Tödliches Erwachen - D.P. Lyle - E-Book
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Tödliches Erwachen E-Book

D.P. Lyle

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Beschreibung

Eine ermordete Studentin. Ein Hollywood-Star unter Verdacht. Ein zweiter Fall für Jake Longley.
Der rasante Thriller für Fans von Jack Reacher

Privatdetektiv Jake Longley und seine Exfreundin Nicole Jamison fahren auf Bitten von Nicoles Onkel, dem bekannten Filmproduzenten Charles Balfour, nach New Orleans. Der Grund: Moviestar Kirk Ford erwachte in seinem Hotelbett mit der Leiche von Kristi Guidry, einer College-Studentin. Ein Skandal! Ford, der sich für Dreharbeiten in New Orleans aufhält, kann sich an den Abend und die tödlichen Ereignisse nicht erinnern. Als sich herausstellt, dass Kristi die Nichte eines hiesigen Mafiabosses ist, der ihren Tod um jeden Preis rächen will, tickt die Uhr. Umgeben von glitzernden Hollywood-Stars und eingeschüchtert von zwielichtigen Unterweltfiguren, stoßen Jake und Nicole auf jede Menge Hindernisse. Doch sie setzen alles daran, den wahren Mörder zu finden. Schließlich ist Jake der coolste Detektiv der Westküste und sollte den Fall knacken …

Weitere Titel dieser Reihe
Tödlicher Einsatz (ISBN: 9783968171364)

Erste Leserstimmen:
„Ein lässiger Hard Boiled Krimi mit Witz und Power.“
„Sehr spaßig, wie das coole Privatermittler-Team das schillernde und kaputte Filmgeschäft aufmischt.“
„Diesmal ermittelt Jake Longley in der glamourösen Hollywood-Szene – wie erwartet hoch spannend und auch sehr lustig.“
„Ich habe den Roman in einem Rutsch durchgelesen, verdammt unterhaltsamer Thriller.“

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Seitenzahl: 446

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Über dieses E-Book

Privatdetektiv Jake Longley und seine Exfreundin Nicole Jamison fahren auf Bitten von Nicoles Onkel, dem bekannten Filmproduzenten Charles Balfour, nach New Orleans. Der Grund: Moviestar Kirk Ford erwachte in seinem Hotelbett mit der Leiche von Kristi Guidry, einer College-Studentin. Ein Skandal! Ford, der sich für Dreharbeiten in New Orleans aufhält, kann sich an den Abend und die tödlichen Ereignisse nicht erinnern. Als sich herausstellt, dass Kristi die Nichte eines hiesigen Mafiabosses ist, der ihren Tod um jeden Preis rächen will, tickt die Uhr. Umgeben von glitzernden Hollywood-Stars und eingeschüchtert von zwielichtigen Unterweltfiguren, stoßen Jake und Nicole auf jede Menge Hindernisse. Doch sie setzen alles daran, den wahren Mörder zu finden. Schließlich ist Jake der coolste Detektiv der Westküste und sollte den Fall knacken …

Impressum

Deutsche Erstausgabe März 2021

Copyright © 2024 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-96817-012-1

Copyright © 2017, Oceanview Publishing Titel des englischen Originals: A-List

Übersetzt von: Dorothee Scheuch Covergestaltung: Buchgewand unter Verwendung von Motiven von depositphotos.com: © benjaminlion stock.adobe.com: © evannovostro, © jason chen/EyeEm shutterstock.com: © inLite studio Korrektorat: KoLibri Lektorat

E-Book-Version 02.02.2024, 15:52:45.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

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Tödliches Erwachen

Für meinen verstorbenen Vater Victor Wilson Lyle, der mir alles beigebracht hat. Vor allem, dass zuerst die Arbeit kommt und dann das Vergnügen. Immer. Er liebte New Orleans. Es vergeht kein Tag, an dem du nicht schmerzlich vermisst wirst.

Danksagung

Mein Dank geht an meine wunderbare Agentin und Freundin Kimberley Cameron von Kimberley Cameron & Associates. KC, du bist die Beste.

An Bob und Pat Gussin und all die mit Hingabe arbeitenden Menschen bei Oceanview Publishing. Danke für eure Freundschaft und eure Unterstützung, die aus meinen Büchern das Beste herausholen.

An meine Autorengruppe, die mir geholfen hat, damit diese Geschichte funktioniert. Danke an Terri, Barbara, Craig, Donna, Sandy und Laurie.

Kapitel eins

Ich mag viele Dinge. Meinen 1965er Mustang. Burgunderrot mit Black-Pony-Interieur. Captain Rocky’s Surf and Turf, meine Bar, die am Strand von Gulf Shores lag. Das Leben an der Golfküste, wo ich bisher die meiste Zeit verbracht habe. Das ist auch ziemlich cool. Und dann sind da noch die Erinnerungen an ein paar epische Spiele während meiner Karriere als Major-League-Pitcher für die Texas Rangers. Das war ich. Jake Longly. Baseballprofi. Fastballs, die über neunzig Meilen pro Stunde erreichten, und genügend Effet hatten, dass die Schlagmänner sich in den Boden schrauben mussten. Doch das war in einem anderen Leben gewesen, das lange vorbei war. Hinfortgeblasen an einem kalten Abend in Cleveland von einer gerissenen Rotatorenmanschette. Nur wenige Pitcher erholen sich von so etwas. Ich sicher nicht.

Doch ganz oben auf der Liste der Dinge, die ich mochte, stand einer großartigen, fast nackten Frau dabei zuzusehen, wie sie sich auf dem Fußboden herumrollte. Es war eher ein Drehen, Dehnen und Strecken in einer Art Pilates oder Yoga oder so. Ich konnte diese Dinge nicht auseinanderhalten. Aber wie auch immer es heißen mochte, es sah sicher besser aus als Liegestütze im Wechsel mit Strecksprüngen.

Die Frau, um die es ging, war Nicole Jamison. Meine aktuelle Freundin. Ich denke, das war sie. Obwohl wir einander erst wenige Wochen kannten, erschien es mir länger. Als wären wir schon immer zusammen gewesen. Bisschen gruselig. Definitiv nicht normal für mich, denn bisher war es eher eine Aneinanderreihung von One-Night-Stands gewesen. Ja, ich weiß, nicht korrekt, aber wenigstens bin ich damit ehrlich.

Jeder konnte sehen, warum ich mich mit ihr abgab. Ich meine, atemberaubend traf es nicht ganz. Diese blonden Haare, das perfekte Lächeln und diese Augen. Oh ja. Blauer als blau. Tief, lebhaft und intelligent. Und natürlich dieser Körper. Oh mein Gott.

Warum sie mich akzeptierte, war eine komplett andere Geschichte. Ich konnte ein wenig schwierig sein. Meinte sie jedenfalls. Meine Ex-Frau Tammy würde ihr von ganzem Herzen zustimmen und eine Reihe handverlesener Schimpfwörter hinzufügen. Nicht unverdient natürlich, doch unser Experiment einer harmonischen Ehe war vor Jahren zusammengebrochen. Man könnte meinen, dass sie mittlerweile sanft geworden wäre, doch Tammy wurde nicht sanft.

Wahrscheinlich sollte ich mich gemeinsam mit Nicole auf die Matte begeben und dieselben Übungen machen, aber nie im Leben könnte ich meinen Körper in die Positionen bringen, die sie dort einnahm. Nicht jetzt. Und noch nicht einmal, als ich ein junger Baseballprofi gewesen war.

Sie trug einen pfirsichfarbenen Sport-BH und schwarze Shorts, die auf ihre festen Hüften gemalt zu sein schienen. Bei ihr sah alles so einfach aus. Für das Auge zumindest. Meine Güte.

Statt einen dauerhaften Rückenschaden und einen Besuch beim Orthopäden zu riskieren, lümmelte ich auf dem Sofa herum, schlürfte Kaffee und gab vor die Zeitung zu lesen, wobei ich in Wahrheit jede ihrer Bewegungen beobachtete.

„Hör auf mich anzugaffen“, sagte Nicole.

„Angaffen?“

„Gut, sabbern.“ Sie rollte sich auf ihre Schulterblätter und fuhr mit ihren Beinen in einer Geschwindigkeit Fahrrad, dass diese Tour-de-France-Typen neidisch geworden wären. Ein feiner Schweißfilm glänzte auf ihrem perfekten Gesicht.

„Das würde ich niemals tun.“

Sie lächelte. „Das hört sich aber anders an als das, was du letzte Nacht gesagt hast.“

Da hatte sie recht. Die letzte Nacht war gut in den neuen Tag übergegangen. Um zwei Uhr nachts, wenn ich mich richtig erinnere. Natürlich war meine Erinnerung an die letzte Nacht bestenfalls fragwürdig. Wir hatten mit Rum im Captain Rocky’s angefangen, sind dann bei Nicole zu Hause im Whirlpool zu Tequila übergegangen und haben im Bett noch einen Blunt geraucht. Gefolgt von all diesem Sex, der mit Nicole ein sportliches Ereignis war. Mein Hirn war mehr oder weniger Haferbrei. Das konnte sie anrichten. Wenn man all das zusammenzählt, ist klar, dass ich Probleme hatte so früh in Gang zu kommen.

Ich faltete die Zeitung zusammen, legte sie auf den Beistelltisch und massierte mir die Schulter.

„Immer noch steif?“, fragte sie.

„Ein bisschen.“

Es war erst vor einer Woche gewesen, dass wir mitten in der Nacht aus einer Höhe von dreißig Fuß vom Deck der Sea Witch gesprungen waren, der Hundert-Fuß-Megajacht, die dem verstorbenen Victor Borkov gehört hatte. Direkt ins kalte, dunkle, vom Sturm zerwühlte Wasser des Golfs. Wir sind nicht freiwillig gesprungen, so viel steht fest. Aber es war entweder das oder wir wären hineingeworfen worden, und zwar gefesselt an einen massiven Eisenring, der uns in den Schlick gezogen hätte, der sich mehrere hundert Fuß unter jeglicher Frischluft befand. Das war offenbar Borkovs bevorzugte Methode sich derjenigen zu entledigen, die sich ihm entgegenstellten oder ihm einfach missfielen. Wie die Wilbanks-Brüder. Unsere Reise auf den Grund des Golfs wäre Borkovs Killern Joe Zuma und Frank Boyd zu verdanken gewesen. Diese beiden konnten nun auch unter der Kategorie „verstorben“ abgelegt werden. Die drei befanden sich nun beim Leichenbeschauer des Escambia County drüben in der 9th Avenue in Pensacola.

Aus dreißig Fuß auf aufgewühltes Wasser zu treffen ist kein Vergnügen. Ich hatte mir eine Schulter gezerrt und meinen Rücken verrenkt; Nicole hatte sich die Hüfte geprellt und den Hals verstaucht. Unmittelbar danach ist es uns nicht aufgefallen, weil das Adrenalin unsere Gedanken auf unser Überleben gerichtet hatte. Die Schmerzen waren erst am nächsten Tag gekommen. Doch alles in allem haben wir es überstanden.

„Deshalb solltest du mit mir hier unten sein und dich dehnen“, sagte sie. „Arbeite die Schmerzen weg.“

„Mit dir in diesem Outfit könnte das gut zu etwas anderem führen.“

Sie schaukelte sich in eine sitzende Position und rieb ihr Gesicht mit einem Handtuch ab. „Zeit für eine Dusche.“ Sie stand auf. „Komm mit und wir werden sehen, ob etwas anderes passiert.“

Selbst um halb acht morgens klang das nach einem Plan. Mein Hirn mochte Haferbrei sein, aber der Rest von mir funktionierte ganz gut.

Dazu kam es jedoch nicht. Ihr Mobiltelefon klingelte. Sie nahm es vom Küchentresen und meldete sich.

„Onkel Charles?“ Sie runzelte die Stirn. „Ich kann dich kaum hören. Warte kurz.“ Sie durchquerte das Wohnzimmer und ging hinaus auf die Terrasse.

Onkel Charles musste ihr Onkel Charles Balfour sein. Berühmter Filmproduzent, Regisseur und was sonst noch so ganz oben auf der Liste stand. Ein Regiment von Oscars und eine Armee weiterer Auszeichnungen.

„Jetzt ist es besser“, sagte sie und kickte die Terrassentür zu.

Ich ging in die Küche, füllte meinen Kaffeebecher auf, lehnte mich gegen den Tresen und sah ihr dabei zu, wie sie mit dem Telefon am einen Ohr und ihrem Finger im anderen auf und ab lief. Dieses Haus gehörte Onkel Charles. Ein massiver Pfahlbau auf dem Sand von The Point, einem Reichenviertel in Perdido Beach an der Golfküste von Alabama. Ich wusste, dass er sich an einem fernen Ort in Europa aufhielt und einen Film mit riesigem Budget drehte. Ich nahm an, dass sie ihn deshalb so schlecht verstehen konnte.

In den nächsten Minuten sah ich ihr zu. Ihre Miene und ihre Körpersprache sprangen zwischen Sorge und Schock hin und her. War ihm etwas passiert?

Als sie wieder hereinkam, sagte sie einfach: „Los, komm.“

„Wohin?“

„Zu Ray.“

Ray war Ray Longly. Mein Vater. Longly Investigations. Die Privatdetektei, die Ray von seinem Zuhause in Gulf Shores aus führte. Nicht weit vom Captain Rocky’s und meinem eigenen Haus entfernt.

„Warum?“

„Ich habe einen Auftrag für uns“, sagte Nicole.

„Einen Auftrag? Für uns?“

„Nun, eigentlich für Ray. Aber, ja, für uns.“

„Wir arbeiten nicht für Ray“, sagte ich.

„Sicher tun wir das. Ich habe meinen Dienstausweis noch, den Pancake für mich gemacht hat. Das macht es offiziell.“

Meine Güte.

„Okay, Mata Hari, worum geht es bei dem Auftrag?“, fragte ich.

„Kirk Ford.“

„Der Schauspieler?“

„Der megareiche Schauspieler, der ganz oben auf jeder Liste steht.“

„Was hat der alte Kirk ausgefressen?“

„Wurde wegen Mordes verhaftet. Offenbar wurde ein Mädchen aus der Gegend heute Morgen erwürgt in seinem Bett gefunden.“

„Ich hasse es wirklich, wenn das passiert.“

„Sein kein Klugscheißer und beeil dich.“

Kapitel zwei

Das Duschen war nicht annähernd so spaßig wie es hätte sein können. Ich hoffte auf „etwas anderes“, aber Nicole war zu beschäftigt. Mehr als einmal schlug sie meine Hände fort. Zumindest ließ sie mich ihren Rücken waschen.

Wir zogen uns also an, stiegen in ihren neuen Mercedes SL und machten uns auf den Weg. Für Nicole bedeutete „sich auf den Weg machen“ mit Warp-Geschwindigkeit aus dem Wohngebiet und auf den Highway zu schießen, sehr zum Missvergnügen anderer Fahrer. Hupen und ausgestreckte Mittelfinger begleiteten uns.

Ihr alter SL, den Victor Borkovs Schläger Zuma und Boyd mit ihrem riesigen SUV geschrottet hatten, war rot gewesen; dieser hier, der Ersatz, den sie von ihrer Versicherung bekommen hatte, war weiß mit einem gesetzten, hellgrauen Interieur.

Ich hoffte, dass die weniger aggressive Farbe sie beruhigen würde. Ein Traum, der zum Scheitern verdammt war. Nicole hatte nur eine Geschwindigkeit.

Trotzdem überlebten wir die Fahrt.

Als wir auf den Parkplatz fuhren, sah ich Rays schwarzen Pick-up unter den Stützpfeilern stehen. Nicole stellte den Wagen ab. Wir stiegen die Außentreppe in den ersten Stock hinauf. Wie üblich saß Ray an seinem Terrassentisch unter dem Sonnenschirm und hatte seinen Laptop, das Telefon und eine Mountain-Dew-Limonade in Reichweite.

„Was führt euch beide so früh hierher?“, fragte er.

„Ich habe einen Fall für uns“, sagte Nicole.

„Uns?“, fragte Ray.

„Du weißt schon – du, ich, Jake.“

„Ah, dieses ‚uns‘.“ Ray sah mich an und dann wieder Nicole. „Ihr arbeitet also noch für Longly Investigations?“

Nicole: „Ja.“

Ich: „Nein.“

Nicole ignorierte mich. „Ja, das tun wir. Ich habe sogar meinen Dienstausweis dabei.“ Sie zog ihn aus der Gesäßtasche ihrer Jeans und hielt ihn hoch.

„Schwer zu widerlegendes Argument“, sagte Ray.

Nein, überhaupt nicht, dachte ich. Und wollte gerade genau das sagen, aber Ray fuhr bereits fort. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und sah mich an. „Bist du dabei?“

„Ja, ist er“, sagte Nicole.

Ich nahm an, dass mir in diesem Familienstück keine Sprechrolle zugefallen war.

„Er wird mir folgen, wo immer ich auch hingehe“, fügte sie hinzu.

Würde ich das? Natürlich würde ich.

Ray lachte. „Ich schätze, das stimmt wohl.“

Ich wollte eine scharfsinnige Antwort geben, doch mir fiel keine ein.

„Also, worum geht’s?“, fragte Ray. „Hast du deine Brieftasche verloren?“

Sie sah zuerst ihn und dann mich böse an.

Mich? Ich habe gar nichts gesagt. Und da Ray und ich nur selten einer Meinung waren, konnte ich keine Schuld wegen Verbrüderung tragen. Oder? Offenbar schon. Nicole schüttelte den Kopf. „Der Apfel fällt nicht weit vom Baum. Ihr seid beide Blödmänner.“

Ray lachte. „Sorry. Ich konnte nicht widerstehen.“ Er nahm einen Schluck Limonade.

„Also, erzähl schon.“

Nicole setzte sich in den Stuhl Ray gegenüber. „Kirk Ford ist heute Morgen wegen Mordes verhaftet worden.“

„Der Schauspieler?“

Sie nickte. „Er ist in New Orleans und dreht gerade seinen neuesten Space-Quest-Film. Mein Onkel, Charles Balfour, ist einer der Produzenten dieser Reihe. Er rief mich an und bat mich, mir das einmal anzusehen.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Eigentlich bat er mich dich zu bitten dir das einmal anzusehen.“

Ray starrte sie einen Augenblick lang an. „Woher kennt er mich?“

„Ich habe ihm von dir erzählt“, sagte sie. „Wegen dieser ganzen Borkov-Sache und wie du uns aus dem Golf gerettet hast.“

„Ich dachte, das sei ich gewesen“, sagte ich.

Sie tätschelte lächelnd meinen Arm. „Du auch.“

„Warum tut dein Onkel das nicht selbst?“, fragte Ray.

„Er ist immer noch in Europa. In der Nähe von Paris. Dreht dort einen anderen Film.“

Ray breitete seine Hände auf dem Tisch aus. „Was wisst ihr bis jetzt?“

„Sieht so aus, als hätte sich Kirk mit einem Mädchen aus der Gegend eingelassen. Heute Morgen lag sie tot in seinem Bett. Onkel Charles sagt, dass die Polizei meint, sie sei erdrosselt worden.“

„Macht er daraus jetzt eine Gewohnheit?“

Nicole starrte ihn an. „Woraus? Frauen zu erdrosseln?“

„Nein“, sagte Ray. „Mädchen aus der Gegend aufzureißen, wenn er irgendwo ist.“

„Er ist Schauspieler. Die tun das nun mal.“

„So lese ich es in den Schlagzeilen im Laden.“ Ray leerte die Mountain-Dew-Dose und zerquetschte sie in seiner Hand, bevor er sie in den nächsten Mülleimer warf.

„Aber Kirk? Macht er das oft?“

Nicole nickte. „Er ist ein Frauenheld, sagt man. Hat einen Haufen gebrochene Herzen in seinem Fahrwasser.“

„Du kennst ihn also?“

„Seit vielen Jahren.“

„Und?“

„Er ist eigentlich ein netter Kerl. Er vögelt herum, ohne Zweifel, aber er ist dabei nicht böswillig. Zumindest denke ich das.“

„Sonst noch irgendwas?“, fragte Ray.

Sie schüttelte den Kopf. „Das ist alles, was ich weiß.“

„Ich nehme an, dass dein Onkel unser Auftraggeber ist?“

Nicole nickte.

„Ist die Polizei nicht an dem Fall dran?“

„Onkel Charles vertraut ihnen nicht. Zumindest nicht, wenn es darum geht, eine schnelle und sorgfältige Ermittlung zu führen. Der Fokus liegt auf schnell.“ Sie warf ihr Haar über ihre Schulter zurück. „Ein Filmdreh an einem Ort außerhalb des Studios kann schnell Millionen verbrennen. Wenn Kirk eingesperrt wird, muss die Produktion angehalten werden, bis er wieder herauskommt.“

„Dein Onkel Charles, kennt er unser Honorar?“

„Ja. Er sagt, er zahlt das Dreifache. Wenn nötig mehr.“

„Das gefällt mir.“ Ray hob eine Augenbraue. „Aber reagiert er nicht ein wenig über?“

Nicole stützte ihre Ellbogen auf den Tisch. „Weißt du, wer Kirk Ford ist?“

„Ja, er ist ein Schauspieler, der irgendwelche albernen Weltraumfilme macht.“

Sie schüttelte den Kopf. „Albern? Die Space-Quest-Reihe hat bisher fast zwei Milliarden Dollar eingespielt.“

Ray pfiff durch die Zähne. „Das ist ein Haufen Geld.“

„Er dreht gerade den sechsten Film. Es soll der größte und beste werden. Aber wenn Kirk von der Bildfläche verschwindet – Wortspiel nicht beabsichtigt – fällt das ganze Ding in sich zusammen.“

Ray massierte seinen Nacken. „Okay, warum fahrt ihr zwei nicht rüber nach New Orleans. Schaut euch um. Ich rufe Pancake an und wir wühlen ein bisschen herum.“

Sie stand auf. „Wir sind dran.“

Dran? Sie klang sogar wie eine Privatermittlerin.

Ray sah mich an. „Wollt ihr fliegen oder fahren?“

Fliegen kam mir in den Sinn, aber bevor ich es sagen konnte, sprach Nicole.

„Fahren“, sagte sie. „Dann sind wir schneller da.“

Oh Gott. Ich sah Geschwindigkeit und Angst in meiner Zukunft. Vielleicht ein Herzstillstand. Was mich zu einem weiteren Punkt führte. Warum setzte ich mich immer wieder ihrem Fahrstil aus? Ich sah sie an. Enge Jeans, Trägertop, wunderbare feste Bauchmuskeln. Nun, deshalb.

„Ich buche euch irgendwo ein Zimmer“, sagte Ray.

„Schon erledigt. Onkel Charles hat Marty Ebersole angerufen. Er ist der Regisseur. Wir haben eine Suite im Monteleone. Und Onkel Charles kommt, sobald er einen Flieger erwischt.“

Ray nahm den Telefonhörer auf. „Dann fahr los. Ich rufe Pancake an.“

„In Ordnung“, sagte sie.

„Und seid vorsichtig“, fügte Ray hinzu. „Ich habe auf der Seite des Wetterkanals gesehen, dass in New Orleans ein Sturm wütet, der auf dem Weg hierher ist.“

Ausgezeichnet. Nasse Straßen und Nicole im Rennfahrermodus.

Kapitel drei

Wir brauchten zwei Stunden, um allein aus Gulf Shores herauszukommen. Unser erster Halt war das Captain Rocky’s. Ich sprach mit Carla Martinez, meiner Managerin, und sagte ihr, dass ich ein paar Tage fort sein und sie die Verantwortung übernehmen würde.

Ihre Antwort: „Ich habe immer die Verantwortung. Dir gehört der Laden nur.“

Und sie hatte recht. Sie leitete den alltäglichen Betrieb. Aber ich könnte es selbst tun, wenn nötig. Doch das würde meine Freizeit beschneiden. Und Freizeit war wichtig. Natürlich sah Ray das anders. Für ihn war Freizeit verschwendete Zeit. Er hielt es sogar für unsinnig, dass ich eine Bar besaß. Er meinte, ich sollte mich ihm anschließen und Privatermittler sein. Ja, als wenn das je passieren würde.

Doch während Carla mir einen Abriss über die Einnahmen und Ausgaben sowie die Essens- und Getränkebestellungen der letzten Woche gab und während ich nickte, als würde ich tatsächlich zuhören, dämmerte mir, dass Ray mich einmal mehr in seinen Dunstkreis gezogen hatte. Hier war ich, auf dem Weg nach New Orleans. Um für Ray zu arbeiten. Wie zur Hölle war das passiert?

Dann warf ich Nicole einen Blick zu. Durch die Fenster. Sie war auf der Terrasse, lehnte sich ans Geländer und starrte auf den Golf hinaus. Das erklärte alles. Ich meine, man musste sie sich nur ansehen.

Ich ließ in der Küche ein paar Burritos zum Frühstück und eine Thermoskanne Kaffee einpacken. Dann fuhren wir zuerst zu mir und dann zu Nicole nach Hause, um ein paar Sachen zu holen. Ich brauchte zwanzig Minuten; Nicole zehn. Ich habe nie eine Frau so schnell und effizient packen sehen.

Wir rasten aus The Point heraus und schossen zwanzig Minuten später auf der I-10 nach Westen. Warp-Faktor 4. Nicole ließ die 429 Pferde unter der Haube arbeiten. Ich klammerte mich fest und hielt die Klappe. Für eine Weile zumindest.

„Was gibt es zu Kirk Ford noch zu sagen?“, fragte ich, als wir durch ein ländliches Gebiet fuhren. Es hatte zu nieseln begonnen und der Horizont sah dunkel und bedrohlich aus. Wunderbar.

„Nur, was ich gesagt habe. Er ist eine große Nummer. Bringt dem Studio einen Haufen Geld.“

„Durch diese Filmreihe.“

„Richtig. Die Space-Quest-Reihe beginnt mit Verborgene Welt. Darin geht es um einen verborgenen Planeten, der einen Krieg mit einem Nachbarn anzettelt.“

„Ich hasse es, wenn das passiert.“

„Es hat über dreihundert Millionen gebracht.“

„Ich schätze, es bringt einen Haufen Geld verborgene Planeten zu erobern.“

„Kirk und seine Mannschaft sind dort gelandet und haben alle gerettet. In allen anderen Episoden ebenso.“ Sie flog an einem Konvoi aus fünf Sattelschleppern vorbei.

„Irgendwie habe ich es verpasst sie mir anzusehen“, sagte ich.

„Du gehörst auch nicht zur Zielgruppe. Bei den Highschool- und College-Kids ist es sehr beliebt. Sehr treue Fangemeinde.“

„Das könnte eine Rolle spielen. Ob er schuldig ist oder nicht, meine ich.“

„Das ist natürlich Onkel Charles’ Sorge. Er hat viel Geld in dieses Projekt investiert.“

„Worum geht es in der aktuellen Folge?“, fragte ich. „Kleine grüne Männchen, die den Palast des Kommandanten angreifen?“

Sie lachte. „Nein. Es heißt Sumpfkrieg. Deshalb sind sie in New Orleans. Dort haben sie einen Haufen Sümpfe zur Auswahl.“

„Also, wie gut kennst du ihn genau? Kirk Ford?“

„Wir sind ein paarmal zusammen ausgegangen.“

„Und?“

„Und was?“ Sie sah mich an.

„Wart ihr zwei ein Paar?“

Sie lachte. „Niemals. Natürlich haben die Klatschblätter versucht es so darzustellen. Selbst das People-Magazin hat ein Foto von uns beiden abgedruckt, als wir auf dem roten Teppich standen.“

„Bei der Oscarverleihung?“

„Nein, bei einer kleineren Auszeichnung. Ich weiß nicht mehr, welche.“ Sie hob eine Braue. „Eifersüchtig?“

„Er ist ein verdammter Superstar.“

„Genau wie du.“ Sie lachte.

„Ich hasse ihn trotzdem.“

„Du kennst ihn nicht einmal.“

„Na und? Ich kann ihn trotzdem hassen. Wir leben in einem freien Land.“

Sie verdrehte die Augen. Ich wünschte, sie täte das nicht, während sie mit fünfundachtzig Meilen pro Stunde auf einem regennassen Highway dahinraste.

„Zwischen uns stimmte die Chemie nicht“, sagte sie. „Er ist ein netter Kerl, aber zu hübsch.“

„Hübsch? Ich bin nicht sicher, dass das ein angemessenes Wort für einen Kerl ist.“

„Für ihn schon. Er ist eher hübsch als gut aussehend.“ Sie überholte einen weiteren Laster. „Und kein Mädchen möchte einen Freund haben, der hübscher ist als sie.“

„In deinem Fall nicht möglich.“

„Versuchst du für die Suite später Punkte zu sammeln?“

„Es schadet nie vorauszuplanen.“

„Du bist so ein guter Pfadfinder.“

„Darauf wollte ich hinaus.“

Sie schüttelte ihren Kopf. „Falls du es vergessen hast, ich bin unkompliziert.“

„Dabei möchte ich es auch belassen.“

„Natürlich willst du das.“ In schneller Folge zog sie an einer Corvette, einem Lexus und einem aufgemotzten SUV vorbei.

„Du sagtest, Ford ist ein netter Kerl?“

„Ja. Das ist er.“

„Nett genug, um seine Geliebte zu töten?“

„Nicht der Kirk, den ich kenne.“ Sie seufzte. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass er das getan hat.“

„Liebe und Sex verleiten Menschen zu schrecklichen Dingen.“

Sie nickte. „Stimmt.“

Irgendwie verpasste ich Mississippi. Den gesamten Staat. Schien nur ein paar Herzschläge zu dauern, oder in meinem Fall ein paar Millionen davon, den Staat zu durchqueren und nach Louisiana zu gelangen. Als wir an der Ausfahrt nach Slidell vorbeiflogen und auf den Sturm zujagten, trieb Nicole die Pferde weiter an. Schnell waren wir draußen über dem See Pontchartrain, wo der Wind das Wasser zu Schaum aufschlug und ein paar der Wellen sahen aus, als würden sie gleich über die Straße schwappen. Regen stürzte aus einem niedrigen Winkel auf die Windschutzscheibe und die Scheibenwischer wurden kaum damit fertig. Nicole störte das nicht. Sie fuhr mit einer Hand am Steuer, während die andere mit einer Strähne ihres Haares in der Nähe ihres linken Ohrs spielte. Ich hätte es lieber gesehen, wenn sie beide Hände am Steuer gehabt hätte, auf zehn und zwei Uhr natürlich, war aber schlau genug, um in diesem Punkt meinen Mund zu halten.

Der Sturm war mächtig aber kurzlebig. Als wir ins French Quarter abfuhren, war der Regen zu einem Nieseln geworden. Im Westen konnte ich sogar Stücke blauen Himmels sehen.

Ein paar Kurven, Abbiegungen und wütende Fahrer später kam Nicole schlitternd vor dem Monteleone zum Stehen. Das Gebäude war weiß mit goldenen Dekorationen und lauter Schnörkeln auf der Fassade. Sehr französisch. Sehr wie eine Hochzeitstorte. Ist das ein guter Vergleich? Egal, es ist eine gute Beschreibung.

Ein Diener und zwei ordentlich gekleidete Pagen erschienen. Der Diener stieg in den Mercedes und fuhr ihn um die Ecke auf die Tiefgarage zu, während unser Gepäck auf einem Rollwagen durch die Eingangstür gefahren wurde. Wir folgten.

Drinnen sah die Hochzeitstorte auch ziemlich cool aus. Die Lobby des Monteleone erschien eher wie die eines Palastes an der Côte d’Azur. Gewölbte Decken, Kronleuchter, Parkettboden. Hinter dem Empfangstresen stand eine attraktive junge Dame, deren Namensschild sie als Katrina auswies. Nicht wie der Hurrikan, nicht windzerzaust oder deplatziert. Auch sie war ordentlich gekleidet und lächelte uns einladend an.

Sie brauchte eine Minute, um uns zu erzählen, dass unsere Suite fertig war, und weitere fünf Minuten, bis ein Page die Tür zu unserem Zimmer öffnete. Auch dieses gehörte in einen französischen Palast. Onkel Charles hatte sich Mühe gegeben. Sehr große Mühe.

Während wir auspackten, rief Nicole Marty Ebersole an. Er sagte, er würde uns in dreißig Minuten an der Bar treffen. Nicht lange genug für ein Nickerchen, eine Dusche oder „etwas anderes“, also beschlossen wir, schon früher hinunterzugehen. Ein Drink oder zwei konnten nur helfen, oder?

Kapitel vier

Die Carousel Bar des Monteleone, die über die Grenzen der Stadt hinaus berühmt war, zog Touristen an wie auf einem Tresen verstreuter Zucker die Ameisen. Heute war keine Ausnahme. Jeder Sitzplatz war besetzt, Gäste sammelten sich lachend im Umkreis und die Barkeeper arbeiteten in einem chaotischen aber effizienten Rhythmus, um dem Strom der Getränkebestellungen Herr zu bleiben. New Orleans und Alkohol waren praktisch Synonyme. Besonders das French Quarter, in dem die Leute sich nächtlich in Stumpfsinn, Wut oder Blödheit tranken. Hielten das NOPD auf Trab, schätze ich.

Karnevalslichter, Spiegel und aufgemalte Mardi-Gras-Figuren zierten die kreisrunde Bar und die sie umgebenden Stühle, von denen jeder eine handgeschnitzte Rückenlehne besaß, auf der Großwild abgebildet war. Löwen, Tiger und Elefanten. Wie ein richtiges Karussell drehte sich das gesamte Gebilde um sich selbst und brauchte dabei fünfzehn Minuten für eine Runde. Ich war nicht sicher, ob Alkohol und eine rotierende Bar eine gute Kombination waren. Ich überprüfte die Stühle auf Sicherheitsgurte, sah jedoch keine. Auch keine Airbags.

Wir gingen an dem Karussell vorbei und begaben uns in eine normalere Ecke der Bar, wo wir uns in bequeme Ledersessel setzten, die um ein paar Kaffeetische mit dicken Glasplatten standen. Hier rotierte nichts, die Möbel wackelten jedoch ein wenig auf dem alten Fußboden.

Einen Augenblick später kam eine freundliche Bedienung namens Tracey. Nicole bestellte ein Bier; ich einen Maker’s Mark auf Eis. Im Handumdrehen kam Tracy mit unseren Getränken zurück. Keine Bar in diesem Viertel erlaubte ihren Gästen lange auf dem Trockenen zu sitzen.

Eine Touristenfamilie setzte sich an einen Tisch in der Nähe. Ein Paar und drei Kinder im frühen Teenageralter, schätzte ich. Jeder trug eine vollgestopfte Plastiktüte. Die Kinder redeten aufgeregt über einen Straßenkünstler, den sie gesehen hatten. Offenbar einen dieser Statuen-Typen. Dieser war von Kopf bis Fuß silbern angemalt und stand reglos auf einer umgedrehten Metallbüchse, wie ich hörte. Der Vater der Familie sah aus, als hätte er während seines Aufenthalts in New Orleans keine Mahlzeit ausgelassen. Vielleicht hatte er das noch nie in seinem Leben. Er verschlang Nicole mit seinen Blicken. Perverser. Doch auf der anderen Seite kann ich mir das auch vorwerfen.

Ich rief Ray an und sagte ihm, dass wir angekommen waren und nun auf Marty Ebersole warteten. Ray und Pancake saßen auf seiner Terrasse. Er sagte, er hätte ein paar Dinge ausgegraben.

„Das Opfer ist Kristi Guidry“, sagte Ray, „neunzehn.“

„Du machst Witze. Neunzehn?“

Nicole wollte etwas sagen, doch ich hob einen Finger. Sie runzelte die Stirn. „Ich fürchte, ja“, sagte Ray. „Sie stand kurz vor dem Abschluss ihres ersten Semesters an der Tulane. Viel mehr weiß ich noch nicht über sie, aber Pancake sucht weiter. Ich bin sicher, dass er noch etwas findet. Der verantwortliche Detective ist ein Typ namens Troy Doucet. Ich habe ihn angerufen und warte auf einen Rückruf. Ich habe mit einem der Polizisten gesprochen, die am Tatort waren. Klang wie ein Neuling oder zumindest wie jemand mit nicht allzu viel Erfahrung. Wusste allerdings genug, um seinen Mund zu halten und den Zorn seiner Vorgesetzten nicht auf sich zu ziehen. Alles, was ich herausbekommen habe, war, dass er meinte, Ford stecke tief in der Scheiße.“

„Das ist gelinde ausgedrückt.“

„Pancake und ich bleiben dran und lassen euch wissen, was wir ausgraben.“

„Hoffentlich kann Ebersole ein paar Lücken füllen.“

„Bis später“, sagte Ray und legte auf.

„Was hat der Boss gesagt?“, fragte Nicole.

„Der Boss?“

„Okay, Ray.“

„Nicht viel. Das Mädchen war neunzehn. Eine Studentin im ersten Semester.“

Nicole seufzte und schüttelte den Kopf. „Kirks Schwanz wird noch sein Ende sein.“

„Wenn er es noch nicht ist.“

Ich sah einen Mann, der um das Karussell herumging, sich im Raum umsah, Nicole entdeckte und auf uns zukam. Ebersole, nahm ich an.

Er war es. Nicole stellte uns vor und er setzte sich. Er war klein, dünn und drahtig und hatte rostfarbenes Haar in kleinen Löckchen, das wie eine Duschhaube aussah, und eindringliche blaue Augen. Und wenn wir gerade von eindringlich sprechen – er schien immer in Bewegung. Ein Knie wippte, sein Blick schoss von hier nach da und fixierte sich nie auf etwas, als würden seine Netzhäute zu verbrennen drohen, wenn seine Augen einen Moment lang stillstünden. Er trug Jeans, ein blaues Hemd mit offenem Kragen und eine schwarze Lederjacke. Schien ein bisschen warm für das Wetter, sah aber cool aus. Und da er ein Hollywood-Typ war, nahm ich an, dass cool alles übertraf. Er sah sehr regisseurmäßig aus. War das ein Wort?

„Also, irgendetwas Neues?“, fragte Nicole.

Er schüttelte seinen Kopf. „Die Zwillinge und ich waren bei der Polizei und haben Kirk besucht.“ Nicole musste die Frage gespürt haben, die mir in den Kopf kam. „Die Zwillinge sind Tara und Tegan James. Kirks Kameradinnen in Space Quest.“

Ich hätte wissen müssen, wen er meinte. Ich meine, ihre blonden Haare und schlanken Körper zierten jedes Space-Quest-Plakat, das ich je gesehen hatte. Jedes Boulevardblatt im Land gar nicht zu erwähnen. Ich glaubte mich erinnern zu können, dass ich einen Artikel gelesen habe, in dem stand, dass eine von ihnen von einem Alien aus dem Weltraum befruchtet worden war. Und das war eine der glaubhafteren Geschichten über die beiden.

Ich nickte. „Ah, ja.“

„Übrigens“, fuhr Ebersole fort, „haben sie uns nicht mit ihm sprechen lassen. Sagten, er würde immer noch verhört.“ Er verdrehte die Augen. „Wirklich? Er ist seit acht Stunden dort. Entweder sind sie die langsamsten Menschen der Welt oder sie verarschen mich einfach.“

„Wann können wir ihn besuchen?“, fragte Nicole.

„Morgen früh. Er wird dann vernommen und hat um zehn eine Anhörung.“

„Das ist schnell“, sagte ich.

„Ben Kornblatt. Der Anwalt des Studios. Er hat ein paar Anrufe getätigt und eine lokale Größe auf den Fall angesetzt.“ Sein Bein hörte auf zu vibrieren und der Finger, der auf sein Knie geklopft hatte, lag für eine Sekunde still. Er blickte zur Decke, als würde er sich an etwas erinnern. „Mir fällt sein Name nicht ein.“ Alle Bewegungen setzten wieder ein. „Kornblatt kommt heute Abend mit dem Flieger.“

Tracey, die Kellnerin, erschien. Ebersole bestellte einen Manhattan und Nicole und ich noch einmal dasselbe wie zuvor.

„Was ist mit dem Mädchen?“, fragte Nicole. „Was weißt du über sie?“

„Neunzehn.“ Er schüttelte den Kopf. „Kirks übliche Tändelei.“

„Und?“

„Was meinst du mit ‚und‘? Sie ist tot.“

Nicole sah in stirnrunzelnd an. „Ich wollte wissen, wer sie ist.“

„Ihr Name ist Kristi Guidry. Hat morgens drüben im Café du Monde gearbeitet. Dort hat Kirk sie getroffen.“

„Wann?“, fragte ich.

„Vielleicht vor einer Woche. Seitdem war sie praktisch täglich bei ihm.“ Ich nahm an, dass er damit Kirks Hotelzimmer meinte.

Unsere Getränke kamen.

„Sonst noch etwas?“, fragte Tracey.

Ebersole hob sein Glas. „Ich brauche in einer Minute noch einen hiervon.“

Lächelnd ging sie davon.

Ebersole nahm einen Schluck von seinem Drink. „Die beiden älteren Brüder des Mädchens machen Radau. Reden mit jedem Nachrichtenreporter, den sie finden können. Sagen, Kirk sei ein Raubtier. Diese Art von Dingen.“

Nun, auf eine Art war er das auch, dachte ich. Ich sagte das nicht laut. Aber ich wusste, wie das lief. Hollywood und Major League Baseball hatten das gemeinsam. Junge Frauen folgten dem Team und tauchten in beträchtlicher Anzahl in den Bars und Restaurants auf, in denen die Spieler sich aufhielten, während sie von Stadion zu Stadion reisten. Ich hatte meinen Teil gehabt. Aber das war eine andere Geschichte. Fast ein anderes Leben. Ein Teil von mir vermisste das. Das meiste von mir tat das nicht.

„Ich kann nicht sagen, dass ich ihnen das übel nehme“, sagte Nicole. „Große Brüder beschützen kleine Schwestern nun mal.“

Ebersole zuckte mit den Schultern. „Stimmt.“ Er nahm einen weiteren Schluck Martini. „Gerüchten zufolge ist ihr Onkel, also auch Kristis Onkel, ein knallharter Typ.“ Er schüttelte den Kopf. „Bei meinem Glück ist er wahrscheinlich ein Gangster oder Drogendealer oder ein mit Meth vollgepumpter Motorradfahrer.“

Bei seinem Glück? War es nicht Kirk, der wegen Mordes im Gefängnis saß?

Ebersole leerte sein Glas im selben Augenblick, in dem das nächste erschien. Er lächelte und nickte Tracey, der Kellnerin, dankend zu. Sie nahm das leere Glas und ging zurück zur Bar.

„Wir haben heute nicht gedreht“, sagte Ebersole. „Ein Sturm ist durchgezogen.“

„Das wissen wir“, sagte ich. „Nicole ist hindurchgeflogen.“

„Geflogen? Ich dachte, ihr wäret gefahren.“

„Ein Wortspiel“, sagte ich.

Sie schlug mich fest auf den Arm.

„Verstehe“, sagte Ebersole lächelnd. „Ich vergaß. Ich bin einmal mit ihr durch LA gefahren.“

Ich sah sie selbstgefällig an. „Siehst du? Ich bin nicht der Einzige.“ Sie verdrehte ihre Augen. „Waschlappen.“

„Das Wichtigste ist, dass er morgen auf Kaution rauskommt.“ Ebersole massierte seine Schläfe, während er sprach. „Wir können es uns nicht leisten herumzuhängen, während die Mühlen des Gesetzes mahlen.“ Er seufzte. „Kornblatt muss seine Magie wirken und Kirk zurück ans Set kriegen, und zwar pronto.“

„Ich wette, die Kaution wird hoch sein“, sagte ich. „Wenn die Möglichkeit überhaupt besteht.“

„Wie hoch sie ist, spielt keine Rolle. Wir können sie bezahlen.“

Ich nahm an, dass ein Zwei-Milliarden-Franchise das erlauben würde. Ich fragte mich darüber hinaus, wie viel Einfluss ein glatter LA-Anwalt hier unten im Big Easy haben würde. Ich stellte mir einen glänzenden dreiteiligen Anzug vor, der einem ernsten Richter gegenüberstand, der unter seiner schwarzen Robe Jeans, ein T-Shirt und eine Fünfundvierziger trug. Könnte eine verdammt gute Show werden.

„Es ist hier passiert?“, fragte ich. „In diesem Hotel, richtig?“

Wieder stoppten Ebersoles Bewegungen abrupt und er nickte. „Kirks Zimmer ist auf demselben Flur wie eures, ein paar Räume weiter.“ Sein Knie begann wieder zu wippen. „Wollt ihr es sehen?“

Das konnte nicht hinkommen. Weniger als zwölf Stunden waren vergangen, seit das Verbrechen angezeigt worden war. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass die Polizei und die Forensiker den Tatort bereits freigegeben hatten. Ich sagte das zu Ebersole.

„Kein Problem“, sagte er. „Ich habe einen Schlüssel.“

„Tatsächlich?“, fragte Nicole.

„Natürlich. Ich bezahle den Raum.“ Er lächelte. „Das Hotel hat ihn mir heute gegeben.“

Ich konnte es nicht glauben. „Sie haben dir den Schlüssel zu einem Tatort gegeben?“

Er zuckte mit den Schultern. „Die Cops haben Kirks Schlüssel mitgenommen und ich wollte nicht ausgesperrt sein, um es so zu sagen. Das Zimmer läuft auf meinen Namen und ich nehme an, dass das Mädchen am Empfang die Nachricht über den Mord an Kristi Guidry noch nicht bekommen hatte. Wie auch immer, sie hat mir einen Schlüssel gegeben.“

„Trotzdem bin ich nicht sicher, ob es eine gute Idee ist, einen Tatort zu kontaminieren“, sagte ich.

„Dann fasst eben nichts an.“ Er leerte seinen Drink und winkte Tracey, die Kellnerin, heran.

Zehn Minuten später standen wir vor der Tür zu Kirks Suite. Sie war nicht mit diesem gelben Band abgesperrt, auf dem „Tatort“ stand. Es gab nur ein einfaches Schild mit der Aufschrift „außer Betrieb“. Ich schätze, das Monteleone hatte einigen Einfluss. Wollten die Gäste nicht beunruhigen und ein Tatort-Schriftzug hätte genau das getan.

Ebersole öffnete die Tür und wir traten ein. Drinnen zögerte ich. Der Begriff „einbrechen und unbefugt betreten“ erschien mir angemessen. Wenn wir erwischt wurden, würden wir gemeinsam mit den feinsten Schurken von New Orleans in einer Zelle sitzen. Ebersole und Nicole schien dieser Gedanke allerdings nicht zu stören.

Kirks Suite war eine exakte Kopie der unsrigen. Zwei Räume: ein weitläufiger Wohnbereich und durch ein paar Glastüren abgetrennt das Schlafzimmer. Es hatte sogar dieselben grünen Vorhänge, das cremefarbene Sofa und die mit Blumen bedruckten Sessel um einen eisernen Kaffeetisch mit Glasplatte.

Natürlich war in unserer Suite kein Pulver zur Sicherstellung von Fingerabdrücken auf der Eingangstür und ihrem Rahmen. Und unser Bett war auch nicht abgezogen und die Matratze lag nicht schief auf dem Bettgestell. Ein Mülleimer stand auf dem Schränkchen neben dem Fernseher und darunter befand sich der Kühlschrank, geöffnet und leer. Mehr Pulver befand sich auf der Tür zum Bad.

„Die Cops haben die Bettwäsche und die Kleider von Kirk und dem Mädchen mitgenommen. Sie lagen auf dem Sofa.“ Er deutete in den Wohnbereich. „Sie haben zwei leere Weinflaschen und ein paar Kondome im Abfalleimer gefunden und zwei Weingläser neben dem Bett. Dazu noch drei Joints, einer davon halb geraucht. All das haben sie auch mitgenommen.“

„Das Mädchen wurde erwürgt, richtig?“, fragte ich.

Ebersole nickte. „Als Kirk anrief und mir erzählte, was passiert ist, kam ich gerannt. Das Mädchen lag im Bett. Ihr BH war um ihren Hals gewickelt.“

Nicole schluckte hart. „Was hat Kirk gesagt?“

„Dass er sich an nichts erinnert. Sie waren hier drinnen und haben getrunken, geraucht und Sex gehabt. Danach sind sie eingeschlafen. Als er erwachte, lag sie so neben ihm. Tot. Kalt.“

„Sie hatten keinen Streit oder etwas in der Art?“, fragte ich.

„Er sagte, sie hätten eine gute Zeit gehabt. Vielleicht eine zu gute.“

Nicole ging um das Bett herum. „Und er erinnert sich an nichts?“

Ebersole schüttelte den Kopf. „Nichts. Er sagte, er muss der Bewusstlosigkeit nahe gewesen sein. Er hat heute Morgen den Kater seines Lebens gehabt.“

Ich nahm an, dass eine tote Neunzehnjährige neben einem im Bett das wohl verursachen konnte. Mein Kopf begann zu hämmern. Was hatte Ray erwähnt, dass der Polizist ihm erzählt hatte? Dass Kirk tief in der Scheiße saß. Aus meiner Sicht stimmte das hundertprozentig.

Kapitel fünf

Als er Kirks Zimmer wieder abschloss, erklärte Ebersole, dass er um halb acht Essen für uns bestellt hatte. Das hieß, dass wir noch ungefähr eine Stunde totschlagen mussten. Nicole und ich schlenderten den Flur hinunter zu unserer Suite. Sie beschäftigte sich damit, Nicole-Sachen zu machen und ich streckte mich mit einem Buch auf dem Bett aus, während im Fernsehen auf kaum wahrnehmbarer Lautstärke Sports Center lief.

„Was liest du?“, fragte Nicole.

„Ein Buch über Selbstverteidigung, das Ray mir gegeben hat. Er sagte, ich müsste abgebrühter sein. Seine Worte.“

Sie setzte sich auf die Bettkante und zerzauste mein Haar. „Armer Schatz.“

„Ich bin abgebrüht.“

Sie lachte. „Jake, du bist ein Liebhaber und kein Kämpfer.“

Ich versuchte zu schmollen, aber es klappte nicht.

„Aber ich muss zugeben“, fuhr sie fort, „dass du mit Borkovs Schlägern gut fertiggeworden bist. In dieser Nacht auf dem Schiff.“

Das stimmte. Ich hatte noch immer einige Fastballs in mir und in dieser Nacht hatte ich ein paar echte Schönheiten geworfen. Ich hatte das überraschte Gesicht von Joe Zuma noch vor Augen, als sich zuerst ein Ball und dann der nächste mit achtzig Meilen pro Stunde genähert hatten. Der erste traf ihn an der Stirn, der zweite an der Kehle. Zwei perfekte Würfe.

„Also muss ich nur immer ein paar Baseballs dabeihaben.“ Sie hob eine Braue. „Ich denke, du hast auch so schon genug in der Hose.“

„Witzig. Aber ich nehme es als Kompliment.“

Sie lächelte. „So war es auch gemeint.“ Sie blickte auf das Buch. „Lernst du etwas daraus?“

„Nur, wo Menschen am verletzlichsten sind. Wie man sie außer Gefecht setzt, wenn es nötig ist.“

„Kronjuwelen“, sagte Nicole. „Das funktioniert immer.“

„Außer es handelt sich um eine Frau.“

„Was, hast du Angst vor Frauen?“

„Ich habe Angst vor dir.“ Das stimmte. Sie konnte kickboxen. Ich habe sie ein paarmal beim Training an einem Sandsack gesehen. Was ich dort beobachtet habe, verriet mir, dass diese langen, wunderschönen Beine tödlich sein konnten.

„Das ist auch richtig so.“ Sie lachte. „Also, wenn dein Gegner eine Frau ist, was machst du dann?“

„Die Augen. Hier steht, dass ein kleiner Schnipp mit dem Finger ins Auge jeden aufhält.“

„Also empfiehlt Rays großes dickes Selbstverteidigungsbuch jemanden mit einem Finger anzustupsen?“

„Nicht stupsen. Schnippen. Und ins Auge.“

„Hört sich immer noch weicheimäßig an.“

„Solange es nicht dein Auge ist.“

„Du liest besser noch ein paar Kapitel.“ Sie lächelte. „Später.“ Sie schälte sich aus ihrem Top und ihrer Jeans und streifte den schwarzen Stringtanga ab. Nackt stand sie vor mir und sah mich an. „Bereit für eine Dusche?“

Ich betrachtete sie von Kopf bis Fuß. „Wenn du es so sagst.“ Ich rollte mich aus dem Bett. Ich liebte duschen. Besonders, wenn es sich in „etwas anderes“ verwandelte.

Danach schlüpften wir in die Bademäntel, die das Hotel zur Verfügung gestellt hatte, und streckten uns auf dem Bett aus.

Nicole schaltete auf Fox News und ich nahm mein Selbstverteidigungsbuch zur Hand. Ich schaffte eine ganze Seite, bevor mein Handy klingelte. Es war Ray.

„Okay“, sagte er. „Dieser Detective, Troy Doucet, hat angerufen. Schien recht nett zu sein. Nicht zu schüchtern, um sich mit mir zu unterhalten.“

„Wirklich?“

„Nun, ich habe meinen Mann im örtlichen FBI-Büro gebeten ihn anzurufen. Damit er weiß, dass wir legal sind.“

„Was haben sie?“

„Mal sehen. Ford fand das Mädchen tot in seinem Bett. Die Tür war abgeschlossen. Nur die beiden waren im Raum. Er hat Doucet erzählt, dass er nicht mehr viel von dem Abend weiß.“

„Ebersole sagte, Kirk sei nahezu bewusstlos gewesen. Wein und Marihuana. Sagte Doucet etwas von weiteren Drogen?“

Nicole stellte den Fernseher lautlos und rollte sich auf die Seite. Fragend sah sie mich an.

„Ford hat Wein und Marihuana zugegeben, aber nichts Härteres“, sagte Ray. „Die Toxikologie wird ein paar Tage brauchen.“

Ich hielt das Telefon an mein anderes Ohr. „Kirk muss eine unglaubliche Menge Wein getrunken haben.“

„Ich nehme an, die Labortypen werden uns das sagen. Jedenfalls gibt es morgen eine Anklageerhebung und eine Option auf Freilassung gegen Kaution.“

„Ja, wissen wir. Um zehn.“

„Seid dort“, sagte Ray.

„Das werden wir.“

„Doucet sagte, er will sich später mit euch treffen.“

„Großartig. Und Kirks Anwalt – eigentlich der des Filmstudios -ein Kerl namens …“ Mir fiel der Name nicht mehr ein.

„Ben Kornblatt“, sagte Ray.

„Ja, Kornblatt. Er kommt mit dem Nachtflug und wird ebenfalls da sein. Er hat eine lokale Größe als weiteren Anwalt hinzugezogen.“

„Walton Greene“, sagte Ray. „Er arbeitet für eine der großen Firmen in New Orleans.“

Verdammt, Ray war gut. Wahrscheinlich eher Pancake. Hört sich nach etwas an, das er ausgegraben hatte.

„Klingt, als wäre Kirk gut vertreten“, sagte ich.

„Das Beste, was man für viel Geld bekommen kann.“

„Glaubst du, die lassen ihn auf Kaution raus? Nach einer Mordanklage? Und als jemand, der nicht von hier ist?“

„Nicht zu erwähnen, dass der Richter als harter Hund bekannt ist“, fügte Ray hinzu.

„Wer ist er?“

„Mal sehen.“ Ich hörte, wie Ray ein paar Papiere auf dem Tisch umherschob. „William Booth. Ist seit fast zwanzig Jahren Richter. Hüter von Recht und Ordnung.“

„Hört sich nicht gut an“, sagte ich.

„Schätze, das wird sich zeigen. Ihr zwei geht morgen dorthin. Pancake gräbt in der Welt des Mädchens herum. Ich lasse euch wissen, was wir finden.“

„Eine Sache noch“, sagte ich. „Die beiden Brüder des Mädchens stiften Unruhe. Erzählen der Presse, wie böse Ford ist.“

„War zu erwarten.“

„Und ihr Onkel ist angeblich irgendein harter Brocken. Das hat zumindest Ebersole gehört.“

„Ich sehe mal nach.“

„Okay.“

„Bleibt cool.“ Er unterbrach die Verbindung.

Kapitel sechs

Nicole und ich kamen ein paar Minuten zu spät an Mr B’s Bistro an. Nicole war daran schuld. Sie hatte sich dreimal umgezogen. Ich habe dabei unschuldig in schwarzen Boxershorts auf der Bettkante gesessen und mir die Show angesehen. Ich meine, echt jetzt, wie hätte ich das nicht tun können? Sie wand sich in verschiedenfarbige Jeans hinein und wieder heraus, bevor sie sich schließlich für eine weiße entschied, über der sie eine dunkelgrüne Seidenbluse trug. Sie drehte sich vor dem Spiegel um sich selbst, wandte sich dann an mich und fragte: „Gehst du so?“

„Vielleicht.“

„Vielleicht ein paar Hosen?“

„Das hast du vorhin nicht gesagt.“

Sie quittierte das mit einem Kopfschütteln. Doch sie hatte recht. Jeans, ein schwarzes Golfshirt, Sneakers – fertig. Zu Mr B’s zu kommen war einfach, denn es lag direkt auf der anderen Straßenseite. Wir traten durch die Glastüren und wurden von einer Empfangsdame begrüßt. Sie war jung – sie sah aus wie zwölf – und attraktiv in ihren schwarzen Hosen und einer engen weißen Bluse und blickte uns freundlich an.

„Willkommen bei Mr B’s“, sagte sie und lächelte warm und ehrlich. „Wie kann ich euch helfen?“

„Ich glaube, die Reservierung läuft auf Martin Ebersole“, sagte Nicole.

„Ja. Die anderen sind bereits da. Bitte folgen Sie mir.“

Sie führte uns zu einem mit grünem Leder ausgekleideten Separee im hinteren Teil des Restaurants, wo Ebersole bereits mit den James-Zwillingen Tara und Tegan saß und Wein trank. Nicole umarmte die Mädchen und stellte mich dann vor.

„Sorry, wir sind zu spät“, sagte Nicole und setzte sich. „Jake hatte Probleme mit dem Anziehen.“

Wirklich? Ich erwog mich zu beschweren, weil ich abgelenkt worden war, entschied mich aber zu schweigen. Ich lächelte einfach und setzte mich.

„Du siehst gut aus“, sagte Tegan. Oder war es Tara?

Ich sah gut aus. Cool sogar. Meine bescheidene Meinung.

„Und heiß“, fügte ihre Schwester hinzu. „Wie Nicole gesagt hat.“

„Hat sie das?“, fragte ich.

Nicole zuckte mit den Schultern und lächelte. Unser Kellner tauchte auf, reichte Nicole und mir die Speisekarte und nahm unsere Getränkebestellung auf.

„Irgendwas Neues von Ray?“, fragte Ebersole.

Ich schüttelte meinen Kopf. „Nichts, was du nicht schon weißt, aber er und Pancake arbeiten an ein paar Dingen.“

„Pancake?“, fragte Tara. Oder war es Tegan?

Ich erklärte das Unerklärliche. Tommy Jeffers, auch bekannt als Pancake. Groß, rothaarig und einen ganzen Haufen schlauer als die meisten Menschen auf den ersten Blick für möglich hielten. Sah aus wie ein großer dummer Sportler, doch seine Computerskills waren legendär. Grub sich in Bereiche vor, die den meisten nicht zugänglich waren. Und man wollte ihn in einer Schlägerei auf seiner Seite haben. Breite Brust, dicke Arme, große Fäuste. Wenn es sein musste, konnte er definitiv Schmerzen zufügen.

„Klingt irgendwie süß“, sagte Tara/Tegan.

Süß war kein Wort, das ich je in Bezug auf Pancake gehört hatte. Charmant? Sicher. Selbst freundlich war in Ordnung. Manchmal passte angsteinflößend besser.

„Meiner“, sagte ein Zwilling.

„Auf keinen Fall“, feuerte ihre Schwester zurück. „Ich bin an der Reihe.“

„An der Reihe?“, fragte ich.

Die beiden lachten. Der Zwilling auf der linken Seite erklärte. „Wir haben eine Abmachung.“

„Nicht wirklich“, sagte die andere.

„Wohl.“

„Das sagst du immer.“

Der linke Zwilling nahm einen Schluck Wein. „Weil es stimmt.“

Die Zwillinge waren atemberaubend. In Fleisch und Blut noch mehr als auf den Plakaten und Klatschblättern. Glatte blonde Haare wie Nicole, blaue Augen wie Nicole und feste Körper wie Nicole. Und sie waren so verstörend identisch. Selbst ihre komplett schwarzen Klamotten und die schlichten Goldketten waren gleich. Ich war ein paar eineiigen Zwillingen begegnet, aber es hatte immer subtile Unterschiede gegeben. Nicht nur in der Kleidung oder dem Benehmen, sondern im Gesicht. Kleine Unterschiede, an denen man sie unterscheiden konnte. Doch Tara und Tegan sahen so aus, bewegten sich, sprachen und lachten, als wäre die eine das Spiegelbild der anderen.

„Sorry“, sagte ich. „Aber wer von euch ist wer?“

Ein weiteres einstimmiges Lachen.

„Ich bin Tara“, sagte der linke Zwilling. „Und Tegan ist meine jüngere Schwester.“

„Ungefähr eine Minute jünger“, sagte Tegan.

„Eher drei Minuten.“

„Wie auch immer.“

Okay, also Tara links, Tegan rechts. Wenn sie sich nicht bewegten, wäre ich sicher. Der Kellner kehrte mit Nicoles Wein und meinem Whiskey zurück. Er fragte, ob wir bereit wären zu bestellen, doch Ebersole sagte, dass wir noch nicht einmal einen Blick in die Speisekarten geworfen hätten. Er nickte, sagte, dass er in Kürze wiederkäme, und ging.

„Keine Angst“, sagte Tara. „Niemand kann uns auseinanderhalten.“

„Und wir nutzen das die ganze Zeit aus“, sagte Tegan.

Tara: „Haben unsere Lehrer in den Wahnsinn getrieben.“

Tegan: „Die Jungs auch.“

Tara: „Oh ja.“

„Also datet ihr zwei dieselben Typen?“, fragte ich.

Tegan: „Manchmal, und sie …“

Tara: „… merken nie den Unterschied.“

Tegan: „Fast nie.“

Tara: „Nie.“

Tegan: „Nun, da war dieser Jimmy Wie-hieß-er-noch-gleich?“

Tara: „Er hat es nicht gemerkt.“

Tegan: „Schon irgendwie.“

„Schon irgendwie?“, fragte ich.

Tegan: „Tara ist mit diesem Möchtegernschauspieler ausgegangen. Jimmy … äh … irgendwer.“

Tara: „Kann mir seinen Nachnamen einfach nicht merken.“

Tegan: „Ich auch nicht.“

„Ich wette, er wäre völlig aus dem Häuschen, wenn er wüsste, dass er einen solchen Eindruck gemacht hat“, sagte ich.

Tegan: „Er hat sich nicht beschwert. Aber Tara hatte keine Lust mehr auf ihn.“

Tara: „Nach zwei Dates.“

Tegan: „Aber ich fand ihn süß …“

Tara: „… als er mich also das nächste Mal ausführen wollte …“

Tegan: „… bin ich gegangen.“

Ich nickte. „Und er hat es nie erfahren?“

Tara: „Nö.“

Tegan: „Aber er hat bemerkt, dass der Sex besser war.“

Tara: „Das sagst du immer.“

Tegan: „Ich sage nur, wie es war.“

Tara: „Weil du die größere Schlampe bist.“

Tegan: „Ja, richtig.“

Ich war froh, dass wir das geklärt hatten, bevor der Kellner zurückkehrte. Wir bestellten. Er sammelte unsere Speisekarten ein und ging.

„Ich habe gehört, ihr wart im Gefängnis und habt Kirk besucht?“, fragte Nicole.

Tegan: „Sind nicht besonders weit gekommen.“

Tara: „Das waren Idioten.“

Tegan: „Der Süße nicht.“

Tara: „Auf eine blonde, blauäugige …“

Tegan: „… heißer Körper …“

Tara: „… Art und Weise.“

Tegan: „Die Uniform nicht zu vergessen.“

Tara: „Sehr cool.“

Mein Hirn fühlte sich wie nach einer Contrecoup-Verletzung an, weil mein Kopf sich hin und her bewegte. Diese Mädchen hatten es zu einer Kunstform erhoben die Sätze der jeweils anderen zu beenden.

„Die Zwillinge haben ihre Magie an diesem jungen Polizisten gewirkt und hätten es beinahe geschafft“, sagte Ebersole. „Ich denke, er hätte uns vorgelassen. Sein Sergeant war allerdings eine andere Geschichte.“

Tara: „Kein Sinn für Humor.“

Tegan: „Keinen.“

„Lasst mich euch Mädels was fragen“, sagte ich. „Ihr kennt Kirk gut, nehme ich an?“

Tegan: „Seit wir vierzehn waren.“

Tara: „Als die Space-Quest-Reihe begann.“

„Was denkt ihr?“, fragte ich. „Könnte er es getan haben?“

„Niemals“, sagten sie im Einklang.

Tara: „Kirk würde niemals …“

Tegan: „… etwas Derartiges tun.“

„Ich nehme an, ihr kanntet auch das Mädchen? Kristi Guidry?“

Sie nickten in perfekter Synchronität. Die Tänzerinnen der Rockettes wären neidisch gewesen.

„Und?“

Tara sah ihre Schwester an, zögerte und sagte dann: „Wir mochten sie.“

„Hübsch, klug und witzig“, fügte Tegan hinzu.

„Irgendwelche Spannungen zwischen den beiden?“, fragte ich.

Tegan schüttelte den Kopf, während sie sich eine lose Strähne ihres perfekten blonden Haars hinters Ohr strich. „Sie mochte Kirk. Das ist sicher.“

„Ich glaube, sie war verliebt“, sagte Tara. „Das ist nie gut, wenn es um Kirk geht.“

„Wieso?“, fragte ich.

„Gebrochene Herzen“, sagte Tegan. „Kirk lässt sich nie auf eine ein. Er sucht nur vorübergehende Zerstreuung. Die Frauen, die er aufreißt, glauben jedes Mal, dass sie mehr als nur eine Affäre sind, aber Kirk verliebt sich nie wirklich.“

„Es ist eher Lust“, fügte Tara hinzu.

„Sehe ich das richtig, dass das quasi seine Gewohnheit ist? Jemanden aufzureißen, während er sich an einem Drehort befindet?“

„Das tut er nun einmal“, sagte Tegan. „Aber andererseits tun das alle Schauspieler.“

„Aber versteh das nicht falsch“, sagte Tara. „Daran ist nichts Böses. Wenn Kirk eines ist, dann charmant.“

Tegan nickte zustimmend. „Und gut aussehend. Und heiß. Und absolut cool.“

Ich lächelte. „Hört sich an, als wäret ihr Mädels scharf auf ihn.“

Tara: „Auf jeden Fall.“

Tegan: „Auf eine geschwisterliche Art und Weise. Er ist wie der große Bruder, den wir nie hatten.“

Tara: „Er passt wirklich auf uns auf.“

Tegan: „Manchmal übertreibt er es.“ Sie leerte ihr Weinglas.

„Mehr als einmal hat er Typen weggejagt, mit denen wir rumhängen wollten. Wenn er dachte, sie seien schlechte Schauspieler.“

Tara: „Stimmt. Und meistens hatte er recht.“

Tegan: „Besonders bei den Typen, die du aufreißt.“

Tara: „Ja, weil du das ja nie machst.“

Tegan sah ihre Schwester mit gespieltem Stirnrunzeln an. „Aber was ich meine, ist, dass die Mädchen normalerweise nur einen oder zwei Tage bleiben. Dass Kristi eine ganze Woche da war, heißt, dass er sie wirklich gemocht hat.“

„Also war sie anders als seine üblichen Mädchen?“, fragte ich.

Tegan starrte mich an. „Ich glaube, das war sie.“ Sie warf Tara einen Blick zu. „Sie war die Erste, an die ich mich erinnern kann, die ihn wirklich hätte stehlen können.“

„Ihn stehlen?“

„Von uns“, sagte Tara.

„Wir beschützen ihn auch sehr gut“, sagte Tegan. Sie lächelte. „Ihn als unseren großen Bruder.“

Tara nickte. „Absolut.“

„Klingt, als stündet ihr euch sehr nahe“, sagte ich.

Tegan schwenkte den Wein in ihrem Glas und nahm einen Schluck. „Wir lieben ihn ganz schrecklich.“

Unser Essen wurde gebracht und sah großartig aus. Natürlich hatte ich in New Orleans noch nie schlecht gegessen. Besonders nicht im Mr B’s. Während wir aßen, sprachen wir über die bevorstehende Anklageerhebung. Ebersole sagte, wir sollten früh dort aufkreuzen. Er erwartete einen Presserummel und einen Haufen Fans, fügte aber hinzu, dass Kornblatt Plätze für uns direkt hinter der Verteidigung besorgt hätte. Gute Plätze für das große Ereignis.

Kapitel sieben

Café du Monde. Es gibt keinen vergleichbaren Ort. Ich war noch nie in New Orleans gewesen, ohne es mindestens einmal besucht zu haben, um die Beignets und den Zichorienkaffee zu genießen. Der Duft dieser beiden Dinge hing schwer unter der grünen Markise, die den Innenhof bedeckte, ebenso der Lärm der Unterhaltungen. Es war erst kurz nach acht und der Laden war voll wie immer, doch Nicole und ich schafften es einen Platz am Geländer zu ergattern. Draußen auf dem Bürgersteig bastelte ein Straßenkünstler, der angezogen war wie ein Clown, komplett mit bemaltem Gesicht, Tiere aus Luftballons, die er einem aufgeregten Kind nach dem anderen in die Hand drückte. Eltern warfen Münzen in den kleinen Alueimer zu seinen Füßen.