Tokio Trip mit Hindernissen - Juliane Rassmann - E-Book

Tokio Trip mit Hindernissen E-Book

Juliane Rassmann

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Beschreibung

Ein Besuch der Anime! Für Stella und Max gab es nicht Größeres auf der Welt als diese Aussicht. Sie beide auf der Anime, gekleidet in die coolsten Kostüme ihrer Manga-Helden und verbunden mit einem Kurztrip nach Tokio. Das konnte doch nur ein atemberaubendes Event werden. Das wurde es auch! Jedoch völlig anders als Stella es sich im Vorfeld erträumt hatte, denn anstatt mit prall gefüllten Einkaufstüten aus Tokios City zu spazieren, irrt sie zunächst mutterseelenallein durch die Weltmetropole. Ihr Portemonnaie, ihr Geld, ihr Handy, alles geklaut in den Wirren der überfüllten Tokioer U-Bahn. Erst als sie völlig am Ende war und aufgeben wollte, sollte sie plötzlich eine Begegnung haben, die alles veränderte. Die Anime rückte in weite Ferne, denn Stella stolperte hinein in eine Herausforderung nach der nächsten, die ihr alles abverlangten und zugleich zum Abenteuer ihres Lebens werden sollte.

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Was bisher geschah…

Es ist nun zwei Jahre her, dass Stellas Chat-Liebe plötzlich bei ihr auftauchte und alles veränderte, das bisher gezählt hatte. Supertech, wie sie ihren Freund liebevoll nannte, war so ganz anders als die langweiligen Jungs in ihrer Klasse. Er war witzig, intelligent, hilfsbereit − und er kam von einem fremden Planeten, von dem Stella nicht mal ahnte, dass es ihn geben könnte.

Anders als auf der Erde, die Supertech wie eine Reise in tiefste Vergangenheit vorkam, war man auf seinem Planeten viel weiter. Alles ist hoch technisiert und in einem zentralen Forschungslabor wird täglich daran getüftelt, den Fortschritt weiter voranzutreiben.

Doch was war das schon? Zeit?

Für Supertech schien sie keine Bedeutung zu haben, denn mit seinem Raumschiff-Shuttle konnte er problemlos durch Raum und Zeit reisen und nichts schien unmöglich zu sein. Auch nicht Stellas Traum, einmal in ihrem Leben nach Alaska zu reisen. Doch Alaska bot Stella so viel mehr als sie vorher erahnen konnte. Gelandet im Alaska des ausgehenden 19. Jahrhunderts, lernten sie gemeinsam mit Stellas Freundin Yasmin, die alle nur Max nannten, Poppy kennen, deren Vater eine Goldmine hatte. Doch das war längst nicht alles, denn Poppys fetzige Tante Ruby hatte es den beiden Mädchen angetan. Noch nie hatte Stella sich so sehr von jemand in ihren Bann gezogen gefühlt wie von ihr. Ruby machte keiner etwas vor, auch ein Jefferson Randolph Smith nicht, der am meisten gefürchtete Trickbetrüger und Ganove ganz Skagways.

Die Stimmung kippte ab dem Zeitpunkt, als Smith sich in blinder Wut, von Poppys Vater getäuscht worden zu sein, bitter rächte und Poppy gewaltsam entführte. Mit vereinten Kräften, ausgefeilter List und nicht zuletzt Supertechs Hightech-Laser gelang es ihnen, Poppy letztlich zu befreien. Supertechs Mission auf der Erde war damit erfüllt. Erst als er mit samt seinem Shuttle spurlos im Nichts der Nacht verschwand, spürte Stella, wie sehr er ihr Leben veränderte und sie ihn lieb gewonnen hatte. Die Sehnsucht blieb. All die Zeit, doch Stella hatte längst die Hoffnung begraben, ihn eines Tages noch einmal wiederzusehen.

Sie ahnte nicht, wie sehr sie sich irren sollte…

Buchtipp zum Weiterlesen:

„Stellas unglaubliche Abenteuer in Alaska“

von Juliane Rassmann.

Erschienen im BoD-Verlag

ISBN: 9783739223711

„Tokio-Trip mit Hindernissen. Stellas langer Weg zur Anime“ begreift sich als Fortsetzungsroman von „Stellas unglaubliche Abenteuer in Alaska“. Wer die ganze Geschichte von Anfang an lesen möchte, sollte auch in diesen ersten Teil hereinschauen und sich in den Bann von Stellas Abenteuer begeben, mit ihr gemeinsam lachen und mit ihr gemeinsam mitfiebern.

Übersicht der wichtigsten Charaktere

Stella

Stella ist ein inzwischen 14-Jähriges Mädchen, das gemeinsam mit ihren beiden Müttern in Chemnitz lebt und seit einiger Zeit schwer vom Manga-Fieber infiziert ist

Max

Max (eigentlich Yasmin) ist Stellas beste Freundin, die gemeinsam mit Stella in Chemnitz die dortige Waldorfschule besucht. Gemeinsam erlebte sie im ersten Band spannende Abenteuer in Alaska.

Supertech

Supertech (eigentlich SBY3385) stammt von einem fernen, jedoch hoch technologisierten Planeten, der bisher von noch keinem Astronauten entdeckt wurde.

Jule

Jule (eigentlich Juliane) ist die Frau von Stellas Mutter.

Lilly

Lilly (eigentlich LLY1466) stammt wie Supertech vom High-Tech-Planeten.

Majikku

Majikku ist die Freundin von Max. Sie lebt in der Millionenmetropole Tokio, in der Stella und Max sie besuchen. Ihre Mutter ist mit Max Mutter befreundet.

Yutaka

Yutaka ist der ältere Bruder von Majikku.

Marius

Marius ist der ältere Bruder von Max.

Inhalt

Verloren im Chaos am anderen Ende der Welt

Dämonen der Nacht

Nicht auch noch das!

Mädchenträume

Eine Katastrophe kommt selten allein

Selbst ist die Frau

Wenn nichts mehr bleibt

Fatale Entscheidungen

Harte Realitäten

Spitz auf Knopf

Letzter Halt

Blanke Gefühle

Schattensprünge

Atempausen

Große Momente in kleinen Köpfen

Verschobene Prioritäten

Unachtsamkeiten und ihre Folgen

Auf zur Anime!

Kapitel 1

Verloren im Chaos am anderen Ende der Welt

***

Panisch sah sich Stella in alle Himmelsrichtungen um, während von hinten die Meute gegen sie schob, schubste und presste. Sie bekam kaum noch Luft. Wo um alles in der Welt waren nur Max und die anderen abgeblieben?

So sehr sich Stella auch bemühte und krampfhaft versuchte, ihre Taschen mit den schicken Klamotten, die sie sich heute gegönnt hatte, zu umklammern, es bot sich ihr keine Chance, hier heil aus dem Gedränge zu entfliehen. Die schwarzhaarigen und schlitzäugigen Menschen vor, hinter, neben und unter ihr schoben sie einfach mit sich, wie einen kleinen Kieselstein im Rinnsal eines tosenden Bachlaufes. Unruhe lag in der Luft. Unruhe und Hektik. Die Menschen stanken nach Schweiß und benahmen sich wie Rammböcke. Alle wollten einfach nur aus dieser U-Bahn raus. Und die paar wenigen, wie Stella, die dies eigentlich nicht beabsichtigt hatten, wurden mit ihnen getrieben und förmlich aus der schmalen Tür der Bahn herauskatapultiert.

Gegenwehr war zwecklos! Und dabei wusste Stella genau, dass ihre beste Freundin, die alle nur Max nannten, und die beiden anderen noch hier irgendwo in der Bahn waren. Doch längst hatte sie den Blickkontakt zu ihnen verloren.

Und da passierte es auch schon: Kaum dass sie von hinten aus der U-Bahn-Tür heraus gepresst wurde und sie stolpernd nach draußen auf dem Bahnsteig manövriert wurde, bemerkte sie, dass sie nichts mehr am Körper trug als ihre Kleidung und ein paar lose abgerissene Henkel ihrer Taschen.

Nein! Das kann doch nicht wahr sein!? Stella wurde blass vor Schreck. Panik überkam das Mädchen und sie versuchte mit aller Kraft, zurück in die Bahn zu gelangen. Sogleich stemmten sich ihr jedoch dutzende Paare von Ellenbogen entgegen und schoben sie Menschenmassen zurück nach draußen.

Verdammt, sie musste doch aber wieder in diese blöde Bahn! Was sollte sie nur tun? Wo waren ihre Sachen? Zum Nachdenken blieb ihr keine Zeit, zur Gegenwehr kein Raum. Und ehe sie es endlich schaffte, sich aus der dumpf in eine Richtung bewegenden Menschenmasse zu befreien, setzte sich die U-Bahn unter lautem Hupen auch schon wieder in Bewegung und steuerte die nächste Station an.

Stella konnte nichts weiter, als hinterher zuschauen und lautlose Schreie zu entsenden. In ihr brach gerade eine Welt zusammen. Die Idee, dieser U-Bahn bis zur nächsten Station hinterher zu rennen war absurd und sie verwarf sie sogleich wieder. Ihre Gefühle fuhren Achterbahn. Was war mit ihren Sachen passiert? Warum hatte sie nichts gemerkt? Wo waren die anderen? Und wo um alles in der Welt war sie hier? Angst und Verzweiflung machten sich in ihr breit und waren so stark, dass sie sie lähmten.

Verdammt, und dabei sollte dieser Japantrip doch das ganz große Highlight werden… Sie konnte eine Weile nichts als einfach nur dastehen und immer und wieder verzweifelt in sich hinein zu fluchen. Das konnte doch jetzt alles nur ein Alptraum sein! Wie Blei fielen ihr die abgetrennten Henkel ihrer Taschen aus den geöffneten Handflächen. Noch immer konnte sie nicht fassen, dass das alles wirklich weg sein sollte. Immerhin sahen die Klamotten einfach nur geil aus. Und immerhin hatte Stella fast ihr gesamtes Taschengeld, das ihr ihre Mutter und Jule mitgegeben hatten, dafür ausgegeben. Nichts davon war mehr übrig. Nichts!

Krampfhaft versuchte sie die Tränen zurückzuhalten und sich zu sammeln. Überall diese vielen Leute, die wild umherwuselten wie kleine schwarze Ameisen. Und keiner von ihnen nahm nur annähernd Notiz von ihr. So gern würde sie einfach auf jemanden zugehen und um Hilfe bitten, doch wie, wenn sie kein einziges Wort Japanisch sprach? Und ihr Englisch hätte wohl gerade gereicht, um nach der Uhrzeit zu fragen. Doch nichts war im Moment unwichtiger als zu wissen, wie spät es war…

Vorsichtig tastete sie an sich herab. Wo hatte sie nur ihr Handy? Sie musste versuchen, Max irgendwie zu erreichen. Dann könnte sie vielleicht versuchen, sich mit ihr zu verabreden. Vielleicht an der nächsten Station… Falls sie das Telefonat überhaupt annehmen konnte, in dem Gedränge der U-Bahnstation. Trotzdem, mehr als diese eine kleine Chance blieb ihr kaum übrig.

Vorsichtig tastete Stella an sich herab, als es ihr plötzlich wie ein Blitz in den Kopf schoss, dass sie doch auch ihr Handy und ihr Portemonnaie und überhaupt alles, was sie dabei hatte, mit in die Taschen getan hatte.

Das war das Ende!

Stella stand mutterseelenallein zwischen all den fremden Menschen, die sie nicht verstehen konnten, irgendwo am Ende der Welt mitten in Tokyo, hatte weder Handy noch einen Cent Geld in der Tasche und ließ nun doch ihren Gefühlen freien Lauf. Doch niemand, niemand dieser vielen Menschen nahm Notiz davon.

Sie musste irgendwie herausfinden, wo sie war und wo sie hin musste. Nachdem sie sich zumindest wieder soweit in der Lage sah, ein paar Schritte zu gehen, durchsuchte ihr Blick den U-Bahn-Schacht nach irgendeiner Tafel, einem Lageplan, irgendetwas.

Schließlich wurde sie auch fündig und sah nun durch ihre brennenden Augen auf den Plan. Ihr offenbarte sich ein spinnenförmiges Netz aus grünen, blauen, gelben, pinkfarbenen, grauen und roten Linien. Otemachi, Shimbashi, Roppongi, Higashi irgendwas…..

In Stella fiel alles ab. Absolut alles, sodass nichts mehr übrig blieb. Und die Situation kam ihr so absurd vor, als würde sie das alles gar nichts angehen. Was nützten ihr all die Namen, wenn sie weder wusste, wo sich ihre Unterkunft befand, noch wie sie dort hätte hinkommen sollen. Sie hatte sich doch darauf verlassen, dass Majikku und ihr Bruder Yutaka sie durch dieses Labyrinth hier lotsen und sicher zu ihrer Familie bringen würden.

Verdammt, Max und ihre blöden Ideen! Sie hätte doch einfach nein sagen und sich nicht auf diesen Unsinn einlassen sollen! Nun hatte sie den Salat. Aber ihre Mutter und Jule hätten es ihr doch auch verbieten können. Oh Mann, warum um alles in der Welt war sie nur mitgefahren?

Majikkus und Yutakas Mutter stammte ursprünglich aus Deutschland, wie Max ihr erst neulich berichtete, nichts ahnend, welche Folgen diese Begegnung nun für sie haben würde. Sie war wohl schon seit Kindertagen eine gute Freundin von Max Mutter gewesen und ein großer Japanfan, schwärmte von der wunderschönen Kirschblüte und dem Geheimnis, das dieses Land umgibt. Schon immer hatte sie geträumt, eines Tages auszuwandern. Irgendwann hatte sie sich diesen Traum erfüllt, einen Japaner geheiratet und ihre beiden Kinder bekommen, an denen jedoch nichts annähernd daran hindeuten könnte, dass sie eine europäische Mutter haben. Inzwischen lebt und studiert nun Majikku in Chemnitz. Verkehrte Welt! Und dann kommt sie doch tatsächlich auf diese blöde Idee, Max und ihr anzubieten, ihnen doch mal ihre Heimat zeigen zu wollen. Es war nicht sonderlich schwer, Max und Stella von dieser Idee zu überzeugen, immerhin gab es nichts Süßeres als die hübschen japanischen Jungs, nichts aufregenderes als die Welt der Mangas und nichts erstrebenswerteres als einmal im Leben an der Anime Japan teilzunehmen. Das absolute MUSS für echte Manga-Fans wie sie beide!

Letztlich schien sich Max aber inzwischen eigentlich viel mehr für Yutaka zu interessieren, den sie bei jeder Gelegenheit anhimmelte. Stella konnte schon kaum noch zusehen, wie affig sie sich dabei teilweise anstellte. Nun ja, zugegeben, süß war er ja schon mit seinen modisch gestylten pechschwarzen Haaren und der kleinen Stupsnase. Trotzdem, wenigstens ein bisschen zusammenreißen könnte sich Max ja nun wirklich!

Stella seufzte sehr tief in sich hinein: Und was war jetzt: Jetzt saß sie hier auf diesem verdammten Bahnsteig und egal, in welche Richtung sie dachte, ihr wollte einfach nicht einfallen, wie um alles in der Welt sie die anderen finden sollte. Am wahrscheinlichsten erschien es ihr noch, dass sie bei der nächsten Station aussteigen und wieder hierher zurück fahren würden, um sie hier abzuholen. Und so hielt sie inne und wartete. Doch die Minuten vergingen wie Stunden und je länger sie wartete, umso mehr wich die Hoffnung in ihr. Ihre Beine schmerzten von dem langen Stehen. Doch der Boden war kalt und die wenigen Sitzmöglichkeiten hoffnungslos überfüllt. So verharrte sie eine ganze Weile, bis sie es schließlich aufgab.

Missmutig schlurfte Stella nach draußen. Das Licht der Sonne kitzelte sie und der Gestank der Großstadt erinnerte sie daran, dieser dreckigen und restlos überfüllten größten Metropolregion der Welt völlig schutzlos ausgeliefert zu sein. Was um alles in der Welt hatte sie nur geritten, sich auf diesen Trip einzulassen?

Immer wieder versuchte sie flehend Passanten anzusprechen, sie darum zu bitten doch nur für einen kurzen Moment ihr Handy ausleihen zu dürfen. Immer wieder erntete sie nur unverständliche Blicke. Dankend lächelnd, aber bestimmt wurde abgewunken und die Menschen begaben sich wieder in die Anonymität der Masse. Und wieder stand Stella da und hatte nichts erreicht. Und eigentlich wollten sie doch in wenigen Tagen auf die Anime. Doch nicht einmal mehr das würde sie noch können, so ganz ohne Geld und ohne jeglichen Schimmer, wie sie dort hätte zu Fuß hinkommen können…

Die Eindrücke schienen Stella zu erschlagen. Überall riesige Leuchtreklamen, aneinander gepflastert und sich selbst dabei übertreffend, bunt, riesig und groß. ZU groß eigentlich. Und zu viel. Von allem war dass Stella einfach nur alles zu viel. Zu viele Schilder, die zu grell und bunt um die Wette leuchteten, zu viele Lichter und vor allem zu viele Menschen. Dennoch, sie musste irgendwie versuchen, in die Stadt zu kommen. Denn zumindest einen Anhaltspunkt hatte sie: Majikkus und Yutakas wollten den beiden die Takeshita-Dori-Straße zeigen, DIE Einkaufsmeile schlechthin! Dort soll es die besten Geschäfte überhaupt geben. Mode-Boutiquen noch und nöcher und alles, was sich ein 14-järiges Mädchen wie sie und ihre Freundin Max nur erträumen lassen konnten. Ja,… und außerdem hatten Max und sie ja für die Anime noch gar nichts zum Anziehen. Jedenfalls nichts, was wirklich passen würde! Und sicher gab es hier auch coole Schminke und Accessoires, die man doch wunderbar gebrauchen könnte. Und die Tatsache, dass Stella eigentlich schon seit heute Vormittag praktisch pleite war, hatte sie dann aber doch lieber für sich behalten und eigentlich darauf gehofft, Max würde ihr etwas Geld auslegen.

Doch wer weiß, ob es dazu überhaupt noch kommen würde… Immerhin, irgendwie war es Stella gelungen, die Einkaufsmeile zu erreichen. Wie dumm die Leute sie aber angeschaut hatten, als sie ihnen diesen Namen nannte. Zum Teil taten sie sogar so, sie gar nicht zu verstehen, bis dann ein freudig erregtes „Ah, Takeshita-Dori“ kam und man ihr umständlich mit Fingerzeigen und unverständlichen Worten den Weg beschrieb. Ja klar, „Takeshita-Dori“, hatte sie doch gesagt! Sie waren schon komisch, diese Leute hier.

Der Weg war dann doch recht weit und Stella spürte zunehmend ihre Füße schmerzen. Doch eine Wahl gab es nicht. Auf dem Bahnsteig hätte sie unmöglich noch länger warten können. Zumal sie sich sicher war, dass die anderen gar nicht bemerkt hatten, dass man sie aus der U-Bahn manövriert hatte. Der Blickkontakt zu den anderen war ja bereits kurz nach der Abfahrt komplett abgerissen. Von hinten schoben sogar Polizisten nach, dass ja nur alle Menschen irgendwie noch in diese Bahn passten. Jeder war nur damit beschäftigt, nicht zerquetscht zu werden. Doch seltsamerweise nahmen die Japaner dieses Spektakel hin als sei es das normalste der Welt…

Die Einkaufsstraße war riesig und es wurde Stella zunehmend klar, dass es der berühmten Suche nach der Nadel im Heuhaufen gleichen würde, hier tatsächlich auf Max und die anderen beiden zu stoßen. Immer und immer wieder drehte sich Stella um, versuchte sich möglichst groß zu machen, um etwas zu sehen, fuhr herum, wurde weiter mit dem Strom nach vorn gestoßen und dachte angestrengt nach, wo die anderen vielleicht auf sie warten könnten. In welches Geschäft würden sie gehen? Wo könnte man nur auf sie treffen?

Doch im nächsten Moment schoss ihr noch ein ganz anderer Gedanke durch den Kopf, „Was, wenn Max bei ihr zu Hause anrufen und sagen würde, dass sie sie aus den Augen verloren haben?“ Bestimmt würden ihre Mütter umkommen vor Sorge und das Donnerwetter dann hinterher wollte sie sich erst gar nicht vorstellen…

Würde dann vielleicht die Polizei nach ihr suchen? Ihr wurde ganz anders bei diesem Gedanken. Gleichzeitig spürte sie neue Hoffnung auf sich aufkeimen. Ja, genau, die Polizei! Wäre das nicht auch eine Idee? Mit Sicherheit würde es dort irgendwen geben, der sie verstand oder sie würde telefonieren können, oder…

Stella hielt inne. Ein eiskalter Schauer lief ihr über den Rücken. Nein, lieber nicht! Was sollten die denn denken, wenn ihnen ein 14-jähriges Mädchen aus Deutschland die Wache stürmt und behauptet, ihr sei alles geklaut worden und sie wisse nicht einmal mehr wo sie hinwollte und hier untergebracht war. Ein mulmiges Gefühl der Angst bekam sie. Vielleicht traf sie ja doch hier irgendwo auf die anderen. Sie musste einfach!

Um eine bessere Sicht zu erhaschen, arbeitete sie sich bis ganz nah an die Geschäfte heran. So konnte sie am besten sehen, wer die Läden betrat. Dennoch glich ihr Vorhaben einer Farce, denn unter all den Menschen drei einzelne Personen auszumachen, war schon eine Leistung, noch dazu wenn man keinen blassen Schimmer hatte, wo diese sich aufhielten und ob sie überhaupt kommen würden.

Sie musste doch verrückt gewesen sein, hier ganz allein in die Innenstadt zu laufen! Wenn sie das zu Hause irgendwen erzählen würde, das würde ihr kein Mensch glauben!

Mit jeder Minute, die verging, mit jeder grauen Wolke, die nun zunehmend aufkam und den Himmel seltsam gruselig zuzog, erstarb die Hoffnung in Stella immer weiter, bis sie irgendwann gar nichts mehr empfand. Die immer gleich aussehenden Menschenmassen zogen an ihr vorbei und weit und breit war von Max und den beiden Geschwistern nichts zu sehen.

Wenn nicht demnächst ein Wunder, ein wirkliches Wunder, geschehen würde, dann musste ihr sehr bald schon etwas einfallen, um irgendwie durch diese Nacht zu kommen. Zunehmend wurde es kälter und Stella spürte Hunger. Doch so sehr sie auch versuchte, sich zu erinnern, wo Majikku und Yutaka lebten und sie mit ihnen und ihren Eltern die nächsten Tage verbringen sollte, es wollte ihr einfach nicht in den Sinn kommen. Zu ähnlich war hier alles. Alles klang gleich, alles war fremd und niemand konnte ihr helfen.

Stella vergrub ihre Hände tiefer und tiefer in die wärmenden Ärmel. Sei es drum, sie hatte Hunger und irgendwie musste sie durch diese Nacht kommen! Noch bewegten sie keine zehn Pferde dazu, in diesem ihr völlig fremden Land eine Polizeistreife aufzusuchen. Ein letztes Mal sah sie um sich und verschwand dann in einer der riesigen überdachten Markthallen. Die Läden waren über und über mit Waren gefüllt. Man hätte Stunden investieren müssen, um sich tatsächlich alles anzusehen. Kleidung in allen Farben, Größen und Ausführungen, Schmuck, Schuhe, alles, was man sich irgendwie erträumen konnte. Doch Stella zog es weiter. Im Schaufenster eines Ladens konnte sie Handys liegen sehen, eingepackt hinter dickem Panzerglas. Und selbst wenn es ihr gelingen würde, an eines heranzukommen, dann hätte sie doch trotzdem keine Chance, ohne Sim-Karte jemanden zu erreichen… Sie senkte den Kopf. Welch blöde Idee!

Ihr Blick schweifte weiter und fiel auf eine Glasvitrine mit großen Flügeltüren, in der kleine kunstvoll gestaltete Küchlein in Größe und Form von Pizza-Stücken auslagen, garniert mit Früchten, Schokosoße und Sahne. Besser als nichts, schoss es ihr durch den Kopf und sie spürte sich schon förmlich das Wasser in ihrem Munde zusammenlaufen. Im Schutz der Menschenmengen, öffnete sie vorsichtig die Vitrine und griff sich ein Tortenstück heraus. Vorsichtig und so unauffällig wie nur irgendwie möglich, versuchte sie es unter ihrer Jacke verschwinden zu lassen. Jetzt nur raus hier! Ganz schnell raus!

Ihr Schritt beschleunigte sich mit jedem Meter, den sie der Tür näher kam. Sie konnte ihren schnellen Herzschlag spüren, der fast seinen Anschlagpunkt erreicht hatte. Und gerade als sie sich in Sicherheit wähnte, hörte sie einen laut schreienden Mann hinter sich her sprinten. Stella stockte der Atem.

Renn!, schoss es ihr durch den Kopf und sie presste das Gebäck ganz eng an ihren Körper, hielt schützend die offene Jacke darüber, schob sich zwischen die überrascht drein schauenden Menschen hindurch und rannte so schnell sie konnte einfach los und immer weiter durch die Menschenmengen hindurch.

Erst viel später, als sie längst die Takeshita-Dori-Straße verlassen hatte und das Seitenstechen sie zum Aufgeben zwang, hielt sie völlig erschöpft und laut nach Luft keuchend an und begann sich vorsichtig umzusehen, ob sie auch wirklich in Sicherheit war.

Die Menschen waren weniger geworden und die wenigen dunklen Gestalten, die sich im künstlichen Licht der beginnenden Nacht an ihr vorbei schoben, nahmen keinerlei Notiz von ihr. Sie hatte es wohl geschafft….

Mit zittrigen Händen und inzwischen fast gierig vor Hunger, zog sie das Gebäck hervor und begann es hastig herunter zu schlingen. Es schmeckte ebenso lecker wie es ausgesehen hatte und Stella spürte eine gewisse Erleichterung in sich. Und dennoch, die Nacht stand ihr erst noch bevor und wenn sie heute nicht noch mal zur Diebin werden wollte, dann hieß es spätestens jetzt, sich irgendeine Idee einfallen zu lassen, wie sie nur irgendwie heil durch die Nacht kommt. Morgen, ja morgen würde sie dann notfalls doch noch zur Polizei gehen.

Wirklich? Um ganz ehrlich zu sein, glaubte sie selbst nicht daran. Schon gar nicht nach dem Erlebnis eben. Was, wenn der Ladenbesitzer sie längst angezeigt hatte? So viele Mädchen mit europäischem Aussehen und roter Jacke liefen hier sicher nicht herum. Es war doch wirklich alles zum Verzweifeln…

Stella kniete sich hin und lehnte sich an eine Hauswand eines hypermodern und zugleich kalt wirkenden Hauses, das etwas abseits stand. Was die anderen jetzt wohl machten? Sicher würden sie sie suchen. Ob sie nicht doch wieder zurück zur U-Bahn-Station sollte.

Nein. Stella fühlte tiefe Leere in sich. Sie dachte an den Plan, den sie vorhin in der U-Bahn-Station gesehen hatte und sie wusste, dass die anderen Tage bräuchten, alles nach ihr abzusuchen. Wenn sie doch nur ihr Handy bei sich

gehabt hätte… Das Denken fiel ihr zunehmend schwerer. Sie würde jetzt am besten versuchen, sich irgendeine Stelle zu suchen, wo sie die Nacht verbringen konnte. Irgendwo in einem U-Bahn-Schacht oder sonst wo. Bei dem bloßen Gedanken daran fröstelte ihr. Doch sie wusste, sie hatte keine Wahl.

***

Kapitel 2

Dämonen der Nacht

***

Während ihrer panischen Flucht vor dem bestohlenen Lebensmittelhändler hatte sich Stella inzwischen gefährlich weit aus der Innenstadt fortbewegt. Erst jetzt wurde ihr dies auf schmerzlich Weise bewusst, jetzt, da es nichts Besseres gegeben hätte, als eine wärmende überdachte Einkaufshalle.

Tatsächlich hatte sie ein wenig die Orientierung verloren. Sie wurde von einer nie gekannten Angst ergriffen, die sich immer tiefer in sie hineinfraß. Und wie sie so weiterlief und sich das Gebiet immer stärker öffnete und zunehmend die städtischen Grünanlagen aus dem Dickicht der Dunkelheit hervorschimmerten, entdeckte Stella immer wieder, dass sie nicht die einzige verlorene Seele dieser Nacht war.

Sie glaubte ihren Augen nicht zu trauen, als sich ihr in der Nähe eines großen Parks und im Schutz einer dahinterliegenden Brücke eine ganze Siedlung aus Pappkartons offenbarte. Zum Schutz vor Regen und Feuchtigkeit mit blauen Folien überzogen. Eine eiskalte Gänsehaut überkam sie. So etwas hatte sie noch nie gesehen. Sollten hier etwa Menschen leben? In einer so reichen Stadt wie Tokyo? Ihr stockte der Atem. Sie traute sich kaum, weiterzugehen.

Aus der Ferne sah sie einzelne gebückte Gestalten aus ihren provisorischen Behausungen kriechen, um zu reden, zu rauchen und zu trinken. Wie passte das? Stella spürte ein äußerst beklemmendes Gefühl. Bildete sie sich ernsthaft ein, hier draußen zu übernachten? Ganz allein? Die Anwesenheit dieser knochigen Gestalten jedenfalls trug nicht unbedingt dazu bei, dass sie sich behaglicher fühlte.

Sie wechselte die Straßenseite, sah gen Himmel und versuchte die Sterne zu sehen. Doch der Himmel schwieg.

Stella war es, als müsse sie ihn anschreien. Doch ihr Schrei erstarb bereits bevor sie ihn ausführen konnte. Sie dachte an ihre Mutter, an Jule, an Max, an Majikku und Yutaka und sie wusste, es konnte nur alles noch viel schlimmer werden als es ohnehin schon war.

Völlig niedergeschmettert ließ sie sich auf eine der Parkbänke nieder. Sie schlug die Enden ihrer Jacke zusammen und zitterte vor Kälte. Und diese gottverdammte Nacht hatte gerade erst begonnen!

Vorsichtig legte sie sich hin und starrte wortlos nach oben. Es musste doch irgendwie möglich sein, zu irgendwem Kontakt aufzunehmen. Nur wie? Verdammt, wie?

„Ist hier noch Platz?“

Stella zuckte erschrocken zusammen. Wer sollte denn das sein? Ihr Blick schwenkte langsam und unsicher zu ihrem Gegenüber, den sie bis eben gar nicht bemerkt hatte.

Nein! Nein…, das gibt es doch jetzt nicht! Wie vom Blitz getroffen, schnellte Stella hoch, musterte ihn von allen Seiten und starrte ihn sprachlos an. Sie wollte etwas sagen, doch alles ging durcheinander und letztlich brachte sie gar nicht heraus. Wie um alles in der Welt kam der denn hierher? Er hatte sich ja wirklich überhaupt nicht verändert. Träumte sie?

„Darf ich mich nun zu Dir setzen?“, fragte er und seine strahlend weißen Zähne blitzten hervor. Stella nickte eifrig, noch immer völlig von ihren Gefühlen überwältigt. Hastig rückte sie auf die Seite und deutete ihrem gegenüber an, sich doch zu ihr zu setzen. Gleichzeitig hatte sie das Gefühl, jeden Moment tot umzufallen. Sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen.

„Supertech, Du?“, hörte sie sich stammeln und kam sich recht albern dabei vor.

Er lächelte sie an und spätestens jetzt war es vollends um Stella geschehen.

„Musst doch nicht gleich rot werden.“ Er setzte sich neben sie, „Und hör doch auf mit dem albernen Supertech. Das ist so lange her...“ Der Junge neben Stella in seiner silbernen rennfahrerähnlichen Montur grinste noch immer breit, „SBY3385, weißt Du doch!“

Stella runzelte die Stirn. Erst allmählich kamen ihre vagen Erinnerungen wieder hoch. Nein, vergessen hatte sie ihn nicht, ihren namenlosen außerirdischen Freund, den sie vor über zwei Jahren im Internet kennengelernt hatte. Wie konnte sie auch? Zu verrückt war es gewesen, was sie beide damals gemeinsam mit Max und ihren beiden Hunden, Paul und Pablo in Alaska erlebt hatten. Nie im Leben könnte sie das vergessen! In Stella schossen die Bilder ihrer Erinnerung flutartig hoch. Da war doch Poppy, dieses Mädchen, dessen Vater die Diamantenmine hatte. Und Ruby, ihre Tante mit dem Saloon. Und ja, Poppy wurde doch entführt und sie alle gemeinsam hatten sie gefunden und aus dem alten Telegraphenamt befreit. Mensch, was waren das für Zeiten!

Stelle atmete schwer.

„Ist alles ok mit Dir, Stella?“

Doch Stella sah den Jungen neben sich nur noch immer kopfschüttelnd an. „Ich hätte nie gedacht, Dich noch einmal wiederzusehen…“ Und sie musste sich eine kleine Träne aus ihrem Augenwinkel verkneifen. „Wie um alles in er Welt hast Du mich denn hier gefunden, so weit weg von meinem zu Hause?“

Supertech sah sie wohlwollend an. Er sah wirklich noch genauso verdammt gut aus wie damals…

„Meine süße Stella würde ich überall auf der Welt finden.“ Wieder grinste er verwegen, sodass Stella heiß und kalt zugleich wurde. „Und, Stella, ich sehe, dass Du mich brauchst. In der Not sollte man doch zusammenhalten, oder ist das bei Euch auf der Erde anders?“

„Ich…, ich bin wirklich… jetzt irgendwie“, stammelte Stella und fluchte, verärgert über sich selbst, in sich hinein. Im nächsten Moment fiel sie Supertech, zu ihrer eigenen Überraschung, völlig enthemmt um den Hals. „Supertech, ich bin so froh, dass Du da bist! Ohne Dich wäre ich hier umgekommen in dieser beschissenen Riesenstadt.“

Supertech, der sichtlich überrascht über Stellas plötzliches Bedürfnis nach körperlicher Nähe war, räusperte sich verlegen und rutschte etwas verschämt ein Stück auf Seite, woraufhin Stella ihre Umarmung augenblicklich löste, sich peinlich berührt das Haar hinters Ohr strich und eine Entschuldigung andeutete. Anschießend begann sie, ihm alles zu erzählen und ließ dabei kein einziges Erlebnis des heutigen Tages aus.

„Du bist mir ja eine“, entfuhr es Supertech.

War das alles, was er dazu zu sagen hatte? Stella sah ihn misstrauisch an. War das wirklich der Junge, mit dem sie damals in dem Chatroom geflirtet hatte? Mit dem sie in Alaska war? Der ihr die Karten für ein Konzert zu ihrem geliebten Julien Bam geschenkt hatte, bei dem Max und sie letztes Jahr waren? Seltsamerweise kam er ihr nun doch irgendwie sehr fremd vor und Stella wusste nicht mehr recht, ob sie sich wirklich über seine Anwesenheit freuen, oder ob diese ihr nicht nur wieder noch mehr Probleme bescheren würden. Immerhin, damals in Alaska hatte er ja eben auch mal die Zeitzonen durcheinandergebracht und wäre Stella um ein Haar nie wieder zurück in ihr altes Leben gekommen.

„Supertech, bringt Du mich bitte zu meinen Freunden? Mir ist kalt und bestimmt machen sich alle schreckliche Sorgen.“ Und während sie diese Worte aussprach, fröstelte ihr.