Tom Shark – Der König der Detektive: Der Schrei der Möwe - Tomos Forrest - E-Book

Tom Shark – Der König der Detektive: Der Schrei der Möwe E-Book

Tomos Forrest

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Beschreibung

Wer ist Tom Shark? Nur wenige meiner Leser kennen diesen kühnen Mann, kennen ihn nur aus kurzen Notizen der amerikanischen Presse, die schon seit Jahren von seinen oft fast unglaublich anmutenden Heldentaten zu berichten weiß.
Tom Shark, der unübertroffene Meisterdetektiv … im Berlin Ende der 1920er Jahre.
Berlin, die Heimatstadt seiner Mutter, wo er auch einen Teil seiner Jugendjahre verbrachte. Mit ihm kam sein unzertrennlicher Freund und Gehilfe, Dr. Pitt Strong, der uns die Abenteuer Tom Sharks in seiner bekannten, fesselnden Weise schildern wird.
Jeder Leser, der auch nur durch eines dieser atemberaubenden Abenteuer mit Tom Shark näher bekannt wurde, wird unseren Helden bald verehren und die liebenswürdige Erzählungsform Dr. Pitt Strongs schätzen lernen.

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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Tomos Forrest – Elisabeth von Aspern – Werner G. Schmidtke

 

 

Tom Shark

Der König der Detektive

 

 

Der Schrei der Möwe

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

 

Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv 

Cover: © by Steve Mayer nach einem Motiv von serpeblu/123RF, 2022 

 

Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang

 

»Der Schrei der Möwe« und andere Geschichten um Tom Shark, dabei exklusiv das letzte Shark-Abenteuer ›Achtung – Checkpoint Charly‹, durchgesehen und überarbeitet von Tomos Forrest

 

Mit einem Anhang von Werner G. Schmidtke über ›Pitt Strong‹ – die Autorin Elisabeth von Aspern

 

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

 

Alle Rechte vorbehalten

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

Tom Shark – der König der Detektive 

Der Schrei der Möwe 

1. 

2. 

3. 

4. 

Diamantenjagd am Wannsee 

1. 

2. 

3. 

4. 

5. 

Achtung – Checkpoint Charly 

1. 

2. 

3. 

4. 

5. 

6. 

7. 

8. 

9. 

›Pitt Strong‹ – die Autorin Elisabeth von Aspern 

Nachwort des Herausgebers 

 

Das Buch

 

 

Wer ist Tom Shark? Nur wenige meiner Leser kennen diesen kühnen Mann, kennen ihn nur aus kurzen Notizen der amerikanischen Presse, die schon seit Jahren von seinen oft fast unglaublich anmutenden Heldentaten zu berichten weiß.

Tom Shark, der unübertroffene Meisterdetektiv … im Berlin Ende der 1920er Jahre.

Berlin, die Heimatstadt seiner Mutter, wo er auch einen Teil seiner Jugendjahre verbrachte. Mit ihm kam sein unzertrennlicher Freund und Gehilfe, Dr. Pitt Strong, der uns die Abenteuer Tom Sharks in seiner bekannten, fesselnden Weise schildern wird.

Jeder Leser, der auch nur durch eines dieser atemberaubenden Abenteuer mit Tom Shark näher bekannt wurde, wird unseren Helden bald verehren und die liebenswürdige Erzählungsform Dr. Pitt Strongs schätzen lernen.

 

 

***

 

 

Tom Shark – der König der Detektive

 

 

Der Schrei der Möwe

 

 

1.

 

Es kommt selten vor, dass Tom Shark und ich lediglich die Reisebegleiter spielen.

Diesmal hatten wir die Tochter des Multimillionärs Thomas Harrigan, eine ganz reizende, junge Amerikanerin von Berlin nach Nizza gebracht, wo sie wegen eines leichten Lungenleidens Genesung suchen wollte.

Dass man ausgerechnet uns für Lucie Harrigan als Begleiter auswählte, hatte allerdings tiefere Gründe.

In Amerika ist bekanntlich die Entführung junger, reicher Amerikanerinnen etwas Alltägliches. Ein Heer von Erpresserbanden treibt damit ein recht trauriges Gewerbe.

Die kleine, blonde Lucie war vor einem Jahr einigen solcher Verbrecher in die Hände gefallen. Sie blieb monatelang verschwunden, bis das Lösegeld hoch genug geschraubt worden war, und die hartgesottenen Entführer sich endlich dazu bequemt hatten, ihren Raub freizugeben.

Vier Monate Gefangenschaft in einer rauen, unwirtlichen Gebirgsgegend von Nordamerika, noch dazu zur Winterszeit, hatten aus dem einstmals blühenden, gesunden Menschenkind ein kränkliches, völlig erschöpftes Wesen gemacht.

Lucie Harrigan sollte also nun nach langem Sanatoriumsaufenthalt in Südfrankreich, am schönen, warmen Mittelmeer, Gesundheit und Vergessen finden.

Unglücklicherweise erlitt Monsieur Harrigan kurz vor der Abreise einen Autounfall. Er brach sich dabei mehrere Rippen und den linken Oberschenkel.

Damit war es ausgeschlossen, dass er seine Tochter auf der Reise nach Europa persönlich begleitete.

Er vertraute sie ihrer Gesellschafterin, der schon ältlichen, aber äußerst resoluten Miss Benders an und engagierte ihr außerdem einen der besten Leute der Pinkerton Detektei in New York.

Dieser vielgerühmte, treffliche Monsieur Louis Smith wurde aber ebenfalls vom Unglück verfolgt.

Er erkrankte kurz vor dem Eintreffen in Deutschland an einer schweren Lungenentzündung und musste in ein deutsches Krankenhaus gebracht werden.

Es war Lucie Harrigans Wunsch gewesen, über Deutschland zu reisen. Die hatte eine deutsche Mutter gehabt, deren Heimat sie bei dieser Gelegenheit besuchen und kennenlernen wollte.

Thomas Harrigan kannten wir überdies persönlich, obwohl wir ihn schon viele Jahre nicht mehr gesehen hatten.

Selbstverständlich waren wir sofort bereit, seine Tochter wohlbehalten in Nizza abzuliefern.

Wir hatten die Reise auf Lucie Harrigans Bitte hin in unserem Maybach zurückgelegt. Entzückt ließ sie sich von uns durch Deutschland fahren. Durch den schönen Thüringer Wald, das westfälische Land, zum sagenumwobenen, vielbesungenen deutschen Rhein und weiter durch das Badener Ländle mit seinem herrlichen Schwarzwald bis Mülhausen. Von da ab am Schweizer Jura entlang durch Frankreich, immer auf herrlichen Bergstraßen, in schnurgerader Richtung bis Nizza.

In Nizza besorgten wir für Lucie Harrigan und die treffliche Miss Benders ein gutes Unterkommen in einem von einem Arzt geleiteten Privat-Erholungsheim, das den Ansprüchen verwöhnter und gut betuchter Gäste Genüge tat.

Damit war unser Auftrag erledigt.

Tom schickte ein Telegramm an Thomas Harrigan. Außerdem legten wir der Polizeibehörde von Nizza die Betreuung der jungen Amerikanerin besonders ans Herz, bis der Mann der Pinkerton-Agentur wieder persönlich zur Verfügung stand.

Wir blieben noch einige Tage in Nizza, wohnten im Grand Hotel und nahmen täglich Gelegenheit, mit Lucie Harrigan entzückende Autofahrten zu machen, soweit es der Arzt der jungen Dame gestattete.

Lucie Harrigans brennender Wunsch war es unter anderem auch, Marseille, die berühmte Hafenstadt am Mittelmeer, kennenzulernen.

Diesen Wunsch mussten wir ihr jedoch versagen. Marseille ist bekanntlich das Dorado aller Verbrecher, der Sammelpunkt tausender von Ausgestoßenen, Heimatlosen, die hier aus aller Welt zusammenströmen, auch sogenannter Desperados, eigenmächtiger, das Gesetz missachtender Menschen, denen dieser Hafenort vage Möglichkeiten vorgaukelt und deren Hoffnungen zumeist hier ersterben, sodass sie bald genug zu denen gehören, die vor dem wachsamen Auge der Polizei Unterschlupf in den dreckigen, schmutzstarrenden Winkeln und Gassen, die das alte Hafenviertel in Fülle bietet, suchen müssen.

Wie also durften wir Lucie Harrigan einer solchen Gefahr aussetzen, oder ihre junge, empfindliche Seele in die Gefahr bringen, einen Blick in dieses Elend zu werfen? Tom machte Ausflüchte, obwohl wir beide den brennenden Wunsch hegten, Marseille kennenzulernen. Wir hoben uns den Ausflug dahin bis zuletzt auf.

Als der Tag kam, verabschiedeten wir uns von Lucie Harrigan. Am folgenden Tag würde der Pinkerton-Agent Smith eintreffen.

Damit wussten wir sie in guten Händen. Es war kurz vor sieben Uhr abends, als wir unseren Maybach bestiegen. Wir hatten mit Lucie zum letzten Mal den Nachmittagstee eingenommen. Jetzt schüttelte sie uns mit traurigem Lächeln zum Abschied die Hände.

Selbst die wackere Gesellschafterin, Miss Benders, wurde dabei etwas aus dem Gleichgewicht gebracht. Ihre kühle Reserve wich, und ihre Augen bekamen einen verdächtig roten Schimmer.

»Meine Herren, ich werde die Reise mit Ihnen durch das schöne Deutschland nie vergessen«, hauchte sie ergriffen. Dann führte sie Lucie Harrigan, ihren Schützling, fürsorglich durch das große Einfahrtsportal zurück ins Haus.

Später flatterte aus einem Fenster noch lange ein kleines, weißes Taschentuch im warmen Wind. Lucie Harrigan winkte uns einen Abschiedsgruß.

»Sie ist wirklich ein reizendes, junges Mädchen«, sagte ich zu Tom, der am Steuer saß. »Hoffentlich heilt sich ihre Lunge vollkommen aus. Verdammte Verbrecher, die es fertigbringen, nur wegen des zu erwartenden Lösegeldes so viel Unheil anzurichten!«

Tom nickte nur. Er gab dabei noch mehr Gas.

Unser Wagen flog jetzt nur so auf der breiten, asphaltierten Uferstraße dahin.

Genau berechnet hatten wir bis Marseille zweihundertundsechzehn Kilometer zurückzulegen.

Bei diesem Tempo würden wir die Strecke in knapp drei Stunden schaffen.

Die Fahrt, immer hart am Meer entlang, wurde für uns beide zum unvergesslichen Erlebnis, besonders dann, als der Mond mit seiner großer Scheibe über das Meer heraufstieg und das zerklüftete Küstenland mit seinen scharfen Einrissen und weit ins Wasser ragenden Klippen, mit seinem eigenartig silbrigen, gedämpften Leuchten in ein unwirkliches, magisches Licht tauchte.

Riesige Palmen, Pinien oder auch Zypressen säumten unseren Weg.

Weiße, gepflegte, prunkvolle Villen in herrlich duftenden Gärten, an Berghängen erbaut, grüßten in schweigender, monumentaler Erhabenheit die Nacht und die Schönheit des Meeresgestades.

Südlich warmer Wind trug uns dabei den blütengeschwängerten Duft von den Berghängen üppig wuchernder exotischer Pflanzen und Blumen zu.

Es war etwas in diesem Duft, das zum Träumen anregte.

Wir beide sprachen schon lange nicht mehr.

In Cannes machten wir Station, um etwas zu essen. Dann verabschiedeten wir uns vom Meer, denn kurz nach Cannes führt die große Autostraße nach Marseille eine lange Strecke landeinwärts.

Wir fuhren an großen Orangenplantagen vorüber, und Mandarinenbäumen, die Blüten und Früchte zugleich trugen und stiegen dann wieder mit unserem Wagen bergan, bis wir schließlich ein kleines, nachtschlafendes Städtchen erreichten, dessen Bewohner hauptsächlich vom Fischhandel leben oder in den Fabriken der nahen Hauptstadt arbeiten.

Vor uns lag nun wieder das breite, unendliche Meer, während rechts von uns das felsige Küstengebirge steil anstieg.

Tom hatte schon längst unser Tempo mäßigen müssen.

Die Straßen wurden schlechter.

Wir fuhren über frischen Schotter, voller spitzer, scharfer Steine, die aus schimmernden, bläulichen Granitplättchen bestanden, mit denen die Löcher und Unebenheiten der Straße notdürftig ausgefüllt waren.

Eine gefährliche Angelegenheit für Gummireifen jeder Art. Wir würden kaum ohne Beschädigung unserer Pneus davonkommen.

Einsame Villen, kleine Wochenendhäuschen liegen hier verstreut an den Hängen der Gebirgsausläufer oder wurden bis dicht an das Meer herangebaut, soweit es ein fester Baugrund ermöglichte.

Etwas abseits davon liegen die alten, wetterfesten Fischerhütten, romantisch eingefügt in die fjordartigen Einbuchtungen der weiten Küste. Wir hatten damit das Städtchen erreicht, das dem reichen Marseiller eine Erholungsstätte vor dem treibenden Lärm und Hasten des Alltags bietet.

Langsam rollten wir über Kopfsteinpflaster zum Städtchen hinaus weiter nach Marseille, zur linken Seite das Meer mit seiner tosenden Brandung und den mondbeschienenen Riffen und Klippen, rechts davon die unwegsame Gebirgswelt.

»Ein gottbegnadetes Stückchen Erde!«, sagte ich zu Tom

»Rauchen wir in aller Ruhe eine Zigarette und genießen wir dabei die Schönheit der Nacht«, antwortete er. »In einer halben Stunde sind wir in Marseille.«

Wir hielten für eine Zigarettenlänge, dann trat Tom wieder den Anlasser.

Das Gebirge trat jetzt etwas mehr zurück. Die Straße wurde breiter.

Wir sahen langgestreckte, dunkle Eukalyptushaine vor uns auftauchen.

Ein heller, scharfer, dabei eigenartig kurzer Knall zerriss dann plötzlich die Stille der Nacht und unsere Beschaulichkeit.

Shark beugte sich weit vor über das Steuerrad.

»Was war das? Ein Schuss?«, erkundigte ich mich.

Noch bevor ich eine Antwort erhalten konnte, wiederholte sich der Knall. Diesmal dumpfer und lauter.

»Eine Explosion!«, sagte Tom.

»Flammenschein?«, rief ich aus.

Tom beschleunigte den Maybach.

Wir waren jetzt beide nicht mehr im Zweifel darüber, dass da einige hundert Meter vor uns, hinter einer Straßenbiegung, ein Auto in Flammen stehen musste.

Menschen in Not!

Ich saß sprungbereit.

Jetzt erreichte unser Wagen die große Kurve, die mitten hinein in einen Eukalyptushain führte.

Unsere Befürchtung bewahrheitete sich.

Vor uns, durch den harten Anprall gegen einen Felsen umgestürzt und halb zertrümmert, lag eine Citroën-Limousine vom Typ B 12, aus der die hellen Flammen schlugen.

Weit und breit war kein Mensch zu sehen.

Damit wurde uns das Furchtbare klar, dass sich die Wageninsassen nicht mehr allein zu retten vermocht hatten.

Die Bremsen kreischten.

Wir sprangen auf die Straße und stürmten so rasch es ging der Unfallstelle entgegen.

Tom packte unterwegs einen großen Stein. Damit zertrümmerte er die Wagenfenster des Autos.

Dicker Qualm wälzte sich daraus hervor.

Die Flammen, die uns wie grimmige Feinde entgegenschlugen, erschwerten unsere Arbeit noch zusätzlich.

Trotzdem gelang es uns nach einigen Misserfolgen, zwei der Wagentüren aufzureißen. Vom Fahrersitz fiel uns ein Mensch entgegen, dessen Kleider brannten.

Tom warf sich über ihn und versuchte so, die Flammen zu erdrücken.

Zu spät!

Wohl erstickten die Flammen, aber die Kleidung des Unglücklichen schwelte weiter.

Vor uns lag ein Toter!

»Hol Wasser aus dem Kühler!«, rief mir Tom zu.

Ich rannte zurück.

Shark riss dem Verunglückten inzwischen die verbrannten, glimmenden Stofffetzen vom Körper, die wir ablöschten, soweit wir vom Kühlwasser entnehmen durften.

Was aber half das alles!

Der Unglückliche wurde dadurch nicht wieder lebendig. Sein Gesicht war unkenntlich. Der Schädel zertrümmert, das Haupthaar völlig verbrannt. Auch die Hände waren nicht mehr erkennbar. Ringe fehlten.

Es würde schwerfallen, den Toten zu identifizieren, wenn das nicht aufgrund des Wagens selbst und der Autonummer geschehen konnte. Die Citroën-Limousine brannte inzwischen vollständig aus.

Tom durchsuchte die Kleiderfetzen des Toten nach Autopapieren, vermochte aber nichts dergleichen zu entdecken. Später trat er näher zu der Unglücksstätte, betrachtete das jetzt nur noch glimmende Wrack des Autos und beugte sich dann mit einem Mal rasch zum Boden herunter.

Gleich darauf hielt er ein fast verkohltes Stück Papier in den Händen.

»Was ist das?«, fragte ich.

»Der Rest von einem Pass«, entgegnete Tom. »Ich sehe darauf leider nur ein leserliches Wort. Es handelt sich um den Vornamen Jean. Der Familienname ist nicht mehr zu entziffern. Sieh mal bitte her, es sind nur noch drei Buchstaben übriggeblieben, ›cca‹.«

Damit kann man im Augenblick nichts anfangen.

Dennoch wäre die Identifizierung leichter, wenn es sich um den Besitzer des Wagens selbst handelte.

Die Wagennummer gehört zum Marseiller Bezirk. Es wird das Beste sein, wenn du sofort allein nach Marseille fährst und dort der Polizei Meldung machst. Ich bleibe inzwischen hier und will versuchen, noch mehr zu erfahren.«

»Noch mehr?«, fragte ich erstaunt. »Ich glaube kaum, dass es hier noch viel zu tun gibt…«

»Da täuscht du dich gewaltig, alter Junge. Ist dir denn nichts aufgefallen?«

»Was meinst du, Tom?«

»Die Schädelwunde des Toten«, kam seine Antwort. »Der Mann saß in dem brennenden Auto am Steuer. Hätte er die Wunde von dem Anprall es Wagens gegen den Felsen davongetragen, so müsste sie sich unbedingt auf der vorderen Schädelhälfte befinden. Wie aber kommt der Verunglückte zu der tiefen Schlagwunde am Hinterkopf, hart über dem Genick?«

»Alle Wetter, Tom, du hast recht. Ich hätte das selbst sehen müssen!«

»Vielleicht wäre es dir auch noch aufgefallen.«

»Dann handelt es sich also um keinen Unfall, sondern um Mord?«

»Daran zweifele ich keinen Augenblick mehr. Dieser arme Mensch fuhr die Straße nach Marseille bestimmt nicht allein entlang. Neben ihm saß sein Mörder, der ihm im passenden Augenblick mit einem harten und stumpfen Instrument den Schädel zertrümmerte. Ich vermute sogar, dass die Tat nicht hier, sondern auf der Straße selbst geschah, als der Wagen hielt. Erst nach vollbrachter Tat warf der Mörder den Motor wieder an, drehte das Steuer in Richtung Felsen und sprang rechtzeitig ab. Das Autounglück ist also vorgetäuscht worden. Der Wagen wurde absichtlich in Brand gesteckt.

Ich habe ein winziges Stückchen Zündschnur gesehen, dass der Mörder wohl versehentlich verloren hat. Die Schnur führte zum Tank, der ja auch keinen Verschluss mehr aufweist. Obwohl die Explosion alles zerriss, habe ich das noch erkennen können.«

»Und wo blieb der Mörder?«

»Der hat sich aus dem Staub gemacht. Wohin, will ich in der Zwischenzeit herausbekommen. Also, fahr los, Pitt. Je länger wir zögern, umso größer wird der Vorsprung, den der Mörder gewinnt.«

Ich ließ mir das nicht zweimal sagen, eilte zu unserem Wagen zurück und raste bald darauf die Straße entlang, Marseille entgegen.

Eine halbe Stunde später alarmierte ich das Morddezernat der Marseiller Polizeipräfektur. Mein Pass genügte als Ausweis, mein Name war auch hier nicht unbekannt.

Ich fasste dabei meinen Bericht so kurz wie möglich und knüpfte daran die Vermutung, dass wir es mit einem Mordfall zu tun hatten. Commissaire Melon, der den Bericht aufnahm, telefonierte anschließend mit der Verkehrsabteilung.

Es wurde bald darauf festgestellt, dass die Citroën-Limousine B 12 einem reichen, jungen Advokaten, Lucien Maurique, in der Rue Cannebière gehörte. Durch einen zweiten Anruf erfuhren wir, dass sich Maurique zurzeit in Cannes aufhielt, wohin er am Nachmittag mit seinem Wagen gefahren war.

Bald darauf raste ich mit dem Maybach hinter dem Wagen der Mordkommission her zur Unglücksstätte. Commissaire Melon war zu mir in den Wagen gestiegen.

Ich musste ihm während der Fahrt unser Erlebnis bis in alle Einzelheiten noch einmal schildern.

»Es ist nicht gesagt, dass der Tote nicht doch Maurique selbst sein könnte«, sagte Melon dann nachdenklich. »Er ist ein sehr reicher Mann, von dem es leider nur zu gut bekannt ist, dass er es liebt, stets eine große Summe Geldes bei sich zu tragen. Wenig angebracht bei einem so unsicheren Pflaster wie Marseille. Bedauerlicherweise, das muss ich sagen, Monsieur Strong. Wir von der Polizei führen noch immer die gleichen, schweren und erbitterten Kämpfe gegen das Verbrecherwesen im Hafenviertel. Die Verbrecher vermehren sich unbeeindruckt wie die Ratten in den Gassen. Für einen, den wir schnappen, seinen zwei andere zu erscheinen. Ein ewiger Kampf, aufreibend und nervenzermürbend. Dabei ist man nie seines Lebens sicher.«

»Der Gedanke, dass Maurique falsche Papiere zugesteckt worden sein könnten, ist mir natürlich auch schon gekommen«, entgegnete ich. »Anderenfalls wäre ja Maurique selbst der Mörder. Es wurde ja bereits bewiesen, dass er heute mit seinem Wagen nach Cannes fuhr. Ist Maurique denn wirklich ein so edler Mensch, Commissaire Melon?«

»Absolut nicht, Monsieur Strong. Ich möchte den Advokaten nie leiden und traue ihm noch weniger. Ich für meinen Teil halte ihn für einen Mann, der jedes Geschäft macht, skrupellos, ohne zu fragen, was Recht und Unrecht ist, und nur immer auf hohen Gewinn bedacht. Maurique war noch vor drei Jahren ein armer Schlucker. Niemand weiß, woher er dann mit einem Mal das Geld zu dem großen Leben nahm, das er seitdem führt.«

»Also ein Mensch, der mit Vorsicht zu behandeln ist«, sagte ich nachdenklich.

»Wir werden bald genug wissen, woran wir sind«, bemerkte Melon nach einer Weile. »Ich habe mehrere Beamte ausgeschickt, Lucien Maurique zu suchen. Auch die Polizei von Cannes wurde verständigt. Bis Mitternacht hoffe ich, mehr Einzelheiten zu kennen.«

Wir hatten die Unfallstelle erreicht.

Shark wurde lebhaft begrüßt. Der Polizeiarzt untersuchte die Leiche.

Er stellte einwandfrei fest, dass hier ein Mord vorlag.

Commissaire Melon besah sich den Körper des Toten lange und eingehend, dann schüttelte er den Kopf und erklärte:

»Wenn das Maurique war, dann ist er nicht mehr zu identifizieren. Das Feuer hat leider ganze Arbeit geleistet. Selbst der Anzug ist nicht zu erkennen. Was halten Sie von alledem, und haben Sie in der Zwischenzeit noch etwas herausgefunden, Monsieur Shark?«

»Nichts von Belang, Commissaire Melon, so leid es mir tut. Ich fand lediglich das Stück Papier aus dem Pass und die Stelle, von der aus der Wagen schräg über die Straße zum Felsen gerast ist«, lautete die Antwort meines Freundes.

Die Ausmessungsarbeiten begannen. Der Fotograf trat in Tätigkeit.

Tom verharrte dabei völlig tatenlos.

Er lehnte am Kühler unseres Maybachs und rauchte.

»Hast du wirklich nichts weiter entdeckt?«, erkundigte ich mich leise.

»Der Mörder ist in dieser Richtung zum Wald geflohen. Er stand dort lange Zeit in einem Gebüsch. Mit ihm war noch ein zweiter Mann vor Ort. Zum Glück konnte ich noch die Größen und Abdrücke der Schuhe feststellen. Außerdem fand ich etwas weiter oben Spuren eines Motorrades. Sie führten aber nicht in der Richtung nach Marseille, sondern zurück nach dem kleinen Städtchen am Meer, das uns so sehr entzückt hat.«

»Das müsstest du eigentlich Melon sagen, Tom.«

»Weshalb? Er wird die Spuren von ganz allein finden. Außerdem sucht man nach Lucien Maurique. Ich hoffe, dass man ihn bald fassen wird.«

»Melon hielt es für denkbar, dass der Tote Maurique selbst sein könnte, Tom«, warf ich ein.

»Ich vermag im Augenblick nicht das Gegenteil zu beweisen, Pitt. Möglich, dass Melon recht behält. Ist es dir bereits bekannt, wo Maurique in Marseille wohnt?«

»In der Rue Cannebière«, entgegnete ich. »Melon hat bereits einen Beamten dorthin geschickt. Auch in Cannes, wohin Maurique am Nachmittag fuhr, sucht man fieberhaft nach dem Advokaten.«

»Dann werden wir ja bald genug erfahren, woran wir sind, Pitt.«

»Wie nun, wenn Maurique in Cannes aufgefunden würde? Er könnte seinen wagen doch auch ausgeliehen haben?«, sagte ich.

»Wenn Maurique gefunden wird, dürfte es für ihn schwer sein, seine Unschuld an dieser Tat hier zu beweisen. Hoffentlich besitzt er ein einwandfreies Alibi. Ich für meinen Teil glaube, dass der Advokat unauffindbar ist und bleibt.«

»Dann ist er es also, der dort als Toter vor uns liegt, Tom?«

»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Die ganze Geschichte erscheint mir reichlich verzwickt. Ich kann vor allen Dingen nicht glauben, dass der Mörder so unvorsichtig gewesen sein sollte, am Tatort seinen Pass zu verlieren. Er hätte dann bestimmt nicht neben dem brennenden Wagen gelegen, sondern dort drüben auf der Straße.«

»Also müsste er, nach deiner Annahme, in dem Augenblick zu Boden gefallen sein, als der Mann aus dem Auto sprang, um es dann allein auf den Felsen zufahren zu lassen.«

»Das ist allerdings meine Meinung«, entgegnete Tom. »Im Übrigen will ich dir verraten, dass ich sogar noch etwas mehr gefunden habe.«

»Was sonst noch, Tom?«

»Zweierlei, Pitt. Fünf abgebrannte Streichhölzer und eine Hasenpfote.«

»Fünf Streichhölzer und eine Hasenpfote!«, stieß ich erstaunt hervor. »Diese Dinge passen schlecht zusammen. Vor allen Dingen will es mir nicht in den Kopf, was es mit der Hasenpfote auf sich haben könnte. Wo hast du diese seltsamen Funde gemacht, und in welchem Zusammenhang bringst du sie mit der Mordtat selbst, Tom?«

»Die fünf Streichhölzer fand ich hinter dem Felsen, gegen den der Wagen auffuhr und so stark beschädigt wurde, dass er beim Aufprall umkippte.«

»Dann hat der Mörder dort die Zündschnur gezündet?«

»Nein, die Zündschnur steckte er genau zwei Meter hinter dem Benzintank an. Dort fand ich das verräterische Stückchen Zündschnur und auch zwei weitere Streichhölzer.«

»Alle Wetter, was bedeuten denn die anderen fünf?«

»Sie bedeuten, dass sie dazu benutzt wurden sind, um noch etwas anderes zu verbrennen.«

»Und was war das?«

»Papier, Pitt. Ein Pass vielleicht, dessen Reste vom Wind verstreut wurden, bis auf ein Blatt, das ich halb verkohlt am brennenden Wagen fand. Dieses eine Blatt hat der Mörder selbst dahin getragen. Er tat es mit Absicht und aus kluger Berechnung, um die Tat zu verschleiern und die Polizei auf eine falsche Fährte zu führen.«

»Also bewusste Irreführung. Dann ist der Tote also niemals der Mann mit dem Vornamen ›Jean‹?«

»Nein, Pitt bestimmt nicht.«

»Und die Hasenpfote, Tom?«

»Sie verriet mir, dass einer der bei diesem Mord beteiligten Männer aus dem Hafenviertel von Marseille gekommen ist.«

»Damit meinst du, dass dieser Mensch zur Unterwelt zu rechnen ist? Kennst du eine Verbrecherbande, die eine Hasenpfote als Kennzeichen hat?«

»Nein., Aber wenn du etwas mehr nachdenken würdest, könntest du sehr bald auf dieselben Gedanken kommen, die ich bei der Entdeckung der Hasenpfote hatte. Wenn wir den Mann finden, der die Hasenpfote verloren hat, werden wir nicht mehr weit davon sein, auch diesen Fall aufzuklären.«

Ich grübelte über diese Hasenpfote, der Tom eine so große Bedeutung beimaß, noch lange nach. Trotzdem vermochte ich Toms Gedanken nicht zu folgen. Sieben Streichhölzer, eine Hasenpfote, ein Stückchen Zündschnur, zwei verschiedene Spuren drüben im Eukalyptushain, dazu die halbverkohlte Seite aus einem Pass mit einem Vornamen und den Buchstaben ›cca‹.

---ENDE DER LESEPROBE---