Tod auf dem Reiterhof - Nicole Berwanger - E-Book

Tod auf dem Reiterhof E-Book

Nicole Berwanger

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Beschreibung

Ein saarländischer Reiterhof, umgeben von weiten Wiesen und dichten Wäldern, doch hinter der Idylle lauert eine Bedrohung. Am Neujahrsmorgen wird der Holzbachhof von einem schockierenden Fund erschüttert: In der Sattelkammer liegt eine Leiche – der tragische Höhepunkt einer Geschichte, die Monate zuvor ins Rollen kam. Die Antwort auf das Warum liegt in der Vergangenheit. Drei Monate zuvor scheint das Leben auf dem Reiterhof noch friedlich zu sein – bis sich schleichend Risse in der Fassade zeigen. Alte Wunden brechen auf, unausgesprochene Konflikte kochen hoch, und hinter vertrauten Gesichtern lauern düstere Geheimnisse. Die Geschichte entfaltet sich in einem packenden Rückblick, der die letzten Monate auf dem Hof enthüllt – und Schritt für Schritt offenbart, wie es zur Katastrophe in der Sattelkammer kommen konnte. Ein fesselnder Kriminalroman, der die Leser in das Leben auf einem Reiterhof eintauchen lässt – voller Emotionen, Spannungen und dunkler Wahrheiten.

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Seitenzahl: 250

Veröffentlichungsjahr: 2025

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“Die Zügel in der Hand, das Herz im Wind”

Impressum:

Texte: © 2025 Copyright by Nicole Berwanger

Umschlag:© 2025 Copyright by Nicole Berwanger

Verantwortlich für den Inhalt:

Nicole Berwanger

Im Hof 7

6625 Nohfelden

[email protected]

Covergestaltung:

Nicole Berwanger

mit Unterstützung einer KI-Bildgenerierungssoftware.

Buchsatz: Nicole Berwanger

Druck:epubli – ein Service der Neopubli GmbH, Berlin

Nicole Berwanger

Tod

auf dem

Reiterhof

Kriminalroman

Liebe Leserinnen und Leser,

beim Schreiben dieses Buches war es mir wichtig, die Welt des Reiterhofs so authentisch wie möglich darzustellen. Dabei sind einige Begriffe aus der Pferde- und Reiterwelt eingeflossen, die vielleicht nicht jedem sofort vertraut sind.

Damit Sie dennoch jederzeit verstehen, wovon die Rede ist, finden Sie am Ende des Buches ein kleines Glossar. Dort habe ich die wichtigsten Begriffe alphabetisch geordnet und kurz erklärt. Ob es um die Ausstattung eines Pferdes, die Arbeit auf dem Hof oder besondere Fachausdrücke geht – hier können Sie nachschlagen, was Ihnen unbekannt vorkommt.

Ich hoffe, das Glossar macht Ihnen die Geschichte noch zugänglicher und vielleicht sogar ein Stück interessanter. Und wer weiß – vielleicht lernen Sie dabei sogar ein bisschen mehr über die faszinierende Welt der Pferde!

Viel Freude beim LesenIhre Nicole Berwanger

Prolog

Der erste Tag des neuen Jahres brachte eine seltsame Stille mit sich. Marie öffnete die Haustür, und eine beißende Kälte traf auf ihr Gesicht. Sie zog ihre Wollmütze mit beiden Händen über die Ohren und stopfte ihre langen braunen Haare darunter. Mit einem Seufzer schloss sie die Tür hinter sich und trat auf die Treppenstufen hinaus. Ein dumpfer Schmerz pochte an ihren Schläfen. Zu viel Alkohol auf der Silvesterparty, ärgerte sie sich. Das rächte sich heute Morgen bitter. Der Tag war längst angebrochen und ein nagendes Gefühl der Unruhe ergriff Marie, als sie auf die Uhr blickte. Sie war spät dran.

Warum habe ich gestern Abend großzügig angeboten, den Stalldienst heute Morgen zu übernehmen? Was für eine dumme Idee!

Die Pflichten des Hoflebens riefen nach ihr, gleichzeitig sehnte sie sich nach ihrem Bett und danach, ihren Rausch auszuschlafen. Ihr Blick schweifte über den Hof. Der Holzbachhof, eingebettet in die malerische saarländische Landschaft, war Maries Erbe und Verpflichtung zugleich. Vor einem Jahr hätte sie über die Vorstellung gelacht, im Stallmist zu stehen und einen Reiterhof zu leiten. Damals war sie Chefin einer Werbeagentur, mit hohen Schuhen und perfektem Make-up – eine andere Welt. Jetzt, Mitte dreißig und geschieden, war das hier ihre Realität: Gummistiefel, schmutzige Hände und ein Hof, der mehr von ihr forderte, als sie je gedacht hätte. An manchen Tagen fühlte sie sich, als hätte sie die Kontrolle über ihr Leben verloren – an anderen, als hätte sie sie endlich zurückgewonnen.

Die Kälte kroch unbarmherzig durch ihre Kleidung. Jeder Atemzug hinterließ einen Hauch von Nebel in der eisigen Morgenluft, während sie frierend über den Hof lief. Marie schaute zur Sattelkammer hinüber. Die Pforte stand offen – ungewöhnlich.

Der Wind schlug die hölzerne Tür hin und her. Dabei ertönte ein Geräusch das klang, als würden rostige Scharniere sich widerwillig bewegen. Ein geisterhaftes Ächzen begleitete jede Schwingung der Tür. Es schien, als würde das Geräusch die Stille des Morgens durchdringen, wie eine schaurige Melodie, die man aus Gruselfilmen kannte. Marie atmete tief durch und verspürte ein nervöses Kribbeln im Bauch. Während sie auf die Sattelkammer zuging, grübelte sie.

War heute Morgen schon jemand zum Reiten auf dem Hof gewesen? Vielleicht hat diese Person vergessen, die Tür wieder zu schließen? Aber wer kommt am Neujahrsmorgen schon so früh zum Reiten?Jedenfalls niemand, der gestern so ausgiebig Silvester gefeiert hat wie ich.

Marie entwich ein Stöhnen. Mit energischen Schritten ging sie auf die Sattelkammer zu. Sie wollte die Tür schließen, bevor es wieder anfing zu regnen. Sie strich sich mit den Fingerspitzen über die Stirn. Erinnerungen an die Silvesterfeier schlichen sich in ihre Gedanken. Die ausgelassenen Momente des Lachens, Tanzens und Trinkens verwandelten sich in einen unangenehmen Film des Kontrollverlusts. Ein Bild tauchte auf – sie trank mehr Alkohol, als ihr gutgetan hatte. Alles nur, weil sie ihren Ärger herunterschlucken wollte – im wahrsten Sinne des Wortes. „Verdammter Alkohol“, fluchte sie. Ihr Plan sich früh von der Silvesterparty zu verabschieden, war nicht aufgegangen. Sie erinnerte sich vage, dass sie etwa gegen vier Uhr betrunken ins Bett gefallen war.

Marie stand vor der Sattelkammer. Sie warf einen kurzen Blick ins Innere. Der Raum lag im Halbdunkeln. Etwas stimmte nicht. Ein unangenehmer Schauer lief ihr über den Rücken, als sie auf dem Boden etwas Unbekanntes entdeckte. In der Ecke lag jemand unter einer Pferdedecke. Lediglich die Konturen von Schuhen, Armen, Händen und Kopf waren in der Dunkelheit zu erkennen.

„Hallo“, rief sie mit zittriger Stimme in die Sattelkammer, erhielt aber keine Antwort.

Marie drückte auf den Lichtschalter und ein kaltes Neonlicht durchflutete den Raum. Sie näherte sich der regungslosen Gestalt. Marie erstarrte, und ihr Herzschlag beschleunigte sich. Die Zeit schien für einen Moment stillzustehen. Ein Hauch von Panik mischte sich in ihre Starre, während sie an die regungslose Person herantrat. Mit einem Ruck zog Marie die Decke zurück. Der Anblick traf sie wie ein Schlag ins Gesicht. Ein Schrei drang aus ihrer Kehle. Maries Herz klopfte wild und der Raum schien sich zu verengen. Sie atmete flach. Ihre Beine gaben nach und sie fiel schwer auf die Knie. Zitternd streckte sie die Hand aus, ihre Finger suchten fieberhaft nach dem Puls. Nichts. „Nein, das darf nicht wahr sein!“, flüsterte sie. Ihre Hände fuhren unsicher über die Brust des leblosen Körpers. Ihre Gedanken rasten, ungläubig, verzweifelt. „Atme“, rief sie panisch. „Bitte ... sag etwas!“ Ihre Stimme brach, als Tränen unkontrolliert über ihre Wangen liefen. Ihre Finger gruben sich in die Kleidung, als wollte sie die Person zurück ins Leben zwingen. Der Boden unter ihr schien sich zu drehen, alles schien so unwirklich, doch der stumme Körper vor ihr ließ keine Zweifel.

Ein Schluchzen brach aus ihr hervor. Tränen liefen unkontrolliert über ihr Gesicht, während ihre Finger weiterhin fahrig nach einem Zeichen von Leben suchten. „Bitte ... wach auf, bitte!“ Ihre Stimme war heiser, fast ein Flüstern. Sie schüttelte den leblosen Körper leicht, als könnte sie so das Unmögliche rückgängig machen.

Die Sattelkammer war von einer unheimlichen Stille erfüllt. Lediglich das leise Summen der Neonröhren war zu hören.

Marie taumelte rückwärts und klammerte sich verzweifelt an einen Sattelhalter. „Hilfe! Hilfe!“ schrie sie. Dann rannte sie panisch aus der Sattelkammer nach Draußen.

Drei Monate vorher – Hofalltag

An diesem warmen Oktobervormittag flutete goldenes Licht den Holzbachhof, während Marie mit der Hofarbeit beschäftigt war. Sie fegte Stroh und Dreck zu einem ordentlichen Haufen vor dem Stalltrakt zusammen. Nach einem tiefen Seufzer der Erleichterung stellte sie den Besen zur Seite und gönnte sich eine Pause. Sie genoss einen kurzen Moment der Ruhe. Ihre Gedanken schweiften ab, und sie überlegte, wie sehr sie diesen Ort liebte, aber gleichzeitig spürte sie, wie die Verantwortung schwer auf ihren Schultern lastete. Ihr innerer Konflikt zwischen der Liebe zum Holzbachhof und dem Wunsch nach mehr Freizeit flackerte kurz auf. Ich muss noch jemanden für die Stallarbeit einstellen, so geht das nicht weiter, ging es ihr durch den Kopf. Sie wischte den Schweiß von der Stirn. „Puh, ist das wieder warm geworden“, stöhnte sie. Die dunkelgrüne Stalljacke musste weichen. Marie zog sie langsam aus und legte sie auf das kniehohe Steinmäuerchen, das den Misthaufen teilweise umrandete.

Sie hielt kurz inne und lauschte dem rhythmischen Hufgeklapper, das sich langsam näherte. Ihr Blick wanderte zum Hofeingang, wo sie Silvana, Alexandra und Ariana zusammen mit einem großen Rappen erspähte. Das Klappern der Hufe auf dem festen Boden vermischte sich mit dem angeregten Geplapper der drei Frauen.

Silvana führte Goliath, ihren majestätischen Rappen am Strick und mit jedem Schritt schien das Pferd die königliche Ausstrahlung seiner Reiterin zu spiegeln. Marie beobachtete die Szenerie, während das Klappern der Hufe näherkam. Silvana marschierte mit selbstsicheren Schritten auf Marie zu. Eine Aura der Überlegenheit begleitete sie. Ihre dunklen Augen strahlten nicht nur Ehrgeiz, sondern auch eine gewisse Überheblichkeit aus. Das schwarze lockige Haar, perfekt zu einem straffen Knoten gebunden, ihr Lippenstift im gleichen Farbton wie die künstlichen Fingernägel, das war Silvanas Style. Ihr makelloser schicker neuer Reitdress – weiße Hose mit blauem Gürtel, weiße Bluse und blaue hochgeschnürte Lederstiefel spiegelten ihren hohen Anspruch an Perfektion. Marie entdeckte die gelbe Turnierschleife in Alexandras Hand, nickte respektvoll und rief: „Herzlichen Glückwunsch zum ersten Platz.“

Silvana trat einen Schritt vor und richtete ihren Blick auf Marie. „Danke“, sagte sie kurz angebunden.

Alexandra wandte sich an Silvana und erklärte: „Silvana, von nichts kommt nichts! Unser hartes Training hat sich gelohnt.“

Währenddessen hielt Ariana den Sattel mit der weißen Turnierdecke und die Trense in der Hand. Erschöpft, aber mit einem stolzen Lächeln auf den Lippen, zeugte ihr Blick von der Anstrengung des morgendlichen Wettkampfs. Obwohl sie nicht diejenige war, die die Dressurprüfung geritten hatte, spielte sie einen entscheidenden Part. Ariana war Silvanas Mädchen für alles. Als Silvanas „Turniertrottel“ betitelt, trug sie diese Bezeichnung nicht als Schande, sondern als Ehrentitel. Sie war diejenige, die sich um den reibungslosen Ablauf auf dem Turnier kümmerte – das Striegeln und Satteln des Pferdes, das Trockenführen, das Bereitstellen von Wasser und Heu und schließlich das Verladen des Pferdes in den Anhänger nach der Dressurprüfung. Es war ihre leidenschaftliche Hingabe, mit der sie beinahe jedes Wochenende dazu beitrug, dass Silvana und ihr Pferd auf dem Turnierplatz glänzen konnten. Ariana vergötterte Silvana, das war nicht zu übersehen. Ihre roten Haare umrahmten ein Gesicht mit sommersprossenbesprenkelter blasser Haut. Die zahlreichen Sommersprossen zeigten sich nicht nur auf ihrem Gesicht, sondern auch auf ihren Armen. Ihr Haar, dünn und fein, umschmeichelte ihr Gesicht. Ihre leicht pummelige Figur betonte ihr breites Becken. In ihrem Beruf, der weit entfernt von der glänzenden Turnierwelt war, fand Ariana ihre Erfüllung. Sie arbeitete mit Hingabe als Mitarbeiterin im örtlichen Tierheim, wo sie sich um die Anmeldung und Betreuung der Tiere kümmerte.

„Ich bringe flott den Sattel weg“, rief sie, drehte sich um und ging in Richtung Sattelkammer.

Silvana, die Goliath über die Mähne strich, wandte sich an Marie: „Lass Goliath bitte für eine Stunde in seiner Box ausruhen. Und achte darauf, dass er nachher eine Extraportion Kraftfutter bekommt. Ich bringe ihn jetzt in den Stall.“

Marie nickte zustimmend: „Selbstverständlich, Silvana. Eine Stunde Boxenruhe und das Extra-Kraftfutter. Soll ich ihn dann auch noch auf die Koppel lassen?“

Silvana lächelte: „Ja, genau Marie. Eine Stunde an der frischen Luft wird ihm guttun, aber bitte halte die anderen Pferde fern. Goliath soll seine Ruhe haben. Ich möchte, dass er auf eine separate Koppel kommt.“

Marie verfolgte mit einem leichten Seufzen, wie Silvana mit dem Pferd und ihrer Trainerin in der Stallgasse verschwand. Ihr Blick haftete einen Moment lang auf der sich entfernenden Gruppe und in ihrem Inneren formten sich Gedanken, die zwischen beruflicher Verpflichtung und persönlichem Unbehagen schwankten. Die Aura von Silvanas Überlegenheit schien den ganzen Hof zu dominieren und Marie spürte den Druck, professionell damit umzugehen.

Ein leises Stöhnen entwich ihren Lippen, als sie sich selbst daran erinnerte: „Silvana Herzog ist eine Kundin, ich muss freundlich sein. Schließlich verdiene ich auch mit ihr mein Geld.“

Marie bemühte sich stets um Professionalität und Kundenorientierung. Das hatte sie sich bereits in ihrem früheren Leben als Inhaberin einer Werbeagentur angeeignet. Aber Silvana stellte eine spezielle Herausforderung dar.

Es missfiel Marie vor allem, dass Silvana ihre eigene Reitlehrerin mit auf die Anlage brachte. Auf dem Holzbachhof war im Grunde nur Juna die Reitlehrerin – eine erfahrene Pferdewirtin, die schon vor Maries Hofübernahme hier gearbeitet hatte. Juna, die mit Herzblut Reitstunden erteilte und das Hofleben prägte.

Marie schüttelte den Kopf, um ihre Gedanken zu vertreiben. In der Welt des Reitsports und der Kundenzufriedenheit war es nicht immer einfach, persönliche Empfindungen hinten anzustellen. Es dauerte nur eine kurze Weile, da kam die Dritte der Riege, Ariana aus der Sattelkammer zurück. „Sind die andern noch im Stall?“ fragte sie und Marie antwortete ihr mit einem Kopfnicken.

„Okay, ich dachte, sie wären vielleicht schon im Reiterstübchen. Wir wollten den Sieg mit einem Crémant begießen. Kommst du nachher dazu?“

„Nein, ich denke nicht. Ich habe noch Stallarbeit zu erledigen, sonst werde ich nicht rechtzeitig fertig. Ich muss später noch ein paar Pferde auf die große Koppel am Waldrand bringen.“

Am liebsten hätte sie ergänzt: „Außerdem habe ich keine Lust, mit euch Dreien im Reiterstübchen zu hocken und am helllichten Tag Crémant zu schlürfen.“ Das verkniff sie sich. Genauso wie sie sich verkniff Silvana als „Die Herzogin“ zu betiteln, so wie es fast alle anderen Einsteller auf dem Hof, hinter Silvanas Rücken taten. Silvanas Nachname war Programm.

„Ja, verstehe“, entgegnete ihr Ariana und setzte eine mitleidige Miene auf. „Ich werde schon mal ins Reiterstübchen gehen und alles für Silvanas Siegesfeier vorrichten. Gläser bereitstellen und so …“

Marie blickte zum alten Bauernhaus hinüber, wo Konny gerade vor die Tür trat.

„Marie, hast du mal ein paar Minuten?“, rief er quer über den Hof. „Ich habe noch Fragen zur Futterbestellung und Lydia hat gerade einen leckeren Apfelkuchen aus dem Backofen geholt. Sie fragt, wann sie uns den Kaffee kochen soll.“

„Gib mir noch 30 Minuten, Papa. Ich mach das hier noch rasch fertig, dann komme ich zu euch.“

Ihr Vater schien mit der Antwort zufrieden und verschwand augenblicklich wieder im Haus. Marie schmunzelte. Ihr Vater hatte noch vor einem halben Jahr betont, dass er sich nie vorstellen könne, aus Obersdorf wegzuziehen. Ganz und gar nicht auf einen Reiterhof im Saarland. Doch durch Maries und Lydias Überzeugungskraft willigte er schließlich doch ein. Seitdem war der idyllische Holzbachhof das neue Zuhause von Konny und Lydia. Der saarländische Hof im Landkreis St. Wendel, nahe der Ferienregion Bostalsee, umringt von sattgrünen Wäldern, hatte Lydia sofort in ihren Bann gezogen.

Konny kümmerte sich um die finanziellen Angelegenheiten des Reiterhofes, während Lydia den Haushalt führte. Marie empfand tiefe Dankbarkeit für diese Unterstützung. Der Neuaufbau des Holzbachhofes, dem Erbe ihres Onkels, wäre ohne die Unterstützung der beiden, für Marie schwierig gewesen.

Sie war im Begriff, zum Wohnhaus hinüberzugehen, da kam Juna auf sie zu gerannt, keuchend. Die junge Reitlehrerin wohnte ebenfalls auf dem Hof. Nicht im Wohnhaus, sondern im dazugehörigen Blockhaus am Rande des Reiterhofes.

„Gut, dass du da bist, Marie. Du musst sofort mitkommen. Es ist etwas passiert“, sagte sie. Ihr Tonfall ließ Marie aufhorchen.

Die Ausreißer

Kurze Zeit darauf rannte Marie, beladen mit Halftern und Stricken, hinter Juna her.

„Welche Pferde sind abgehauen?“, rief Marie japsend, die kaum mit Junas eiligem Tempo mithalten konnte.

„Ich habe vier unserer Zuchtstuten außerhalb der Koppel am Waldrand entdeckt, aber auf dieser Koppel stehen normalerweise sechs Pferde. Wo die restlichen zwei sind, weiß ich nicht. Komm, wir müssen uns beeilen.“

Sie rannten weiter. Juna hatte Futtereimer mit Hafer und Möhren dabei, um die Pferde anzulocken. Sie näherten sich dem Waldrand. Und da standen sie – die Ausreißer, friedlich und grasend. Als die Pferde die beiden Frauen erblickten hoben sie die Köpfe. Juna begann sofort mit den Futtereimern zu klappern.

„Kommt alle her meine Süßen, kommt“, rief sie und Marie wiederholte das Rufen wie ein Mantra. Und tatsächlich. Es funktionierte. Die Pferde liefen nicht weg, kamen zögerlichen Schrittes auf die beiden Frauen zu.

„Marie, schütte das Futter aus und verteile es am Boden. Wenn die Pferde anfangen zu fressen, legen wir ihnen erstmal die Stricke um den Hals und dann ziehen wir ihnen die Halfter über.“

Der Plan funktionierte und wenig später konnten sie die ersten vier Pferde problemlos aufhalftern. „Gute Taktik, Juna“, lobte Marie, während sie mit den Pferden in Richtung Stall gingen.

„Ja, in der Tat, das hat super geklappt. Aber wir sollten gleich nochmal los und die anderen beiden suchen. Hoffentlich sind sie noch nicht zu weit in den Wald gelaufen. Hast du übrigens gesehen, dass der obere Bereich der Koppel anscheinend mutwillig zerstört wurde? Die Pferde könnten das unmöglich verursacht haben. Es sieht so aus, als wäre jemand mit einem Frontlader oder Bagger dagegen gefahren. Ich meine, das sind dicke Holzpfosten, die drückt doch kein Pferd so einfach um.“

Marie spürte eine leichte Anspannung, als Juna auf die mutwillige Zerstörung der Koppel hinwies. Sie stimmte Juna zu und fragte sich, was dahinterstecken sollte? Warum sollte jemand unsere Koppeln zerstören und vor allem wer?

Viel Zeit zum Grübeln blieb nicht, als sie den Stall erreicht hatten verteilten sie die eingefangenen Tiere in Boxen und überprüften, ob sich die Pferde verletzt hatten. Bis auf eine eher kleine Wunde an dem Fesselgelenk einer Fuchsstute, schienen die Pferde alle unversehrt zu sein.

„Glück gehabt“, murmelte Marie, während sie die Boxentür zuschob. Darum kümmere ich mich später. Das wasche ich aus und mache ein Spray zur Desinfektion drauf.

Erneut schnappten sie sich Halfter und Strick und verließen mit eiligen Schritten das Hofgelände Richtung Wald. Auf halbem Weg dahin, sahen sie jemanden aus der Ferne auf sie zukommen, rechts und links ein Pferd am Strick führend.

„Hey, das sind unsere“, rief Juna und blieb stehen.

„Ja stimmt, das müssen Rosi und Ronja sein. Jemand hat sie eingefangen“, antwortete Marie mit Erleichterung in der Stimme.

Ein Mann näherte sich mit den beiden pechschwarzen Pferden. Marie beobachtete das Trio aufmerksam. Die Pferde machten einen ruhigen Eindruck. Sie trotteten im gleichmäßigen Takt und leicht gesenkten Köpfen entspannt neben dem großen schlanken Mann her.

Juna flüsterte Marie leise zu: „Das ist unser Nachbar Max von Hohenstein.“

Der Mann stoppte die Pferde vor ihnen. Seine blauen Augen und seine markante Gesichtsstruktur fielen Marie sofort auf. Sein Lächeln verlieh seinem Ausdruck eine charmante Note. Die Pferde, an den Stricken gehalten, standen ruhig neben ihm, während er mit freundlicher Stimme grüßte.

„Hallo Juna“, und zu Marie gewandt: „Hallo, ich bin Max. Und Sie sind bestimmt die neue Besitzerin vom Holzbachhof. Ich freue mich Sie endlich einmal persönlich kennenzulernen.“

„Hallo Max, ich bin Marie. Vielen Dank, dass Sie unsere Ausreißer eingefangen haben.“

Mit einem weiteren charmanten Lächeln übergab er jeweils ein Pferd an Marie und eines an Juna. „Gern geschehen, ich habe die Pferdchen neben einer unserer Koppeln entdeckt und mir gleich gedacht, dass sie zum Holzbachhof gehören. Ich hoffe, es ist in Ordnung, dass ich sie einfach eingefangen habe. Ich wollte sie gerade zu Ihrem Hof bringen.“

Marie merkte, wie der Mann sie in seinen Bann zog. Seine Ausstrahlung, diese selbstbewusste Gelassenheit seine tiefe beruhigende Stimme. Sie spürte seinen intensiven Blick auf sich ruhen und für einen Moment schossen ihr Gedankenblitze durch den Kopf. Ein richtiger Charmeur, dieser Max. Er tritt auf mit der selbstbewussten Eleganz eines Gentlemans – eine Mischung aus dem raffinierten Stil à la George Clooney und der charismatischen Ausstrahlung eines Richard Gere. Sein Blick erinnert mich irgendwie an Leonardo DiCaprio.

Ein verlegenes Schweigen legte sich über die Runde bis Juna die Stille durchbrach und sich direkt an Max wandte.

„Gab es Schwierigkeiten beim Einfangen? Die jungen Stuten sind noch recht scheu“, erklärte sie ihm. „Ich kann mir vorstellen, dass es nicht gerade einfach war, die beiden alleine einzufangen.“

„Das war keine große Sache“, gab er zurück und lächelte die beiden Frauen an. „Mann“, er machte zwei Gänsefüßchen in die Luft, „ist vom Fach.“

Sein breites Grinsen zeigte seine strahlenden weißen Zähne.

„Darf ich Sie zum Dank auf eine Tasse Kaffee und ein Stück frischen Apfelkuchen einladen, Max? Zufällig gibt’s den gleich bei uns auf dem Hof.“

Marie zwinkerte ihm zu.

„Klingt verlockend. Apfelkuchen kann ich mir nicht entgehen lassen.“

„Perfekt! Dann können Sie gleich meinen Vater und seine Lebensgefährtin Lydia kennenlernen. Die beiden wohnen mit mir auf dem Holzbachhof.“

Marie zog ihr Handy aus der Tasche und kündigte Lydia den Besuch an. „Wir sind gleich zurück auf dem Hof. Decke schon mal den Tisch, wir freuen uns alle auf deinen Apfelkuchen. Bis gleich!“

„Na dann, nichts wie los!“, begann Juna und zog die kleine Rappstute hinter sich her.

Als Marie später mit Max das Haus betrat, bemerkte sie sofort Lydias gute Laune. Marie betrachtete sie. Mit ihrer modernen Kurzhaarfrisur sah man ihr die 67 Jahre nicht an. Ihre Stiefmutter war freundlich und klug, empfing jeden Neuen auf dem Hof mit einer natürlichen Gastfreundschaft. In Jeans und modernem Pullover strahlte sie zeitlose Eleganz aus. Lydia liebte es, eine gute Gastgeberin zu sein, und Herr von Hohenstein, wie sie ihn ansprach, schien dies zu schätzen.

Am Holztisch in Lydias gemütlicher Küche entstand eine angeregte Unterhaltung, worüber Marie sich sehr freute. Max lobte Lydias selbstgebackenen Apfelkuchen und nahm noch ein zweites Stück.

„Das Rezept ist übrigens aus einem saarländischen Kochbuch. Ich versuche mich gerade an vielen saarländischen Gerichten“, erklärte Lydia.

Marie sah ihr an, dass sie sich sehr über das Lob von Max freute. Auch Konny schien Gefallen an dem unerwarteten Besucher zu finden, hatte er doch endlich einmal wieder einen Mann am Tisch, mit dem er sich angeregt über Themen seiner Wahl unterhalten konnte. Politik, Finanzen, Fußball und die Nachrichten der Tagesthemen um 20.00 Uhr.

„Wirklich erfrischend, jemanden im Haus zu haben, der sich für mehr interessiert als die neuesten Reparaturen im Stall“, scherzte Konny mit einem schiefen Grinsen.

Marie schmunzelte. Dass ihr Vater das tatsächlich so meinte, wussten alle am Tisch, außer Max von Hohenstein. Sie freute sich für ihren Vater, der normalerweise bei jedem Essen mit Lydia, Marie und Juna und typisch weiblichen Gesprächsthemen vorliebnehmen musste. Männlicher Besuch war etwas eher Seltenes.

Max von Hohenstein war nicht nur ein angenehmer Gast, sondern auch ein Meister der Gesprächsführung. Geschickt bot er allen das Du an, als wäre er bereits Teil der Familie.

„Ihr könnt mich gerne Max nennen. Wir sind schließlich Nachbarn“, schlug er vor.

„Eine ausgezeichnete Idee, Max. Auf dem Holzbachhof sind wir alle per Du“, antwortete Konny, während die anderen am Tisch zustimmend nickten.

Egal, ob Max von politischen Entwicklungen sprach, die Zuhörer mit sportlichen Anekdoten unterhielt oder lebhaft über aktuelle Nachrichten im Fernsehen diskutierte, er hatte die Gabe, mit seinen Worten alle in seinen Bann zu ziehen. Juna stand auf.

„Ich möchte kurz nach den Pferden schauen“, entschuldigte sie sich, nachdem sie ein Stück Kuchen gegessen hatte. Dann verließ sie eilig die Küche.

Max übernahm das Gespräch, als die Diskussion auf die politische Entwicklung im Ukraine-Krieg kam, und Konny lauschte gebannt. Max präsentierte nicht nur tiefes Wissen, sondern auch klare Meinungen. Konny hörte ihm fasziniert zu. Die beiden vertieften sich in die Debatte, während die anderen am Tisch aufmerksam folgten. Max zeigte, dass er nicht nur im Reitsport, sondern auch in politischen Angelegenheiten zu Hause war.

Währenddessen kehrte Juna nach einem kurzen Abstecher in die Küche zurück, ihre Miene jedoch unverändert distanziert. Marie konnte nicht umhin, sich darüber Gedanken zu machen.

Warum wirkt Juna so abweisend? Das hat mit Max zu tun. Marie beschloss, das Thema bei Juna behutsam anzusprechen, sobald sich eine passende Gelegenheit bot.

Max saß neben Marie am Tisch und strahlte vor Begeisterung, als er von seinem Reiterhof erzählte. „Wisst ihr, auf meinem Hof dreht sich alles um das Springreiten. Das ist meine Leidenschaft, meine Berufung.“ Er lächelte. „Oft fahre ich schon siegessicher zu den Reitturnieren. Für mich hat das Springreiten etwas Magisches. Und selbstverständlich bin ich weit über die saarländischen Grenzen hinaus auf größeren Turnieren unterwegs.“

Max erklärte, dass er die Möglichkeit hatte, Spitzenpferde von wohlhabenden Besitzern zu reiten, die seine Dienste gut bezahlten. In seinen Augen spiegelte sich der Stolz über seine Erfolge und die tiefe Verbindung zum Springsport wider.

Lydia schenkte Max aufmerksam Kaffee nach. „Das klingt aufregend! Erzähl uns mehr, Max.“

Max nahm einen Schluck und fuhr fort: „Mein Hof ist spezialisiert auf das Springreiten. Ich habe mir einen guten Namen als Ausbilder gemacht.“

Konny, der neugierig geworden war, fragte: „Hast du viele erfolgreiche Pferde ausgebildet?“

Max nickte stolz. „Oh ja, einige meiner Pferde sind zu echten Champions geworden.“

Marie, die normalerweise wenig für den Springsport übrig hatte, fand sich unerwartet von Max' Worten gefesselt. „Klingt nach einer beeindruckenden Karriere, Max. Wie schaffst du das alles?“

„Es gibt so viele Anfragen, dass ich manchmal nicht alle Berittpferde annehmen kann. Ich überlege sogar, den Hof zu vergrößern. Mehr Platz bedeutet mehr Möglichkeiten, weitere Pferde anzunehmen, auszubilden oder zu verkaufen.“

Konny, der ehemalige Finanzexperte, blickte besonders aufmerksam. „Max, das klingt nicht nur nach einer Leidenschaft, sondern auch nach einem erfolgreichen Unternehmen.“

„Finanziell läuft es gut, Konny. Die Nachfrage steigt und ich überlege wirklich, einen weiteren Stall zu bauen.“

Juna stand auf und sagte: „Ich muss dann mal. Ich habe noch Arbeit. Ich verabschiede mich schon mal, Max.“ Ihr Lächeln wirkte gezwungen und die Hektik war ihr anzumerken.

„Brauchst du Hilfe bei den Pferden?“, wollte Marie wissen.

Juna winkte ab. „Nein, nein, ich schaffe das alleine. Ich habe noch einiges zu erledigen.“

Mit diesen Worten verließ sie die Küche und die Tür fiel leise ins Schloss.

Marie konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Juna gegangen war, um nicht länger an der Gesprächsrunde teilnehmen zu müssen. Ein Hauch von Unausgesprochenem blieb zurück.

„Mein Gott, ich habe mich total verquatscht. Ich muss auch los.“ Max stand auf und reichte Marie, Konny und Lydia die Hand. „Hat mich echt gefreut, euch kennenzulernen.“

„Du musst uns demnächst unbedingt wieder besuchen“, forderte Konny ihn auf. „Und bring etwas Zeit mit. Vielleicht für einen guten Rotwein am Abend?“

„Sehr gerne. Ich melde mich!“ antwortete Max mit begeisterter Stimme. Dann wandte er sich an Marie. „Kann ich deine Handynummer haben? Dann können wir über WhatsApp einen Termin abstimmen.“

Nachdem sie die Nummern ausgetauscht hatten, begleitete Marie Max nach draußen auf den Hof. Da Max zu Fuß gekommen war, bot sie ihm an, ihn mit dem Auto nach Hause zu fahren.

„Danke, aber mach dir keine Umstände“, erwiderte Max.

„Doch, ich bestehe darauf“, sagte Marie entschlossen. „Ich gehe schnell rein und hole den Autoschlüssel. Bin gleich wieder zurück.“

Mit einem abrupten Schwung drehte sie sich um und ließ Max auf dem Hof stehen.

Als sie wenig später mit dem Schlüsselbund zurückkam, sah sie, dass Silvana und ihr Gefolge sich um Max versammelt hatten. Die Damen schienen sich angeregt mit ihm zu unterhalten und Max stand im Mittelpunkt des Geschehens.

Marie beobachtete die Szene aus der Ferne. Eine leichte Eifersucht keimte in ihr auf, als sie sah, wie viel Aufmerksamkeit Max Silvana schenkte. Sie näherte sich der Gruppe und lauschte Silvanas kokettem Kichern, das eher an das, einer Teenagerin erinnerte.

„Ach, ihr kennt euch?“, fragte Marie in die Runde.

„Wer kennt denn Max nicht?“, entgegnete Silvana mit einem spitzbübischen Lächeln.

„Er hat uns gerade erzählt, dass er eure Pferde eingefangen hat. Nicht gerade ideal, Marie, wenn eure Zäune nicht in Ordnung sind.“ Sie hob eine Augenbraue. „Ich hoffe nur, dass meine Pferde nicht wegen defekter Zäune ausbrechen.“

„Und wenn doch, Silvana“, flachste Max selbstbewusst, „ich fange sie dir gerne wieder ein und bringe sie zurück.“

Silvana strahlte ihn an.

Marie beobachtete Silvana und Max. Dabei fühlte sie eine unangenehme Rivalität in sich aufkeimen und ärgerte sich über sich selbst. Ein innerer Dialog begann. Bist du verrückt, Marie? Du hast diesen Typen gerade erst vor zwei Stunden kennengelernt. Was ist los mit dir?

„Silvana hat angeboten, mich mitzunehmen, dann brauchst du nicht extra zu fahren“, riss Max Marie aus ihren Gedanken.

„Ach so, kannst du denn noch Auto fahren, Silvana?“ fragte Marie etwas spitzer, als sie es wollte. Als sie es bemerkte, war es schon zu spät.

„Warum fragst du, Marie?“

„Ich dachte, ihr habt euren Turniersieg gebührend gefeiert. Und du weißt, mit Alkohol im Blut zu fahren, ist keine gute Idee, besonders wenn man in eine Polizeikontrolle kommt.“

„Danke, dass du so mitdenkst, Marie. Aber Ariana wird mein Auto fahren. Sie hat nur ein Schlückchen getrunken. Stimmt's, Ariana?“

Ariana nickte heftig.

Marie spürte Silvanas Blick, ihre Augen leicht zusammengekniffen.

Schließlich bemerkte Silvana: „Sei doch froh, Marie, dass du Max nicht heimfahren musst. In der Zeit kannst du dich um den Zaun kümmern. Der muss sicherlich repariert werden.“ Dann blickte sie herablassend auf Marie.

Ein leiser Groll hegte sich in Marie. Zum zweiten Mal an diesem Tag ermahnte Marie sich, gegenüber Silvana freundlich zu bleiben. Silvana hatte nicht nur ein Pferd auf dem Holzbachhof untergebracht, es waren gleich vier.

„Ja das stimmt. Am besten werde ich gleich damit beginnen. Max, vielen Dank nochmal fürs Einfangen“.

Sie reichte ihm die Hand und wandte sich zum Gehen.

Nichts wie weg, ich habe heute keinen Bock mehr auf Silvana.

Frühstücksbesprechung

Maries tägliche Routine begann mit einer großen Tasse, starkem Kaffee. Konny und Lydia schliefen noch. Jetzt ging es für Marie zuerst in den Stall. Später wollte sie sich mit Juna, ihrem Vater und Lydia zu einem gemeinsamen Frühstück zusammensetzen. Marie schloss die Haustür hinter sich. Der Oktobermorgen präsentierte sich in einer klaren Kühle und einem sanften Herbstwind.

Sie entdeckte Juna, die mit einer Schubkarre auf den Misthaufen zusteuerte. Zwei lebhafte Hühner flitzten über den Hof, vom Quietschen des Schubkarrens vertrieben. Die übrigen Hühner versammelten sich gesellig um den Misthaufen.

„Hey, Juna.“

„Moin, Marie.“

Ihre Begrüßung war kurz, aber zwischen ihnen war es morgens nie nötig, viele Worte zu wechseln. Die beiden Frauen waren ein eingespieltes Team. Gemeinsam betraten sie den großen Stalltrakt. Die Luft war erfüllt von einem Mix aus Pferdeduft und Heu. Marie liebte diesen Geruch. Sie begann sofort damit, das Kraftfutter zu verteilen, während Juna geschickt die Heurationen von einem großen Rundballen löste und sie in die jeweiligen Pferdeboxen brachte. Das leise Gemurmel der Pferde mischte sich mit dem Rascheln des Heus und schuf eine vertraute Atmosphäre, die Marie glücklich machte.

Nachdem sie die Fütterung abgeschlossen hatten, war es Zeit, sich erst einmal ordentlich am Frühstückstisch niederzulassen. Beim Ausziehen der Stallstiefel vor der Haustür empfing Lydia die beiden.

„Ich habe euch schon durchs Fenster gesehen, Mädels. Der Tisch ist gedeckt! Ich hoffe, ihr habt ordentlich Hunger. Heute Morgen gibt’s Rühreier. Die Hühner legen so viele Eier, ich weiß nicht mehr, wohin damit!“

„Oh, lecker!“ sagte Marie begeistert.

„Ich liebe Rührei mit Speck“, rief Juna zustimmend.