Todfreunde - Spiel im Schatten - Thomas Matiszik - E-Book
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Thomas Matiszik

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Beschreibung

***NACH »TIEFSCHWARZE SCHULD« und »TODESPRÜFUNG« DER NÄCHSTE SPANNUNGSGELADENE FALL DER CORINNA-DUPONT-REIHE***

Jutta Luginger, eine verdeckte Ermittlerin, verschwindet spurlos – offiziell gilt sie als Opfer einer Explosion. Doch ihr Ehemann Markus kann sich mit dieser Erklärung nicht abfinden. Seine Suche führt ihn in die finsteren Machenschaften eines mächtigen Clans.

Währenddessen kämpft Corinna Dupont, frisch ernannte Leiterin der Dortmunder Mordkommission, an mehreren Fronten. Gemeinsam mit ihrem engsten Vertrauten David Schmelzer verfolgt sie Spuren, die in ein Netz aus Korruption und Verrat führen. Doch während David in einen Strudel aus Schuld und Verlust gerät, mehren sich Hinweise, dass ein altbekannter Gegenspieler im Verborgenen noch immer die Fäden zieht.

Die Suche nach Jutta Luginger wird zu einem Wettlauf gegen die Zeit – und gegen Gegner, die selbst vor tödlichen Konsequenzen nicht zurückschrecken. Als die Ereignisse außer Kontrolle geraten, muss Corinna nicht nur für die Wahrheit kämpfen, sondern auch für das Leben derer, die ihr am nächsten stehen.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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PROLOG
KAPITEL 1 – SECHS MONATE ZUVOR
KAPITEL 2 – ZURÜCK IM HIER UND JETZT
KAPITEL 3
KAPITEL 4
KAPITEL 5
KAPITEL 6
KAPITEL 7 – SOMMER 2022
KAPITEL 8
KAPITEL 9
KAPITEL 10
KAPITEL 11 – 15 JAHRE ZUVOR
KAPITEL 12
KAPITEL 13
KAPITEL 14
KAPITEL 15
KAPITEL 16
KAPITEL 17
KAPITEL 18
KAPITEL 19
KAPITEL 20
KAPITEL 21
KAPITEL 22
KAPITEL 23
KAPITEL 24
KAPITEL 25
KAPITEL 26
KAPITEL 27
KAPITEL 28
KAPITEL 29
KAPITEL 30
KAPITEL 31
KAPITEL 32
KAPITEL 33
KAPITEL 34
KAPITEL 35
KAPITEL 36
KAPITEL 37
KAPITEL 38
KAPITEL 39
KAPITEL 40
KAPITEL 41
KAPITEL 42
KAPITEL 43
KAPITEL 44
KAPITEL 45
KAPITEL 46
KAPITEL 47
KAPITEL 48
KAPITEL 49
KAPITEL 50
KAPITEL 51
KAPITEL 52
KAPITEL 53
KAPITEL 54
KAPITEL 55
KAPITEL 56
KAPITEL 57
KAPITEL 58
KAPITEL 59
KAPITEL 60
EPILOG
DANKSAGUNG
Weitere Veröffentlichungen

Thomas Matiszik

TODFREUNDE

Über das Buch:

Jutta Luginger, eine verdeckte Ermittlerin, verschwindet spurlos – offiziell gilt sie als Opfer einer Explosion. Doch ihr Ehemann Markus kann sich mit dieser Erklärung nicht abfinden. Seine Suche führt ihn in die finsteren Machenschaften eines mächtigen Clans.

Währenddessen kämpft Corinna Dupont, frisch ernannte Leiterin der Dortmunder Mordkommission, an mehreren Fronten. Gemeinsam mit ihrem engsten Vertrauten David Schmelzer verfolgt sie Spuren, die in ein Netz aus Korruption und Verrat führen. Doch während David in einen Strudel aus Schuld und Verlust gerät, mehren sich Hinweise, dass ein altbekannter Gegenspieler im Verborgenen noch immer die Fäden zieht.

Die Suche nach Jutta Luginger wird zu einem Wettlauf gegen die Zeit – und gegen Gegner, die selbst vor tödlichen Konsequenzen nicht zurückschrecken. Als die Ereignisse außer Kontrolle geraten, muss Corinna nicht nur für die Wahrheit kämpfen, sondern auch für das Leben derer, die ihr am nächsten stehen.

»Todfreunde – Spiel im Schatten« ist ein düsterer Thriller über Loyalität, Verrat und die gefährlichen Verbindungen, die das Leben und Sterben bestimmen.

Der Autor:

©Sarah Heilbrunner

Thomas Matiszik wurde 1967 in Recklinghausen geboren und wuchs in Oer-Erkenschwick als jüngstes von vier Kindern auf. Nach 12 Semestern Lehramtsstudium an der Ruhruniversität Bochum arbeitete Thomas Matiszik als freier Musik-Journalist für die beiden Radiosender 1Live und WDR2 und schrieb Artikel für mehrere Stadt- und Musikmagazine. Seit Mitte der 90er-Jahre arbeitet er als freier Konzertagent in Bochum und hat Bands wie Reamonn, die H-Blockx oder auch Hollywood-Star Kevin Costner betreut. Mit seiner Familie lebt er unweit von Dortmund im beschaulichen Holzwickede.

Musik ist neben dem Schreiben Matisziks große Leidenschaft. Mit seinem aktuellen Projekt „All About Joel“ zollt er dem großartigen US-Songwriter Billy Joel höchst respektabel Tribut.

Ende 2013 beginnt Thomas Matiszik mit seinem Debütroman »Karlchen«. Heute blickt der Autor stolz auf sieben Romane zurück, von denen sowohl die Modrich-Trilogie als auch »Tiefschwarze Schuld« von den Kritikern gefeiert wurden.

Thomas Matiszik

TODFREUNDE – Spiel im Schatten

Ein Corinna-Dupont-Thriller

Band 3

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

März © 2025 Empire-Verlag

Empire-Verlag OG, Lofer 416, 5090 Lofer

[email protected]

Ansprechpartner: Thomas Seidl

Lektorat: Veronika Moosbuchner

https://www.lektorat-moosbuchner.de/

Korrektorat: Rebekka Maria Peckary

https://www.federnote.at/

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Cover: Chris Gilcher

https://buchcoverdesign.de/

Für Isa

»Die Lüge ist ein sehr trauriger Ersatz für die Wahrheit, aber sie ist der einzige, den man bis heute entdeckt hat.«

– Elbert Hubbard

PROLOG

Sie kam wieder zu sich. Ihr Kopf pochte, als wollten die Schmerzen ihn explosionsartig verlassen. Von den Schlägen ihrer Peiniger musste ihr Gesicht eine einzige bluttriefende Wunde sein. Sie schmeckte es. Ihr Sichtfeld war stark eingeschränkt, vermutlich war sie einem hoffnungslos unterlegenen Boxer in der letzten Runde nicht ganz unähnlich. Die Fesseln, die ihre Hände fest hinter ihrem Rücken hielten, ließen keinerlei Prüfung zu. Aber auch ohne es überprüfen zu können, wusste sie, dass ihr Gesicht mehrere Frakturen aufwies. Doch nicht nur dort war sie verletzt. Das Atmen bereitete ihr ebenfalls große Probleme. Möglicherweise waren auch die Rippen in Mitleidenschaft gezogen worden. Sie erinnerte sich dumpf an die Schläge, die man ihrem Körper von oben nach unten und wieder zurück zugefügt hatte. Wie schön wäre es, einfach wieder in die Ohnmacht hinabzugleiten, aber das schien gerade nicht der Plan ihres Organismus zu sein. Sie stöhnte leise und monoton, doch das scherte niemanden. Selbst ihr Tod würde niemanden interessieren.

Die Situation war komplett außer Kontrolle geraten. Und das, obwohl sie alles bis ins Kleinste geplant hatte und der Boss ihr nach all den Monaten, in denen sie sich an ihn herangearbeitet hatte, mittlerweile aus der Hand fraß. Zumindest war das ihr Eindruck gewesen. Dass Omar, sein Bruder, engster Vertrauter und der Finanzvorstand des Rahmani-Clans, ihr nach wie vor argwöhnisch gegenüberstand, war ein Fakt, den sie zu ignorieren versucht und mit dem sie irgendwann zu leben gelernt hatte. Sie hätte darauf gewettet, dass der Boss, wenn es hart auf hart gekommen wäre und er zwischen Omar und ihr hätte wählen müssen, sich für sie entschieden hätte. Nun allerdings musste sie resigniert erkennen, dass irgendetwas schiefgelaufen war und sie sich gewaltig getäuscht hatte.

Ohne Vorwarnung war sie von zwei Männern des Clans überwältigt und zusammengeschlagen worden. Die beißenden Dämpfe des Tuches, das ihr ins Gesicht gepresst worden war, hatten sie das Bewusstsein verlieren lassen. Das Letzte, woran sie sich erinnerte, war, dass Abdul Rahmani die Männer daran hatte hindern wollen, sie zu traktieren und zu betäuben. Ein strenger Blick Omars hatte aber offenbar ausgereicht, sich dem Boss zu widersetzen und die Dinge laufen zu lassen. In eine Richtung, die sie nun in diese unkomfortable und äußerst schmerzhafte Lage gebracht hatte.

Eine Tür wurde aufgedrückt. Im Gegenlicht erkannte sie schemenhaft eine Frau, die etwas in ihrer linken Hand hielt.

»Du wirst Abdul nicht noch einmal ins Bett kriegen, dafür werde ich sorgen!«

Noch ehe sie protestieren konnte, eilte Isabella Rahmani auf sie zu und richtete die Waffe gegen sie. Der Schuss und der Schmerz kamen praktisch zeitgleich. Und wieder wurde es Nacht um sie.

KAPITEL 1 – SECHS MONATE ZUVOR

Schlussendlich hatte Corinna nicht lange zögern müssen. Polizeipräsident Marksteiners Angebot, Hannes Jochimsen zu beerben, hatte sie nur kurzzeitig nachdenklich werden lassen. Aber dann hatte sie es angenommen, weil sie überzeugt war, es deutlich besser als ihr Vorgänger machen zu können. Corinna konnte es noch immer kaum fassen, dass sie nach all dem Ärger und dem systematischen Mobbing durch ihren Ex-Chef jetzt tatsächlich seinen Posten bekleidete. Vor allem hätte sie nicht im Traum daran gedacht, dass ihr irgendjemand je wieder einen Job anbieten würde. Schon gar nicht bei der Polizei. Verdammt, sie war chronisch krank. Jeder ihrer Kollegen und Kolleginnen wusste das, natürlich auch die Vorgesetzten, die sie zu guter Letzt überzeugt hatten, keine bessere Nachfolgerin für Hannes Jochimsen zu kennen.

»Schlimmer als unter Jochimsen kann es doch nicht werden«, hatte Marksteiner vollmundig formuliert und ihr alle erdenklichen Freiheiten eingeräumt.

»Auf Corinna Dupont! Auf unsere neue Chefin!«, riefen Schmelzer und Navid, als sie ihrer alten Abteilung einen ersten Besuch abstattete. Lediglich Fiona Seifert fehlte, da sie sich dienstunfähig gemeldet hatte. Sie würden sie in Kürze besuchen, hatte Corinna mit David vereinbart. Die Trennung von Eloisa hatte Seifert stark mitgenommen. Von dem Tag an war sie nicht mehr wiederzuerkennen gewesen. Zuletzt war sie ungepflegt und aufgedunsen in einem Supermarkt gesehen worden, ziellos umherirrend.

»Danke euch. Wie wäre es heute Abend mit einem kleinen Umtrunk? Ich gebe einen aus.«

Schmelzer reckte den Daumen, Navid nickte lächelnd.

»Darf ich Lis mitbringen?«, wollte David wissen.

»Was ist das für eine Frage, Schmelzer? Selbstverständlich, ich bestehe sogar darauf. Mit ihr ist es noch ein bisschen lustiger, oder etwa nicht? Habt ihr eigentlich mittlerweile eine Wohnung gefunden?«

»Und was für ein Schmuckstück! Zwei Zimmer mit kleinem Balkon in Dortmund-Hombruch. Wir fühlen uns da sehr wohl.«

Corinna seufzte. »Ach, ist das nicht schön! Ich freue mich so sehr für euch.«

Und so war sie dann mit Schmelzer, Navid und Lis in ihrer Stammkneipe, dem Klüngelkerl, gelandet. Nach Karaoke war ihnen allen nicht, dafür sangen sie wie in alten Zeiten am Tisch zu den Songs von Bryan Adams, Tina Turner und Depeche Mode.

»Die Medikamente scheinen Ihnen übrigens gutzutun, wenn ich das so sagen darf«, sagte Navid schließlich.

Corinnas Plan, nicht über ihre Krankheit zu sprechen, war plötzlich über den Haufen geworfen worden.

»Cyrus hat recht. Du siehst prima aus«, ergänzte Lis mit ihrem typischen Lächeln, in das sich Schmelzer so sehr verliebt hatte.

Corinna verstand ihn nur zu gut. Die junge Schwedin war eine Seele von Mensch und hatte einen ungemein positiven Einfluss auf ihren Kollegen.

»Wenn ihr meint«, begann sie und versuchte ein Lächeln. »Ich fühle mich auch ganz passabel, wenn man das bei einer solchen Krankheit überhaupt sagen kann. MS ist nach wie vor ein unheilbares Miststück. Es gibt Tage, an denen ich damit klar komme. Aber ich muss auch damit klarkommen, dass ich sie bis zu meinem letzten Tag auf diesem wunderschönen Planeten nicht mehr loswerde.«

»Bis zu deinem letzten Tag«, wiederholte Schmelzer und winkte ab. »Bis dahin wird es noch sehr lange dauern, dafür werde ich sorgen. Du bist Corinna Dupont, du hast Jochimsen überlebt, da wird dich so eine kleine neuronale Störung schon nicht töten. Und schon gar nicht so schnell!«

Sie schloss die Augen und wippte mit dem Kopf. Der DJ hatte »Roxanne« von The Police aufgelegt, praktisch willenlos folgte sie dem Rhythmus des Songs Richtung Tanzfläche und ließ ihren Schritten freien Lauf. Ihre Kollegen nickten im Takt der Musik und prosteten ihr breit grinsend zu.

Während Sting seiner Roxanne zum zweiten Mal erklärte, dass sie das Kleid nicht tragen müsse, spürte Corinna plötzlich und mit Macht, dass die Krankheit in ihrem Körper sie nicht vergessen hatte. Ihr wurde heiß und kalt, Übelkeit kam hinzu. Sie begann zu wanken, verlor das Gleichgewicht und wurde ohnmächtig.

Als sie wieder zu sich kam, lag sie bäuchlings in ihrem Bett und versuchte vergeblich, wieder aufzustehen. Etwas – oder jemand – schien sie herunterzudrücken. Eine schier unmenschliche Kraft presste sie immer tiefer in die Matratze. Der Lattenrost knarrte erst bedrohlich, um dann mit einem lauten Knall zu bersten. Mitsamt seinen Überresten und der Matratze landete Corinna auf dem harten Boden ihres Schlafzimmers, der Druck auf ihren Körper nahm sekündlich zu. Sie versuchte zu sprechen, bekam aber keinen Ton heraus. Dafür vernahm sie eine ihr nicht unbekannte männliche Stimme.

»Ich bin gekommen, um dich zu richten. Du sollst für deine Taten büßen und jeden Schmerz spüren, der mir widerfahren ist.«

»Hrmpf«, kam es aus ihrem Mund. Mehr brachte sie nicht über die Lippen. Das war doch …

»Du dachtest, es sei so leicht, mich loszuwerden. Du hast dich getäuscht. Wie konntest du nur so naiv sein? Und nun fahr zur Hölle!«

Ein schriller Signalton erklang. Corinna schnellte schweißgebadet hoch. Ihr Mund war staubtrocken, der Raum schien sich um sie herum zu drehen. Sie schloss die Augen und atmete dreimal tief ein und wieder aus. Ein Tipp ihres Arztes. Es half. Vorsichtig tastete sie nach ihrem Wecker – und zuckte zurück.

Hatte sie gerade einen Schatten vor dem Fenster wahrgenommen? Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie diesen abstrusen Gedanken schnell wieder loswerden. War sie nun auch noch verrückt geworden?

KAPITEL 2 – ZURÜCK IM HIER UND JETZT

Der Tag, an dem sich Markus Lugingers Welt auf den Kopf stellte, begann alles in allem recht freundlich.

Die Morgensonne lugte durch das Balkonfenster und lud zu einem kurzen, aber dennoch reichhaltigen Frühstück ein. Er öffnete die Balkontür und ließ die laue Frühlingsluft in die Wohnung strömen. Tauben gurrten, die beiden Nachbarskatzen stritten wieder einmal um einen Vogel, den eine der beiden erlegt hatte. Aus der Ferne war die Kirchturmglocke zu hören. Es war 7 Uhr morgens – die perfekte Zeit für ein gemeinsames Frühstück. In spätestens zehn Minuten würde seine Frau Jutta die Tür aufschließen und den Moment mit frischen Brötchen unter dem Arm vergolden. Das heiße Wasser lief durch den Kaffeefilter in die Glaskanne, den kleinen Balkontisch hatte er liebevoll gedeckt und mit frischen Blumen veredelt. Vor ein paar Wochen hatten Jutta und er die Liebe zu von Hand gebrühtem Filterkaffee wiederentdeckt. Und zu Zuckerrübensirup.

Eine Stimme unterbrach seine Gedanken. Der Nachrichtensprecher im Lokalfunk berichtete von einer großangelegten Razzia im Dortmunder Norden. Illegale Waffen und Drogen in zweistelliger Millionenhöhe seien beschlagnahmt worden, ein wichtiger Schlag gegen die organisierte Kriminalität sei den Behörden gelungen.

»Wichtiger Schlag, soso« murmelte Markus. »Und in ein paar Tagen sind diese Typen wieder auf freiem Fuß. Ist doch immer dasselbe.« Plötzlich hielt er inne, glaubte er doch, das Knistern einer Brötchentüte vor dem Haus gehört zu haben. Er goss das restliche Wasser in den Filter, trocknete die Hände ab und warf einen letzten prüfenden Blick auf den gedeckten Balkontisch. Alles war perfekt. Bis es klingelte.

»Herr Markus Luginger?«

Vor der Tür stand nicht etwa Jutta, sondern ein untersetzter Mann mit Vollbart und in Uniform.

»Ja, der bin ich«, hörte er sich sagen. Die Worte kamen gepresst, er ahnte, dass der Besuch nichts Gutes verhieß.

»Stefanski, Kripo Dortmund. Darf ich kurz reinkommen?«

»Wenn es nicht allzu lange dauert. Meine Frau müsste jeden Augenblick von der Arbeit zurück sein und wird sicherlich mit mir frühstücken wollen. Mit mir allein, versteht sich. Wir halten das immer so.«

Während er das sagte, schob ihn der Beamte behutsam zur Seite, betrat die Wohnung und sah sich um.

»Suchen sie was?« Markus stand da, überrumpelt und hilflos wie ein kleiner Junge.

Der Mann ignorierte seine Frage und scannte stattdessen jeden Millimeter der Wohnung. »Ihre Frau … wird nicht kommen, Herr Luginger. Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Jutta Luginger bei einem tragischen Unglück ums Leben gekommen ist.«

Markus taumelte. Wie ein welkes Blatt, das vom Baum fällt und das der Wind nach seinem Willen erst in die eine, dann in die andere Richtung schweben lässt, ehe es vollkommen hilflos zu Boden gleitet.

»Wie bitte? Das muss ein Irrtum sein. Das kann nicht sein.« Seine Worte waren kaum verständlich, weil er gleichzeitig versuchte, nicht das Bewusstsein zu verlieren und stoßweise Luft ein- und wieder ausatmete. Vor seinen Augen explodierten graue Blitze.

»Es tut mir sehr leid, aber wir haben sie eindeutig identifiziert.«

»Was, wieso?« Nun wurde Markus übel. Er würgte, während er weiterhin versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen.

»Mein aufrichtiges Beileid, Herr Luginger. Ich habe hier noch eine Tasche mit den persönlichen Habseligkeiten ihrer Frau. Wo darf ich sie hinstellen? Ich müsste dann auch wieder zurück ins Präsidium …«

»Das ist doch alles kompletter Irrsinn! Sie überbringen mir gerade die schlechteste aller Nachrichten und nehmen sich nicht einmal die Zeit, mir etwas mehr zu alldem zu erzählen?« Er schaffte es endlich wieder, seine Gedanken einigermaßen zu ordnen. »Ich möchte sie sehen. Wo muss ich dafür hin?«

Der Polizist sah sich abermals in der Wohnung um.

»Haben sie meine Frage verstanden?«

Der Mann zog sein Handy aus der Gesäßtasche und wählte eine Nummer. »Ich bin’s. Er will sie sehen … Verstehe … Ja, bin quasi auf dem Rückweg.«

Wütend starrte Markus den Beamten an. Er war kurz davor, durchzudrehen oder sogar handgreiflich zu werden.

»Das ist leider nicht möglich, Herr Luginger. Mehr darf ich Ihnen nicht sagen. Ich befolge nur die Anweisungen meiner Dienststelle. Aber wenn es Sie tröstet: Sie würden ohnehin nicht viel erkennen können. Es gab eine Explosion.«

Markus fühlte sich wie betäubt. Er hörte die Müllabfuhr. Heute ist die gelbe Tonne dran, dachte er. Der Polizist drehte ihm den Rücken zu und stand im Ausgang.

»Was soll das alles bedeuten? Ich bin ihr Mann. Ich habe das Recht, den Leichnam meiner Frau noch einmal zu sehen. Sofern das überhaupt meine Frau ist, die da bei Ihnen oder sonst wo liegt. Sie können mir hier viel erzählen. Solange ich mich nicht persönlich davon überzeugen kann, dass meine Frau tot ist, glaube ich gar nichts.«

Der Beamte zuckte mit den Achseln. »Was auch immer Sie tun möchten, Herr Luginger, tun Sie es – aber bitte mit Bedacht. Ihre Frau ist tot, zerfetzt von einer Bombe. Kein schöner Anblick. Ich muss jetzt wieder los. Ihnen noch einen schönen Tag.«

Die Tür fiel krachend zu. Ihnen noch einen schönen Tag. Hatte dieser Mann das eben wirklich gesagt? Markus lehnte sich erschöpft an die Wand. Sagte man das als Polizeibeamter, nachdem man jemandem die Nachricht vom gewaltsamen Tod eines nahen Angehörigen gebracht hatte?

Er beschloss, Jutta anzurufen. Vielleicht spielte ihm jemand einen Streich. Schließlich gab es genug Verrückte da draußen.

Nur die Mailbox.

»Jutta, wenn du das hier abhörst, ruf mich bitte sofort zurück. Hier war grad ein Polizist, der sagte, du seist …«

KAPITEL 3

»Der Kontakt zu ihr ist tatsächlich komplett abgebrochen?«

»Ja, vollständig. Die geplante Razzia war ein einziges Desaster. Keine Ahnung, wer uns verraten hat. Vielleicht war sie es sogar selbst. Aus meiner Sicht können wir nichts mehr für sie tun.«

Sie standen im Innenhof ihrer Dienststelle, der vor geraumer Zeit als Raucherbereich deklariert worden war. Hastig zogen beide Männer an ihren selbstgedrehten Zigaretten.

»Okay. Das Beste ist dann vermutlich wirklich, wenn sie nie wieder auftaucht. Weiß ihr Mann schon …?«

»Ja, ich war eben bei ihm.«

»Du?? Aber wieso …?«

»Wieso ich das nicht der Kripo überlasse? Hausner, sei mir nicht böse, aber manchmal bist du echt ganz schön bescheuert.«

Hausner schaute beleidigt zu Boden.

»Jetzt guck nicht so«, fuhr Stefanski fort. »Denk einfach nach, bevor du solche Fragen stellst. Du bist beim LKA, nicht beim Fußvolk, und solltest deshalb wissen, dass wir diese ganze Angelegenheit sehr diskret behandeln müssen.«

Hausner nickte jetzt. »Es war nicht legal, stimmt’s?«

Stefanski kratzte sich nervös am Bart. »Ob es legal war oder nicht, sei mal dahingestellt. Aber dass wir hier keine weiteren Dienststellen in diesen Schlamassel hineinziehen sollten, müsste jedem klar sein.«

Hausner presste die Lippen zusammen. »Und wer garantiert uns, dass ihr Mann das alles einfach so hinnimmt?«

»Niemand«, antwortete Stefanski lapidar. »Sollte er Probleme machen, müssen wir auch hier tätig werden.«

»Und wie erklären wir das Berndorf?«

»Lass mich nur machen. Berndorf ist ein Schaf, das weißt du doch. Und Schafe sind bekanntlich die Lieblingsspeise von Wölfen. Soll ich mal heulen?«

»Ähm, nein, ich hab schon verstanden. Bin neugierig, wie lange das noch gutgeht. Wir müssen auf der Hut sein. Können wir auf Omar zählen?«

»Worauf du einen lassen kannst. Solange wir zahlen, können wir auf ihn zählen. So einfach ist das.«

»Na dann, auf zu Berndorf. In einem Jahr geht der alte Mann ohnehin in Pension. Ich würde ihm wünschen, dass er die verbleibende Zeit beim LKA genießen kann, ohne großen Stress.«

»Ja, da hast du recht. Stress kann ja bisweilen sogar tödlich sein. Nein, das wünsche ich ihm auch nicht. Dafür hat er Vater Staat lange genug treu gedient.«

»So wie wir. Na ja, fast. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.«

»Daran glaube ich in unserem Fall allerdings nicht. Oder gedenkst du, irgendwann die Seiten zu wechseln?«

»Mann, Hausner, du verstehst Ironie selbst dann nicht, wenn sie dir direkt vor die Nase gehalten wird, was? So gut müsstest du mich eigentlich kennen. Natürlich ist es mein Plan, irgendwann am Pool meiner Finca auf Mallorca zu liegen und mir einen Mojito nach dem anderen einzuflößen. Warum also sollte ich noch mal die Seiten wechseln? Abgesehen davon, ist es dafür zu spät. Vor allem aber werde ich mich nicht erwischen lassen, so wie es diesem Jochimsen unlängst passiert ist.«

Hausner hielt kurz inne. »An Hannes habe ich tatsächlich länger nicht mehr gedacht. Er war gut, so lange er seine Überheblichkeit im Griff hatte und keine leichtfertigen Fehler machte. Aber das soll uns nicht länger jucken und von der Arbeit abhalten. Du kennst Berndorf, der wird schnell ungeduldig und braucht sein Dreamteam. Also lass uns das Feuer löschen.«

KAPITEL 4

»Noch einen Milchkaffee für die Dame?«

Corinna schüttelte den Kopf. »Diesmal ohne Milch, bitte.« Noch immer unterliefen ihr Flüchtigkeitsfehler bei ihrer Ernährung. Einfach, weil sie noch immer nicht akzeptieren konnte und wollte, dass die beschissene Krankheit nun vollends Besitz von ihr ergriffen hatte. Seit dem Schub, der Corinna am Tag ihrer Ernennung zur neuen Polizeichefin ereilt hatte, war an eine ordnungsgemäße Ausübung ihres Berufs nicht mehr zu denken. Eine Zeit lang hatte sie versucht, David und die anderen Kolleginnen und Kollegen des Reviers zu täuschen, bis ihr wiederholt Dinge passierten, die keinen anderen Schluss zuließen. Zuerst war es die Kaffeetasse gewesen, die zu Boden gefallen war, dann ihre immer schlimmer werdenden Wortfindungsstörungen. All das hätte sie noch auf den Stress abwälzen können, aber dann hatte sie begonnen, wie eine alte, gebrechliche Frau durch die Flure des Reviers zu schlurfen und sich nach wenigen Schritten an die Wand zu lehnen oder irgendwo abzustützen. Natürlich wusste Schmelzer sofort, was los war.

»Also schwarz. Stark darf er trotzdem sein?«, wollte die Kellnerin wissen.

»Ja, dagegen habe ich nichts«, gab Corinna lächelnd zurück.

Nach dem Vorfall im Klüngelkerl hatte sie Rat bei einem anerkannten Spezialisten der Uniklinik Düsseldorf gesucht. Nach einer fast zweistündigen Untersuchung hatte der ihr dringend empfohlen, sich für mindestens vier Wochen in eine Reha-Maßnahme zu begeben, um zu lernen, wie sie mit ihrer MS im beruflichen und auch privaten Alltag am besten umgehen sollte. Dazu zählten neben einer konsequenten Ernährungsumstellung auch ein paar patente Übungen, um gegen Stress resilienter zu werden.

Die Therapie zeigte seit ein paar Tagen die ersten positiven Wirkungen. Und natürlich war ihr Stress-Level um einiges niedriger als zu Hause. Hinzu kam, dass die Mentalität der Inselbewohner ein wenig auf die Kommissarin abgefärbt hatte. Auf Langeoog schien jeder den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen. Möglicherweise lag das daran, dass bis auf wenige Ausnahmen keine Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor auf der Insel erlaubt waren.

»Irgendwann werde ich hier sesshaft«, sagte sie zu sich. Nicht leise genug.

»Warum auch nicht?«, hörte sie eine Stimme hinter sich. »Sie müssen es nur wollen.«

Ehe Corinna sich umdrehen konnte, stand ein Mann an ihrem Tisch. Sie schätzte ihn auf Mitte bis Ende vierzig. Sein Äußeres war auffallend gepflegt. Volles, mittellanges graues Haar, das ihm ein wenig wirr ins Gesicht hing, dunkle, etwas zu buschige Brauen, hellbraune Augen, ein sauber gepflegter Vollbart, weißes Leinenhemd und eine passende marineblaue Leinenhose.

»Sind Sie von hier oder ebenfalls Patient?«, wollte Corinna wissen.

»Sowohl als auch«, erwiderte der Mann. »Darf ich mich zu Ihnen setzen?«

»Nein«, entgegnete sie schroff. »Verzeihen Sie bitte«, fuhr sie fort, als sie die Überraschung in den Augen des Mannes sah. »Es hat nichts mit Ihnen zu tun. Ich bin nur nicht in Stimmung für Smalltalk.«

Der Mann lächelte. Eine äußerst gepflegte Zahnreihe vervollständigte das Bild. »Um Gottes willen, das ist doch vollkommen klar. Ich Idiot quatsche Sie einfach von der Seite an. Geschieht mir ganz recht. Aber da Sie gefragt haben: Ich heiße Raimund Dobler, lebe seit zwanzig Jahren auf der Insel und hatte einen Schlaganfall. Aber jetzt lasse ich Sie mal in Ruhe. Wir laufen uns bestimmt noch einmal über den Weg.«

Sie spürte, wie sie errötete. Wie unsensibel war sie eigentlich? Noch ehe sie etwas erwidern konnte, hatte der Mann sich entfernt. Im Grunde hatte sie nichts gegen etwas Gesellschaft einzuwenden, aber …

Das Klingeln ihres Handys unterbrach ihre Gedanken. Es war David.

»Wer stört?«, rief sie lächelnd.

»Corinna, schön, mal wieder deine Stimme zu hören. Wie geht es dir?«

»Danke, ganz gut. Aber hatten wir nicht etwas vereinbart?«

Kurzes Schweigen am anderen Ende. »Es tut mir leid. Ich weiß, dass die Ärzte dir absolute Ruhe verordnet haben und du uns jegliche Kontaktaufnahme untersagt hast …«

»Genau … aber?«

David räusperte sich. »Er ist zurück, Corinna!«

»Wer? Jochimsen?«, fragte sie entsetzt.

»Jochimsen? Nein, Gott sei Dank nicht. Er hat das Berufungsverfahren haushoch und verdientermaßen verloren. Der Richter konnte sich den Seitenhieb, Hannes sei eine Schande für die Polizei, nicht verkneifen. Hannes’ Blick nach zu urteilen wird dieser Mann, sobald Jochimsen wieder auf freiem Fuß ist, einen ernstzunehmenden Feind haben.«

»Möglicherweise nicht erst dann«, warf Corinna ein. »Jochimsens Kontakte sind so gut, dass er sogar aus dem Knast heraus jemanden auf ihn ansetzen kann. Wäre ich an dessen Stelle, hätte ich ab sofort einen persönlichen Bodyguard.«

»Da könntest du recht haben«, bemerkte David anerkennend.

»Jetzt aber raus mit der Sprache: Wer ist zurück?«

»Paul Lobrecht. Er konnte den Behörden Verfahrensfehler nachweisen und ist wieder auf freiem Fuß.«

Corinna lief es heiß und kalt den Rücken herunter. Der Mann, den sie erst geliebt und dann abgrundtief gehasst hatte, war wieder auf freiem Fuß. Aber das allein konnte nicht der Grund für Davids Anruf sein.

»Das ist scheiße, aber nicht zu ändern«, gab sie zurück. »Ist das alles, oder kommt da noch eine Pointe?«

»Er redet schlecht über dich. In und mit der Presse. Möchtest du, dass ich dir den Artikel schicke?«

»Warum nicht. Dass er nicht sonderlich gut auf mich zu sprechen sein würde, nachdem ich ihn in den Knast gebracht habe, war doch klar. Du kannst unbesorgt sein, das wird mich nicht aus der Bahn werfen. Was auch immer in dem Artikel steht, es stammt von einem hinterfotzigen Winkeladvokaten ohne Moral und wird von mir schlicht nicht ernst genommen. Sollte er mir irgendwann noch mal über den Weg laufen, sage ich ihm das und noch vieles mehr direkt ins Gesicht.«

»Wie du meinst.« David stöhnte, als läge ein tonnenschweres Gewicht auf seiner Brust. »Er behauptet, du hättest ihn damals gezwungen, dich vor Gericht zu vertreten und rauszuboxen. Und weiter behauptet er, du seist korrupter als unser ehemaliger Chef.«

Jetzt richtete Corinna sich auf, touchierte den Tisch und stieß die Tasse Kaffee um, die die Kellnerin ihr vor wenigen Augenblicken gebracht hatte.

»Verdammt!«, fluchte sie. Ein paar Kurgäste drehten sich nach ihr um und rümpften die Nase. »Was gibt es da zu glotzen?«, rief sie ihnen entgegen.

Die Gäste wandten sich wieder ab und widmeten sich tuschelnd und kopfschüttelnd anderen Dingen.

»Corinna? Bist du noch dran?«, wollte David wissen.

»Ja, bin ich. Schick mir den Artikel, ich schau’s mir an. Aber wir wissen beide, dass da ein eitler Fatzke auf einem peinlichen Rachefeldzug ist, oder? Er will mir was heimzahlen. Ich scheiß drauf, ganz ehrlich. War das jetzt alles? Und wenn ja, warum behelligst du mich mit derlei Lappalien?«

David lachte in den Hörer. »Du bist wieder ganz die Alte. Im Grunde hast du den Stresstest gerade bestanden …«

Corinna hielt kurz inne. »Den bitte was?«

»Den Stresstest«, wiederholte David und ließ den Begriff einen Sekundenbruchteil für sich stehen und langsam verhallen. »Ich habe da noch was …«

Die Kellnerin hatte in der Zwischenzeit einen neuen Kaffee gebracht, was Corinna zuerst mit einem Lächeln honorierte, um schließlich einen genießerischen Schluck davon zu nehmen.

»So lange ich einen solchen Kaffee trinken darf, trotze ich jeglichem Unheil«, bemerkte sie und versuchte dabei, nicht allzu ernst zu klingen. Dennoch spürte sie bereits, dass Davids folgende Sätze sie bis ins Mark erschüttern würden.

KAPITEL 5

Nachdem er den ersten Schock verdaut hatte, war Markus Lugingers erster Impuls gewesen, zum Polizeipräsidium zu fahren und dort keinen Stein auf dem anderen zu lassen. Dann aber hatte ihn sein Bauchgefühl davon abgehalten. Würde ihm ein Beamter ohne Rückendeckung eine solche Geschichte auftischen? Der Mann hatte mit jemandem telefoniert, also offenbar nicht allein gehandelt. Konnte er der Polizei angesichts ihres merkwürdigen Verhaltens trauen? Markus entschied sich, auf eigene Faust nach Informationen zu suchen.

»Ich muss dringend Doktor Bauer sprechen.«

Die Dame am Informationsschalter des Krankenhauses schaute ihn unverbindlich lächelnd an. »Ich frage gern. Wen darf ich melden?«

»Luginger. Markus Luginger. Ich bin der Ehemann von Jutta Luginger und wollte fragen, ob er etwas von ihr gehört hat.«

In das unverbindliche Lächeln mischte sich ein Schuss Unsicherheit. Sie wählte eine Nummer. »Guten Morgen, Petra. Du, hier steht ein Mann, der den Chef sprechen möchte. Hm? Markus Luginger. Um was es geht? Ach so, ich glaube, um seine Frau – Jutta.«

Kurze Pause. Die Dame sah ihn etwas misstrauisch an.

»Entschuldigen Sie, ihre Frau, was genau soll mit der sein?«

Ihm wurde langsam etwas mulmig. »Sie arbeitet in der Orthopädie. Doktor Jutta Luginger.«

»Moment. Hast du gehört, Petra? Hm? Ja, ich weiß es doch auch nicht.«

Markus war kurz davor, einfach weiter Richtung Fahrstuhl zu gehen und in die fünfte Etage zu fahren. »Was geht hier vor? Ich bin der Ehemann einer Ärztin, die hier arbeitet, und möchte ihren Chef fragen, ob er etwas von ihr gehört hat. Was ist denn da jetzt das Problem?«

»Es gibt eigentlich kein Problem, Herr Luginger. Allerdings ist Frau Doktor Luginger hier schon länger nicht gesehen worden. Sie hat sich krankgemeldet, und zwar am 4. Mai.«

Er begann zu wanken, wie nach einem Wirkungstreffer beim Boxen. Das war fast zwei Wochen her. Da waren sie abends noch essen gewesen. Jutta war ihm gesund und munter und auch sonst wie immer vorgekommen. Er fragte sich, wo sie seitdem morgens hingefahren war, wenn nicht in dieses Krankenhaus?

»Sind Sie absolut sicher? Kann ich eventuell mit Doktor Bauer persönlich sprechen?«

»Petra, er will noch immer den Chef sprechen. Geht das?«

Erneut eine kurze Pause.

»Fahren Sie hoch. Doktor Bauer hat gleich ein paar Minuten für Sie Zeit.«

Markus eilte zu den Fahrstühlen. Das Ganze wurde immer seltsamer. Was konnte der Grund dafür sein, dass Jutta ihm verschwiegen hatte, nicht zur Arbeit zu gehen? Ein anderer Mann? Wo und wie hatte sie zum Opfer einer Bombenexplosion werden können? Der Polizist hatte ihn derart schockiert und war dann so schnell verschwunden, dass er nicht dazu gekommen war, nach weiteren Details zu fragen. Das passte alles nicht zusammen. Vor allem aber passte das überhaupt nicht zu seiner Frau. Jutta war eine großartige Ärztin, darüber hinaus liebte sie ihren Job mehr als alles andere. Vielleicht sogar mehr als ihren Mann. Als er den Fahrstuhl verließ, wurde er von einem lächelnden Doktor Bauer in Empfang genommen.

»Herr Luginger, schön Sie zu sehen. Folgen Sie mir doch.« Sie betraten ein geräumiges Büro, in dem sich neben einem massiven Schreibtisch aus Buche, diversen gut gefüllten Bücherregalen auch eine lederne Couchlandschaft befand.

»Setzen Sie sich doch.« Doktor Bauer sprach zu Markus, als würden sie sich bereits länger und besser kennen. Von besser konnte keine Rede sein. Das war eigenartig. »Wie lange ist das jetzt her?«, fragte der Arzt.

Luginger war sich sicher, ihn genau einmal getroffen zu haben. »Das war, als Jutta ihren unbefristeten Arbeitsvertrag bekommen hat und einen kleinen Umtrunk hier auf der Station gab. Muss vor ungefähr zwei Monaten gewesen sein, oder?«

»Richtig«, antwortete Doktor Bauer. »Ihre Frau war eine überragende Medizinerin!« Markus schnellte aus dem Sessel hoch. »Verzeihen Sie, ich meine natürlich, dass sie eine überragende Ärztin ist. Wie konnte ich nur so unsensibel sein?«

Ja, wie hatte das nur passieren können? Er verzweifelte mehr und mehr. Ein unbändiges Gefühl von Hilflosigkeit entfaltete sich in seinem Körper.

»Was ist mit Ihnen? Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Frau Schierz, bitte bringen Sie Herrn Luginger doch ein Glas Wasser.«

Schierz flog förmlich in Richtung Küche, stand nur Sekunden später vor ihm und reichte ihm das Getränk.

»Meine Frau ist nicht nach Hause gekommen. Erreichen kann ich sie aus irgendeinem Grund auch nicht. Ich dachte, Sie wüssten eventuell, wo sich Jutta aufhält.«

»Das, das ist ja wirklich seltsam«, stammelte Doktor Bauer und sah sich hilfesuchend um. »Waren sie schon bei der Polizei?«

»Noch nicht.« Markus zog es vor, den unangenehmen Besuch des Kommissars zu verschweigen. »Also wissen Sie nicht, wo sie sich aufhält?«

»Richtig. Tut mir wirklich leid, dass ich Ihnen nicht helfen kann, Herr Luginger. Ich habe nun einen Termin. Muss einen gebrochenen Oberschenkelhals flicken. Die Patientin ist 94, die kann ich unmöglich warten lassen. Geben Sie Frau Schierz doch Ihre Handynummer. Sollte ich was von Jutta, also Ihrer Frau, hören, melde ich mich umgehend bei Ihnen.«

»Zwei Wochen?«, murmelte Markus plötzlich.

»Entschuldigung?«, erwiderte Doktor Bauer, dem nun seinerseits die Ungeduld ins Gesicht geschrieben stand.

»Man sagte mir vorhin, dass meine Frau seit ungefähr zwei Wochen nicht mehr hier war.«

»Das kann gut sein. Ich kann mich daran erinnern, eine offizielle Krankmeldung bekommen zu haben, aber wann genau das war, weiß ich nicht mehr.«

Der Arzt hatte es nun sehr eilig. »Sie müssen mich jetzt aber wirklich entschuldigen … der Oberschenkelhals.«

»Ich könnte schwören, dass Jutta erst vorgestern mit Ihnen telefoniert hat.«

Doktor Bauer, der Luginger bereits den Rücken zugedreht hatte, blieb wie vom Blitz getroffen stehen und wandte sich langsam wieder um.

»Vorgestern, sagen Sie? Petra, war ich nicht vorgestern auf dieser Vortragsreise?«

Sie nickte eifrig. »Ganz genau, Franz. Du warst in Prag.«

»Prag. Richtig. Ich war eigentlich rund um die Uhr nicht zu erreichen, weil ich drei Vorträge halten musste. Da wäre es doch sehr peinlich gewesen, wenn mein Handy geklingelt hätte. Sie müssen sich irren, Herr Luginger. Ich muss jetzt wirklich los.«

Markus war allerdings noch nicht fertig. »Sie hat sie auch Franz genannt. Ihre Sekretärin nennt Sie auch beim Vornamen. Sie scheinen mit allen sehr vertraut zu sein. Darf ich Sie auch Franz nennen, Franz?«

Doktor Bauer riss nun der Geduldsfaden. »Hören Sie: Ich kann verstehen, dass Sie verzweifelt sind. Aber erstens bin ich eventuell nicht der einzige Franz, den Ihre Frau kennt, und zweitens habe ich Ihnen gerade versucht zu erklären, warum ich an dem Tag überhaupt nicht telefonieren konnte. Warum wollen Sie das eigentlich nicht verstehen?«

»Das kann ich Ihnen sagen, Franz«, bemerkte Luginger provokant. »Weil Sie der einzige Franz sind, mit dem meine Frau über Oberschenkelhalsbrüche reden würde.«

Dem Arzt stockte augenscheinlich der Atem. Seine Sekretärin blickte sich irritiert um und suchte schnellen Schrittes das Weite.

»Das ist doch …«

»Was? Das ist doch was?«

Nun streckte Doktor Bauer die Waffen. »Also gut. Ja, wir haben telefoniert. Aber ich muss jetzt zu dieser OP. Können wir uns heute Abend treffen? Ich müsste so gegen 19 Uhr mit allem fertig sein.«

»Ich hole Sie hier ab. Und wehe, Sie sind nicht da!«

Markus beschloss, die Zeit zu nutzen und zu versuchen, weitere Spuren zu finden. Jutta war nicht tot. Er spürte das. Ihre beste Freundin würde ihm das sicher bestätigen. Er machte sich auf den Weg nach Bochum.

KAPITEL 6

Langsam erlangte sie wieder das Bewusstsein und nahm verschwommen ihre Umgebung wahr, als sie von einem Hustenanfall überrascht wurde. Er schmerzte höllisch, ihre Rippen schienen auch etwas abbekommen zu haben.

»Sie kommt wieder zu sich, Isabella!« Omar Rahmani starrte sie wie ein neugieriger kleiner Junge an, der sich überzeugen wollte, dass sein Lieblingsspielzeug wieder funktionierte.

»Dann lass mich die kleine Schlampe ein für alle Mal ins Jenseits befördern …«

Aus dem Augenwinkel sah sie Isabella Rahmani, die mit aller Kraft versuchte, an Omar vorbeizukommen. Wo war Abdul?

»Nein, verdammt. Wir brauchen sie und können froh sein, dass du so eine miserable Schützin bist.« Omar begutachtete ihre Wunde. »Das war vollkommen unnötig. Ich musste extra mein neues T-Shirt opfern, vom Ledergürtel ganz zu schweigen. Du schuldest mir was.«

»Ich verstehe deinen Zorn, aber vielleicht ist es an der Zeit, dass Abdul und du mal wieder zur Sache kommen, hm? Zieh dir heute Abend etwas Nettes an und macht es euch irgendwo gemütlich.«

Sie schaffte es, ihren Kopf ein wenig zu heben. Abdul stand reglos hinter seiner Frau.

Isabella Rahmani sah ihren Mann verachtungsvoll an und spuckte auf den Boden. »Nie wieder wird der da einen Fuß in unser Haus setzen. Ich habe bereits meinen Anwalt eingeschaltet. Ich will die Scheidung, die Kinder und mindestens die Hälfte von seinem dreckigen Vermögen.«

Ihr Mann fuhr sich durchs Haar und ordnete den Kragen seines beigen Leinenhemds. Wie beiläufig warf er einen Blick auf seine blitzsauberen Lederstiefeletten, nahm ein mit seinen Initialen versehenes Taschentuch aus der Hosentasche, befeuchtete dieses mit seiner Zunge und rieb dann sanft einen unsichtbaren Fleck von dem rechten Schuh.

Wie gewöhnlich räusperte Rahmani sich, bevor er etwas von sich gab. »Unser Haus? Dass ich nicht lache. Ich sage dir jetzt, was passieren wird: Wenn du die Scheidung einreichst, werde ich meine Männer schicken und dich vierteilen lassen. Die Jungs sind gut im Töten, das Einzige, das für sie zählt, ist die Höhe des Schecks. Wenn ich wollte, würden sie sogar ihre eigenen Kinder töten. Aber so weit will ich es nicht kommen lassen. Jedenfalls vorerst nicht. Ich werde ihnen sagen, dass sie sich mit dir besondere Mühe geben sollen. Auch ihrer Phantasie werde ich keinerlei Grenzen setzen.«

Als Isabella zu protestieren ansetzte, fuhr Abdul ihr über den Mund. »Kein Wort mehr! Du hast mit deiner dämlichen Eifersucht genug angerichtet. Diese Frau ist unschuldig. Niemals habe ich etwas Verbotenes mit ihr getan, ich schwöre. Und selbst wenn, was soll das Theater? Du bist meine Frau, ich dein Mann, die Rollen sind klar verteilt. Du hast mir nichts zu sagen. Punkt! Und jetzt verschwinde von hier, damit wir den Professor anrufen können. Ist vielleicht besser, wenn du ein paar Tage verreist.« Mit seinen letzten Worten steckte Abdul Isabella ein Bündel Geldscheine zu und gab ihr einen Klaps auf den Po.

»Das Geld sollte für ein paar Tage reichen. Mach damit, was auch immer du willst. Und wehe, ich höre irgendetwas von dir!«

Mit einer sparsamen, aber eindeutigen Geste verwies er Isabella des Raumes.

Sie stöhnte, hatte aber das Allermeiste mitbekommen. Erleichtert stellte sie fest, dass sich die Situation wieder ein klein wenig rosiger darstellte. Allerdings würde sie Omar im Auge behalten müssen. Noch mehr als zuvor.

»Du musst schnell herkommen, Professor«, hörte sie ihn sagen. »Und bring das große Besteck mit. Hier ist eine Menge Blut verloren worden.«

KAPITEL 7 – SOMMER 2022

Sie hatten sich diese zwei Wochen redlich verdient. Während Jutta Luginger ihre Doktorarbeit über Revisionsergebnisse von Knietotalendoprothesen geschrieben und bei ihrem Doktorvater abgegeben hatte, versuchte ihr Mann weiterhin, in der Veranstaltungsbranche Fuß zu fassen.

Im Gegensatz zu Jutta, der eine glorreiche Zukunft bevorstand, war Markus eine Art Lebenskünstler, der sich eher der Lächerlichkeit preisgab, als für den schnöden Mammon Dinge zu tun, von denen er nicht überzeugt war. Seine erste eigene kleine Agentur hörte auf den kitschigen Namen Heart’n’Soul-Booking und kümmerte sich um exakt drei Tribute-Bands. Das genau mochte einer der Gründe sein, warum ihn noch niemand so richtig ernst zu nehmen schien. Es war eine Art ungeschriebenes Gesetz in der Branche, dass die Künstler ein Repertoire mit eigenen Songs haben müssten, auch wenn sie noch so schlecht waren. Bei den Tribute-Bands konnte sich der Kunde sicher sein, dass das Publikum jeden Song kennen und mitsingen würde und dass sie bisweilen sogar besser klangen als das in die Jahre gekommene Original. Markus liebte eine ganz besonders: Sussudio – die Phil-Collins-Tribute-Band – waren, wenn sie das volle Besteck auffuhren, fast zehn Leute auf der Bühne, inklusive zweier Drummer und einem dreiköpfigen Bläser-Ensemble. Und bei In the Air Tonight lief Markus regelmäßig die Gänsehaut den Rücken rauf und wieder herunter.

»Woran denkst du?«, fragte Jutta, als sie den Zielflughafen Palermo erkennen konnten.

»An die EAV«, antwortete er und schaute in das wunderschöne Gesicht seiner Frau. Er würde nie aufhören, sie zu lieben und zu begehren.

»Aha, und muss ich die kennen?« Sie legte ihren Kopf auf seine Schulter, seufzte kurz und schloss die Augen. Landeanflüge waren noch immer ein Problem für die angehende Orthopädin.

»Heiße Nächte, heiße Nächte in Palermo«, begann ihr Mann zu singen. »Und ein kleiner Sizilianer fängt zum Weinen an«, fuhr er fort.

»Das klingt total bescheuert, und das soll witzig sein?«

Beleidigt schob er die Unterlippe vor. »Das ist ein klasse Song der Ersten Allgemeinen Verunsicherung aus Österreich.«

Juttas Augen öffneten sich wieder. »Aber singen die nicht eigentlich österreichisch?«

Markus ließ resigniert den Kopf sinken. »Ja, schon, aber du weißt auch, wie schlecht ich in so was bin.«

Sie musste lachen. »Bist deppert?«, fragte sie in lupenreinem Wiener Schmäh. »Dafür kannst du andere Sachen, mein Schatz.«

Er grinste. »Kann schon sein. Ich persönlich zweifle nicht daran, dass du genau das schon bald erfahren wirst. Ändert aber nichts daran, dass du keine Ahnung von Musik hast.« Jutta rammte ihm nun ihren Ellbogen in die Rippen. Nach einem kurzen Stöhnen setzte er sich zur Wehr und kitzelte sie.

»Halt, aufhören!«, rief sie. »Das ist unfair, ich ergebe mich. EDV sind super!«

Die anderen Passagiere schauten ein wenig irritiert in ihre Richtung.

Markus drückte seine Frau fest an sich. »EAV, nicht EDV, du Nuss«, flüsterte er.

Sie waren, was Musik anging, eigentlich nie einer Meinung. Lediglich bei einer Band waren sie sich einig, dass sie zu Unrecht so berühmt geworden war: Nickelback. Wenngleich er Jutta bei How you remind me zum ersten Mal geküsst hatte, aber das war purer Zufall gewesen. Wie so vieles in ihrer Beziehung aus dem Zufall heraus entstanden und richtig gut geworden war.

»Ich finde den Humor der EAV einfach umwerfend. Und außerdem rede ich mit dem Manager seit drei Monaten über eine Tour.«

Jutta richtete sich auf, obwohl die Maschine gerade leichte Turbulenzen zu überstehen hatte. »Das hast du mir ja noch gar nicht verraten.« Beleidigt schlug sie mit der Hand auf seinen Oberschenkel, dass es knallte. Ein paar Passagiere in ihrer Nähe erschraken.

»Sorry«, rief Markus ihnen zu und wandte sich dann wieder an seine Frau. »Ich wollte dich nicht während deiner Doktorarbeit damit belästigen. Außerdem ist wirklich noch nichts in trockenen Tüchern.«

---ENDE DER LESEPROBE---