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Die Tôh sind eine Gesellschaft, die in sich viele Spezies eingegliedert haben. Was war ihr Anfang? Sind sie Teil ihrer handeigenen Schöpfung oder sind sie Teil des ewigen Gottes, der die Welt erschaffen hat? Wenn den Tôh nachgesagt wird, sie hätten die Vordere Damarkation erschaffen, was sind sie dann? Auch Ewige oder nur Teil seines Plans, die einzige Dynastie zum Machterhalt zu bringen, die sich seinem Dienst verschworen haben?
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Seitenzahl: 176
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Vorwort
Patt’Arrl
Container
Konformität
Lebenskugel
Augenblicke
Zusammensein
Weitermachen
Der letzte Einteiler
Höchster
Geborgenheit
Annektion
Bijon Je’ Saval – von der Erde
Der Halcyon
Haus Gôma
GLOSSAR
Die Toh sind eine Gesellschaft, die viele Spezies eingegliedert haben. Da stellt sich die Frage, warum ich gerade mit einer Gruppe von ihnen anfange, die anders sind, wie der Leser und/oder die Leserin noch merken wird.
Es ist nun so, dass man immer irgendwie anfangen muss. Sollten es Toh selbst sein? Da stellt sich bei jedem Einzelnen von ihnen doch zugleich die Frage, warum er ist, wie er ist, als Raa oder Denaa oder als Spross der handeigenen Schöpfung. Toh zu sein, bedeutet Kenntnis des Quells zu haben.
Woher stammt der Quell aber?
Wo kann man ihn finden?
In den Kolonien, in den Reinkolonien. Vor allem bei denen, die damit leben, ohne darüber nachzudenken. Bei jenen, die auch wissen, was da bei ihnen ist. Sie sind eigen und fähig genug, so dass ein Toh und die herrschende Spezies sich einig darin sind, den Quell ihnen in die Hand zu geben oder von Natur aus bei ihnen zu belassen.
Indigene, hier Indigenaa, sind an Zahlen so gering, dass jedes noch so kleine Kontingent an Toh ausreichte, um sie zu vernichten. Die Tôh haben es nie getan. Indigenaa jeder Spezies sind Quellträger von Natur aus. Sie sind Vielträger und das in jeder Hinsicht.
Mit ihnen beginnt meine Geschichte nicht, doch bei ihnen setzt sie ein. Denn Indigenaa sind auch die Pförtner der Verflochtenen. Sie sind die Einzigen unter den Toh, die in der Lage sind, unter allen und mit allen zu leben und das nur aus sich selbst heraus, alles in sich aufzunehmen und alles zu werden.
Toh benennen Indigenaa mit einem Begriff aus deren eigener Sprache. Das heißt, viele in jedem Exemplar. Mit Exemplar meinen die Toh, eine reine Kreatur, die natürlich geboren wird. Denn im Grunde ist jeder Indigenaa zugleich auch ein reiner Toh. Das ist ihr kleines Geheimnis.
Bei den Indigenaa ist das Erijeh gewachsen. Erijeh, das sind kleine Kugeln, die das Abbild eines Planeten zeigen, nach dem Wunsch des ursprünglichen Trägers der Kugel, und sich mit jeder natürlichen Veränderung des Planeten ebenfalls ändern.
Toh haben das Erijeh nicht erfunden, sie haben es einfach angenommen. Irgendwann vor vielen Jahrtausenden, als einer der ewigen und reinen Alleinigen das Reich erweiterte und die Vielfalt des Universums in das Leben seines Volkes einbettete.
Der wahre und loyale Toh, egal wer er ist und egal wo er herkommt, hält Erijeh immer in seinen Händen. Um ihn dreht sich alles wie ein Kreisel, eine Welle, eine Spirale und sehnt sich nach einem schönen Leben.
Es ist das Leben in sich.
Das ist die Wahrheit.
Ein Glossar ist immer am Ende des Buches über die Begriffe, die in dem Band wichtig sind.
Die öffentlichen Betonungszeichen über einigen Wörtern wurden in diesen Band weggelassen. Bei den Toh ist es egal wie man etwas ausspricht, Verständnis ist immer gegeben. Zur Ehre werden sie trotzdem an einigen Stellen hinzugesetzt.
***
Das ist das zu einem Band erweiterte Skript, das etwa vor 20 Jahren geschrieben wurde. Es sei dem Herrn des Volkes gewidmet, dem mein Leben gehört. Damit ist alles, was ich geschrieben habe und in Zukunft noch schreibe für das ausgewählte Volk. Es sei keine Verpflichtung, nein, es seien die Fäden, die das Leben spinnt.
Es ist so schnell aufgeschrieben, als hätte ich keine Zeit gehabt. Man muss es auch so lesen. Einer hat mir gesagt, schreibe es jetzt auf, es ist der einzige Zeitpunkt, den ich dir gönne, um es aufzuschreien. Es ist der einzige Zeitpunkt, den du hat, den ihr habt, um das Geschehen zu sehen, bevor es passiert… Mein Zweck ist Seine Feder zu sein.
Aber, es ist schon zu spät.
PATT’ARRL. Hochburg des Stammes. Das Spiel. Es war ihres. Sie waren die Begründer. Wenn sich die Welt fragte, was das denn für ein Spiel sei? Sie waren es selbst. Sie waren das Spiel. Sie waren die Nation des Spiels. Die Begründer des Spiels und die Spieler selbst.
Sie erhoben sich wie immer. Fanden sich zum Essen ein wie immer. Nahmen ihre Arbeit auf wie immer. Gingen zum Ankunftsplatz der Personenfähre einmal im Monat. Doch dieses Mal waren sie dabei nicht allein und das Spiel hatte sich verändert.
Der Gruppenleiter der südreichenden Zentralkolonie warten geduldig auf die neuen Leibeigenen. Einige von ihnen schauten auf ihre Uhren. Keine Abweichungen. Und es war nicht so, dass sie wirklich Uhren brauchten.
Es war wegen den Warnungen.
Sie rechneten bereits und betrachteten den geschlossenen Container. Keine anormalen Anzeigen. Und es war auch nicht so, dass sie Warnungen wirklich brauchten.
Es war wegen dem Spiel.
Und wegen der Absicherung.
Also öffneten sich ihre Reihen und der Sprecher der Strategen trat einen kleinen Schritt nach vorn. Er hätte sich wirklich nicht bewegen müssen. Sie hörten ihn immer.
„Ich erkenne nichts Besonders“, erklärte er.
Sie warfen ihm alle einen kurzen Blick zu.
„Der Älteste gibt sich zufrieden“, kam die Antwort gleichsam aus der Nähe.
Daraufhin entfernte sich mehr als die Hälfte der Anwesenden. Es war jene schweigend erhabene Masse der uralten Streitmacht der Spieler, die sich einfand in die Welt der Ahnen und sich nun leise zum Warten an anderer Stelle aufmachte. Wenn sich Warnungen heute nicht in Körperliches verwandelten, konnten sie da überhaupt nichts tun.
Denn für anderes fehlte es ihnen am Wort des Herrn.
Es fehlte ihnen am Herrn gar selbst.
So jedenfalls hatte es der Älteste des Stammes vor einem Jahr entschieden. Kein anderer als der Älteste gab ihnen seither das Wort. Es gab auch keinen sonst, den sie erhört hätten.
Bis auf den Einen, der ihr Meister sein sollte. Der selbst war jung, geschützt, unausgesprochen. Verborgen unter den Händen der Vielen im Atem der Ahnen und umgeben von dem Element im Dämmer der herrschenden Ewigkeit und gewollt schweigsam vor dem Ältesten.
Beobachtet unter den Augen derer, für die das Spiel längst keines mehr war und all denen, die wandelten zwischen den Grenzen und die Welten betrachten durften.
Ihre Welt, ihr Universum war in Gefahr.
Ihr Dasein inmitten des Hier und ungesehen von der Realität, denn die machte hier schon eine Weile die Augen zu. Der Schutz der Herrscher war brüchig geworden in einer Zeit des Wandels, wo kein Wandel sein sollte, weil die Herrscher es so wollten. Die Herrscher befehligten die Welt. Dennoch und gerade deswegen war der Wandel in das Leben des Stammes eingebrochen und hatte es empfindlich gestört, hatte Leben gefordert, wo Leben gar unendlich war, und hatte Unwillen unter ihnen gesät. Ihr Leben in der kleinen Enklave war schon lange kein Leben mehr, wie es erschaffen worden war.
Die Ahnen wussten das.
Sie waren zornig darüber.
Ihr Leben war wie ein Körper voller Löcher, aus dem das Blut im Pulsschlag des Herzens ungebremst herauslief.
Die Ahnen hatten es versucht aufzuhalten, doch nicht geschafft.
Die kleine Enklave, Patt’Arrl, die erste Enklave, die mit der Ewigkeit verbunden war, stand nicht vor dem Fall, sondern vor der Zersetzung.
…
Doch.
Eingehaucht der Wille der Herrscher, sich nicht zersetzen zu lassen, aufzustehen und zu atmen.
Kein Spiel.
Nur Leben.
Der Älteste hatte entschieden.
Und.
Sie erhoben sich.
Mit dem Ältesten.
CONTAINER. In der Nähe des Containers, der klobig im Raum stand und schwermütig zu hängen schien, standen die Einteiler, die Bewacher und die Notversorgenden.
Sie beliebten nicht mehr als bloße Arbeitsbezeichnung zu sein, so wie es der Eine mochte, der ihr Meister sein sollte. So wie es alle damals gemocht haben, zu einer Zeit als ihre Welt noch ohne Risse war.
Fern und bereits unvorstellbar für viele von ihnen.
Aber.
Die Ahnen erinnerten sich stets daran.
Kein Vergessen.
Warum also zweifeln, dass diese Welt heute nicht die war, in der sie leben wollten? Warum glauben, dass sich das Leben zu mehr entwickelt hat, als sich einfach nur zu verändern, so wie es Sache des Lebens war, sich eben zu verändern?
Das Flüstern war nah, ungewohnt und eindringlich. Es war eingekehrt in ihre Reihen, so wie die Stille des Elements schon immer da gewesen war. Manchmal sang es, manchmal war es ihnen, als ob tausend kleine Käfer mit Holzfüßchen über den blanken Boden tippelten und sich emsig winselnd um ihre Angelegenheiten kümmerten. Wenn es so war, sahen sie tatsächlich zu Boden und sahen nie etwas.
Aber.
Sie ließen es schließlich leben, unter ihnen und bei ihnen.
Der Schlächter – das fiel ihnen ein.
Und dann tippelte es so energisch, dass ein tosender Chor daraus wurde. Sie sperrten die Geräusche aus den Gedanken aus.
Bis das Flüstern wieder zurück kam, in einer Stärke, dass sie erschauerten. Und das Tippeln. Das Klicken der Andersartigen, deren Nähe sie nie suchen würden, aber immer fanden und immer bei ihnen ließen.
Die Andersartigen hatten sie gewarnt.
Die Stammesangehörigen nannten den Chor: Croartikus Godenus, kurz: Goden.
Und.
Sie schlossen die Andersartigen in ihren Reihen mit ein. Erst kamen sie nicht, wünschten das Harmonische.
Dann.
Kam der Chor zu ihnen, der gesamte Chor.
Die Spieler unter ihnen, die wählten das Tippeln als eine Musik, die zu ihrem Geist passte, zu ihnen, zu den Waffen, zu ihrem Krieg.
…
Sie fühlten sich verlassen. Sie waren einem grässlichen Singen ausgesetzt, das die Konformität ihres Elementes empfindlich störte.
Der Schlächter war gekommen.
Der Schreckliche, der sie herausgefordert hatte.
Doch niemand war schrecklicher als sie selbst.
Indigenaa!
…
So standen sie in geordneten Gruppen, ganz artig und akkurat und genossen die Ebenmäßigkeit unter sich ebenso wie die Ankunft der Neuen. Jedes kleine Detail war notwendig, wurde erwartet und brachte sie einige Schritte unweigerlich näher an das schwer ersehnte Ziel.
Ihre Welt wie sie war?
Nein, wie sie sie haben sollten.
Das sagte ihnen ihr Chor.
Einigkeit.
Wie bei den Toh. Ein Stammesangehöriger hatte immer den Eindruck, er würde mit einer einzigen Spezies reden.
Aber es waren so viele.
Wie die Welt war, so würde sie niemals wieder werden können. Also versuchten sie es erst gar nicht, sie da zu halten. Sie wollten in das Gefüge ihres Stammes zurück, dass man ihnen in langen, schwelenden und schleichend lügenden Jahren entrissen hatte. Sie wandten sich, veränderten sich und passten sich an.
Den Atem des Elements im Inneren, so suchten sie sich selbst und die Grundfeste, auf denen sie standen. Sie wollten sich wohler fühlen in einem Leben, das schon alles an Entbehrung und Schmerz bereitgehalten hatte.
Nackt und entblößt waren sie gestanden und bleich waren sie gewesen und sie zitterten im Element.
…
Erhobenen hatte sich einer unter ihnen, den sie kaum bemerkt hatten. Der klein unter ihnen gewesen war und beinahe unsichtbar. Ja, der Älteste hatte sie herausgeführt aus dem Dämmer des Ertragens und ihnen abverlangt sich die Fragen des Lebens zu stellen.
Sie hatten um Antworten gerungen, daran gewonnen und auch verloren, an sich selbst gewonnen und verloren, an Individuen des Stammes.
Und als der Älteste selbst gewonnen und verloren hatte und in einem Moment der Dunkelheit im Element die Hand vor Augen nicht gesehen und aufgegeben hatte, da entschieden sie sich, ihn einfach zu sich zu rufen, den Ältesten, der ihr Ältester sein sollte, weil sie es so wollten.
Entscheidung.
Ungesehen.
Ungehört.
Jenseits der Allgemeinheit und der Öffentlichkeit.
Denn nur ihr Ältester gab das Wort.
Sie erkannten sich selbst in ihrem Wunsch, anders sein zu wollen unter ihresgleichen, ein jeder für sich einzigartig und unverkennbar. Ihr Anspruch an vollkommene Individualität fand vollendete Einigkeit und Verdeckung ihres wahren Ichs in der perfekten Konformität der Indigenaa auf dem Planeten Rota - Zentral.
Erstarkt, entschieden mit gefestigtem Wort.
Sie hörten auf das Wort des Ältesten.
Goden.
Goma.
Lever, geliebt und verloren aus dem Haus Maya.
Angekommen in der Enklave Patt’Arrl.
Sie hatten sich in der Unaufmerksamkeit der Zeit einen neuen Namen gegeben und die fremden Andersartigen mit eingeschlossen.
Sie waren jetzt Indigene‘Raa.
KONFORMITÄT. Als sie wieder an sich selbst dachten und bereit waren für die Neuen und einen neuen Arbeitsabschnitt an diesem Morgen im Jahr der Großen Geduld schob sich die monströse Öffnung des Containers langsam und lästig quietschend hoch.
Es gab heute wieder einige unter ihnen, die sich die Ohren zuhielten. Das störte die Konformität, wurde von den Älteren bemerkt, notiert und ausgewertet, damit sie es das nächste Mal besser machten konnten und mussten und wollten. Jeder der Jüngeren, der sich zum ersten Mal dabei ertappte, dass er sich vor dem unnatürlichen Geräusch zurückzog, während die Älteren nicht mit dem kleinen Finger zuckten, würde es zum letzten Mal getan haben, egal wie dieses Geräusch ihnen auch wehtat.
Es tat auch den Älteren weh.
Absicht, nicht ihre.
…
Das Geräusch war den Jungen so unangenehm wie es die Älteren mochten, einen Blick auf die Ankömmlinge werfen zu können, denen selbst dieser Luxus vorerst vorenthalten war.
Die Ankömmlinge, Fremde, Arbeitsobjekte standen schon auf ihren Beinen, wussten, wohin sie schauen sollten, und viele von ihnen zeigten auch, dass sie was ganz anderes taten. Sie hatten die Veränderung unter den Indigenen Raa nicht bemerkt, ja es stellte sich auch niemand bei ihnen vor. Auf den ersten Blick benahmen sich alle wie normale Leibeigene auf Zeit.
Durch einen Vertrag der Toh mit den Ältesten der Indigenaa.
Die Leibeigene waren allesamt von den Toh verurteilt, auf dem Planeten Drefton.
Wer hierher kam war Verbrecher.
Wer hierher kam war auch schon ein von Abtrünnigen Untergeschobener oder ein zu Unrecht Verurteilter, um das herrschende Haus Qarsyn effektiv zu dezimieren.
Das wussten die Indigene Raa.
Ihr Ältester hatten es ihnen schon vor Jahren gesagt. Sie hatten keine Geheimnisse mehr voreinander.
So wirkte das Verhalten der Blickverweigerung einiger Leibeigene auf Zeit eher wie die krampfhafte Vermeidung von zu früher Erkennung, denn als orientierungsloses Handeln. Sie alle wussten, dass sie ausgelesen wurden, in dem Moment der Blickaufnahme der Indigenen Raa, und einige schrien fast innerlich vor dem Verrat, der an ihnen begangen worden war.
Es war aber kein Verrat.
Die Indigenaa hatten sich verändert.
Sie würden Indigene‘Raa werden und sie verbeugten sich vor ihrem neuen Ältesten in aller Ehre und im grenzenlosen Vertrauen.
…
Das hatte der Älteste, Lever Maya’Toval UT Asemarum, so gewollt und sein Geburtshaus mit ihm. Sie waren dankbar wegen des Vertrauens des Stammes und sie zahlten es zurück, nicht heute, nicht morgen, aber irgendwann. Die Familie war geduldig, so wie die Gene ihre Zeit brauchten, um sich in der Nacht anzufügen.
Die Asemarum waren aufgestanden und brüllten in die Luft – sie hatten genug! Die wunderschönen Todeskämpfer der Nacht hatten die DREI zusammengerufen. Sie würden Drefton erst verlassen, wenn es wieder der Planet werden würde, der er bei ihrer Ankunft gewesen war. Sie konnten warten, auf jedem Planeten wurde es einmal Nacht und ein technisches Bescheinen konnte daran nichts ändern. Die Asemarum brachten die Nacht und den Tod für jeden, der nicht zur Familie gehörte.
War es nicht so, dass jedes Rechtssystem hintergangen werden konnte? Jeder Kontrollmechanismus war doch gerade so gut wie die Ausführenden selbst.
So konnten sie die neuen Leibeigenen stehen lassen und auf einen Blick hoffen oder es hinnehmen, dass sie sich damit die erste Disziplinarstrafe schon eingehandelt hatten, noch bevor der Stamm überhaupt über ihr Bleiben entschieden hatte.
Der Vertrag des Stammes in seiner Gesamtheit, so stand es geschrieben (…) der Stamm in seiner individuellen, kreatürlichen Zusammensetzung, die gewollt ist (…).
In seiner Gesamtheit, über die der Älteste wohl wissend sprach und immer darauf hinwies - auf die Familie, musste der Stamm das Angebot erst einmal annehmen.
Mit dem Zeichen des Erijeh gaben sie ihr Einverständnis, für die Verurteilten zu sorgen, sie als Verurteilte zu behandeln und sie erst zu überprüfen.
Denn ohne Überprüfung war jede Verurteilung der Toh nach spätestens einem Monat, Zeitrechnung Drefton, hinfällig und der Betroffene nicht mehr straffällig im Recht der Toh.
Doch man stellte sich einmal vor, Schwerverbrecher bekamen staatliche Handlungserlaubnis wegen eines einfachen Handlungsverzugs; und das auf Rota - Zentral, in einer von Rota erlaubten Enklave, unter den Goarparc.
Für einen Indigenaa und zugleich Indigenen Raa war das unvorstellbar.
Das würde ein Schlachthaus eröffnen, das sie eigentlich schließen wollten.
Sie lehnten das ab in alle Offenheit, in aller Rechtlichkeit.
Deshalb erlaubte das Recht der Toh auch Autonomierechte für jede Spezies und/oder den gewollten Zusammenschluss.
Es gab damit einen unantastbaren Bereich.
Hier.
Genau hier.
Man konnte mit den Sohlen über den Boden schieben und sich klarmachen, dass das hier der Ort war, an dem eigene Gesetze herrschten. Man konnte es nicht gleich sehen, nicht hören oder fühlen, denn alles war normal und die Sprache verstand jeder. Die Veränderung lag im Stamm selbst, im Element und in der Tatsache, authentisch und wahrhaftig zu sein.
Die Illusion, das Lebensspiel der Toh war hier beendet.
Im ewigen Ort.
Patt’Arrl.
Familie.
…
Sie blickten die Neuen an. Und einige blickten zurück. Sie wussten nicht, dass in der ersten Reihe nur erwachsene Goden standen. Sie sahen sich selbst, hörten das leise Tippeln von Käferfüßchen.
Einige der Leibeigenen lächelten bei dem Rhythmus.
…
Dabei hatte der Stammesälteste eine Korrektur vernehmen müssen. Als Stammesältester war es korrekt, sie als Goden zu bezeichnen, aber als Zweiter der Indigenen’Raa musste er sie so benennen, wie sie es gewollt haben. Und der Älteste, der sagte in seinem lächelnden Tonfall, ‚Nenne uns doch Kro. Die gibt es zwar schon, aber doppelt hält besser.‘
Die Familie der Kro lächelte da zum ersten Mal. Das war genug für die Indigenaa. Sie nannte die Goden öffentlich und auf Drefton und fort folgende nur noch Kro. Sie blieben was sie waren.
…
Der Älteste neigte seinen Kopf nach vorn. Sie hatten sich entschieden, noch bevor die Entscheidung gefällt wurde.
Die Gesamtheit war Familie und Indigene’Raa.
Die erste Reihe der Ausführenden trat nach vorn, verbeugte sich, trat wieder zurück und dann ging die Reihe gemeinsam und nahm die Käfer mit. Sie konnten entsetzte Laute von einigen der Leibeigenen hören, aber das würde gleich vorbei sein. Hier waren sie sicher.
LEBENSKUGEL. Das Erijeh lag in der behandschuhten Hand des Ältesten. Er hob seinen Kopf wieder nach oben und schaute geradeaus, völlig normale Augen, menschliche und unnütze Augen. Er rollte das Erijeh nicht selbst zum Container, wo die Kontaktmelder das Einverständnis übermittelt konnten, denn das würde ein Rechtsbruch darstellen. Die Kugel musste vorher Körperkontakt haben. Er gab die Kugel an seinen Nachbarn, den Zweiten, lächelnd weiter. Der nahm sie mit einem Blick auf den Ältesten, der kurz blau schien mit einem Hauch von Smaragd und schloss die Augen dabei. Er öffnete die Augen wieder, menschlich, unnütz.
Der Zweite wandte den Blick ab, er hatte genug gesehen. So sind sie und so liebte er sie und so beschützte er sie. Er lächelte. Er war auch ein Ältester, aber nicht nur in diesem Universum.
Er rieb ein wenig mit dem Daumen an der Kugel und hauchte ihr ewige Gestalt ein.
Als das Abbild von Karag ließ er das Symbol der Altzeiten einfach zu Boden fallen. Die kleine Kugel rollte, maß die Richtung und rollte direkt zum Container und wurde vom äußeren Pfosten gestoppt.
Sie verharrten einige Momente still über dem Gefühl des Ewigen in ihren Gedanken und ihrem Tun, ihren Motiven, Wünschen, Vorgaben.
Indigene Raa sprachen hier das Wort.
Nichts ist unnütz.
Es gibt kein Unnütz.
Unnütz ist immer wichtig, jeder auf seine Art und in seinem Vermögen, bei allem, was Toh angefasst haben. Das ist ein unmittelbares Gesetz und das nach jedem Kodex.
Und wegen den Warnungen, die von überall herkamen und an sie gerichtet waren, hatten sich nicht einmal darüber entschieden, ob sie den Toh ihre Entscheidung bezüglich der neuen Leibeigenen auf Zeit überhaupt mitteilen würden.
Aber es waren halt Toh. Individuen, die sich zusammengeschlossen haben, aufgrund ihrer Andersartigkeit. Die ihre Gemeinsamkeit gefressen haben – so sagten es die Goarparc hier auf Rota mit einem gehässigen Unterton. Sie verabscheuten die Toh.
Die Toh zürnten…
… so wird kein Toh denken, der fein erzogen ist.
Die Mitteilung unterlassen, das würde eine Nachrichtenoption nach sich ziehen.Wenn sie die Option nicht ausführen würden, ja, was bedeutete das? Eine Kriegserklärung? Nein. Ausführungsverbot? Nein. Nur ein störrisches Geplapper, in der Art - ich will jetzt nicht mir dir reden? Nein.
Der Vertrag mit den Toh sagte so einiges. Das, was er aussagte, was die Toh immer ausübten, das war der Schutz des Selbst.
Der Älteste hatte sich entschieden.
Sie mussten sich jetzt nicht melden.
Wollten es nicht.
Würden nicht, weil der Eine, der ihr Meister sein sollte, in einem unverfänglichen Gespräch seine Bedenken deswegen geäußert hatte. Er war so jung, dass man sein Gerede wie Gefasel eines nichtsnutzigen Burschen halten konnte, und außerhalb wurde es auch öffentlich so gesehen.
Mit ihrer Absicht.
…
Es sollte sich doch einmal jemand vorstellen, in Gewahrsam genommene Schwerverbrecher wüssten von der Frist und hätten genug Einfluss diese mit Absicht zu verzögern, bis es zu spät war. Oder würden gar auf ihr Recht pochen und sich störrisch verweigern, die Hoheit des Stammes anzuerkennen.
Kein Wissen.
Kein Handeln.
Kenntnis von außen – Fehlanzeige. Absprachen gab es nicht. Hier bekamen sie riesige Datenmengen von den Toh, mehr nicht. Sie bekamen den Kodex der Familie. Den Kodex der Toh. Die Schriften widersprachen sich in jedem Wort; nein, ein Gesetz hatten sie gleich.
Wer die Kodizes las, fand sich im gefühlsmäßigen Chaos wieder.