Tödlich schöne Aussicht - Stefanie Maurer - E-Book
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Tödlich schöne Aussicht E-Book

Stefanie Maurer

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Beschreibung

Ein mörderischer Urlaub und eine lange Liste an Verdächtigen
Der Cosy Crime voller Heimlichkeiten und Wendungen im idyllischen Norditalien

Nach jahrelangen Ausreden folgt Nicole notgedrungen der Einladung ihrer Freundin Elena zum Lago d´Orta in Norditalien. Eine anstrengende Reise, eine beinahe Katastrophe und eine Begegnung mit einem unmöglichen Kerl später, findet sie das schicke Ferienhaus ihrer Freundin aber verlassen vor. In der Hoffnung auf Antworten sucht sie Elenas Nachbarn auf, der sich ausgerechnet als ebenjener Kerl entpuppt. Zunächst will Nicole nichts mit ihm zu tun haben, doch als ihre Freundin nicht auftaucht und die Polizei kein Verbrechen feststellen kann, benötigt sie Jans Hilfe. Die beiden raufen sich zusammen und suchen gemeinsam mit Jans treuer Hündin Sila nach Hinweisen auf Elenas Verbleib. Dabei stoßen sie auf mehr Verdächtige als erwartet und kommen sich widerwillig näher. Doch als im Zusammenhang mit einer laufenden Einbruchserie eine Leiche auftaucht, gerät ausgerechnet Jan unter Mordverdacht. Vertraut Nicole den richtigen Leuten und kann sie ihre Freundin rechtzeitig finden?

Erste Leser:innestimmen
„Ein Cosy-Crime, der mich von Anfang an in seinen Bann gezogen hat.“
„Die Autorin schafft es, die Spannung bis zum Schluss aufrechtzuerhalten und das vor einer wunderbaren italienischen Kulisse. Ein absolutes Must-read!“
„Ich liebe es, wenn ein humorvoller Krimi mich zum Grübeln und Miträtseln bringt.“
„Dieser fesselnde Whodunnit beginnt mit einem mysteriösen Verschwinden und entwickelt sich zu einem spannenden Kriminalfall.“

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 280

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Über dieses E-Book

Nach jahrelangen Ausreden folgt Nicole notgedrungen der Einladung ihrer Freundin Elena zum Lago d’Orta in Norditalien. Eine anstrengende Reise, eine beinahe Katastrophe und eine Begegnung mit einem unmöglichen Kerl später, findet sie das schicke Ferienhaus ihrer Freundin aber verlassen vor. In der Hoffnung auf Antworten sucht sie Elenas Nachbarn auf, der sich ausgerechnet als ebenjener Kerl entpuppt. Zunächst will Nicole nichts mit ihm zu tun haben, doch als ihre Freundin nicht auftaucht und die Polizei kein Verbrechen feststellen kann, benötigt sie Jans Hilfe. Die beiden raufen sich zusammen und suchen gemeinsam mit Jans treuer Hündin Sila nach Hinweisen auf Elenas Verbleib. Dabei stoßen sie auf mehr Verdächtige als erwartet und kommen sich widerwillig näher. Doch als im Zusammenhang mit einer laufenden Einbruchserie eine Leiche auftaucht, gerät ausgerechnet Jan unter Mordverdacht. Vertraut Nicole den richtigen Leuten und kann sie ihre Freundin rechtzeitig finden?

Impressum

Erstausgabe Dezember 2023

Copyright © 2025 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-98778-593-1 Taschenbuch-ISBN: 978-3-98778-866-6

Miturheberin: Miriam Frenke

Covergestaltung: Fenja Wächter unter Verwendung von Motiven von adobe.com: © BUDDEE, © janoka82, © castenoid, © apichart, © evannovostro Lektorat: Regina Meißner

E-Book-Version 12.06.2025, 10:48:42.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

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Tödlich schöne Aussicht

Prolog

Elena

Drei Tage zuvor

Lautes Poltern schreckt mich aus meinen Überlegungen hoch. Ausgerechnet jetzt. Die Lösung mit der passenden Strategie habe ich fast greifbar vor mir gesehen. Aber auch von dieser Art an Unterbrechung lasse ich mich nicht aufhalten. Ich kriege den Dreckskerl, ebenso wie all die anderen vor ihm. Das schwöre ich! Er wird bluten für seine Verbrechen und abscheulichen Taten, für jede einzelne Grausamkeit und all das Leid, das er meiner Mandantin zugefügt hat; selbst für Dinge, die er nicht einmal zu träumen wagt. Gerechtigkeit wird siegen und die Rache wird grandios sein! Nur ein kleines Detail fehlt noch, um den Plan abzurunden.

Mit einem Satz springe ich aus dem Liegestuhl und laufe los, um mir Notizen von den bisherigen Ergebnissen anzufertigen und dabei gleich die Ursache des Lärms zu ergründen; vermutlich eine umgefallene Vase oder Ähnliches.

Über die Terrasse betrete ich das Ferienhaus und entdecke einen dunkel gekleideten Mann bei der Kommode, der meine Handtasche durchwühlt. Ich sehe wohl nicht richtig.

»Hey!« Abrupt bleibe ich stehen und fauche meine anschwellende Wut hinaus: »Was fällt dir ein? Was zur Hölle hast du hier zu suchen?«

Der Mann fährt zu mir herum, erbleicht und öffnet den Mund, wohl um eine fadenscheinige Ausrede hervorzubringen, doch es dringt kein Ton über seine Lippen. Stattdessen weiten sich im nächsten Moment seine dunklen Augen.

Ein heftiger Schlag trifft meinen Hinterkopf. Noch während ich zu Boden stürze, explodiert ein überwältigender Schmerz in mir. Schwärze umfängt mich.

Zebrastreifen

Nicole

Heute

›Tuut – tuut.‹ Der Rufton dröhnt mir ins Ohr.

Seit Tagen dasselbe Spiel. Ehrlich gesagt habe ich nicht damit gerechnet, Elenas Stimme zu hören. Die Gewohnheit oder eher der Versuch, mir etwas von der Nervosität zu nehmen, hat mich dazu veranlasst, erneut anzurufen. Immerhin unternehme ich so eine weite Reise zum ersten Mal allein.

Frustriert drücke ich die Beendentaste und schmeiße das Handy auf den Beifahrersitz, nur um im nächsten Moment erschrocken die Augen aufzureißen. »Oh mein Gott!«

Mit voller Kraft trete ich auf die Bremse und reiße den Lenker herum. Die Reifen quietschen, der Wagen bricht aus. Er gerät ins Schleudern und dreht sich. Krampfhaft umklammere ich das Lenkrad. Es gibt einen Aufprall, der mich in den Gurt wirft und gleich darauf zurück in den Sitz presst.

Mit einem Mal ist alles still. Das Auto steht.

Mein Herz hämmert.

Schon wird die Autotür geöffnet. »Sei ferito?« Der Typ, der so plötzlich aus dem Wald auf die Straße gerannt ist, steckt den Kopf ins Wageninnere.

»Was?« Stöhnend betaste ich unter dem Gurt meine schmerzende Brust.

»Ah, eine Deutsche. Sind Sie verletzt?« Seine Aussprache ist einwandfrei, ohne jeglichen Akzent.

»Ich glaube nicht.« Mit zitternden Fingern drücke ich den Knopf vom Anschnallgurt. Erst beim zweiten Versuch klappt es.

»Gut.« Der Kerl richtet sich auf und hält mir die Hand hin. »Kommen Sie raus.«

Mit seiner Hilfe quäle ich mich mühsam aus dem Auto. Es hängt schräg im Graben. Kaum stehe ich halbwegs sicher, lässt der Fremde mich los und setzt einen Schritt zurück.

Leicht schwindlig blicke ich zu ihm hoch. »Dan…«

»Haben Sie sie noch alle?«, brüllt er los. Tiefe Falten zeichnen sich auf seiner dreckverschmierten Stirn ab. »Hier so herumzurasen! Haben Sie keine Augen im Kopf?«

Ach, so soll das ablaufen?

Wütend stemme ich die Hände in die Seiten. »Ich? Sie sind doch aus dem Nichts aufgetaucht und auf die Straße gesprungen!«

Er gibt ein Knurren von sich. »Da ist ein Zebrastreifen.« Mit ausgestrecktem Arm zeigt er auf die schmale Landstraße.

Ich kneife die Augen zusammen. Dort ist nichts zu sehen, also gehe ich auf die Stelle zu.

Wahrhaftig, ein paar Meter vor dem Wagen sind Streifen aufgemalt. Sie sind fast verblichen und durch die Schatten der Bäume noch schlechter zu erkennen. Auch ein Hinweisschild auf einen Fußgängerüberweg gibt es nicht.

Ungläubig wirbele ich zu dem Kerl herum. »Das ist ein Scherz! Erstens sieht man den gar nicht mehr und zweitens: Was hat ein Zebrastreifen auf der Landstraße zu suchen?«

»Landstraße? Wohl eher Waldweg. Er ist zwar befestigt, trotzdem fährt man hier langsam! Was ist, wenn ein Tier auf die Straße springt? Wollen Sie das auch einfach überfahren?«

»So auf die Straße springt wie Sie eben?«, frage ich aufgebracht. »Vorm Loslaufen schaut man sich um, das weiß doch jedes Kind. Wie kann man eigentlich ein leuchtend rotes Auto übersehen?«

»Schieben Sie nicht die Schuld auf mich. Was haben Sie hier überhaupt zu suchen? Die Straße führt nur zu Privatgrundstücken.«

»Das geht Sie gar nichts an! Außerdem, was wollen Sie denn hier? Laufen herum wie ein …« Erst jetzt betrachte ich ihn genauer. Der Mann ist vielleicht Anfang vierzig, groß, kräftig und braungebrannt. Seine Klamotten sind voller Erde und das Hemd ist zum Teil zerrissen. Etwas Laub hängt in den dunklen wuscheligen Haaren und Dreck im Dreitagebart. Die braunen Augen funkeln mich wütend an. Dennoch ist der Kerl insgesamt recht attraktiv. Das würde ich aber niemals zugeben. Mein Blick fällt auf den Schmutz unter seinen Fingernägeln. »… wie ein Gärtner!«

Die Brauen des Typen rucken nach oben. »Hochnäsige Schnepfe! Typisch Stadtmensch.« Schimpfend macht er auf dem Absatz kehrt und stapft davon. Nicht wieder in den Wald hinein, sondern die Straße entlang in meine Fahrtrichtung.

»Wo wollen Sie denn jetzt hin?«, rufe ich ihm hinterher. »Sie können mich doch nicht so hier stehen lassen. Das Auto ist kaputt. Wir müssen die Polizei informieren.«

Er winkt ab, ohne sich umzudrehen, geschweige denn zurückzukommen. »Machen Sie doch. Vielleicht nehmen die Ihnen ja den Führerschein ab. Besser wär es!«

Ich könnte platzen. So ein Arsch.

Der Typ verschwindet hinter der nächsten Kurve.

Verzweifelt laufe ich hin und her. Aber es nützt nichts, ich muss mir den Schaden anschauen. Also atme ich tief durch und überwinde mich endlich, meinen kleinen Wagen zu umrunden.

Die hintere rechte Seite ist beim Herumschleudern vor einen Baum gekracht. Sie ist eingedrückt und das Rad hängt schief. Definitiv ist das Auto nicht mehr fahrbereit.

Den Anruf bei der Polizei spare ich mir. Was sollte ich auch erzählen? Das heißt, falls sie mich überhaupt verstünden. Womöglich wären sie der gleichen Meinung wie der unmögliche Kerl. Ich habe mal gehört, entgegen dem typisch lässigen Ruf der Italiener sollen deren Polizisten weitaus weniger entspannt sein.

Stattdessen wähle ich die Nummer meines Autoklubs, um den Wagen abschleppen zu lassen. Die Dame am Telefon weist mich an, vor Ort zu warten, bis jemand vorbeikommt und den Schaden begutachtet.

Folglich stehe ich neben dem kaputten Auto und warte, mittlerweile seit einer Stunde. Glücklicherweise ist es Mittag und hell genug im Wald. Ansonsten wäre es mir ein wenig unheimlich, denn in der ganzen Zeit erscheint kein weiterer Wagen; auch kein Motorrad, Fahrrad oder sonst etwas. Lediglich das Rascheln der Blätter im Wind ist zu hören und ab und zu ein leises Knacken. Wo bin ich hier nur gelandet? Am Ende der Welt? Und warum um Himmels willen ist der Kerl genau in dem Moment auf die Straße gesprungen, als doch einmal ein Auto vorbeifährt?

Das nicht allzu dichte Blätterdach lässt die Sonnenstrahlen bis zu mir durchdringen. Ich folge den hellen Stellen auf dem Asphalt, um in meinem dünnen Kleid nicht zu frieren. Selbst das Jäckchen, das ich mir aus dem Auto hole, nützt nicht viel.

Leichtes Kopfweh setzt ein und die Druckstellen des Gurtes schmerzen. Ansonsten scheine ich den Unfall unbeschadet überstanden zu haben.

Meine nächsten Versuche, Elena zu erreichen, bleiben genauso erfolglos wie die der letzten Tage. Das macht mir langsam Sorgen. Weit weg von zu Hause stehe ich mit einem kaputten Auto in Italien und fühle mich verlassen. Aber zumindest bin ich laut Navi auf dem Smartphone am richtigen Ort und habe mich nicht wie befürchtet verfahren.

Endlich taucht etwas auf der Straße auf, knapp zwei Stunden musste ich warten. Ein Abschleppwagen nähert sich und hält neben mir an.

Luxushäuschen

Meine bisherigen Erfahrungen mit den Menschen hier vor Ort beschränken sich auf den unmöglichen Kerl von vorhin, deswegen bin ich überrascht, wie nett der junge Werkstattmitarbeiter ist. Und das, obwohl ich sein gebrochenes Deutsch kaum verstehe. Er fährt mich sogar die restlichen Kilometer bis zu Elenas Grundstück. Jetzt wendet er, winkt mir noch einmal zu und verschwindet mit meinem kaputten Auto auf der Ladefläche.

Drei Stunden später als angekündigt stehe ich mit dem Griff des Trolleys in der Hand und der Jacke überm Arm in der Einfahrt und blicke auf Elenas Ferienhaus.

Es sieht genauso aus wie auf den Bildern, die sie mir gezeigt hat. Das Gebäude ist zwei Etagen hoch, vielleicht auch drei. Schwer zu sagen bei den vielen Dächern, Winkeln und Sprossenfenstern in den verschiedensten Größen. Die Steine der Außenwände verleihen dem Haus einen mediterranen Touch, trotzdem wirkt es modern. Ein seitlicher Rundbogen dient vermutlich als Durchgang zum hinteren Garten.

Manche würden sich über so ein Ferienhaus als Hauptwohnsitz freuen. Mir wäre es eher schon zu viel.

Dieses Luxushäuschen passt zu Elena. Sicher ist es innen nicht weniger nobel ausgestattet als ihr Penthouse in München. Meine Freundin stellt ihre finanziellen Mittel gern zur Schau, was ihr hier auf jeden Fall gelungen ist.

Ein gepflasterter Weg windet sich durch den gepflegten Vorgarten. Staunend folge ich ihm bis zur Haustür.

Auf einem verzierten Messingschild ist Elena und Horst Neubert zu lesen. Das hat sie also noch nicht geändert. Dabei habe ich erwartet, sie würde sofort nach ihrer Ankunft alle Hinweise auf Horst beseitigen.

Ich drücke den runden Klingelknopf und sehe mich weiter um.

Ein anderer Pfad führt zu einem verlassenen Carport, der etwas abseits steht. Gut versteckt vor neugierigen Blicken aus Richtung Straße.

Da aus dem Haus nichts zu hören ist, klingle ich erneut. Langsam kehrt meine Nervosität zurück. »Elena?« Rufend suche ich die Fenster nach einer Bewegung ab. Das ist ebenso vergebens wie ein vorsichtiges Rütteln an der Tür. Sie ist zugesperrt.

Unschlüssig kaue ich auf der Unterlippe herum. Bei meiner Verspätung ist es kein Wunder, dass Elena nicht hinter der Tür steht und mich erwartet. Vielleicht ist sie im Garten und hat das Klingeln nicht gehört. Ich greife den Trolley und gehe durch den Rundbogen. »Elena, bist du da?«

Nach der zweiten Hausecke bleibe ich überrascht stehen. Eine Terrasse mit modernen Gartenmöbeln liegt vor mir, umgeben von wuchtigen Steinen und Olivenbäumchen. Dahinter erstreckt sich das Grundstück bis zum Wasser, auf dessen Oberfläche sich die Sonnenstrahlen brechen und den Ortasee glitzern lassen. In der Ferne sind Ruderboote und Kajaks zu erkennen. Auf der anderen Seeseite schmiegt sich eine kleine Ortschaft an den Fuß des dicht bewaldeten Berges. Einzeln stehende Gebäude lugen den Hang hinauf zwischen den Bäumen hindurch.

Die Fotos werden der Aussicht bei weitem nicht gerecht. Auch haben sie mich nicht auf die Ruhe vorbereitet, die hier herrscht. Natürlich nicht. Nur leises Plätschern und das Zwitschern einiger Vögel sind zu hören.

Ein Glücksgefühl steigt in mir auf: Die nächste Woche wird genial. Am liebsten würde ich mich direkt in die große Hollywoodschaukel hinten auf der Terrasse setzen, einen Cappuccino trinken und ein gutes Buch lesen. Ich kann es kaum erwarten.

Aber erst einmal muss ich die Hausherrin finden.

Terrassentür und sogar Fliegentür stehen offen, also kann sie nicht weit weg sein. Wahrscheinlich ist sie wirklich hier draußen gewesen, als ich geklingelt habe und nun vorn am Eingang.

Ich klopfe leise an und trete ein. »Elena? Ich bin es, Nicole. Die Tür stand offen.«

Eine gespenstische Stille schlägt mir aus den Tiefen des Hauses entgegen.

Das darf nicht wahr sein! Unbehaglich krame ich mein Smartphone hervor und wähle gewiss zum zwanzigsten Mal am heutigen Tag Elenas Nummer. Wie gehabt ertönt der Rufton, aber das Klingeln ihres Telefons ist nicht zu hören. Vielleicht ist es kaputt oder einfach auf lautlos. Kurzerhand stelle ich den Trolley an die Wand und laufe los, um das für mich fremde Haus abzusuchen. Verzweiflung lässt einen wohl die gute Erziehung vergessen. Außerdem muss ich mal.

Im Wohnbereich fällt mir sofort ein überdimensioniertes Bild von Elena auf, das beinah die Hälfte der Wand einnimmt. Schick angezogen, mit ihren langen roten Haaren, die in Wellen über die schlanken Schultern fallen, und dem aufgeschlossenen Lachen. Ihre fünfundvierzig Jahre sieht man ihr nicht an.

Bei einem Vergleich mit meiner Freundin schneide ich schlecht ab. Schon längst zeigen sich bei mir Falten, obwohl ich erst im Herbst vierzig werde. Auch tauchen immer öfter vereinzelt graue Haare zwischen den naturbraunen auf; bisher konnte ich sie alle auszupfen.

Zumindest die Gästetoilette ist schnell zu finden. Nach einem prüfenden Blick in den Spiegel spritze ich mir etwas Wasser ins Gesicht. Die Erfrischung ist dringend nötig, schließlich hat für mich der Tag bereits sehr zeitig begonnen.

Dann laufe ich weiter, schaue in jeden Raum hinein und rufe nach Elena. Zehn Minuten später gibt es keinen Zweifel mehr: Das Ferienhaus ist verlassen.

Auf dem Weg zurück zur Terrasse, um im Garten weiterzusuchen, lese ich mit spitzen Fingern einen schmutzigen goldenen Dekolöwen vom Boden auf und stelle ihn grinsend auf dem Wohnzimmertisch ab. Die letzten zwei Wochen haben Elena gereicht, um ein ziemliches Chaos zu verursachen. Das ist meine Freundin, wie sie leibt und lebt. In München hat sie eine Putzfrau engagiert, da sie mit diesem Haushaltskram einfach nichts am Hut hat. Dennoch schafft sie es selbst dort, immer irgendwo etwas herumliegen zu lassen. Hier hätte sie die Hilfe definitiv auch nötig. Sogar oben in der ersten Etage liegt Dreck.

Die Fliegentür ziehe ich sorgfältig hinter mir zu, bis sie mit einem leisen Klacken einrastet, und gehe in den großen Garten.

Im gleichen Stil wie vorm Haus führt ein von Lichtkugeln gesäumter Pfad hinunter zum See. Eine halbhohe Mauer dient als Grenze zum Wald hin, auch auf der anderen Seite lugt sie durch einige Büsche und Bäume hindurch.

Vor einer von Jasminsträuchern umgebenen Sitzecke bleibe ich stehen und betrachte die beiden Skulpturen, die sich hinter der Bank die Hände entgegenstrecken, ihre Fingerspitzen berühren sich. Die Geste erinnert mich an ein Gemälde, ich glaube von Michelangelo. Vielleicht liegt es auch daran, dass das Pärchen nackt ist. Als mir bewusst wird, was ich die ganze Zeit anstarre, spüre ich schlagartig Hitze in mir hochsteigen und setze schnell meinen Weg zum Ufer fort.

Bis zum Wasser mit dieser unglaublich blauen Farbe gelange ich allerdings nicht. Große Steine grenzen den ebenen Garten ab wie ein Schutzwall und ziehen sich die steile Böschung hinunter, zwischendrin wachsen etliche Büsche. Einzig rechts nahe dem Wald gibt es eine Möglichkeit, über eine geschützte Stelle den See zu erreichen. Oder aber man ist so verrückt und springt vom Anleger in der Mitte. An dem Steg ist ein kleines Ruderboot festgebunden, was mich etwas erstaunt. Eigentlich hätte ich Elena eher ein Motorboot zugetraut. Doch davon ist genauso wenig zu sehen wie von ihr selbst.

Vielleicht ist sie noch mit dem Auto weg, irgendetwas erledigen und hat nicht länger warten können. Das würde auch den leeren Carport erklären. Die Terrassentür wird sie für mich geöffnet haben. Aber eine Nachricht hätte sie mir dennoch hinterlassen oder einfach einmal einen Anruf annehmen können.

Das alles passt so gar nicht zu meiner Freundin. Sie verspätet sich zwar oft bei einer Verabredung, eigentlich immer, aber dass sie kommentarlos fernbleibt und zudem tagelang nicht zu erreichen ist, ist noch nie vorgekommen. Sonst meldet sie sich ständig bei mir, auch aus dem Urlaub, wenn man für gewöhnlich seine Ruhe haben möchte.

In Gedanken versunken kehre ich zur Terrasse zurück, setze mich in die Hollywoodschaukel und warte.

Nach einer Stunde überwinde ich mich und hole mir ein Wasser aus dem Kühlschrank. Wäre Elena hier, hätte sie mir längst etwas zu trinken angeboten. Ihre Vorwürfe möchte ich nicht hören, sollte sie von meinem Durst erfahren.

Während ich in der Küche ein paar offenstehende Schubladen schließe, fällt mein Blick auf eine Pinnwand. In dem Kalender ist mein Name mit einem Herzchen beim heutigen Datum eingetragen. Okay, vergessen hat sie mich nicht. Daneben hängt die Speisekarte eines Lieferdienstes, den ich mir niemals leisten könnte. Ein paar Infoflyer von Sehenswürdigkeiten und ein Schifffahrplan sind ebenso angepinnt wie ein angefangener Einkaufszettel und eine Visitenkarte.

Mein Herz macht einen Satz. Warum bin ich nicht früher auf die Idee gekommen?

Die Flasche Wasser trinke ich in einem Zug halb aus, stelle sie hinten auf die Anrichte und eile los.

Bello

Hastig umrunde ich das Gebäude, laufe vorn durch den Garten, am Carport vorbei und stehe wieder auf der Straße.

Zum Glück ist die Gegend einsam. In dem dichten Wald auf der anderen Straßenseite gibt es sicherlich ebenso wenig ein Haus wie in der Richtung, aus der ich vorhin gekommen bin. Bei der Fahrt mit dem Abschleppwagen habe ich mir alles aufmerksam angeschaut, um Elenas Anwesen nicht zu verpassen.

Also wende ich mich nach rechts und marschiere den schmalen Seitenstreifen entlang. Nicht weit, nur etwa hundertfünfzig Meter bis zum nächsten Grundstück. Das muss es sein.

Elena hat mir von ihrem Nachbarn erzählt, einem Ferienhausbetreuer. Er kümmert sich um alles, wenn sie nicht vor Ort ist. Sollte irgendetwas vorgefallen sein, weiß er bestimmt Bescheid.

Entschlossen öffne ich das Tor und betrete den Vorgarten.

Ein Bellen setzt ein und schon rast ein schwarzes Etwas auf mich zu. Erschrocken weiche ich zurück, pralle gegen das Gartentor und verschließe mir damit selbst den Fluchtweg. Allerdings scheint der Hund es sich anders zu überlegen und mich doch nicht fressen zu wollen: Schwanzwedelnd springt er an mir hoch.

Ich muss lachen und entspanne mich wieder. »Ist ja gut, Bello. Ich bin kein Einbrecher.«

Vorsichtig tätschele ich seinen Rücken, was sich der süße Kerl widerstandslos gefallen lässt. Auf allen vieren stehend reicht er mir bis zu den Knien. Das schwarze Fell ist lang und weich, der weiße Kranz um den Hals zieht sich die Brust hinunter bis zu den braun-weiß-gestiefelten Beinen. Auch die Schwanzspitze ist weiß. Doch am besten gefällt mir dieses hübsche feine Gesicht, es ist verziert mit einer Blesse sowie braunen Flecken über den Augen und neben der schmalen Schnauze.

Bello scheinen die Streicheleinheiten zu gefallen: Sobald ich die Hand wegziehe und mich aufrichten will, stupst er mich auffordernd an und sorgt so dafür, dass ich doch weitermache.

Aber ich bin aus einem anderen Grund hier, das sollte ich nicht vergessen.

»Ist denn dein Herrchen da?« Ich richte mich endgültig auf und nicke zu dem Holzhaus hinüber, an dessen Seiten vorbei sich mir der faszinierende Blick auf den See bietet.

Als ob Bello meine Worte verstanden hätte, flitzt er ein paar Meter darauf zu, kommt zurück und begleitet mich auf meinem Weg. Dabei springt er mir ständig um die Beine.

Das Haus ist halb so groß wie Elenas, aber wirkt von außen viel gemütlicher. Vielleicht, weil es mit seiner schlichten Bauweise und der warmen Holzfassade nicht so stylish, sondern eher natürlich ist. Zwei Treppenstufen führen zu einer kleinen Veranda. Auf dem Klingelschild neben der Tür ist Jan Töpfer zu lesen, der Name von der Visitenkarte.

Endlich klappt mal etwas.

Erleichtert drücke ich auf die Klingel und klopfe gleichzeitig an.

»Kein Stress, ich komme ja schon«, ruft jemand im Haus. Schritte sind zu hören.

Bello sitzt schwanzwedelnd neben mir und sieht mich mit seinen braunen Kulleraugen erwartungsvoll an. Wie kann man da widerstehen? Also kraule ich ihm den Kopf.

»Sie schon wieder!«

Der harsche Ausruf lässt mich entsetzt aufblicken.

In der geöffneten Tür steht der unmögliche Mann von der Straße, nur mit Jeans bekleidet. Seine Haare sind nass und der ganze Dreck ist weg, mitsamt dem Bart. Kurz starre ich ihm auf den durchtrainierten Oberkörper, bevor mein Blick auf einige seltsame Kratzer an den Armen fällt.

Während er mich grimmig mustert, zieht er sich ein dunkles Hemd über und knöpft es zu. »Was wollen Sie denn hier? Haben Sie doch die Polizei gerufen? Woher wissen Sie eigentlich, wo ich wohne? Sind Sie mir etwa gefolgt? – Und nehmen Sie die Finger von meinem Hund!«

Das darf ja wohl nicht wahr sein! Mit den Streicheleinheiten höre ich tatsächlich auf, aber nicht, weil der Kerl es von mir verlangt, sondern weil Bello gewiss meine einsetzende Wut spürt. »Das Letzte, was mir einfallen würde, ist Ihnen zu folgen!«

Ein abfälliges Grinsen erscheint in seinem Gesicht. »Sieht aber nicht so aus.«

»Eigentlich wollte ich es gut sein lassen, um mir den Urlaub nicht noch mehr zu vermiesen. Aber so, wie Sie sich aufführen, überlege ich mir das noch einmal anders. Wenn ich Elena gefunden habe, werde ich mich mit ihr beraten, wie wir Sie drankriegen. Schließlich sind Sie mir vors Auto gesprungen. Der Wagen ist kaputt. Wenn ich Glück habe, bekomme ich ihn nächste Woche wieder.«

»Sie drohen mir?«

»Ganz genau. Ich drohe Ihnen! Sie werden sich noch wundern«, schreie ich und stapfe die zwei Stufen hinunter, um auf schnellstem Weg das Grundstück mitsamt diesem unverschämten Menschen zu verlassen. Dann fällt mir allerdings ein, warum ich überhaupt hier bin. Notgedrungen drehe ich mich wieder um und muss jetzt auch noch zu ihm hochblicken. »Wo ist Elena eigentlich?«

Selten habe ich eine so finstere Miene gesehen wie bei ihm. Er atmet mehrfach tief durch und scheint um seine Beherrschung zu ringen. »Sie fragen mich allen Ernstes nach der Frau, mit deren Hilfe Sie mich drankriegen wollen?«

Wenn er das so sagt … Vielleicht ist es nicht allzu schlau von mir, ihn zu reizen. Ich bin auf seinem Grundstück, in einer einsamen Gegend. Niemand würde mich schreien hören, wenn er es darauf anlegt. Was will ich mit meinen paar Kilos schon gegen ihn ausrichten? Und der Selbstverteidigungskurs ist viel zu lang her, ich erinnere mich kaum mehr. Auch Bello wäre mir keine Hilfe. Er liegt neben seinem Herrchen auf dem Boden, nur die Augen wandern wie beim Tennis ständig zwischen uns hin und her. Wie hat so ein Kerl eigentlich einen so freundlichen Hund verdient?

Jetzt nur nichts anmerken lassen. »Ja. Hat sie Ihnen etwas erzählt?«

Die Arme verschränkt er vor der Brust, wobei sich der Stoff des Hemdes gefährlich spannt. »Warum sollte ich Ihnen das sagen?«

Gute Frage. Weil er nett ist? Nein, das ist er nicht. Weil sich das so gehört? Nein, Anstand scheint ihm egal zu sein, ansonsten hätte er mich vorhin nicht so stehen lassen. Außerdem öffnet man auch nicht halb nackt eine Tür.

»Weil sie verschwunden ist«, kläre ich ihn auf. »Okay, ich war dank Ihnen viel zu spät dran. Aber ich kann sie auch auf dem Handy nicht erreichen. Also, wissen Sie etwas?«

»Vielleicht sollten Sie mir erst einmal verraten, von wem Sie überhaupt reden.«

Der tut doch nur so. Bei meinen Worten hat er eindeutig in Richtung von Elenas Grundstück geschielt.

»Elena Neubert«, schnauze ich ihn an. »Ihre Nachbarin. Ihre Kundin. Also die Frau, die Sie bezahlt. Eigentlich sollten Sie sie kennen.«

»Ach, und Sie fragen jetzt ihren Gärtner um Hilfe?«

Schon klar, das ist vorhin nicht mein bester Spruch gewesen.

»Vergessen Sie es einfach! Ich bitte Sie gewiss nicht um Hilfe.« Wütend drehe ich mich um und verlasse das Grundstück.

Stil: Rosarot

So ein Idiot! Bevor ich den um Hilfe bitte, muss schon einiges mehr passieren. Das Tal mitsamt See zufrieren oder so. Vor mich hin schimpfend laufe ich am Straßenrand entlang zurück.

Was für eine blöde Idee von mir. Elena ist sicher längst wieder da und wundert sich, wo ich stecke.

Leider erfüllt sich meine Hoffnung nicht, denn von meiner Freundin fehlt weiterhin jede Spur. Erneut suche ich das ganze Grundstück ab, einzig auf dem See habe ich bislang nicht nachgeschaut. Womöglich ist sie schwimmen gegangen. Oder sie besitzt doch ein Motorboot, ist damit hinausgefahren und hat die Zeit vergessen.

Ich stelle mich auf den Anleger neben das kleine Ruderbötchen und schirme die Augen ab. Auf dem See ist reichlich los: Boote mit mehreren Ruderern, Tretboote und Kajaks sind unterwegs, sogar das Ausflugsschiff. Aber alle weit weg und Schwimmer sind an der glitzernden Wasseroberfläche nicht zu erkennen. In meiner Umgebung ist sie nahezu unbewegt. Nur eine Entenfamilie hält aufs Ufer zu, wo ich nun auch suche. So erfolglos wie bisher.

Darüber allerdings bin ich erleichtert. Die grausigsten Bilder sind mir bereits durch den Kopf gespukt, wie Elenas Körper im Wasser treibt.

Ratlos wende ich mich ab, als mir ein rosa Schimmern auffällt.

Ohne lang zu überlegen, verlasse ich den Anlegesteg und laufe auf die Uferböschung unterhalb der Sitzecke zu. »Elena?«

Die letzten Meter muss ich klettern – und rutsche prompt auf den großen Steinen aus. Meine Güte, wenn ich mir hier nur nicht die Knochen breche. Vielleicht sollte ich besser versuchen, mein Ziel mit dem Boot zu erreichen. Aber abgesehen davon, dass ich nicht weiß, wie man es steuert, würde ich wahrscheinlich direkt beim Einsteigen ins Wasser fallen; passend zu meinem Glück heute.

Irgendwie gelange ich zu der Stelle oberhalb des Schimmerns und erkenne ein Stück Stoff. Es sieht aus wie einer von Elenas Lieblingsschals. An die Diskussion über ihre Farbauswahl erinnere ich mich genau. Sie hat gemeint, Rosa zu den roten Haaren habe mehr Stil, als wenn sie mit Gelb oder Blau wie ein Papagei herumliefe.

Der Schal hängt an den Büschen, die am steilen Ufer hochwachsen. Mit einer Hand an einem Felsbrocken festhaltend, beuge ich mich vorsichtig vor und greife danach. Er hat sich in den Dornen verfangen und lässt sich nicht lösen. Hoffentlich zerreißt er nicht bei meinen Bergungsversuchen. Ich rücke noch ein Stückchen nach vorn, um besser hantieren zu können.

Zu weit.

»Aaaah!« Kopfüber stürze ich die Böschung hinunter, direkt in den See. Eisiges Wasser umfängt mich und strömt mir bis in den Hals. Es erstickt meinen Schrei. Panisch rudere ich mit den Armen, um wieder nach oben zu gelangen.

Wo ist oben? Weder meine Füße noch die Hände finden Halt.

Plötzlich tauche ich auf, spucke Wasser und schnappe keuchend nach Luft. Keine Ahnung, wie ich das geschafft habe. Ein Hustenanfall schüttelt mich durch.

Als ich mich schließlich dem Gebüsch zuwende, bin ich halb erfroren, so kalt ist das Wasser. Zitternd greife ich nach dem Schal und löse ihn vorsichtig von den Dornen.

Am Ufer entlang schwimme ich ein paar Meter hin und her und tauche noch einmal ab, um mich unter Wasser umzusehen. Nass wie ich bin, macht das keinen Unterschied mehr. Obwohl ich meterweit in die Tiefe blicken kann, erkenne ich sonst nichts Auffälliges.

Also schnell raus hier. Nur nicht durchs Gebüsch, ich möchte gern unverletzt bleiben. Es grenzt sowieso an ein Wunder, dass ich mir nicht wehgetan habe. Außerdem ist das Ufer zu steil. Den Schal wickle ich mir um den Hals und kraule hinüber zum Anleger.

Eine Leiter oder sonstige Ausstiegshilfe gibt es nicht, nur das Ruderboot. Ich packe an dessen Rand und stoße mich ab. Es fängt gefährlich an zu wanken. Nach mehrmaligen Anläufen schwinge ich ein Bein hinein, gleichzeitig gerät das andere unter den Rumpf. Wie ein Klammeraffe hänge ich an der Außenseite des Bootes, während es kippt. In Zeitlupe neigt es sich mir zu.

Schreiend lasse ich los und schlucke wieder Seewasser, als der Schwung mich untertauchen lässt. Das Boot knallt zurück und springt noch einmal hoch, fast hätte es mich getroffen. Mit heftig klopfendem Herzen bringe ich mich in Sicherheit, schwimme zum Pfosten des Anlegestegs und halte mich daran fest.

Die ausgelösten Wellen klingen ab und ich atme tief durch. Ich muss das irgendwie anders versuchen. Meinen Körper spanne ich an, trete mit den Beinen nach unten und springe aus dem Wasser, um die Balken des Anlegers zu erreichen. Zumindest ist das der Plan und meine Minihüpfer werden sogar mit jedem Mal ein bisschen höher. Bei den Bemühungen komme ich mir aber derart lächerlich vor; hoffentlich sieht mich niemand. Denn so sehr ich mich auch anstrenge, es ist ebenso vergebens, wie den Pfosten hochzuklettern. Ich bin eindeutig zu klein oder habe zu wenig Kraft. Wie dem auch sei, meine Finger gelangen nicht einmal bis in die Nähe der Balken.

Ein Schluchzen entfährt mir. Ich werde sterben. Entweder erfriere ich in diesem Eiswasser oder ertrinke, sobald mich die restliche Kraft verlässt.

Über mir sind Geräusche zu hören. Ein schwarzer Schatten fliegt vom Anlegesteg herunter und landet mit einem gewaltigen Platschen im Wasser. Erschrocken kreische ich auf und umklammere den Pfosten.

Kurz darauf durchbricht ein Hundekopf die Wasseroberfläche.

Ich stoße ein erleichtertes Lachen aus, es klingt selbst für mich etwas atemlos. »Mensch, Bello, hast du mich erschreckt.«

Der Hund paddelt zu mir und umkreist mich. Er schwimmt erstaunlich gut.

»Was machst du denn hier? Willst du mich etwa retten? – Und was meinst du, wie kommen wir heraus?«

Leider gibt mir Bello keine Antwort. Dafür sind Schritte auf dem Steg zu hören.

»Um diese Jahreszeit ist das Wasser noch recht kalt«, erklärt auch schon eine tiefe Stimme über uns. »Obwohl Sie offenbar vorziehen, in Klamotten zu schwimmen, wird das nicht viel nützen.«

Ich sehe regelrecht vor mir, wie Elenas Nachbar auf dem Anleger steht und schadenfroh grinst. Warum muss ausgerechnet er mich in dieser Notlage finden?

»Das merke ich selbst«, blaffe ich durch die Schlitze zwischen den Holzbohlen zurück.

»Gut. Soll ich wieder gehen oder wollen Sie mich doch um Hilfe bitten?«

Nur mühsam widerstehe ich dem Drang, das Ufer erneut nach einer Ausstiegsstelle abzusuchen. Es gibt keine Möglichkeit. So schlucke ich meinen Stolz herunter, rücke ein Stück von dem Pfosten ab und blicke zähneknirschend zu dem Kerl hoch. »Würden Sie mir bitte heraushelfen?«

Ein zufriedener Ausdruck huscht über sein Gesicht. »Aber gern doch. Der Gärtner steht Ihnen selbstverständlich zu Diensten.« Mit einem Knurren lässt er sich auf die Knie nieder, beugt sich vor und streckt mir eine Hand entgegen.

Grimmig betrachte ich sie, das ist beinah zu viel für mich. Kurz schließe ich die Augen und atme tief durch. Als ich sie wieder öffne und zupacken will, hat er seine Hand bereits weggezogen.

»Wohl doch nicht«, stellt er achselzuckend fest und macht Anstalten, sich aufzurichten. Es ist ihm ohne weiteres zuzutrauen, dass er mich auch hier zurücklässt.

»Doch!«, rufe ich panisch und halte ihm nun meinerseits die Hand hin. »Bitte!«

Ehe ich mich versehe, packt der Nachbar sie und die Planken des Anlegers rasen auf mich zu. Oder eher umgekehrt. Scheinbar mühelos zieht er mich aus dem Wasser, nimmt zwar noch die zweite Hand hinzu, aber schon krabble ich neben ihn auf den Steg.

»Danke.« Leicht verwirrt von der schnellen Rettung erhebe ich mich. Triefend nass.

Mein dünnes Kleid klebt mir viel zu eng an der Haut und regt sicherlich mehr die Fantasie an, als etwas zu bedecken. Genau das sagt mir auch der Blick des Kerls, denn aufs Neue beweist er seinen fehlenden Anstand und mustert mich unverhohlen. Unbehaglich wische ich mir einige Haarsträhnen aus dem Gesicht.

Um ihn abzulenken, deute ich ins Wasser. »Und der Hund?«

Bello paddelt umher und scheint seine Freude zu haben. Allerdings fehlt mir die Vorstellung, wie man ihn dort herausziehen soll. Das klappt sicher nicht so einfach wie bei mir.

Der Nachbar stößt einen kurzen Pfiff aus. »Kommt gleich.«

Tatsächlich dreht sich Bello einmal im Kreis, paddelt zum Ufer und schwimmt an ihm entlang. Hinter einer kleinen Biegung verschwindet er aus meinem Blickfeld.

Nervös wickle ich Elenas Schal ab und halte ihn mit vor Kälte zitternden Händen vor mich. »Na schön, können wir dann bitte mit diesem Gärtnergemache aufhören?«

»Ich habe nicht damit angefangen.« Sein Blick ist unerwartet ernst, irgendwie verbissen. Ist er etwa gekränkt?

Ein schlechtes Gewissen flammt in mir auf. »Ist ja gut, es tut mir leid. Ich habe mit Sicherheit nichts gegen Gärtner. Ganz im Gegenteil, das ist ein ehrenwerter Beruf«, erkläre ich und ärgere mich gleichzeitig darüber. Eigentlich ist das zu viel Entschuldigung für den Typen. »Das nächste Mal lasse ich mir ein richtiges Schimpfwort einfallen.«

»Auf diese Stadtweisheit bin ich schon gespannt.« Mit einem kaum wahrnehmbaren Grinsen nickt er zu Elenas Ferienhaus hinüber. »Jetzt gehen Sie heiß duschen. Treppe hoch und zweite Tür links. Handtücher finden Sie im hinteren Schrank, Duschzeug vorn beim Waschbereich.«

Verwundert reiße ich die Augen auf. Er kennt sich ja ziemlich gut aus – selbst für einen Hausbetreuer. Aber um das zu klären, ist es eindeutig zu kalt.