Tödlicher Sud - Harald Weiß - E-Book

Tödlicher Sud E-Book

Harald Weiss

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Beschreibung

In ihrem fünften gemeinsamen Fall bekommen es die ungleichen Kommissare Sepp Kartl und Max Neuner mit Übersinnlichem zu tun. Die Ereignisse schlagen diesmal hohe Wellen in Kartls Privatleben, denn nach und nach sterben ehemalige Klassenkameraden von ihm. Alle Spuren führen zu seiner Schulfreundin Gerda – diese hat sich jedoch genau ein Jahr vor dem ersten Mord das Leben genommen. Alle Opfer starben am Gift der Eibe, und als ein Amulett mit Hexensymbolen am Tatort auftaucht, wird klar, dass sie es hier mit einer modernen Hexe zu tun haben, die zu allem bereit ist, um Gerda zu rächen. Um die Wahrheit hinter den perfekt geplanten Morden zu finden, muss Kartl in sich gehen und sich daran erinnern, was damals auf dem Klassentreffen wirklich passiert ist. Kurz vor Samhain, dem Fest von Tod und Wiedergeburt, kommt es zu einem unerwarteten Showdown.

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Inhaltsverzeichnis

Tödlicher

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Nach den fränkischen Krimis (Spiel des Schattens, Die Mondfrauen, Das Minzblatt, Eiszapfen) veröffentlicht der

Autor Harald Weiss (63), aus Schwanstetten, den fünften Krimi mit den

Kommissaren Kartl und Neuner.

Foto: privat

Alle in diesem Buch geschilderten Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden und verstorbenen Personen wären zufällig und nicht beabsichtigt.

Biografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiografie, detailliertere biografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Impressum: Harald Weiß Further Str. 22

90596 Schwanstetten

Herstellung und Verlag:

© 2024 Harald Weiss ISBN: 979-88-75585784

Alle Rechte vorbehalten Lektorat / Korrektur:

Textcheck Agency / Michaela Marwich Cover: Dianas Design Studio

Fotos: Depositphotos Printed in Germany 2024 Fränkischer Krimi Originalausgabe www.haraldweiss.info

Die Handlung des fünften Teils ist unabhängig von den bereits erschienenen Bänden.

Für Claudia

Harald Weiss

Tödlicher

Sud

Kartl und Neuner: Ihr fünfter Fall

Fränkischer Krimi

1

Blut. Überall. Wie es an den Fingern klebt. Igitt, das pappt. »Pfui«, schrie sie angewidert. Weit streckte sie ihre Hände von ihrem Körper weg.

»Nein, es funktioniert nicht«, fluchte sie mit kräftiger Stimme zu sich. »Ich denke mir was Neues aus.« Der erste Versuch zum perfekten Mord endete im Fiasko.

Zu brutal, zu dreckig, zu banal. Ein Mord ohne Blut. Ja, das gefiel ihr.

Hoffnung breitete sich aus. Sie packte das getötete Huhn weg, säuberte das Beil und gönnte sich eine lange heiße Dusche. Ich ertränke ihn. Das ist genial.

Langsam verschwand der Hass in ihr. Erschöpft drehte sie den Wasserhahn zu, trocknete sich ab und verkroch sich ins ungemachte Bett. Was ist der perfekte Mord?

Ein leises Geräusch an der Haustür unterbrach ihren Schlaf. Besorgt kroch sie aus dem Bett. Sie schlich aus dem Schlafzimmer. Erneut ein Rascheln. Ein kalter Schauer lief ihren Rücken hinunter.

Auf Zehenspitzen bewegte sie sich vorwärts.

Da, wieder. Dieser Ton. In ihrem Kopf hämmerte

es. Kurz vor der Eingangstür spürte sie die Anwesenheit einer fremden Person. Ich bin nicht allein. Ihr Atem stockte. Panik kontrollierte ihre Gedanken. Was mache ich? Wegrennen?

Sie versuchte zu schreien. Gleichzeitig stülpte ihr jemand einen Sack über den Kopf. Ein Band schloss sich eng um ihre Kehle. Sofort erstarb der beginnende Schrei. Mit all ihrer Kraft wehrte sie sich. Zwei oder drei Personen bändigten ihren zappeligen Körper und zerrten sie aus dem Gebäude.

Kalter Wind wehte gegen ihre spärlich bedeckte Haut. Sie zitterte. Ihre Beine versagten. Ihre Füße schleiften über den harten ausgetrockneten Boden. Die bringen mich auf die kleine Anhöhe, ahnte sie. Seltsame Wortfetzen drangen an ihr Ohr. Das rhythmische Murmeln begleitete ihren Weg. Bald hörte sie die ganzen Sätze.

Feuer, Wasser, Erde, Wind, eilt zur Hilfe mir geschwind. Gebt zu dieser dunklen Nacht, Euren Töchtern Kraft und Macht. Ein Lächeln zierte unsichtbar ihren Mund. Es hilft euch nichts. Ich bin unsterblich.

Feuer, Wasser, Erde, Wind, eilt zur Hilfe mir geschwind. Gebt zu dieser dunklen Nacht, Euren Töchtern Kraft und Macht. Laut tönten die Stimmen des Mobs und überdeckten das Knistern des brennenden Holzes.

Mit tiefster Erfüllung erinnerte sie sich an den ersten magischen Moment in ihrem Leben. Sie

nannten mich eine Hexe. Was für eine Offenbarung. Die Hitze des Feuers verbrannte ihre Haut. Neben dem Schubsen nahm sie die Schläge der umstehenden Meute auf ihrem Körper wahr.

Ihren Sprechgesang brüllten sie grollend heraus. Feuer, Wasser, Erde, Wind, eilt zur Hilfe mir geschwind. Gebt zu dieser dunklen Nacht, Euren Töchtern Kraft und Macht. Sie stolperte und fiel der Länge nach in den Scheiterhaufen hinein.

Helles weißes Licht strahlte senkrecht in den Himmel hinauf. Ich bin frei. Frei für die Anderswelt. Sie hörte die Klänge der Trommeln, Rasseln und Flöten. Aus der Dunkelheit geboren, geht mein Körper zurück in die dunkle Erde. Wo die Dunkelheit ist, da ist auch immer das Licht.

Schweißgebadet schreckte sie auf. Mit weiten Augen starrte sie vor sich hin. Immer der gleiche Traum.

*** Donnerstag, 12. Oktober Stille.

Dunkle Wolken zogen über das Gebäude der PI Forchheim. Kriminalhauptkommissar Sepp Kartl und sein Partner Max Neuner redeten kein Wort miteinander. Bis Max die unerträgliche Ruhe im Raum durchbrach. Schnippisch sprach er seinen Chef an.

»Du schaust aus wie der Boandlkramer.«

»Wie bitte?«, antwortete dieser irritiert.

»Sprichst du mit mir?«

»Kennst du ihn nicht? Den Brandner Kasper?« Ein Lachanfall übermannte ihn und er klopfte sich nach Herzenslust auf die Schenkel. Er versuchte, mit Witz die Lage zu verbessern.

»Deine Laune. Diese scheiß Stimmung. Alles ist depri. Merkst du das nicht?« Eventuell überzeugt ihn mein Sinn für Humor, flehte er im Stillen inständig.

»Lass mich in Frieden«, bat ihn sein Gegenüber.

Max legte noch eine Schippe drauf. »Wenn die nächste Leiche dich sieht, stirbt sie ein zweites Mal.« Dies war zu viel für Kartl. Wortlos verschwand er aus dem Büro. »Du gehst mir echt auf den Sack«, schrie ihm Max aus voller Kehle hinterher.

Sein Chef nervte das letzte halbe Jahr.

Ihn, seine Lebensgefährtin Inge, ihren Gerichtsmediziner Günther und den gemeinsamen Freund Dieter von der PI Nürnberg. Max litt unter den Launen. Es frisst einen auf.

Seit dem letzten Fall herrschte Flaute bei der Mordkommission. Es wird halt nicht dauernd gemordet, erklärte er ihm. Kartl verkraftete es nicht, wenn sie den Mörder nicht fanden. Wir haben versagt. Sein Tenor. 20 Jahre später rollen Ermittler der Cold Case-Abteilung den Fall neu auf.

Mit einer ordentlichen Portion Wut im Bauch fuhr er in die Innenstadt von Nürnberg. Seine Stimmung war bescheiden. Inge schickt mich fort, wenn ich genervt bei ihr auftauche. Seit ein paar Monaten wohnte er ausschließlich bei ihr. Stattdessen parkte er sein Auto nahe der Burg. In Gedanken versunken schlenderte er eine Weile ziellos umher. Bis er den Albrecht- Dürer-Platz erreichte. Hier kaufte er eine Flasche Rauchbier. Die Sonne präsentierte sich

von ihrer schönsten Seite.

Genussvoll trank er den ersten Schluck. Sein Blick folgte den Menschen im Café gegenüber bis zum Denkmal von Albrecht Dürer. Früher war der Platz ein Milchmarkt gewesen. Hier handelten die Bauern mit landwirtschaftlichen Produkten. Die Zeiten ändern sich. Er prostete sich zu.

Über das Neutor erreichte er den Bürgermeistergarten. Im Kontrast zu den herrschaftlichen Gärten auf der Bastei wirkte er märchenhaft und verwunschen.

Steintore, Figuren, Bänke und Treppen säumten den verwinkelten Weg. Von einer steinernen Galerie aus hatte man einen wunderbaren Blick auf den Tiergärtnertorplatz und das Albrecht-Dürer-Haus.

Kartl blieb stehen. Er beobachtete das Geschehen unter ihm. Abschließend besuchte er den Burggarten. Im Oktober verweilten wenige

Menschen hier oben. Schmuckvoll gestaltete Baumrondelle luden hier zum Verweilen ein.

An diesem Ort fühlte er sich jedes Mal entspannt. Ich muss meine Gedanken sortieren. Es folgte ein weiterer Schluck des Bieres. Er stand an der Brüstung und beobachtete den Verkehr Richtung Plärrer.

Max hat Recht. Ich bin unzufrieden. In unserem Beruf ist keine Leiche scheiße. Der nächste Zug aus der Flasche folgte.

Inge tadelte ihn ebenso. Die Blätter welken, wenn du an Laubbäumen vorbeigehst. Was für ein Spruch. Er grübelte über eine Versetzung nach Nürnberg. Von der Provinz in die Stadt. Beim letzten Treffen mit Dieter deutete dieser eine Möglichkeit an.

Seine negativen Gedanken verflüchtigten sich, nachdem die halbe Flasche leer war. Ich werde mich morgen bei Max entschuldigen. Kurz schloss er die Augen und genoss den Moment der Abgeschiedenheit. Dass mir das passiert. Es ist klar, dass wir nicht jeden Mörder fassen. Leider. Ein Geräusch zu seiner Rechten beförderte ihn zurück in die Realität. Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte er eine Gestalt oben auf der Brüstung. Sein ganzer Körper verspannte sich schlagartig. Er drehte sich um und schrie:

»Hallo! Sie!«

Eine Person, die eine Bierflasche in der Hand hielt, torkelte nahe am Abgrund.

»Stopp. Sind Sie irre? Bleiben Sie stehen.« Mühselig wuchtete Kartl seinen schweren Körper auf die Brüstung. Verflucht ist das hoch. Mit einem verdammt mulmigen Gefühl näherte er sich dem Unbekannten. Schritt für Schritt. Gleichzeitig fixierten seine Augen die Tiefe zur linken Seite. Immer wieder brüllte er ihn an.

»Schau mich an.« Keinen Meter vom Abgrund entfernt trafen sich ihre Blicke.

»Ich bin gleich bei Ihnen«, rief er ihm entgegen. Im nächsten Moment, als er ihn fast schon festhielt, verlor der Mann das Gleichgewicht und stürzte in die Tiefe.

»Nein.« Sein Atem stockte. Zitternd rutschte er von der Erhöhung. Drei asiatische Besucher betrachteten ihn blass und voller Schrecken. Er ignorierte ihre Anwesenheit, ergriff sein Telefon und rief Dieter an.

2

Oft wachte sie nachts auf. Fühlte sich abgeschlagen. Diese Leere in meinem Inneren. Tränen flossen lautlos ihre Wange herunter. Dieser Schmerz. Nichts besiegte ihn. Er ist unerträglich. Ich gebe auf.

Die Tränen versiegten. Die ersten Jahre ab der Schule habe ich mich verkrochen. Sie gewöhnte sich an das Leid. Die Arbeit verdrängte die meisten Qualen. Nach außen gelebt, von innen gestorben.

Alles veränderte sich vor einem Jahr.

Sie bewegte sich in ihrem Arbeitszimmer. Düsteres Licht beleuchtete spärlich den Raum. Angespannt tippelte sie auf und ab. Jeden Tag kämpfte sie aufs Neue. Warum sich nicht wehren? Wenn man meine Person angreift. Die dunkle Seite in ihr äußerte sich oft im Zorn und der Ungeduld.

Ihr Blick schweifte über die fünf Bilderrahmen an der Wand. Das ganze Leben habt ihr mir verbaut. Ihr Bastarde. Alles ist seitdem verloren. Das Licht flackerte die Winzigkeit einer Nuance. Habt euren Spaß mit mir gehabt. Mich gequält. Geärgert. Niedergemacht. Jeden Tag.

Mit der Faust schlug sie gegen die Wand. Das Licht flimmerte erneut. Sie haben mir mein Leben

geraubt. Ist es da nicht fair, ihres zu tilgen? Der Dämon in ihr siegte. Sie verwarf die Maxime, dass die Totengöttin das Leben beendete.

In jedem Rahmen an der Wand steckte das Porträt eines jungen Mannes. Wann locke ich den Ersten in die Falle? Morgen, übermorgen? Nein. Ja. Dieses Zögern zehrte an ihren Nerven. Wie ich das an mir hasse. Er kommt zuerst dran. Alex. Mit dem Zeigefinger deutete sie auf das linke Bild. Zurück in der Küche brühte sie eine Tasse Kaffee auf. Sie setzte sich damit an den alten Holztisch im Zimmer. Nach dem ersten Schluck starrte sie wie gebannt auf das Foto. Es lehnte an einer Vase, die mit ein paar Gartenblumen

bestückt war.

Fünf Teenager grinsten ihr Arm in Arm entgegen. Ihr seid schuld. Am Ende der Schule hatte mir die Welt offen gestanden. Das Abitur in der Tasche. Geschafft. Ihr habt mir im letzten Schuljahr die Hölle bereitet. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten.

Vor einem Jahr fing es an: Die unterdrückte Wut kochte in ihr hoch.

Jeden Tag ein wenig mehr. Lange betrachtete sie das Bild. Verschwindet der Schmerz beim Töten? Wie jedes Mädchen träumte sie von einem Leben voller Magie. Die Realität raubten sie ihr. Sie verschwand und blieb unter Verschluss.

Bis heute.

Gleich tauchten die letzten Sonnenstrahlen am Horizont ab. Sie fiel in einen aufgewühlten Schlaf, so wie jede Nacht.

3

»Komm bitte schnell zur Burg. In den Burggraben«, legte Kartl sofort los. Kurz und knapp schilderte er die Lage. Dieter, von der Mordkommission Nürnberg, versprach, zügig vor Ort zu sein. »Ich schicke dir meinen Standort, wenn ich unten bin.«

Keine weitere Sekunde verstrich. Hastig rannte er hinunter zum Burggraben. Öfters blieb er stehen. Japste nach Luft. Sog Sauerstoff in seine Lungen. Hetzte vorwärts. Stützte zwischendurch seine Hände auf den Knien ab. Mist. Ist ja anstrengender als ein Marathon.

Seine Augen flimmerten. Es strengte ihn an. Die letzten Meter erlebte er im Tunnel. Geschafft. Er erreichte das Opfer. Hier entdeckte er ein paar Schaulustige mit ihren gezückten Handys.

Die Menschen besitzen keinen Anstand mehr. Er griff zu seiner Dienstmarke und beschimpfte die Spanner. »Schleicht euch. Was spukt in euren Köpfen? Wehe ich entdecke im Internet ein Video oder Foto davon. Jeden Einzelnen zeige ich an.« Mürrisch trotteten sie von dannen.

Gott sei Dank. Voller Neugierde betrachtete er die Leiche. Was hat dich da oben geritten? Zu viel Alkohol? Drogen? Liebeskummer? Er beäugte das Gesicht von der Seite. Es ist alles zu schnell

gegangen. Eiskalt schauerte es ihm den Rücken herunter. Verdammt. Das ist Alex. Ein alter Schulkollege. Scheiße. Warum habe ich dich vorhin nicht erkannt?

Bevor er über das Ganze nachdachte, hörte er den fränkischen Dialekt von Dieter. »Sepp, altes Haus. Du tanzt nicht im Kreis herum?«

»Wie?« Kartl schaute irritiert.

»Na ja. Was siehst du?«

»Worauf willst du hinaus?« Der veräppelt mich.

»Da liegt eine Leiche. Du bist live dabei. Seit einem halben Jahr endlich mal wieder ein Erfolgserlebnis. Adrenalin pur. Himmelhoch jauchzend. Freudensprünge. Und du strahlst weiterhin wie der Tod persönlich.«

»Habt ihr euch alle gegen mich verschworen?« Angesäuert ärgerte sich Kartl. Für ein paar Sekunden standen beide schweigend vor der Szenerie.

»Wie zum letzten Geleit.« Dieter wechselte das Thema. »Hör zu, mein Freund. Im Moment beschäftigt mich eine unaufschiebbare Sache. Mir fehlt die Zeit für den betrunkenen Tropf. Ein Vorschlag in Ehren. Du wirst dich um den armen Teufel hier kümmern. Finde heraus, was passiert ist. Von mir aus mit dem gewohnten Team von dir.«

Ungläubig starrte Kartl ihn an. »Du hast dein Urteil gefällt. Sehe ich das richtig? Ein Unfall. Na prima.«

»Sei dankbar, dass du die Gelegenheit bekommst. Sag Ja oder Ja.«

Bevor Dieter seine Meinung änderte, stimmte er zu.

»Na also. Prima. Und ein Hinweis. Bitte halte mich auf dem Laufenden. Zwei Beamte sperren dir den Tatort ab. Der Rest ist dein Part. Ich verschwinde.«

»Ja. Schleich dich.« Nach ein paar Metern Entfernung warf er ein »Danke« hinterher. Schmunzelnd schritt Dieter seines Weges dahin.

4

Nichts ist nur schwarz. Nichts nur weiß. Lediglich Grautöne, die ineinander verschmelzen. Gegen 5:00 Uhr morgens erwachte sie. Das Zwitschern der Vögel erhöhte die Laune für den Tag. Sie liebte es, diesem Konzert eine Weile zu lauschen. Heute nicht. Ich habe keine Zeit. Sie stand energisch auf. Später beim Frühstück spielte sie ihren Schlachtplan durch. Gibt es einen Fehler? Stoppe ich das Ganze besser? Sie fand nichts.

Nach dem Töten des Huhnes, der Überlegung

jemanden zu ertränken, verwarf sie all die Methoden. Wie morde ich perfekt? Dieser Gedankte brannte sich in ihre Seele.

Tagelang forschte sie im Internet nach der Lösung. Ihre Augen ermüdeten schnell. Bis ein Artikel ihre geballte Aufmerksamkeit erregte. Ein Baum voller Magie. Das ist es. Meine Rettung. Über ihr Gesicht huschte ein zufriedenes Lächeln. Wie sie es vermisste. Das ist es. Zwei Monate nach dem Entdecken des Textes vollendete sie ihre Vorbereitung. Heute ist

Showdown.

Bevor sie das Haus verließ, setzte sie die rote Perücke auf, die auf der Kommode lag. Sie gefiel sich im Spiegelbild. Bereit für Alex.

Du wirst mitkommen. Jede Wette. Seit einem Jahr begleitete sie das Leben der fünf auf Schritt und Tritt.

Sie beschattete alle. Studierte ihre Tagesabläufe. Notierte die Gewohnheiten. Erforschte ihre Laster und Fehler. Und fand jeden geheimen Ort heraus. Das volle Programm. Witzigerweise lebten sie im Moment ohne feste Partnerin. Entweder zu blöd oder ungeeignet für eine Beziehung. Wie bei Alex. Dem ewigen Junggesellen. Eine leichte Beute für mich.

Ich kenne jeden Schritt von dir. Heute gönnt er sich seinen Sauna- und Wellness-Tag. Lächelnd zog sie die Haustüre hinter sich zu. Ein wohltuender Lufthauch umwehte ihr Gesicht. Der Geschmack der Luft erinnerte sie an den 10. August. Seit drei Jahren gibt es einen internationalen Gedenktag gegen Hexenwahn. Sie feierte ihn im Wald.

Hier gab sie sich dem Rascheln der Bäume hin, der Blätter und Büsche. Wie sie leise wisperten, mit den Geistern, die sich um den Platz versammelten. Emotional wanderte sie im Dunkeln über den wie Erde riechenden, weichen und moosbedeckten Waldboden. Gleich einem Wildtier, das durch den dunklen Wald auf der Suche nach Beute streifte. So wie ich dich verfolge, Alex.

Auf der Fahrt Richtung Nürnberg registrierte sie ein wachsendes Unbehagen in sich. Befinde ich mich auf der falschen Seite der Magie?

Punkt 10:00 Uhr betrat sie den Saunabereich des Freizeitbades. Sie streckte ihre Fühler nach ihm aus. Wo finde ich dich? Im Außenbereich entdeckte sie Alex. In einen grünen Bademantel gehüllt döste er auf einer Liege.

In Ruhe stopfte sie ihre Saunatasche in eine offene Box. Sie schnappte sich das Saunatuch und hängte es sich lässig über die linke Schulter. Gleich bin ich bei dir. Ihr Herz schlug schnell. Komm, beruhige dich. Lass dir nichts anmerken. Er erkennt dich nicht sofort. Sie umrundete den Außenpool und schritt wie zufällig an seiner Liege vorbei.

Sie bemerkte seine wollüstigen Blicke auf ihrem Körper. Nicht beachten. Bis er willenlos ist. Am Fußende hielt sie kurz inne und drehte sich leicht nach links. Für die Winzigkeit einer Sekunde schauten sie sich an. Das reicht. Sie setzte ihren Weg fort. Ab in die finnische Sauna. Dort legte sie sich auf ihr Handtuch. Mit geschlossenen Augen wartete sie auf ihn. Ich bin da. Bald kommst du. Mein nackter Body reizt dich.

Erste Schweißtropfen benetzten ihre

makellosen Körper. Sanft strich sie die Wasserperlen von ihren Brüsten Richtung Bauch weg. Die Tür öffnete sich. Ein kühler Lufthauch zog über ihre Haut. Ohne dass sie sich aufrichtete, spürte sie, dass Alex eintrat.

Er setzte sich auf der anderen Seite nach oben.

Du bist heiß. Dein Verlangen ist sichtbar. Meine

Chance. Sie hob ihren Kopf und erschrocken drehte er seinen weg.

»Habe ich Sie erschreckt? Das tut mir leid.« Ihre gespielte Unschuld zauberte ein Lächeln auf seine Lippen. Er räusperte sich kurz.

»Sie haben mich nicht erschreckt. Das schaffen Sie nicht. Sie sind bezaubernd. Alex. Ich bin Alex«, stellte er sich sehr formell vor.

Ich lasse dich nicht mehr von der Angel. Sie strotzte vor Überzeugung. »Mia«, hauchte sie zärtlich. Mein Name ist egal.

Ohne ein weiteres Wort stand sie auf und verließ die Sauna. Bevor sich die Tür wieder schloss, drängte er sich dazwischen. »Huch, zu heiß. Lust auf einen Drink?«

Verführerisch drehte sie sich um. »Du bist ein Aufreißer?«

»Nein«, stotterte er, da sie ihn komplett aus dem Konzept warf. »Nur ein Drink, falls es wie eine Anmache erscheint … sorry.«

»In Ordnung. Wenn du fertig bist, treffen wir uns draußen.« Perplex ließ sie ihn stehen. Zehn Minuten später lehnte sie erwartungsfroh an ihrem Auto. Hat er angebissen? Lange wartete sie nicht, da trat er ins Freie. Mit der Sporttasche in der linken Hand taxierte er die Umgebung.

Sodann entdeckte er sie und eilte ihr entgegen. Innerlich jubelte sie. Ich bleibe ein Rätsel für dich. Wie sind deine Gedanken? Was passiert heute? Komme ich zum Zuge? All die

männlichen Gelüste, die bei ihm an oberster Stelle standen.

»Wie schaut es mit einem Drink aus?«, wiederholte er die Frage aus der Sauna.

»Ich habe eine bessere Idee. Hast du Zeit?«

»Ja«, entgegnete er sofort. Sein Blut pochte in den Adern.

Sicherlich fragt er sich, ob er mich erobern kann.

»Komm mit mir. Lust, mich zu begleiten?« Wieder verließ ein zügiges »Ja« seinen Mund. Da spare ich mir ja erst mal die K.-o.-Tropfen,

stellte sie zufrieden fest.

»Wohin?«, fragte er knapp. Sein Atem beschleunigte sich hörbar.

»Sage ich dir gleich«, hielt sie ihn hin. »Da vorne steht mein Wagen.« Sie stiegen ins Auto ein und ohne ein weiteres Wort fuhr sie los.

Alex traute sich nicht, ein Gespräch zu eröffnen.

Was denkst du? Es knisterte im Wagen. Innerlich kämpfte sie mit sich. Was erlaube ich ihm vor seinem Tod? Freude. Genuss. Bald erreichten sie die Nähe des Burgberges. Ein sanftes Lächeln überzog ihr Gesicht.

Er blieb still neben ihr auf dem Beifahrersitz. Seinem Gesicht sah sie an, dass er sie für eine Granate hielt, trotzdem war sie erstaunt über seine Schüchternheit.

Die Sonne erreichte den höchsten Stand des Tages. In der Nähe der Gaststätte Hexenhäusle

fand sie einen Parkplatz. 11:00 Uhr, zeigte ein kurzer Blick auf ihre Armbanduhr.

»Wir sind da. Erst ein beschaulicher Ausflug auf die Burg. In Ruhe. Einzig und allein wir beide. Ein Drink.« Innerlich ernüchtert lauschte Alex ihren Worten. Schweigend schaffte er ein zustimmendes Nicken.

Sie verließen den Wagen. Er folgte ihr willenlos. Am Anfang schritten sie den Burggraben entlang. Ihr Ziel lag im Bürgermeistergarten. Hier, vor einer Parkbank, sprach sie ihn wieder an.

»Komm, setz dich.«

Mit einem Zögern kam er der Aufforderung nach. Er bezog ungelenk den Platz neben ihr. Aus ihrer Tasche beförderte sie eine Thermoskanne nebst zwei Bechern. Flink schenkte sie beide halb voll.

»Du bist der Wahnsinn«, platzte Alex heraus. Bist du blöd. Aus und vorbei. Sie drückte ihm einen der Behälter in die Hand und prostete ihm zu. Er atmete erleichtert auf und trank einen größeren Schluck des lauwarmen Tees.

Sie stellte beide Becher auf der Parkbank ab, führte eine Hand von ihm an ihre Brüste und rückte sanft näher an ihn heran. Irritiert fixierte er die Umgebung.

»Wir sind ungestört.« Sie schob seine rechte Hand zwischen ihren Brüsten hin und her.

»Spüre meinen Herzschlag. Wie es schlägt.

Voller Aufregung und Erwartung.« Ihre Lippen suchten seine.

Mit weichen Knien zitterte Alex innerlich. Anscheinend bemerkte er, dass irgendetwas nicht mit ihm stimmte. Mit getrübten Augen fühlte er ihre Wärme.

Ob er wohl wirklich denkt, dass ich scharf auf ihn bin?

Alles um ihn herum schwebte und sein Kopf fiel zur Seite, bis er auf ihrer Schulter lag. Mein tapsiger Bär. »Hörst du zu Alex?« Ein Grunzen bejahte ihre Frage.

Seine Augenlider fielen zu. Völlige Leere. Ich schwebe durch die Welt. Das Universum. Den Raum. Mia verblasste. Ihre Stimme an seinem Ohr hörte er kaum. »Was stelle ich mit dir an? Das Spiel ist aus.«

Alex stierte vor sich hin. Langsam begriff er das Gesagte. Verdammt. Ich sehe nichts. Was hat sie mit mir angestellt? Ein Satz fiel ihm wieder ein. Spielen wir ein Spiel. Er versuchte zu schreien. Sie hörte ihn nicht. Mia. Hör auf mit dem Mist! Beende das Spiel. Es reicht.

Sie erriet seine Gedanken. »In Wirklichkeit ist es kein Spiel. Tödlicher Ernst, mein Lieber.« Er unterdrückte einen Brechreiz. »Ich helfe dir auf die Sprünge. Letztes Jahr? Das Klassentreffen. Na, dämmert es bei dir, Alex?«

Ein freches Lächeln erschien auf ihren Lippen. Mist, fiel es ihm mit dem letzten Funken seines Denkvermögens wieder ein. Sein Körper

rebellierte. Das Atmen fiel ihm schwer. Ein Messer bohrte sich in seinen Bauch. Die dumme und dicke Gerda.

»Gerda,« stöhnte er.

»Jackpot. Die dumme und dicke Gerda. Eure Worte.« Zorn stieg in ihr empor. »Tagtäglich bin ich von euch drangsaliert worden. Hast du eine Vorstellung davon, wie sich das anfühlt? Diese Niederträchtigkeit?«

Sie sprach voller Wut und Hass. Ihre Hand schlug dreimal auf die Parkbank. »Ihr habt alles zerstört. Deshalb zerstöre ich euch. Jeden Einzelnen.«

Alex bemerkte, wie die Flüssigkeit in seinen Mund floss. Er zappelte. Sie schüttete die Becher aus und verstaute alles in der Tasche.

Kurze Zeit später zerrte sie ihn nach oben. Mit eingehakten Armen führte sie ihn langsam zum Burggarten. Deine letzte Reise naht.

Ihr Blick fiel auf die Anzeige ihrer Armbanduhr. 13:00 Uhr. Wenn ich Glück habe, ist er da. Wie jeden zweiten Tag in den vergangenen drei Wochen. Ein Gewohnheitstier.

Mühsam bewegte sie sich mit Alex im Schlepptau vorwärts. Am Eingang des Burggartens entdeckte sie ihn. Er stand links vor der steinernen Mauer. Spitze.

Sie nutzte ihre ganze Kraft, um ihn auf die Brüstung zu schieben. Gehetzt warf sie ab und an einen Blick nach links. Niemand sonst da. Er bemerkt mich nicht. Sie kletterte zu Alex auf

die Sandsteinmauer. Mit Mühe half sie ihm, aufzustehen. Er taumelte vor ihr.

Schnell zog sie eine Bierflasche aus der Tasche und drückte sie ihm in die Hand. Alle denken, du bist betrunken.

»Leb wohl«, flüsterte sie ihm ins Ohr. Der Rest ist Schicksal. Wie du stirbst. Flink huschte sie von der Anhöhe und entfernte sich rasch in Richtung ihres geparkten Wagens. Beinahe kollidierte sie mit ein paar Touristen, die ihr schreckhaft auswichen.

5

Überfordert drehte sich Kartl auf der Stelle im Kreis. Mittlerweile säumten rote Absperrbänder den Schauplatz. Langsam lichtete sich der Dunst in seinem Gehirn. Er rief Max an.

Als dieser seine Stimme hörte, brummte er abfällig. »Der Tod persönlich.«

Zuerst erwägte sein Chef einen deftigen Kommentar. Sanfter entgegnete er jedoch: »Der Tod liegt hier.«

Für den Bruchteil einer Sekunde sah Max vor seinem geistigen Auge das Bild von Sepp beim Rundgang durch die geschlossene Anstalt. In weißer Kleidung, langen Haaren und einem grauen Bart. »Ich verstehe dich nicht.«

»Nichts Neues. Bewege deinen Arsch hierher. Ich schicke dir die Koordinaten aufs Handy.

---ENDE DER LESEPROBE---