Tod an der Interstate - Robert Lee Walker - E-Book

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Robert Lee Walker

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Beschreibung

David Hodges, der Leiter der Abteilung für Delikte am Menschen im Zweiten District des Aurora Police Departments wurde früh aus dem Bett geholt, um sich eine Leiche an der I-70 bei Watkins anzuschauen. Zuerst sah alles nach einem Unfall aus. Doch dann war noch vor der Untersuchung durch den Gerichtsmediziner erkennbar, dass der Mann nicht durch einen Sturz oder ein Rammen auf der Interstate getötet wurde. Er war bereits tot, als er hier platziert wurde. Das Team um Hodges nimmt die Ermittlungen auf. Der tote Handwerker soll jedoch kein leichter Fall werden …

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Ähnliche


Tod an der Interstate

Robert Lee Walker

edition oberkassel

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Danke

Robert Lee Walker

Dank an die LeserInnen

Impressum

Landmarks

Titelbild

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

David Hodges blickte an diesem Dienstagmorgen von der Brücke über der I-70 und den gleichfalls hier verlaufenden Highways hinunter. Im Osten hatte die aufgehende Sonne den Himmel mit einem rot-orangen Streifen versehen. Der weitgehend blaue Himmel wurde von einzelnen Wolken durchzogen, die noch im Schatten lagen und deshalb dunkel bedrohlich am Himmel prangten. Unten auf der I-70 standen die mit blauem und rotem Licht blinkenden Kranken- und Streifenwagen. Der Verkehr mit all den Pkw und dazwischen einigen Trucks in Richtung Aurora und Denver wurde über die 36 umgeleitet. Hodges hörte mit einem halb geschlossenem und einem wachen Auge kopfschüttelnd zum wiederholten Male die Nachrichten aus dem Lokalradio von KCFR. Sie gaben gerade so viel preis, wie seine Kollegen freigegeben hatten.

»Am heutigen frühen Morgen wurde gegen 5:00 Uhr in der Nähe von Watkins die Leiche eines 51-jährigen Mannes an der Interstate 70 zwischen Kansas und Denver aufgefunden. Der Aufmerksamkeit eines Truckers, der wegen der einsetzenden morgendlichen Rushhour an dieser Stelle langsamer fahren musste, ist es zu verdanken, dass der bereits tote Körper, so die Polizeiangaben, am Rande der Straße entdeckt wurde. Es kommt zu erheblichen Beeinträchtigungen im Verkehr, weil wegen der Spurensicherung die Fahrbahnen in beiden Richtungen am Fundort vorbei geführt werden mussten. Wie uns die Polizei weiterhin mitteilte, schien der Mann am gestrigen Abend hochprozentigen Alkohol zu sich genommen zu haben, sodass ein Unfall in Trunkenheit nicht auszuschließen ist. Dem Anschein nach ist der Mann beim Überschreiten der Interstate von einem Fahrzeug, wahrscheinlich einem LKW, erfasst worden oder von der nahegelegenen Brücke gestürzt.«

Diese Meldung war nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte bestand darin, dass die Polizei der Presse erst mal diese Informationen gegeben hatte, um etwas Zeit zu gewinnen. Besonders der Verdacht eines Selbstmords musste in einem solchen Fall ausgeschlossen werden. Da es sich bei der toten Person nach dem Führerschein, den er bei sich trug, um einen Bürger der Stadt, wohnhaft in Aurora Highlands, handelte, wurde eine Ermittlungsgruppe des Aurora Police Departments, kurz ADP genannt, beauftragt. Der Leiter dieser Gruppe der Operation Division war schon seit vielen Jahren Captain David Hodges. Obwohl auch er zunächst wegen des augenscheinlichen Unfalls davon ausging, dass sie heute im Laufe des Tages die Ermittlungen abschließen würden, ließ ihn seine Erfahrung in diesem Punkt etwas skeptisch bleiben. Wie er und seine Leute bereits bei einem ersten kurzen Telefonat vom Commander erfahren hatten, hatte der eigentlich in dieser Gegend nichts zu suchen. Sein gestriger Arbeitsort lag in Seven Hills, weit entfernt von Watkins. Bis zum Unfallort war es nicht gerade ein Katzensprung. Es lagen also erste Hinweise vor, die es erforderten, dass das APD sich näher mit dem Fall befasste.

Kapitel 2

David Hodges kehrte vom Ort des Geschehens zum zweiten District des APD in der Abilene Street zurück. Glücklicherweise hatte er vor der Tür noch einen Stellplatz gefunden. Selten genug, dass hier etwas frei war, aber die Kollegen von der Streife schienen alle ausgerückt zu sein.

»Monaghan und Alvarez«, sagte David Hodges zu den beiden jüngeren Kollegen in der Gruppe. Sie saßen wie jeden Morgen mit einem Kaffeebecher in der Hand zur Besprechung am Sitzungstisch. »Ihr geht am besten gleich zur Arbeitsstelle des Toten. Monaghan, Sie hatten vorhin ja bereits mit seinem unmittelbaren Vorgesetzten telefoniert. Fragen Sie noch mal ein bisschen nach dem Umfeld und vor allem nach den menschlichen Aspekten des Toten. War Peter Spade überhaupt ein Mensch für Selbstmord?«

»Okay«, antwortete Samuel Alvarez. »Wir fahren gleich los, wenn wir hier fertig sind. Ich werde mir nur noch die Unterlagen zusammenlegen, die die Akten über ihn bis jetzt hergegeben haben. Damit wir wenigenstens alle auf dem gleichen Stand sind.«

»Ja, ist gut, mach das. Saul und ich werden Spades Frau aufsuchen, ihr die Nachricht überbringen. Vielleicht erfahren wir auch, ob es Probleme in der Ehe gab, falls sich der Verdacht eines Selbstmords erhärtet. Das steht sicherlich noch nicht in den Akten.«

»So leicht wird man es uns wohl nicht machen. Von wegen, alles nach Aktenlage und so. Erst einmal müsste jemand etwas hineinschreiben.«

»Was gibt es sonst noch zu tun?«, fragte David Hodges und schaute einen nach dem anderen an. »Was haben wir noch für offene Sachen?«

»Da ist noch die tote Grandma, die vierzehn Tage unbemerkt zwischen all ihren Katzen in der Wohnung oben in Green Valley gelegen hat. Da müssen wir heute noch einige Ergebnisse von der Obduktion bekommen.«

»Den Fall werden wir dann sicherlich abschließen können.«

»Den schon«, sagte Brendup. »Anders sieht es mit dem Einbruch in der Villa am Sportplatz aus. Da müssen die eingegangenen Berichte und Ergebnisse noch mal sortiert werden. Möglicherweise gibt es neue Aspekte und Spuren, die uns jetzt zum Einbrecher führen.«

»Das wird also noch brauchen.«

»Hundertprozentig. Den meisten Spuren müssen wir noch nachgehen. Der Fall lässt sich nicht so schnell abhaken.«

»Na, okay«, sagte David Hodges. »Wäre es das? Oder habt ihr noch was auf der Seele?«

Sie wurden in ihrem Gespräch unterbrochen, weil die Bürotür geöffnet wurde und ein Kollege herein schaute, dessen Halbglatze den Raum mit Leuchtkraft zu erhellen schien.

»Entschuldigt, Kollegen«, sagte er. »Es könnte für euch aber wichtig sein und der ausführliche Bericht wird nicht ganz so schnell fertig.«

»Ja, und um was geht’s?«, fragte David Hodges.

»Wir haben gerade die Kleidung des Toten unter der Lupe gehabt. An der Interstate war davon ja nicht viel zu erkennen. Es ist etwas elegantere Kleidung gewesen, Krawatte, Jackett und so. Aber das Wichtigste …«

»Nun mach es nicht so spannend.«

»In seiner Hosentasche steckte eine Pistole vom Typ Beretta.«

»Ach nee. Sieh mal einer an.«

»War der sich noch nicht ganz sicher, wie er sich umbringen wollte?«, fragte Detective Jacqui Monaghan, »Erschießen oder doch lieber von der Brücke vor einen fahrenden Truck springen?«

»Das werden wir heraus bekommen«, antwortete ihr Chef.

»Ich wollte es auch nur gesagt haben, falls ihr dies noch bei euern Ermittlungen benötigt«, sagte der auf dem Kopf spärlich behaarte Kollege. »Dann bin ich jetzt aber auch schon wieder weg. Heute Nachmittag werdet ihr den Bericht von mir bekommen.«

»Ja, danke für die schnelle Arbeit«, rief ihm Monaghan noch hinterher, bevor dieser die Tür schon ganz geschlossen hatte. Doch dann schwenkte sie wieder auf. Die Mundwinkel des Kollegen gingen von einem zum anderen Ohrläppchen, er tippte sich mit zwei zusammengelegten Fingern an die rechte Schläfe, bevor er die Tür endgültig zuzog.

»So. Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, noch Fragen von euch?«

»Nein, eigentlich nicht«, antwortete Samuel Alvarez, während die anderen beiden wie in Gedanken versunken den Kopf schüttelten.

»Also, auf geht’s.« Mit einem kräftigen Schwung schlug sich David Hodges dabei auf die Schenkel und erhob sich von seinem Platz.

David Hodges handhabte das nun schon seit Jahren in seiner Ermittlungsgruppe so, dass jeden Morgen zunächst die Teambesprechung stattfand, bevor jeder seiner Aufgabe nachging. Diese Besprechungen dauerten meist nicht lange. Manchmal nur fünf Minuten, seltener, aber bei schwierigen Fällen, verstrich schon mal eine Stunde. Durch diese Besprechungen hatten alle in der Gruppe das Gefühl, darüber Bescheid zu wissen, was die Kollegen taten. Sie tauschten sich aus und brachten sich auf den aktuellen Stand bei den noch offenen oder gerade abgeschlossenen Fällen. Dadurch konnten sie schnell eine Aufgabe zwischendurch übernehmen, einen Telefonanruf oder so, und den Kollegen ohne viel Aufwand unterstützen. Sollte einer von Ihnen mal plötzlich krankheitsbedingt ausfallen, fiel die neue Rollenverteilung nicht besonders schwer. David Hodges war stolz auf seine kleine Truppe. Er hatte wirklich das Gefühl, sie würden alle an einem Strang ziehen. Jeder wusste, wo sein Platz war. Selbst das New Yorker Küken, wie sie Jacqui Monaghan manchmal nannten, hatte bereits bewiesen, dass sie längst kein Küken mehr war, sehr gute Ermittlungsarbeit leistete und als einzige Frau im Team für ein bisschen Abwechslung sorgte.

Kapitel 3

Monaghan und Alvarez begaben sich zum Stellplatz ihres Dienstwagens vor der Police Station, um sich auf den Weg zum Handwerksbetrieb des Opfers zu machen. Dort wollten sie mit den Ermittlungen beginnen.

»Heute fahren wir getarnt, Señorita?«, fragte Samuel Alvarez seine Kollegin. Mit dieser Frage spielte er auf den alten Dienstwagen, einen roten Buick, an, den die Kollegin zunächst erhalten hatte. Sie hatten schon öfters ihre Witze darüber gerissen, dass kein Mensch in diesem Auto einen Polizisten vermuten würde.

»Von mir aus. Ich hab nichts dagegen. Aber du willst doch bloß wieder deinen Silberschlitten schonen, Bra?« Wenn Monaghan mit ihrem Partner Alvarez zusammen wahr, scheute sie sich nicht, ihren breiten Slang aus Manhattan zu sprechen. Ansonsten versuchte sie, den Slang zu unterdrücken, bekam ihn aber noch nicht ganz weg.

»Ah, nicht unbedingt. Aber das ist ein netter Nebeneffekt.«

Während der letzten sechs Monate, die sie jetzt zusammen arbeiteten, hatten sich beide gut zusammengerauft. Eigentlich war es schon üblich, dass sie bei dringenden und brenzligen Fahrten, zumindest, wenn eine solche zu erwarten war, mit dem neuen BMW von Samuel Alvarez fuhren. Waren die Arbeiten nicht so dringend und sie mussten nicht über die Stadtgrenze von Aurora hinaus, dann nahmen sie den roten Buick. Dennoch konnten es beide nicht lassen, sich über das Dienstfahrzeug des jeweils anderen lustig zu machen.

Eine besondere Parkordnung schien es auf dem Betriebsgelände des Malerei- und Anstreicherbetriebes nicht zu geben. Nachdem sie durch das wohl stets offenstehende Tor gefahren waren, hielten sie vor einem kleinen Gebäude, das an einem Lagerschuppen angebaut worden war.

»Entschuldigung?«, fragte Samuel Alvarez einen schnauzbärtigen Mann Mitte Dreißig in blauem Overall. Gerade wollte der Afroamerikaner in einen Pickup mit der aufgeklebten Firmenwerbung steigen. »Wo können wir denn den Mr Aaron Cooper finden, bitteschön?«

»Der Chef sitzt da drinnen in seinem Büro«, antwortete der Mann. Offenbar ein Angestellter. Er zeigte dabei auf das kleine Gebäude.

»Danke.«

Dem Angestellten bereits den Rücken zeigend, wandte sich Samuel Alvarez nochmal dem Mann zu.

»Sagen Sie, Sie sind hier Angestellter, oder?«

»Ja.« Die Antwort wurde von einem kurzen Nicken begleitet.

»Dann kennen Sie doch sicherlich auch Peter Spade, oder nicht?«

»Was heißt schon kennen. Wir sind halt Kollegen. Privat haben wir nichts miteinander zu tun.«

»Was war Peter Spade denn für ein Mensch?«

»Da kann ich gar nichts zu sagen. Ich bin doch nur der Fahrer hier. Ich liefere unsere Leute an ihren Arbeitsstellen bei den Kunden ab. Manchmal ist der Peter mitgefahren, aber viel gesprochen hat er nicht. War immer ziemlich ruhig.«

»Haben Sie sich als Kollegen nicht manchmal in eine Bar gesetzt? Da erfährt man doch ein paar private Dinge«, sagte Monaghan dazwischen, die hinzugetreten und in Samuel Alvarez’ Rücken dem Gespräch gefolgt war.

»Ach so, ich vergaß ganz und gar, uns vorzustellen«, sagte Samuel Alvarez und zog dabei seine Polizeimarke aus einer Tasche und streckte ihm dem Mann nur kurz entgegen. »Ich bin Detective Samuel Alvarez und das ist Detective Jacqui Monaghan. Wir sind vom Aurora Police Department.«

»Hab ich mir schon gedacht.«

»Also, wie war das nun mit privaten Dingen?«

»Ich bin mit denen eigentlich nicht in die Kneipen, deshalb hab ich auch nicht viel mitbekommen.«

»Was heißt: eigentlich?«

»Na ja, höchstens im Sommer, da machen wir jedes Jahr eine Grillparty beim Chef hinten im Garten, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

»Denk schon. Und nach einer solchen Party behält man auch nicht viel von den privaten Gesprächen im Kopf, oder?«

»Nee, also ich weiß wirklich nicht viel über Peter.«

»Und wie war das am Tage? Während der Arbeit? Kam man da nicht ins Gespräch?«

»Tagsüber habe ich mit den anderen ja nicht viel zu tun. Ich bringe Ihnen nur ihr Werkzeug, ihre Farben und anderes Material.«

»Ja, ist schon klar.« Samuel Alvarez zog das Gespräch wieder an sich. »Wie heißen Sie eigentlich?«

»Ich heiße James Owen.«

»Wir werden noch mal auf Sie zukommen, wenn das Protokoll unterschrieben werden muss. Ist das okay?«

»Ja sicher, kein Problem.«

»Vielen Dank dann. Einen schönen Tag noch, Mr Owen.«

Mit diesen Worten verabschiedeten sich beide. Gemeinsam schritten sie hinüber zum Büro. Als Samuel Alvarez mit der Hand nach der Tür griff, huschte ein Schatten hinter einem der Fenster vorüber. Rechts hinter der Eingangstür befand sich ein Tresen als Empfang für die Kunden. Dahinter waren gleich die Schreibtische der Verwaltungskräfte. Ganz hinten, gegenüber des Eingangs, saß ein Mann Mitte Fünfzig mit vollem, weißem Haar in einer abgetrennten Glaskabine hinter seinem edel wirkenden Schreibtisch. Die anderen Tische im Raum waren nicht besetzt. Noch beim Aufstehen fragte er die Eintretenden sofort: »Was kann ich für Sie tun?«

»Mein Name ist Jacqui Monaghan, das ist mein Kollege Samuel Alvarez. Wir hatten vorhin schon miteinander telefoniert, wenn Sie Mr Aaron Cooper sind.«

»Ja, richtig, der bin ich. Detective Monaghan, stimmt’s?« Seine laute und tiefe Stimme drang wie ein motoriges Brummen in die Ohren seiner Gesprächspartner.

»Genau. Wir haben noch ein paar Fragen an Sie, bezüglich Mrn Peter Spade.«

»Na klar. Gern doch. Scheußliche Sache.« Der leicht rundliche, aber kräftig wirkende Mann, der adrett mit Sakko und Krawatte gekleidet war und damit gar nicht wie ein Handwerker wirkte, schüttelte mit dem Kopf. Dann schaute er die Polizisten aus eng zusammenstehenden Augen an, streckte seinen Arm aus und wies um den Tresen herum. »Kommen Sie doch herum. Setzen Sie sich an den Sitzungstisch. Einen Kaffee?«

»Ja gerne, danke. Wenn es keine Umstände macht.«

»Gar nicht. Nehmen Sie Platz und schießen Sie los. Was möchten Sie wissen? Ich hole Ihnen nebenbei nur schnell einen Kaffee. Meine Sekretärin ist heute ausgefallen.«

Während sich Aaron Cooper an der Kaffeemaschine zu schaffen machte, begann Samuel Alvarez mit seinem Fragenkatalog. »Also, es geht um Peter Spade ganz allgemein. Wir wollen uns erst ein Bild von ihm machen. Was war er für ein Mensch? Wie lange kannten Sie ihn?«

»Den Peter kenne ich eigentlich …« Er hielt im Satz inne und räusperte sich. Sein Adamsapfel arbeitete sichtbar stark in seinem Hals. »Den kannte ich schon ein ganzes Stück Leben.«

»Aha.«

»Ja, schon damals, als er noch seine eigene Firma hatte. Damals waren wir eigentlich ja Konkurrenten. Aber wir haben trotzdem oft zusammen gearbeitet und uns die Aufträge gegenseitig zugeschoben, wissen Sie? Wenn der Auftrag für eine der beiden Firmen terminlich oder personell nicht zu schaffen war, dann wurde der andere halt Subunternehmer.«

»Und wann war das?«

»Oh, Mann. Wie die Zeit vergeht. Das ist nun schon gut zwanzig Jahre her?«

»Und wann wurde er ihr Angestellter?«

»Das muss vor circa 13 Jahren gewesen sein. Warten Sie mal.« Aaron Cooper kniff die Augen zusammen. »Ja, vor dreizehn Jahren.«

»Warum geschah das?«

»Irgendwie lief das bei ihm nicht so richtig. Ich muss dazu sagen, dass er auch Ausfälle in den Einnahmen hatte. Drei oder vier große Aufträge sind damals von seinen Auftraggebern nicht bezahlt worden. Das kann einen kleinen Handwerker schon das Genick brechen.«

»Verstehe.«

»Peter Spade ist heute früh aufgefunden worden. Er stand etwas unter Alkohol. Hatte er generell Probleme damit?«, fragte Samuel Alvarez in das Gespräch hinein.

»Nein, ist mir jedenfalls nicht aufgefallen. Höchstens damals, als er seine Firma aufgeben musste. Die Firma war sein Ein und Alles. Obwohl er bei mir nachher auch viele Freiheiten hatte. Schließlich hatten wir uns vorher schon gekannt. Ich war ja nicht von Anfang an sein Chef. Wir waren Kollegen und deshalb wusste ich, was er kann und dass er gut arbeitet. Also ließ ich ihn möglichst gewähren, nachdem er mein Angestellter war. Trotzdem vermisste er das Freisein als Selbstständiger. Da hatte er die ersten Monate sehr viel geschluckt, das hatte aber nie seine Arbeit bei mir im Betrieb beeinträchtigt.«

»Ist es in all den Jahren bei dem Alkoholkonsum geblieben?«

»Sagte ich doch schon, dass es in der letzten Zeit weit weniger war und sich eher im Rahmen anderer Leute bewegte. Ich würde es nicht als Problem bezeichnen, obwohl seine Frau besonders damals darunter gelitten zu haben schien. Aber das hat er meines Wissens völlig in den Griff bekommen.«

»Sie sagten, er habe gute Arbeit geleistet. Bis zum gestrigen Tag?«

Aaron Cooper schwieg einen Moment lang, bevor er antwortete.

»Ja, doch, er hat bis zum Schluss gute Arbeit gemacht. Wenn, dann hat er höchstens mal ein Feierabendbier getrunken oder bei einer Familienfeier. Jedenfalls kam er wegen übermäßigen Alkoholgenusses nicht zu spät zur Arbeit. Pünktlichkeit war immer seine Tugend. Er hat nicht einen einzigen Tag unentschuldigt gefehlt, weil er vielleicht mit seinem Hintern nicht aus den Federn hoch kam. Das ist nie vorgekommen. Aber fragen Sie mich nicht, wie er das hinbekommen hat. Wenn ich dran denke, wie es mir nach einer Feier geht, dreht sich mir jetzt noch der Magen um.«

»Verständlich.« Die beiden Polizisten mussten bei dem Gedanken schmunzeln. »Was war er für ein Typ bei der Arbeit?«

»Er war äußerst ruhig. Er hat nicht viel Tamtam gemacht. Pünktlichkeit hatte ich bereits genannt. Dazu kommt Genauigkeit, Gewissenhaftigkeit, Besonnenheit. Er wusste immer, was zu machen war. Ihm musste ich nicht viel sagen. Ich brauchte ihm nur Anschrift des Kunden und Termine zu nennen. Dann ging das seinen Gang.«

»Er konnte bei Ihnen also tatsächlich selbstständig arbeiten.«

»Sag ich doch. Ich werde ihn vermissen. Nicht nur als Mensch, sondern auch als Kollegen. Solch einen guten Arbeiter bekomme ich nicht wieder.«

»Hatte einer Ihrer Angestellten einmal Streit mit Peter Spade?«

»Nee, nicht, dass ich wüsste. Ich sagte ja, er war äußerst ruhig. Er bot gar keine Angriffsfläche für so was.«

»Mr Cooper, haben Sie vielen Dank für den Kaffee und Ihre Auskünfte.« Monaghan erhob sich bei diesem Satz und stieß ihren Partner an der Schulter an.

»Ja, wenn ich Ihnen damit helfen konnte. Wissen Sie denn schon, wie es zu dem Unfall kommen konnte?«

»Mit Verlaub«, Samuel Alvarez schmunzelte dabei, »dann würden wir Sie nicht fragen.«

»Haben Sie auch recht. Meine Frage war dumm. Entschuldigen Sie.«

»Dumme Fragen gibt es nicht. Ist schon in Ordnung. Nochmals vielen Dank.« Samuel Alvarez reichte dem Malermeister die Hand. Seinem Büro nach zu urteilen, hatte dieser wahrscheinlich seit Jahren keinen Strich mehr mit einem Malerpinsel gezogen. Seine Partnerin hatte eine Visitenkarte herausgeholt und übergab sie mit der linken Hand, während sie die rechte zur Verabschiedung ausstreckte. »Falls Ihnen noch etwas einfallen sollte, haben sie hier meine direkte Durchwahl. Auf dem Handy können Sie mich jederzeit erreichen.«

»Ja, ist in Ordnung. Werde ich machen.«

Die beiden Cops ließen einen nachdenklichen Mann in seinem Büro zurück.

Kapitel 4

Während Jacqui Monaghan und Samuel Alvarez mit Peter Spades Chef sprachen, wollten David Hodges und Saul Brendup die Ehefrau des ums Leben Gekommenen befragen. Dafür begaben sie sich zu dessen Wohnung. Laut Führerschein, den das Opfer bei sich trug, wohnte Spade in einem Haus in den Aurora Highlands, vielleicht eine Viertelstunde von der Police Station entfernt, wenn sie über die Bucklay Road und den Alameda Parkway fuhren. Die östliche Iowa Avenue lag direkt gegenüber vom Highland Hollow Park.

Die Drei saßen im Wohnzimmer mit Blick auf den Garten, der von einigen kleinen Bäumen und Büschen bewachsen war und ansonsten nur die Sicht auf die Rückseite der Nachbarhäuser aus der Parallelstraße zuließ. Einen Kaffee hatten die beiden Beamten von der hübschen und eleganten Dame Ende Dreißig nicht angeboten bekommen. Sie waren sich nicht sicher, ob sie von dieser Dame, die schon vormittags in ihrer Wohnung mit erhöhten Stöckelabsätzen, im Kostüm und mit knallig rot angemalten Lippen herumlief, einen Kaffee überhaupt erwarten durften.

»Ms Spade«, sagte David Hodges, »Ihr Mann ist vorige Nacht auf beziehungsweise neben einer Autobahn gefunden worden. Wie festgestellt wurde, hatte er zuvor Alkohol zu sich genommen. Deshalb meine Frage: Wissen Sie, warum er gestern getrunken hatte?«

»Warum wollen Sie das wissen? Spielt das eine Rolle?«

»Schließlich ist er ums Leben gekommen. Aber vielleicht wäre es besser, wenn Sie zunächst meine Fragen beantworten könnten, ehe Sie mir Gegenfragen stellen? Hat er vielleicht regelmäßig Alkohol getrunken?«

»Na ja, nicht direkt.« Saul Brendup’s Augen wurden einen Moment lang zu kleinen Seeschlitzen.

»Was heißt das?«

»Nachdem er die Firma aufgeben musste damals, hatte er mit dem Trinken angefangen. Ich konnte ihn nie ganz davon abbringen. Aber in den letzten Jahren hatte sich das gebessert.«

»Er hat regelmäßig und viel getrunken? Wie viel hatte er denn getrunken?«

»Höchstens einmal im Monat kam er betrunken nach Hause. Wenn er trank, dann reichte das oft für die nächsten vier Wochen.«

»Wie verhielt er sich dann, wenn er nach Hause kam?«

»Er war dann aggressiver und gereizter. Unsere beiden Söhne, der Simon ist neun und Lucas dreizehn, hatten auch darunter zu leiden.«

»Was heißt, sie hatten darunter zu leiden?«

»Na ja, wenn er mal frühzeitig so nach Hause kam und sie bekamen etwas davon mit, dann beschimpfte er sie und wollte sie manchmal verprügeln, wegen Nichtigkeiten. Nicht gemachte Hausaufgaben oder so. Dabei kümmerte er sich sonst gar nicht um sie. Das ließ er alles auf meinen Schultern liegen.«

Den Polizisten fiel sofort auf, dass sie noch keine Trauermimik trug, obwohl sie bereits heute früh aus dem Bett geholt und über den Tod informiert worden war.

»Sie sind wohl nicht glücklich darüber, wie sich ihr Mann zu seinen schlechten Zeiten gab?«, fragte Brendup. »Es ist selten, dass eine Ehefrau einen Tag nach dem Tode ihres Mannes schlecht über ihn spricht.«

Sie blickte ihn an, als hätte sie es nie für möglich gehalten, dass ein Mensch überhaupt solch eine Meinung von ihr haben könnte.

»Na hören Sie mal. Sie hatten mich doch nach meinem Mann gefragt. Ich spreche nicht so über meinen Mann. Ich sage Ihnen nur, wie es ist, beziehungsweise war. Er war nicht mehr der Mann, den ich geheiratet hatte.«

»Sie müssen sich nicht unnötig aufregen«, sagte David Hodges und griff damit in seiner ruhigen Art beschwichtigend in den kleinen Disput ein. »Wir können Ihre Verbitterung verstehen.«

Barbara Spade, die glatte lange Haare mit einem geraden Pony auf der Stirn trug, wandte sich wieder ihrem ersten Gesprächspartner zu und entspannte sich etwas.

»Hatten sie finanzielle Probleme in den letzten Jahren?«, fragte David Hodges.

»Nein, die hatten wir nicht. Die Wohnung ist schon seit drei Jahren bezahlt. Glücklicherweise konnten wir sie nach der Aufgabe von Peters Firma halten. Rechtlich hatten wir vorgesorgt, wenn sie verstehen.«

»Ja, das setzt einen erfahrenen Unternehmer voraus.«

»Der war Peter ja auch. Er war ein erfahrener und tüchtiger Geschäftsmann. Erst mit den großen Außenständen vor vierzehn Jahren nahm das Schicksal seinen Lauf.«

»Und Sie hatten die Wohnung und den Wohlstand noch in gewisser Weise halten können?« David Hodges breitete dabei die Arme aus und zeigte damit in die Runde.

»Ja, der Aaron hatte ihn doch damals aufgefangen.«

»Aaron?«

»Aaron Cooper, er war die letzten Jahre Peters Chef.«

»Verstehe. War er auch mehr als ein Chef?«

»Die kannten sich schon als Kollegen. Freundschaft wäre sicherlich zu viel gesagt. Sie waren sich beide nicht unsympathisch. Ich würde Aaron und seine Frau als befreundetes Ehepaar bezeichnen. Gelegentlich haben wir mit unseren Familien gemeinsam etwas unternommen.«

»Ihr Mann hatte also bei Aaron Cooper eine Arbeit bekommen?«

»Ja. Sie wurde auch ganz gut bezahlt. Peter war schließlich erfahren und selbst erfahrener, professioneller Anstreicher. So was lässt sich eine andere Firma gerne etwas kosten. Wir waren zufrieden damit, abgesehen davon, dass es immer etwas mehr sein könnte.«

»Ja, das ist verständlich. Ihr Mann war aber trotzdem nicht zufrieden?«

»Ich nehme an, ihm fehlte die komplette Unabhängigkeit. Trotz der Freiheiten, die er bei Aaron genoss. Ich konnte ihn nie verstehen. Vielleicht ist deshalb mein Mitleid in Verbitterung umgeschlagen. Ich muss Ihnen keine große Trauer vorspielen. Sicher, ich bin auch traurig, aber er hat sich in all den letzten Monaten nicht gut benommen. Da liegt die Verbitterung näher als die Trauer. Tut mir leid, aber ich weiß auch nicht.«

Barbara Spade kaute auf ihrer Unterlippe herum.

»Dann schildern Sie doch mal bitte, wie das gestern war. Wie lief der gestrige Abend ab?«

»Sie meinen bestimmt mit dem Peter, oder? Was ich getan habe, spielt wohl eher keine Rolle?«

»Richtig. Wann kam ihr Mann von der Arbeit?«

»Gar nicht.«

»Gar nicht?«

»Nein. Gestern sollte wohl wieder einer seiner Tage sein. Obwohl es mich schon gewundert hatte, denn eigentlich ist Donnerstag immer sein Tag gewesen und gestern hatten wir erst Montag. Aber lange hab ich darüber auch nicht nachgedacht. An solchen Tagen ging er gleich nach der Arbeit in die Kneipe. Ich hatte Essen vorbereitet. Als er nicht kam, rief ich in der Firma an. Die sagten mir, er wäre schon im Feierabend. Damit wusste ich dann Bescheid.«

»Gegen welche Uhrzeit war das?«

»Das war etwa sieben Uhr. Ich hab dann mit den Jungs alleine gegessen und bin anschließend in die Stadt gefahren, um mich mit Bekannten zu treffen.«

»Gesorgt haben Sie sich da noch nicht, oder?«

»Nein, warum sollte ich?«

»Vielleicht der Kinder wegen?«

»Die kommen auch schon gut alleine klar. Außerdem ging ich davon aus, dass Peter auf dem Heimweg war.«

»Nun gut.«

»Wenn er heute nicht auf Arbeit erschienen wäre«, setzte Barbara Spade nach, »dann wäre es eine Aufmerksamkeit Wert gewesen. Die Arbeit hat er in all den Jahren nicht verpasst. Ich glaube, er war nicht einmal krankgemeldet während der ganzen Zeit.«

»Das ist schon bemerkenswert.«

»Ja, in dieser Hinsicht war Peter ein bemerkenswerter Mann.« Mit einem starren Blick schaute Barbara Spade auf den Ascher, der auf dem Tisch stand. Brendup fragte sich, ob man einen Ascher als Deko in einem Nichtraucherhaushalt benötigte. Denn nach dem für Raucherwohnungen üblichen Gestank roch es in dieser Wohnung nicht. Es wäre ungewöhnlich, den Geruch selbst bei häufigem Lüften aus den Möbeln zu bekommen.

»Eine Frage noch zum Schluss, Ms Spade«, sagte David Hodges. Brendup wollte sie nicht noch mal reizen und hielt lieber seinen Mund. »Halten Sie es für möglich, dass ihr Mann Selbstmord beging und sich auf die Gleise stürzte?«

Als hätte sie zum ersten Mal gesehen, dass Schmetterlinge fliegen können, blickte sie den Captain an.

»Nein, das ist ausgeschlossen. Das glaube ich nicht.«

»Warum nicht?«

»Er hat zwar auf sein Angestelltendasein geschimpft und darüber, dass er mit einer eigenen Firma alles anders und besser machen würde, aber das war doch nur so ein Geschwätz von ihm. In Wirklichkeit wusste er genau, dass es nicht gerade schlecht ist, an jedem Monatsende ein festes Gehalt zu bekommen. Da hätte er nicht von lassen können, glaube ich, das wäre auf jeden Fall kein Grund für Selbstmord gewesen.«

»Nun gut. Wir müssen diese Möglichkeit wenigstens in Betracht ziehen, um sie ausschließen zu können.«

»Ich verstehe.«

»Dann gibt es da noch eine Sache. Trug Ihr Mann eine Waffe?«

»Ich glaub nicht.

---ENDE DER LESEPROBE---