiepe auf dem Rücken, einen Mönch oder einen Jäger. Liesel und Magda hatten schon eine ganze Reihe solcher Figürchen. Nur hin und wieder spielten sie damit, denn es waren ihre größten Schätze. Ursula beneidete die beiden darum. Die Löffel und Schalen hingegen wurden im Frühjahr auf dem Markt verkauft oder eingetauscht.

Esters Lieblingsgeschichte war die Erzählung von den heiligen drei Königen aus dem Morgenland. »Als die drei Könige Bethlehem wieder verlassen hatten, erschien dem Josef ein Engel im Traum. Er sagte zu ihm: Josef, nimm die Frau und das Kind und gehe nach Ägypten. Am nächsten Morgen tat Josef, wie ihm der Engel befohlen hatte. Er nahm Maria und das Kind und flüchtete in ein fremdes Land vor Herodes und seinen Soldaten.«

Ester schwieg, und die Kinder wussten, hier endete ihre Erzählung für heute. Ursula holte tief Luft und seufzte: »Ein Engel, ich würde auch gerne mal einen Engel sehen.«

Ester lächelte mild. »Wer weiß, vielleicht erscheint dir ja irgendwann mal ein Bote des Herrn«, sagte sie ruhig. Ludger grinste, er nahm ein Stück Holz und sagte: »Weißt du was, ich mach’ dir einen Engel.« Ursula wusste nicht, wie ihr geschah. Sie war völlig überrascht und wagte es kaum zu glauben. Aber bereits zwei Tage später hielt ihr Ludger stolz eine kleine Figur mit großen Flügeln entgegen. Sie dankte Ludger überschwänglich und sprang wie toll mit ihrem Engel durch die Stube, bis sie der Bauer mit einem barschen »Es reicht!«, stoppte. Neben den zwei Kleidern, die man ihr zu tragen gegeben hatte, war das ihr erster Besitz.

KAPITEL 7

Vor den Mauern Arqas,14. April 1099

Ursula blinzelte in die Sonne. Ihre Beine fühlten sich taub an, und sie brauchte einen Moment, um gewahr zu werden, wo sie sich überhaupt befand. Der Duft der Kräuter brachte sie zurück in ihre Gegenwart.

Sie lachte in sich hinein. »Die Sonne wird mir noch das Hirn verbrennen.« Mühsam brachte sie sich auf die Beine, und langsam zirkulierte in ihnen wieder das Blut, was, auf dem Rücken liegend, durch den Druck des Kindes verhindert worden war. Sie riss noch einige Stengel des Krauts ab und setzte dann vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Der Weg zurück ins Lager schien ihr sehr mühsam, und als sie endlich die Bahnen ihres Zeltes teilte und in das Halbdunkel unter deren Stoff trat, hätte sie sich am liebsten auf ihr Lager fallen lassen, um einfach zu schlafen. Außer dem schweren Duft nach Parfum und Kräutern sowie nach Blut, Schweiß und anderen Ausdünstungen schlug ihr auch die Stimme Hildes entgegen.