Tombstone Silber - Manuela Schneider - E-Book

Tombstone Silber E-Book

Manuela Schneider

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Beschreibung

Wollen Sie in die gefährliche Welt des Wilden Westens eintauchen, wo Liebe und Intrigen auf Leben und Tod treffen? "Tombstone Silber" entführt Sie mitten ins Herz dieses Dramas – ein Buch, das Sie nicht mehr aus der Hand legen werden!

Klappentext: Jesse Connor träumt von einem neuen Leben in Tombstone. Wie Tausende Schürfer sucht auch er den schnellen Reichtum und ein besseres Leben für seine Frau. Doch als er auf Lorraine Bernhard, den berühmtesten gefallenen Engel der Stadt, trifft, entfaltet sich eine gefährliche Anziehungskraft, die nicht nur seine Ehe, sondern auch sein Leben bedroht. Wild Linc, der skrupelloseste Halunke der Stadt, will Lorraine für sich allein und plant Jesses Untergang, denn ein Menschenleben zählt nichts in einem Minencamp. Wird Jesse in dieser erbarmungslosen Welt der Gewalt und Versuchung bestehen?

Die erfahrene Autorin Manuela Schneider ist eine ausgewiesene Kennerin der Pionierzeit und begeistert mit ihrem historisch fundierten Erzählstil. Bereits mit ihrer erfolgreichen "Geronimo"-Serie hat sie Leser in die raue Welt des Wilden Westens entführt. In diesem Roman erwartet Sie keine klassische Western-Ballerei, sondern ein tiefgründiges Drama inmitten eines meisterhaft recherchierten historischen Settings. Mit jedem Kapitel tauchen Sie tiefer in die Intrigen und Leidenschaften von Tombstone ein. Der Leser lernt das wahre Tombstone abseits von Hollywood Klischees kennen, während die Figuren und ihre Konflikte auf faszinierende Weise den Geist des größten Silberbooms in der Geschichte der USA wiederaufleben lassen.

Worauf warten Sie noch? Sichern Sie sich jetzt "Tombstone Silber" und lassen Sie sich in eine Welt voller Spannung, Liebe und unbändiger Sehnsucht entführen!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Manuela Schneider

 

Tombstone Silber

Historisches Western-Drama

 

EK-2 Militär

 

Ihre Zufriedenheit ist unser Ziel!

 

Liebe Leser, liebe Leserinnen,

 

zunächst möchten wir uns herzlich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie dieses Buch erworben haben. Wir sind ein kleines Familienunternehmen aus Duisburg und freuen uns riesig über jeden einzelnen Verkauf!

 

Mit unserem Verlag EK-2 Publishing möchten wir militärgeschichtliche und historische Themen sichtbarer machen und Leserinnen und Leser begeistern.

 

Vor allem aber möchten wir, dass jedes unserer Bücher Ihnen ein einzigartiges und erfreuliches Leseerlebnis bietet. Daher liegt uns Ihre Meinung ganz besonders am Herzen!

 

Wir freuen uns über Ihr Feedback zu unserem Buch. Haben Sie Anmerkungen? Kritik? Bitte lassen Sie es uns wissen. Ihre Rückmeldung ist wertvoll für uns, damit wir in Zukunft noch bessere Bücher für Sie machen können.

 

Schreiben Sie uns: [email protected]

 

Nun wünschen wir Ihnen ein angenehmes Leseerlebnis!

 

Heiko, Jill & Moni

Von EK-2 Publishing

Tombstone Silber

 

von Manuela Schneider

Kapitel Eins

Endlich war er in Arizona – das staubige und dennoch vielversprechende Gebiet des größten Silberbooms der Pioniergeschichte. Nach Wochen einer anstrengenden Reise, die ihn dreizehnhundert Meilen von Turner in Kansas durch die Wälder von Colorado und durch Teile der südwestlichen Territorien in die heiße Sonora-Wüste geführt hatte, stoppte Jesse Connor schließlich seinen Planwagen. Er blieb für ein paar Minuten erschöpft auf dem Kutschbock sitzen und betrachtete das alte Ranch-Haus aus Adobe, das von nun an sein Zuhause sein würde.

 

Jesse schätzte sich mehr als glücklich, dass er bis nach Cochise County gekommen war. Es war gefährlich gewesen, durch das Gebiet von Banditen, abtrünnigen Indianern und Viehdieben zu fahren. Die Reise war strapaziös gewesen und er war genauso erschöpft wie die beiden Pferde, die seinen Planwagen zogen. An manchen Abenden hatte er gedacht, er würde niemals ankommen. Aber nun war er da.

Jesse kletterte vom Kutschbock und streckte sein steifes Kreuz durch. Er verzog dabei stöhnend sein Gesicht. Jeder Knochen in seinem Körper schien zu schmerzen.

„Gott im Himmel, ich kann mich nicht daran erinnern, jemals so kaputt gewesen zu sein.“ Erschöpft betrachtete er sein neues Zuhause. Es sah ganz danach aus, als ob einige Reparaturen nötig sein würden, um das kleine Haus bewohnbar zu machen. Die primitiv gezimmerte Tür hing traurig in den verrosteten Türangeln und der Adobe-Stuck aus Lehm und Gips platzte an manchen Stellen der Wände ab. Es war nichts Besonderes – noch nicht – aber immerhin gehörten das Grundstück und das Gebäude ihm.

Jesse scheute harte Arbeit nicht und mit den richtigen Werkzeugen und Materialien würde er das Haus in kürzester Zeit in ein gemütliches Zuhause für sich und seine geliebte Frau Maggie verwandeln. Er seufzte, denn im Moment sah das Gebäude nicht wirklich einladend aus. Jesse blickte skeptisch nach oben und hoffte, dass zumindest das Dach dicht war.

Glücklicherweise hatte er Geld vom Verkauf seiner kleinen Farm in Kansas und er war willens, das Risiko einzugehen, dieses im Territorium von Arizona zu investieren, obwohl die Gegend als gefährlich bekannt war.

 

Der ehemalige Farmer hatte sich wie so viele andere im Territorium in den Kopf gesetzt, in den Minen nach Silber zu graben. Auch Jesse träumte vom großen Reichtum. Er machte sich nichts vor und wusste, dass es ein Knochenjob war. Die Männer, die Erfahrungen auf den Goldfeldern und in den Silberminen gesammelt hatten, verschwiegen ihm nicht, wie hart das Leben als Schürfer war. Jesse aber wollte dennoch sein Glück versuchen.

 

Er ging um das kleine Haus herum und war sehr erleichtert, dass seine Frau Maggie fürs Erste bei ihrer Familie in Kansas geblieben war. Nicht, dass er sich nicht einsam fühlen würde. Er vermisste ihre Gesellschaft. Es war eine große Herausforderung gewesen, ganz allein durch das Land zu reisen, und gefährlich noch dazu. Aber er hatte sich vorgenommen, sich zuerst niederzulassen und das Haus für seine Ehefrau wohnlich zu machen. Der junge Mann wollte ihre Unterkunft so bequem und schön wie nur möglich gestalten, denn Maggie war von Haus aus verwöhnt. Sie beschwerte sich in letzter Zeit immer wieder über ihren simplen Lebensstandard – oder war sie schon von Anfang an unzufrieden gewesen?

Maggie war nicht begeistert gewesen, als er vorschlug, die Stadt zu verlassen, in der ihre Eltern wohnten. Auch sein Plan, sein Glück in der Wüste Arizonas zu suchen, fand keinerlei Anklang bei ihr. Und wenn Maggie etwas nicht passte, dann sagte sie ihre Meinung auch laut und geradeheraus. Sie war die letzten Wochen, bevor er sich auf den Weg gemacht hatte, sehr kühl zu ihm gewesen und manchmal sogar wütender als eine ins Wasser geworfene Katze. Die meisten Tage war sie äußerst streitsüchtig gewesen und hatte die Beweggründe, die ihn zu dieser Entscheidung bewegt hatten, nicht hören wollen.

Maggie kam aus einer wohlhabenden Rancherfamilie und sie schätzte all die Annehmlichkeiten, die Geld kaufen konnte. Jesse konnte ihre Zweifel darüber, nach Westen zu ziehen, durchaus nachvollziehen, aber wer sagte denn, dass sie sich nicht auch hier bald alles leisten könnte, was ihr gefiel, nämlich spätestens dann, wenn er eine Silberader finden würde?

 

Die anstrengenden Wochen bis hierher hatten ihm viel Zeit gegeben, um über die Entwicklung seiner Ehe nachzudenken. Jesse würde sich selbst etwas vormachen, wenn er behaupten würde, dass er glücklich war. Die letzten Monate hatte sich ihre Beziehung alles andere als rosig entwickelt. Bisher waren sie nicht mit Kindern gesegnet worden und er fragte sich, ob sie etwas tat, um eine Schwangerschaft zu verhindern. Jesse wusste, dass es solche Möglichkeiten gab. Die gefallenen Engel in den Bordellen nutzten schließlich auch alle Arten von Tricks, um zu verhindern, dass sie laufend Kinder von Männern bekamen, die sie nicht einmal kannten.

Für Jesse wäre es das höchste Glück nach getaner Arbeit, das fröhliche Lachen seines Nachwuchses zu hören. Es gab einem Mann einen Grund, hart zu arbeiten. Alles, was er erreichen wollte, sollte schließlich zu einem besseren Leben für sich und seine Familie führen.

„Nun, vielleicht bekommen wir ja hier in unserem neuen Leben in Tombstone Kinder“, murmelte er, während er die Pferde abspannte.

 

Jesse war sich bewusst, dass er als einfacher, hart arbeitender Bursche weit entfernt war von der Vorstellung des Traumschwiegersohns für Maggies Eltern. Sie hätten es sicher lieber gesehen, wenn ihre Tochter einen erfolgreichen Händler oder Bänker oder vielleicht sogar einen Rinderbaron mit einer großen Ranch in Kansas geheiratet hätte. Sie hatten ihren Sprössling seit der Kindheit maßlos verzogen und manchmal hatte Jesse das beängstigende Gefühl, dass sie ihn aus einer Laune heraus geheiratet hatte. Seine Träume teilte sie nicht und Unterstützung schien er von ihr nicht erwarten zu können. Manchmal fragte er sich sogar, ob sie überhaupt an ihn als Mann oder an ihre gemeinsame Zukunft glaubte.

„Hör auf über Dinge zu grübeln, die du jetzt noch nicht ändern kannst“, murmelte er vor sich hin. Jesse lud den Wagen ab und trug alles in das Haus.

Er war sich bewusst, dass Arizona ein gefährliches Territorium voller Banditen, abtrünniger Indianer und gefährlicher Tiere war. In den Sommermonaten waren die Temperaturen sengend heiß und es gab extreme Monsun-Stürme, die oftmals Fieberepidemien unter den Pionieren auslösten. Jesse war willens, sich auf der Suche nach Reichtum alldem zu stellen. Würde er erst einmal eine ergiebige Silberader finden, dann könnte er seine Frau nach Strich und Faden verwöhnen.

 

Schweiß und Staub hatten eine juckende Schicht auf seiner Haut hinterlassen. Obwohl es erst Anfang Frühjahr war, stiegen die Tagestemperaturen schon beträchtlich an. Wie wird es dann wohl erst im Sommer sein, wunderte er sich.

Jesse versuchte, sich ein genaueres Bild über die Schäden im und um das Haus herum zu machen, denn er musste sich eine Einkaufsliste für den Händler in der Stadt notieren. Er wollte gleich am nächsten Tag die nötigsten Dinge wie Nägel, Holzbretter, eine Schubkarre, ein paar Ziegelsteine und mehr besorgen.

Jesse hatte bemerkt, dass jede Menge Gestrüpp und Kakteen auf seinem Grundstück gerodet werden mussten. Er hatte aber bereits entschieden, den großen Mesquitebaum stehen zu lassen, denn dieser würde im Sommer kühlen und wertvollen Schatten spenden. Vielleicht würde er eine kleine Bank zimmern, damit Maggie abends, wenn die Arbeiten des Tages erledigt waren, unter dem Baum sitzen könnte. Das würde ihr sicher gefallen, dachte er lächelnd.

 

Das Haus fühlte sich im Innern durch die Lehmwände angenehm kühl an. Er hoffte sehr, dass das Baumaterial die Wärme eines Feuers im Ofen während der kühlen Winter ebenfalls speichern würde, genauso wie es die Hitze des Tages abschirmte.

Weil die Matratze aus altem, verrottetem Stroh nicht sehr einladend aussah, warf Jesse sie kurzerhand aus dem Haus. Seine erste Nacht in Cochise County schlief er auf dem Boden und benutzte seinen Sattel als Kopfkissen. Das würde wohl bequem genug sein, denn er war so erschöpft, dass er sogar in einem ausgetrockneten Flussbett geschlafen hätte. Morgen würde er erst einmal die passenden Werkzeuge, eine neue Strohmatratze und vielleicht eine warme Wolldecke kaufen, und dann würde die zweite Nacht schon um einiges bequemer werden. Was ihn wirklich in Tombstone erwartete, konnte Jesse zu jenem Zeitpunkt noch nicht ahnen.

Er lag auf dem Boden, genoss die kühleren Nachttemperaturen und lauschte dem Heulen der Kojoten, aber dann musste er seiner Erschöpfung klein beigeben und schlief tief und traumlos.

 

Kapitel Zwei

Ein paar Meilen weiter entfernt von Jesse Connors neuem Zuhause lag die quirlige und laute Stadt Tombstone. Die Glücksritter hatten das nächtliche Entertainment mit in die Stadt gebracht. Die Allen Street war jede Nacht von zahllosen Schürfern, Cowboys und Frauen von fragwürdiger Moral bevölkert. Tombstone bot eine große Anzahl an Saloons und damit auch den Nährboden für gefährliche Auseinandersetzungen, die oftmals tödlich endeten. Die Prostituierten waren auf der Suche nach Männern, die bereit waren, für ihre körperliche Zuneigung zu bezahlen. Die Nächte in den Städten des Silberbooms waren laut und rau. Whiskey floss in Strömen aus den Eichenfässern. Die Saloons waren vierundzwanzig Stunden an sieben Tagen der Woche geöffnet. Moral und Anstand gab es kaum, aber dafür Reichtum.

 

Lorraine Bernard war eine der erfolgreichsten gefallenen Engel in der Stadt des Silberbooms. Sie war in der beneidenswerten Position, sich ihre Kunden aussuchen zu können, arbeitete auf eigene Rechnung und musste keinerlei Anweisungen anderer befolgen. Mit ihrer französisch-englischen Herkunft und einer außergewöhnlichen Schönheit gesegnet, erschien sie so manchem Mann wie ein Geschöpf des Himmels.

Wie andere Mädchen ihrer Art, war auch sie mit einer reisenden Varieté Truppe nach Tombstone gekommen. Bald schon war ihr klar geworden, dass die Stadt sehr viel bessere Einkommensmöglichkeiten bot als das Umherziehen mit der Zirkustruppe, und so blieb sie einfach in der Stadt. Die Künstlertruppe war nach einigen Wochen weiter westwärts Richtung Kalifornien gezogen, um in anderen Städten aufzutreten. Lorraine aber war geblieben.

 

Glücklicherweise war sie selbst nie in der deprimierenden Situation gewesen, wie die bemitleidenswerten Mädchen in der Toughnut Street oder Sixth Street. Diese mussten ihre Körper in schmutzigen, winzigen Verschlägen mit kaum Mobiliar darbieten. Die armen Geschöpfe schliefen sogar in jenen Holzschuppen, nachdem die Männer gegangen waren. Manche Mädchen gingen ihrem Gewerbe in Zelten aus Segeltuch nach und hatten keine feste Bleibe. Viele starben noch weit vor dem zwanzigsten Lebensjahr.

Lorraine traf eine solche verlorene Seele und wechselte ein paar freundliche Worte mit der Frau. Dabei fiel ihr auf, wie blass diese war.

„Habe ich dich hier schon einmal gesehen? Du siehst müde aus und ich glaube, du hast Fieber. Warum versuchst du nicht dich ein wenig auszuruhen?“ Aber die Prostituierte schüttelte ihren Kopf und versuchte dabei, einen schlimmen Hustenanfall zu unterdrücken. Lorraine schätzte die Frau auf Ende Dreißig.

„Ich kann mich nicht ausruhen. Ich bin vor einigen Tagen aus Benson hier angekommen. Mein Mann wurde während eines Pokerspiels erschossen. Aber der Versager hat kurz zuvor auch noch unsere Farm wegen dieser verdammten Karten verloren. Ich musste das Haus verlassen und wusste nicht, wohin. Die einzige Möglichkeit, mein kleines Mädchen zu ernähren, ist, meinen Körper zu verkaufen. Sie schläft bei mir in dem Holzverschlag, wo ich dem Gewerbe nachkommen muss. Wenn Männer zu mir kommen, schicke ich sie auf die Straße zu anderen Frauen oder zum Spielen hinter den Schuppen.“

Die Frau tat Lorraine leid. Sie hatte zahlreiche Schicksale wie dieses gesehen. Sie gab der Witwe ein paar Extra-Dollar und bat sie, ihrem Kind eine anständige Mahlzeit und für ihren Husten Medizin, die aus dem Kreosot-Busch gewonnen wurde, zu kaufen.

 

Lorraine ging weiter. Sie hatte bislang keine wirtschaftliche Not gekannt, denn sie war mit einer außergewöhnlichen Schönheit und Verstand gesegnet und verdiente regelmäßig. Sie war hochgebildet und äußerst charmant. Da dies eine seltene Kombination in den Pionierstädten des Westens war und die Frauen im Durchschnitt sowieso stark in der Unterzahl waren, wurde Lorraine vom Fleck weg im Oriental Saloon engagiert und verdiente ohne Schwierigkeiten gut hundertfünfzig Dollar die Woche. Dies war eine unglaubliche Summe, wenn man bedachte, dass ein Minenarbeiter nur zwischen zwölf und zwanzig Dollar die Woche für strapaziöse Schichten von gut zwölf Stunden bezahlt bekam.

 

***

 

„Lorraine, komm hier her!“, rief ein Mann am Pokertisch. Die dunkelhaarige Frau schlenderte zu dem runden Tisch rüber und war sich dabei der Blicke zahlreicher Männer bewusst.

„Was willst du, Wild Linc?“, fragte sie.

„Ich hatte Glück beim Spiel heute und ein nettes Sümmchen gewonnen. Jetzt möchte ich natürlich die Nacht mit dir verbringen!“ Die anderen am Tisch lachten. Lorraine schaute ihn durch ihre verträumten Augen an und nickte. Wild Lincoln Duncan war mittlerweile ein regelmäßiger Freier in ihrer kleinen Kammer neben der Bar des Saloons. Er war kanadischer Herkunft, gutaussehend und achtete mehr auf seinen Körper als viele andere Männer, die Schmerbauch Ansätze hatten und schwammig wirkten. Der Mann wusste, wie man eine Frau befriedigte und bislang war es ihr leicht gefallen ihr Geld in seinen Armen zu verdienen.

Lorraine ging voraus zu der kleinen Türe der Kammer, die ihr vom Besitzer des bekannten Lokals zur Verfügung gestellt worden war. Lincoln Duncan, in der Stadt auch bekannt als Wild Linc, kippte rasch den Rest des billigen Whiskeys hinter die Binde und beeilte sich ihr zu folgen. Er würde es niemals zugeben, aber Lorraine hatte sein Herz mehr als jeder andere unmoralische Weiberrock im Westen berührt. Und ja, er kannte viele Mädchen ihrer Art, aber an ihr war etwas, das ihm mysteriös erschien. Seine Passion für sie sollte sich bald als äußerst gefährlich erweisen.

Niemand wusste, was sich hinter Lorraines dunkelgrünen, mandelförmigen Augen abspielte. Sie war definitiv bezaubernd und eine starke, stolze Persönlichkeit, die Männer wie Wild Linc dazu provozierte, sie zähmen zu wollen. Lange, dunkle Haare fielen in üppigen Wellen über ihre Schultern. Ihre verführerische Figur mit Kurven an den Stellen, an denen Männer sie zu schätzen wussten, vervollständigte ihre beeindruckende Erscheinung.

Viele Männer wollten sie besitzen und einige hatten ihr sogar einen Heiratsantrag gemacht. Bislang hatte sie alle abgelehnt, obwohl dies ein begehrter Ausweg aus der Prostitution war. Die meisten der unmoralischen Frauen hätten sich sofort auf so ein Angebot eingelassen. Nicht Lorraine. Es gab Gerüchte, dass sie bereits viel Geld zusammengespart hatte und sich das Leben einer anständigen Frau der Gesellschaft auch ohne Ehemann leisten könnte. Sie war als klug bekannt und die Leute erzählten sich, dass sie sogar Anteile an einer kleinen Mine außerhalb der Stadt besaß. Was für ein ungeheuerlicher Gedanke! Eine Frau, die ihre eigene Silbermine besaß. Aber man wusste nie, zu was Lorraine Bernard fähig war. Die Stadt Tombstone brachte viele Teufelskerle hervor und unter den Wagemutigen waren auch Frauen.

 

***

 

Im Halbdunkel des Raums flackerte die Flamme der Petroleumlampe. Das Bett mit seinem geschwungenen Eisenrahmen erschien fast zu klein für Wild Lincs groß gewachsenen Körper. Sie stand vor einem kleinen Schrank gefüllt mit ein paar ihrer eleganten Kleider und schnürte ihr Mieder auf. Ein Hauch ihres Parfums lag in der Luft. Wild Linc spürte, wie sein Blut in Wallung geriet, und er half ihr rasch aus dem Korsett. Ihre natürliche Art, auf seinen Körper zu reagieren, faszinierte ihn jedes Mal aufs Neue. Fast schien es so, als ob sie die körperliche Liebe genoss, was eine Seltenheit unter den Pionierfrauen war – oder sollte er eher sagen unter Frauen im Allgemeinen?

Als er später endlich von ihrem Körper abließ, wusch sich Lorraine an der Porzellanschüssel, die auf der Kommode stand, und zog sich wieder an. Es missfiel ihm, dass er bereits wieder gehen musste.

Linc war keine freundliche Person, insbesondere, wenn es darum ging, Dinge zu teilen, die er für sich selbst haben wollte. Der finstere Ausdruck auf seinem Gesicht machte deutlich, dass es ihn von Woche zu Woche mehr störte, dass Lorraine von Männern regelrecht umschwärmt wurde.

Duncan legte die Silbermünzen neben den Wasserkrug, öffnete die Tür und trat aus Lorraines Kammer. Er ging schnurstracks zur Bar. Der Lärm der Saloon-Mädchen, Spieler und raubeinigen Gäste drang nur kurz in die kleine Kammer. Lorraine versteckte das Geld in dem Beutel, den sie unter ihren Röcken trug.

Ich spüre rein gar nichts, keinen Ekel, kein Verlangen und keine Reue. Sie tat, was sie tun musste, und war klug genug, die Gunst der Stunde zu nutzen, solange das Schicksal es gut mit ihr meinte und sie mit Reizen gesegnet war. Alle Mädchen ihres Gewerbes taten das. Tombstone war wie jede andere Schürferstadt ein Abszess menschlicher Abgründe.

 

Eine Stunde später verließ die dunkelhaarige Schönheit den Oriental Saloon und ging durch eine von Sternen erleuchtete Nacht zurück zu ihrem kleinen, dennoch sehr hübschen Haus am Ende der Toughnut Street. Lorraine trug eine handliche Derringer-Pistole unter ihrem Kleid versteckt und würde nicht zögern, sie zu benutzen, falls ein Mann sich ihr aufdrängen wollte. Ohne ihr Einverständnis und dementsprechende Bezahlung hatte keiner die Chance, sich ihr zu nähern. Sie war diejenige, die bestimmte und ihre Kunden sehr vorsichtig auswählte. Lorraine erhielt außergewöhnlich hohe Summen für ihre Dienste und war der exklusivste, gefallene Engel in der Stadt.

 

Kapitel Drei

Jesse erwachte übellaunig und fühlte sich wie gerädert. Da er nichts im Haus hatte, um eine brauchbare Mahlzeit zu kochen, entschloss er kurzerhand, früher in die Stadt zu reiten, dort zu essen und dann all die Gegenstände zu kaufen, die er brauchen würde, um das Haus zu reparieren. Er sattelte eines seiner Pferde und ritt los. Die Straßen von Tombstone waren bereits trotz der frühen Morgenstunde mit geschäftigen Leuten gefüllt.

„Gütiger Himmel, ist die Stadt groß. So viele Gebäude”, murmelte er. Jesse hatte eine bedeutend kleinere Minenarbeitersiedlung erwartet.

Im Moment war sein Hunger die erste Priorität. So machte er sich auf den Weg zu einem der kleineren Restaurants, wo er ein herzhaftes Frühstück aus Rühreiern mit knusprigem Speck und einigen Tassen heißen, starken Kaffee zu sich nahm. Mit einem vollen Bauch fühlte er sich gleich viel besser und ging schließlich zum Laden des größten Händlers der Stadt. Er hatte eine lange Einkaufsliste von Dingen, die er dringend benötigte. Jesse wusste, dass in Schürfer Camps alles viel teurer war als dort, wo er hergekommen war, aber es half alles nichts. Er brauchte die Dinge.

„Mal überlegen, also ich brauche eine neue Strohmatratze, Werkzeuge und einige Bretter. Oh, und natürlich Feuerholz!” Wie so oft, wenn er sich konzentrierte, murmelte Jesse vor sich hin. Auf seinem Stück Land gab es nicht genügend Bäume, die ihn mit Brennmaterial hätten versorgen können. Die Liste der Dinge, die er brauchte, wurde von Minute zu Minute länger.

Während der Ladenbesitzer alles für ihn zusammentrug, betrat eine wunderschöne Frau das Geschäft. Ihr dunkles Haar war in eleganten Locken aufgesteckt. Ein dunkelgrünes, schimmerndes Kleid umschmeichelte ihre kurvige Figur. Zwei weitere Frauen standen an einem der Wandregale. Sie flüsterten hinter vorgehaltenen Händen und betrachteten die andere Frau gehässig von Kopf bis Fuß. Der Gesichtsausdruck der Beiden war unfreundlich, ihre schmalen Lippen zeigten mit einem bitteren Ausdruck nach unten. Die Lady aber erhellte den Raum mit ihrem strahlenden Lächeln und kümmerte sich gar nicht um die beiden Klatschbasen.

Als Jesse seinen Einkauf beendet hatte, packte er einige der Waren in seine staubigen Satteltaschen und versprach dem Ladenbesitzer, dass er den Rest am späteren Nachmittag mit dem Wagen holen würde. Als er den Laden verließ, ging er an Lorraine vorbei, die neben dem Eingang die Auslage der eingemachten Früchte betrachtete. Die tratschenden Weiber hinter ihrem Rücken kümmerten die attraktive Frau anscheinend nicht. Er tippte an seinen Hut und grüßte sie respektvoll mit seiner leicht rauchigen Stimme. „Ma´am!”

Sie nickte ihm beinahe unmerklich zu und die Augen der beiden trafen sich für einen kurzen Moment. Sie hatte ein sehr attraktives Gesicht. Oh, was für eine schöne Frau, dachte Jesse. Doch dann rief er sich zur Raison. Junge, du hast tonnenweise Arbeit, die auf dich wartet. Keine Zeit, den Stadtfrauen hinterherzuschauen, ermahnte er sich selbst, drehte sich um und ging zu seinem Pferd.

Lorraine bezahlte für ihren Einkauf und beobachtete, wie der Fremde aus der Stadt ritt. Sie hatte ihn noch nie zuvor gesehen.

„Ich denke früher oder später wird er wieder meinen Weg kreuzen”, flüsterte sie.

 

Jesse arbeitete den ganzen Nachmittag. Nachdem er die restlichen Einkäufe beim Händler abgeholt hatte, kümmerte er sich zuerst um sein undichtes Dach. Dann fütterte er seine beiden Pferde und bereitete für sich ein einfaches Essen aus getrocknetem Rindfleisch und Bohnen zu.

Als er so allein dasaß, überlegte er, wie es wohl Maggie bei ihren Eltern ging. Es ist auf alle Fälle friedlicher, das Haus allein zu reparieren. Ich vermute mal, sie würde sich bis zum Abschluss der Reparaturen über jedes kleine Detail beschweren. Der Gedanke brachte ihn zum Kichern und er stellte sich vor, wie sie die Augenbrauen zusammenziehen und ihren Mund schmallippig zusammenpressen würde, um ständig ihr Missfallen auszudrücken.

Es war schwierig, Maggie zufrieden zu stellen. Ihre Eltern hatten sie verdorben und Jesse erschien es immer öfter beinahe unmöglich, ihre Erwartungen zu erfüllen. Manchmal fragte er sich, warum er sich überhaupt für sie entschieden hatte.

Jesse war nicht bewusst, wie attraktiv er auf Frauen wirkte. Hätte er das nur ansatzweise geahnt, hätte er vielleicht versucht einer anderen Frau den Hof zu machen. Jemandem, der seine Träume enthusiastischer unterstützen würde als Maggie. Jesse war ein fleißiger Mann und konnte fast jede Arbeit vom Cowboy bis hin zum Holzfäller ausführen. Selbst von der Arbeit als Minenarbeiter schreckte er nicht zurück. Sein Körper war mit Muskeln bepackt, ein klarer Beweis dafür, dass er harte Arbeit gewöhnt war. Seine Beine waren lang und seine dunkelbraunen, welligen Haare berührten seine breiten Schultern. Ja, Jesse war ein äußerst gutaussehender Mann mit einem anständigen Charakter, was man nicht von vielen in diesem Territorium behaupten konnte.

 

Nachdem er sich an dem kleinen Wasserlauf neben dem Haus gewaschen hatte, legte er sich auf seine neue, mit Stroh gefüllte Matratze und schlief sofort ein. In seinem Schlaf verfolgten ihn aber seltsamerweise die Augen der schönen Frau, die er am Morgen im Laden des Kleinwarenhändlers gesehen hatte.

 

***

 

Lorraine war zwar wieder im Oriental Saloon, war heute aber nicht im Geringsten an den Männern interessiert, die ihr etwas von ihrem hart verdienten Geld für ein klein wenig weibliche Zärtlichkeit anbieten wollten. Sie sang ein paar Lieder und unterhielt sich mit einigen der Gäste, die für einen kühlen Drink oder ein Pokerspiel in den Saloon gekommen waren. Wie die meisten Etablissements dieser Art war der Oriental Saloon immer gut besucht. Er war vierundzwanzig Stunden am Tag geöffnet, und das sieben Tage die Woche. Einige der Gäste hatten die Tendenz, gewalttätig zu werden, wenn sie zu tief in eine Flasche Whiskey geschaut hatten. Oftmals endeten diese Diskussionen tödlich. Jede Nacht gab es Schlägereien in den Saloons, und oft hörte man Schüsse und Schreie der Prostituierten, die so manchem tödlichen Schusswechsel ausweichen mussten.

Lorraine war als Lady der Nacht eine feste Institution im Oriental Saloon, aber die Männer bekamen ihren wunderschönen Körper nur dann nackt zu Gesicht, wenn sie großzügig dafür bezahlten. Die anderen Frauen ihres Gewerbes hätten genug Grund gehabt, sie zu beneiden, denn die Eifersucht regierte das Territorium der gefallenen Engel im Rotlichtdistrikt. Aber obwohl Lorraine eine Frau mit eisernem Willen war, hatte sie gleichzeitig doch auch ein gutes Herz. Die anderen Frauen von fragwürdiger Moral schätzten sie dafür sehr, trotz der Tatsache, dass sie eine gefürchtete Konkurrentin war. Es war ein offenes Geheimnis, dass sie bereits einigen der Frauen in gefährlichen Situationen geholfen hatte. Es gab sogar Gerüchte darüber, dass Lorraine einst einen Mann erstach, um eine andere Prostituierte zu retten, denn jener Freier wollte die Frau erwürgen, nachdem er sie brutal vergewaltigt hatte. Es gab keine Beweise für die Geschichte und der Richter hätte Lorraine sowieso niemals verurteilt. Die ganze Stadt wusste, dass er sie vergötterte und einer ihrer hochrangigsten Kunden war.

 

Als Lorraine nur wenige Stunden vor Sonnenaufgang nach Hause lief, war sie tief in Gedanken versunken. Sie konnte nicht sagen, warum, aber immer wieder verweilten ihre Gedanken bei dem gutaussehenden Fremden, den sie für ein paar Momente beim Händler gesehen hatte. Er hatte sie in freundlicher, respektvoller Art gegrüßt. Lorraine war es eher gewöhnt, dass die Männer sie plump auf direkte Art ansprachen.

 

Kapitel Vier

Jesse blieb die nächsten Tage in seinem kleinen Haus. Tatsächlich war dieses, genau wie von ihm befürchtet, nicht in bestem Zustand, aber die Reparaturen schritten gut voran. Die Behausung wirkte bereits gemütlicher und er hatte das Gelände um das Haus gerodet. Jesse hoffte, dass es Maggie glücklich machen und sie sich hier wohlfühlen würde. Allerdings gelang es ihm nicht, die leisen Zweifel darüber abzuschütteln. Er hoffte, dass er mit der Umsiedlung nach Arizona keinen Fehler gemacht hatte.

Maggie erinnerte ihn oft an eine verzogene Göre. Natürlich war sie immer nett anzusehen mit ihrem perfekt frisierten, blonden Haar und den schönen Kleidern, die zum größten Teil teure Geschenke ihrer Mutter waren. Jesse war kein Narr und er bemerkte, dass das Fehlen eines liebevollen Charakters und Engagements in der Ehe nicht mit gutem Aussehen aufzuwiegen war. Es beschämte ihn, dass er ihr bislang noch nie teure Dinge hatte kaufen können. Wenn ich hier das große Glück mache, dann werde ich sie verwöhnen und mit Geschenken überschütten. Er lächelte bei dem Gedanken. Maggie zu beeindrucken und sie glücklich zu machen waren die beiden Hauptgründe, warum er sich so motiviert auf den Weg nach Arizona gemacht hatte. Er hatte es versprochen und Jesse hielt immer sein Wort. Ich muss es mir auch selbst beweisen, dachte er, während er eine weitere verrottete Schindel auf dem Dach ersetzte. Er konnte ja nicht ahnen, dass sich sein Enthusiasmus bald in eine tödliche Falle wandeln würde.

 

Am Abend beschloss Jesse, dass es an der Zeit war, seine Werkzeuge zur Seite zu legen und in die Stadt zu reiten, um sich ein saftiges Steak und vielleicht ein kaltes Bier zu genehmigen. Er hatte seit seiner Ankunft wie ein Ochse gearbeitet und wollte sich nun eine wohlverdiente Pause gönnen.

Nach Einbruch der Dunkelheit war die Hauptstraße überfüllt mit Leuten – Minenarbeiter, Cowboys, käufliche Frauen. Fast schien es, als ob die ganze Bevölkerung der Stadt auf den Straßen unterwegs war. Darunter waren alle Nationen vertreten: Europäer, Chinesen, schwarze Männer und Frauen und sogar ein paar der gefürchteten Apachen.

Jesse ging in ein Restaurant und ließ sich dort ein großes Steak mit frischen Kartoffeln schmecken. Es war eine willkommene Abwechslung zu seiner eigenen Küche, die definitiv nicht extravagant war und ihm bereits auf der langen Reise hierher verleidet war. Nachdem er seinen Bauch gefüllt hatte, unternahm er einen Verdauungsspaziergang. Laute Musik und Gelächter drang von der anderen Straßenseite zu ihm herüber. Das Schild über einem hell erleuchteten Gebäude trug den Schriftzug Bird Cage Theater. Jesse hatte schon von diesem Etablissement gehört und er beschloss kurzerhand, sich das Theater genauer anzusehen und sich einen Whiskey zu gönnen. Er trank sehr selten, aber ab und zu konnte ein kleiner Schluck des Cowboy-Elixiers nicht schaden. Er überquerte die staubige Straße und trat durch den Eingang. Auf der linken Seite erblickte er eine schöne Bar, die kunstvoll aus einem massiven Stück Eiche gearbeitet war. Hölzerne Säulen stützten die Regalböden, auf denen viele verführerische Flaschen standen. Was für eine ungewöhnlich große Auswahl an Getränken es hier doch gibt, stellte er erstaunt fest. Im Hintergrund führte eine schlichte Holztreppe zu einer Galerie und er beobachtete Mädchen, die Flaschen alkoholischer Getränke in Weidenkörben nach oben trugen. Ihre Mieder zeigten mehr nackte Haut, als eine anständige Frau jemals in der Öffentlichkeit zur Schau gestellt hätte. Sie lächelten Jesse einladend an, aber er grüßte lediglich mit einem dezenten Nicken zurück, schenkte ihnen aber keine weitere Aufmerksamkeit. Fast lachte er über sich selbst. So wie es schien, war er noch nicht einsam genug, um einer dieser Ladies und ihren charmanten Angeboten auf den Leim zu gehen.

Er nippte genießerisch an seinem Glas Whiskey und entdeckte eine große Bühne und kleine Logen zu beiden Seiten des Theaters. Diese waren gefüllt mit Männern und gefallenen Engeln, die ihre männlichen Gäste unterhielten und wie Honigbienen umschwirrten. Die Logen waren dekoriert mit bemalten Tapeten und hatten schwere rote Samtvorhänge auf beiden Seiten. Jesse bemerkte, dass bei einigen dieser Balkone die Vorhänge zugezogen waren, und anhand des hohen Lachens und der männlichen Stimmen war offensichtlich, dass sich hinter den Vorhängen gerade eine ganz andere Art der Unterhaltung abspielte.

„Mann, oh Mann, was für ein sündiges Haus“, murmelte Jesse und kippte den Rest des Whiskeys runter. Als er das Bird-Cage-Theater verließ, vernahm er den Gesang einer angenehmen, weiblichen Stimme, die von einem Klavier begleitet wurde. Die fröhliche Melodie kam von der gegenüberliegenden Straßenseite. Die Frau sang ein irisches Volkslied, das Jesse schon immer sehr gefallen hatte. Er stand auf dem verwitterten Bohlen des Gehwegs und lauschte dem Gesang für einen Moment. Die Musik schien aus dem Oriental Saloon zu kommen und Jesse setzte seinen Fuß auf die Straße, um dort vorbeizuschauen und ein wenig die Musik zu genießen. Als der attraktive Mann das Lokal betrat, traute er seinen Augen kaum, denn er sah die schöne Frau, die er zuvor in dem Laden getroffen hatte. Sie stand neben dem Klavier und sang. Die Sängerin sah in ihrem dunkelroten Kleid aus einem schimmernden Material wunderschön aus. Ihr Mieder war prachtvoll bestickt und betonte ihre schlanke Taille. Ihre cremefarbenen Schultern waren unbedeckt. Als sie eine melancholische, irische Ballade anstimmte, wurde es still um sie herum. Jesse beobachtete, wie viele der anwesenden Männer hypnotisiert auf die Frau starrten. Als sie sich umdrehte und ihn am Eingang entdeckte, suchten ihre Augen seine und zum zweiten Mal hatten sie diesen intensiven Augenkontakt. Ein Lächeln zeigte sich auf ihren roten Lippen.

Er wartete, bis sie die Ballade beendet hatte, spendete Applaus und drehte sich dann zur Bar, um sich einen Drink zu bestellen. „Hat Ihnen das Lied nicht gefallen?“, fragte eine melodische, angenehme Stimme. Jesse drehte sich um und verschluckte sich fast an seinem Whiskey, denn sie stand direkt neben ihm.

„Oh doch, ich liebe dieses Lied. Aber leider erwartet mich morgen wieder jede Menge Arbeit und daher bleibe ich besser nicht zu lange hier. Ich bin nicht für Unterhaltung in die Stadt gekommen, sondern um mich mit einem Steak zu belohnen“, fügte er mit einem verschmitzten Lächeln hinzu.

„Tonnenweise Arbeit, hm?“ Sie lächelte ihn strahlend an und Jesse fühlte sich plötzlich unbeholfen.

„Nun ja, das ist wirklich so, Ma'am. Ich muss das Haus reparieren, das ich gekauft habe.“

„Ah, dann sind Sie wohl frisch hierhergezogen? Ich vermute mal Sie haben vor in das Minengeschäft einzusteigen?“ Er nickte eifrig. Sie deutete dem Barkeeper, ihr ebenfalls einen Drink einzuschenken und erhob dann ihr Glas.

„Na dann, auf die Glückssträhne!“ Sein Gesicht erhellte sich durch sein charmantes Lausbubenlächeln, welches ihr sehr gefiel. „Auf den Glückstreffer!“, antwortete er und sie nahmen beide einen Schluck des goldfarbenen Whiskeys.

„Ich bin für heute mit meiner Arbeit hier fertig. Würde es Ihnen etwas ausmachen, mich nach Hause zu begleiten?“ Er starrte sie überrascht an und zögerte einen Moment. Sie zuckte nur mit den Schultern und drehte sich von ihm weg. Schließlich war sie es gewöhnt, manchmal von Leuten zurückgewiesen zu werden.

„Warten Sie! Es war nicht meine Absicht, Sie zu beleidigen, Miss.“

„Lorraine, Lorraine Bernard, Mister …“

„Jesse, einfach nur Jesse!“

„Gut einfach, nur Jesse, ich bin nicht beleidigt. Sie müssen sich keine Sorgen machen. Ich würde niemals versuchen, Sie zu einer ungewollten Begegnung zu verführen. Bisher kamen die Männer immer freiwillig zu mir“, fügte sie mit einem sarkastischen Lächeln hinzu.

„Es tut mir leid, Ma'am. Ich war einfach zu überrascht von dem Angebot. Es wäre mir ein Vergnügen, Sie nach Hause zu eskortieren, Miss Lorraine.“ Sie griff nach ihrem warmen Umhang hinter der Bar und sie verließen gemeinsam den Saloon, verfolgt von Wild Lincs wütenden Blicken. Einige Männer runzelten verwundert die Stirn und ihre Blicke bohrten sich in Jesses Rücken.

Jesse führte sein Pferd die Straße entlang und passte seine Schritte an die der hübschen Frauen neben ihm an. Ein Hauch ihres Parfüms erfüllte die nächtliche Luft. Es erinnerte ihn an eine Lichtung voller blühender Frühlingsblumen. Halt dich zurück, Bursche! Vergiss nicht, du bist verheiratet und dies hier ist eine Frau von fragwürdiger Moral, ermahnte er sich selbst.

Als sie an ihrem Haus ankamen, tippte er respektvoll an den Rand seines Hutes und wünschte ihr eine gute Nacht. Sie nickte. Als Jesse sich umdrehte, um in den Sattel zu steigen, rief sie ihn zurück.

„Jesse, ich möchte Ihnen danken!“ Er winkte beschwichtigend ab.

„Ich habe Sie doch nur Nachhause begleitet, das ist doch keine große Sache.“

„Nicht dafür, Jesse! Sie haben mich im Laden mit Madam angesprochen und heute wieder, obwohl Sie sicher wissen, wie ich mein Geld verdiene. Ich möchte Ihnen danken, dass Sie mir trotzdem mit Respekt begegnen. Das ist eine seltene Sache in meinem Gewerbe.“ Er betrachtete sie einen Moment schweigend.

„Miss Bernard, es ist die Pflicht eines Mannes, Frauen zu respektieren. Es steht mir nicht zu, Sie für irgendetwas zu verurteilen.“ Sie lächelte.

„Glücklich ist die Frau, die mit Ihnen ihr Leben teilt!“ Er lächelte verschmitzt zurück.

„Sagen Sie das einmal meiner Frau Maggie. Sie scheint in letzter Zeit nicht wirklich davon überzeugt zu sein. Vielleicht war sie es auch noch nie“, fügte er verbittert hinzu. Ohne ein weiteres Wort zog er sich in den Sattel, winkte ihr noch einmal zu und ließ die Königin des Oriental Saloons vor ihrer Türe stehen. Sie schaute ihm hinterher und dachte über das nach, was er gesagt hatte. Der Lärm einer Pferdekutsche, die an ihrem Haus vorbeirumpelte, brachte sie zurück in die Realität. Sie entschloss sich dazu, mit dem Mann, der ihre Mine betreute, über Jesse Connor zu sprechen.

 

Kapitel Fünf

Lorraine Bernards Partner im Minengeschäft war ein älterer Mann namens Cotton Joe. Er verdankte diesen Spitznamen den frisch gewaschenen, ausgeblichenen Long-John-Overalls, die stets an einer Leine hinter seinem Haus hingen. Lorraine hatte bereits einige Wochen, bevor sie Jesse getroffen hatte, mit Cotton Joe über die Mine gesprochen. Dieser hatte dabei erwähnt, dass er beim Schürfen Hilfe benötigte. Vielleicht passt dieser junge Bursche ja zu uns, dachte sie.

Die Mine gehörte tatsächlich ihr, aber sie hatte diese Tatsache nie publik gemacht. Lorraine war schlau genug, lieber im Hintergrund zu agieren. Sie benutzte ihren Verstand und ihre Verbindungen, um das Bestmögliche im Leben zu erreichen. Sie hatte Glück mit der kleinen Mine. Nicht nur hatte diese eine produktive Silberader, sondern auch ein Goldvorkommen, auf das Cotton Joe in einem Seitenschacht gestoßen war. Seiner Meinung nach war dort noch viel mehr davon zu finden. Ihre Mine war nur wenige Meilen außerhalb Tombstones und stellte keine Konkurrenz zu den großen Minen der Hauptgesellschaften dar.

 

***

 

Jesse Connor kam an seinem Adobe-Haus an. Er hatte den Abend genossen und seine Gedanken kehrten zu der Frau zurück, die er nach Hause begleitet hatte. Sie passte nicht in das typische Bild einer Boomtown-Hure, und dennoch war sie offensichtlich genau das. Jesse hatte sich vor Jahren geschworen, niemals Zeit oder Geld für diese Art Frauen zu verschwenden. Bald würde Maggie ihm nach Tombstone folgen und bis dahin würde er seine Einsamkeit aushalten.

Während er wach auf seiner Matratze lag und an die Decke starrte, dachte er über die Arbeit in den Minen nach. Er wusste, es würde anfangs zu schwer sein, ein eigenes Claim abzustecken. Ihm fehlten die Kenntnisse über das Schürfen, genauso wie er keine Ahnung von dem Beurteilen von Silbererz oder der Gewinnung des Edelmetalls hatte. Er hatte keine Erfahrungswerte, wie anstrengend die Arbeit untertags wirklich werden würde. Die einzige Möglichkeit, die er im Moment hatte, war, in einer der Minengesellschaften angestellt zu werden. Jesse nahm sich vor, sich gleich am nächsten Tag für eine Anstellung in der Contention Mine oder der Good Enough Mine zu bewerben. Aber jetzt war es an der Zeit mit der Grübelei aufzuhören und etwas Schlaf zu finden. Er hatte einen vollen Bauch und zwei Gläser abgefüllte Courage im Blut und die harte Arbeit der letzten Tage forderte schließlich ihren Tribut. Er schlief tief und fest und hörte nicht einmal die Kojoten.

Am folgenden Tag begab sich Jesse früh in die Stadt und hoffte, dass es ihm gelingen würde, bei den verantwortlichen Leuten der beiden größten Minen vorsprechen zu können. Vielleicht konnte ihm wenigstens jemand einen Ratschlag geben, wo er sich als zukünftiger Minenarbeiter eintragen konnte. Er stieg vom Pferd und ging die Hauptstraße entlang. Dabei schaute er kurz zu dem viktorianischen Haus am Ende der Toughnut Street, wo Miss Lorraine Bernard wohnte. Das Haus musste vor Kurzem weiß gestrichen worden sein und hatte neue, grüne Fensterrahmen. Es war ein charmantes, kleines Häuschen. Die Blumen im Garten trugen zu dem gepflegten Aussehen bei und hießen die Morgensonne mit ihren gestreckten Blütenköpfen willkommen. Jesse wunderte sich, ob sie den Männern auch in ihrem Haus für Liebesdienste zur Verfügung stand. Oder war es ihr Zufluchtsort?

 

„Verflucht, das geht dich doch gar nichts an“, murmelte er leise vor sich hin und ärgerte sich darüber, dass er sich so für sie interessierte.

„Aha, und was genau geht Sie nichts an, Mister nur Jesse?“ Ihre melodische Stimme erklang direkt hinter ihm. Er wirbelte herum und errötete dabei. Sie stand vor ihm gekleidet in einem rauchgrauen Kleid und trug eine große Stofftasche unter ihrem Arm. Ihr Haar war auf eine Art und Weise geflochten, wie er es noch nie zuvor gesehen hatte, und wirkte dabei wie eine Krone.

Trotz der warmen Morgensonne wirkte sie frisch wie ein kühler Frühlingstag.

„Guten Morgen, Miss Lorraine.“ Er hatte ihre Frage nicht beantwortet, aber sie ließ ihn nicht so schnell vom Haken und wartete darauf, dass er ihr erklärte, was er gemeint hatte. Er schaute verlegen nach unten auf seine staubigen Stiefel und murmelte, „ich habe mich gefragt, ob Sie allein wohnen, dort drüben.“ Er zeigte dabei mit seinem Kinn Richtung Haus. Sie lächelte und spürte, dass er versuchte, sich aus der Affäre herauszuwinden. Er hatte ihr mit Sicherheit nicht die ganze Wahrheit gesagt. Lorraine konnte ihre Mitmenschen besser durchschauen als die meisten Leute.

Es ist nie leicht, etwas vor einer Frau zu verheimlichen, grübelte Jesse, während er betreten neben ihr stand.

„Hätten Sie Lust, mit mir zu frühstücken? Ich habe frische Gebäckstückchen, Brötchen und starken Kaffee.“ Die Frage war aus heiterem Himmel gekommen und er starrte sie erstaunt an. „Um ehrlich zu sein, hatte ich gehofft jemanden von den Minengesellschaften zu finden, um mich dort für eine Anstellung zu bewerben.“ Er stand vor ihr, seinen Hut in der Hand, und war nervös wie ein kleiner Schuljunge.

„Oh, das nenne ich mal einen glücklichen Zufall.“ Sie lachte und er schaute sie verwirrt an. „Zufälligerweise suche ich nämlich gerade eine Hilfskraft für meinen Partner Cotton Joe und unsere kleine Mine etwas außerhalb der Stadt in der Nähe von Fairbanks. Es wird langsam zu viel Arbeit für ihn allein. Falls Sie interessiert sind, wäre ich Willens Ihnen mehr zu bezahlen, als Ihnen die Leute der großen Minen geben würden.“

Er stand da und konnte nicht glauben, was er da hörte.

„Moment mal, wollen Sie damit behaupten, dass Sie eine Mine besitzen?“ Ihr Gesicht nahm einen amüsierten Ausdruck an und in ihre Augen hatte sich ein schelmisches Glitzern gestohlen.

„Kommen Sie rein und lassen Sie uns beim Frühstück weiterreden!“ Sie wartete nicht mal seine Antwort ab, sondern drehte sich einfach um und lief auf ihr Haus zu, denn sie war sich sicher, dass er folgen würde. Jesse schüttelte den Kopf, aber ging hinter ihr her. Ihm war bewusst, dass einige Leute ihnen Beiden von der anderen Straßenseite hinterherblickten und er fühlte sich dabei etwas unwohl.

Die mysteriöse Lady hielt die Türe für ihn auf und lud ihn mit einer Geste in ihr Haus ein. Dieses war elegant möbliert und zeugte von exquisitem Geschmack einer gebildeten Frau der oberen Gesellschaftsschicht. Jesse war sehr beeindruckt und wagte es nicht, sich auf das teure Mobiliar zu setzen, ohne dazu aufgefordert zu werden.

„Ich komme aus einer sehr gebildeten Familie, Jesse. Mein Vater ist ein erfolgreicher Arzt drüben an der Ostküste.“ Sie runzelte leicht ihre Stirn. „Aber nichts von all dem, was Sie hier sehen, wurde mir geschenkt. Als ich anfing an Theatern aufzutreten und für eine Zirkustruppe zu arbeiten, hat sich meine Familie von mir abgewandt. Ich habe jeden einzelnen Penny selbst verdient, um mir all dies kaufen zu können und nein, ich habe dies nicht nur durch das Gewerbe der käuflichen Liebe erreicht.“

Jesse war peinlich berührt. Ist es so einfach, meine Gedanken zu lesen, fragte er sich im Stillen entsetzt. Er spürte, wie seine Wangen abermals erröteten.

„Setzen Sie sich hin und machen Sie es sich bequem. Ich brühe uns eine Kanne frischen Kaffee auf.“ Nur kurze Zeit danach erfüllte das leckere Aroma von Spiegeleiern mit brutzelndem Speck das Haus und Jesse lachte, als er das laute Knurren seines Magens vernahm. Sie servierte ihm ein wunderbares Frühstück und der Kaffee war stark und heiß, genauso wie er ihn liebte.

Zum Glück gesellte sie sich beim Essen zu ihm und schließlich fühlte er sich nicht mehr ganz so unbeholfen.

„Also, was denken Sie über mein Angebot?“ Sie studierte ihn dabei über den Rand ihrer Kaffeetasse hinweg. Er betrachtete sie einen Moment und wusste, dass es möglicherweise riskant wäre, für diese außergewöhnliche und sehr verführerische Frau zu arbeiten. Aber Jesse war schon immer ein Mann gewesen, der nie davor zurückschreckte, Risiken einzugehen, und schließlich offerierte sie ihm einen Start im Minengeschäft. Also nickte er bedächtig.

„Dieselbe Bezahlung wie in einer der großen Minen, haben Sie gesagt?“ Sie nickte.

„Jesse, ich kann es mir sogar leisten, bessere Löhne im Vergleich zu den großen Gesellschaften zu bezahlen, aber dafür muss ich auch absolut vertrauenswürdige, zuverlässige Leute um mich herum haben. Die Gründe dafür verstehen Sie sicher. Deshalb habe ich Sie ausgewählt.“

„Aber Sie kennen mich doch gar nicht! Sie wissen nichts von mir“, warf er ein. „Sie wissen nicht einmal meinen vollen Namen! Ich heiße Jesse Connor!“ Sie nickte und reichte ihm die Hand und stellte sich nochmals offiziell vor.

„Lorraine Bernard, nenne mich bitte Lorraine!“ Er nahm sanft ihre Hand, aber ihr Griff war überraschend beherzt. Sie blickte ihm offen, aber mit ernstem Ausdruck ins Gesicht und war ohne Umschweife zum vertraulicheren Du umgestiegen.

„Es stimmt, dass ich dich noch nicht näher kenne, aber glaube mir, ich habe gelernt, die Menschen zu durchschauen. Hier ist mein Angebot: Ich werde dir fünfundzwanzig Dollar die Woche bezahlen. Das ist gut und gerne sieben Dollar mehr, als du zum Beispiel in der Contention Mine bekommen würdest. Außerdem erhältst du zwei Prozent Anteil am Ertrag von allem, was du aus dem Boden holst. Es ist eine Art Erfolgsprämie.“

Jesse verschluckte sich prompt an seinem Kaffee. Heiliges Kanonenrohr, das ist weit mehr, als ich für den Anfang in Tombstone erhofft habe. War das Angebot wirklich echt, oder band sie ihm einen Bären auf? Als er sich aber in dem Wohnzimmer umsah, fing er an, ihren Worten Glauben zu schenken. Sie schien es sich leisten zu können, ihn gut zu bezahlen. Jesse setzte die warme Tasse ab und schüttelte abermals ihre Hand.

„Ich würde sagen, wir haben einen Deal, Miss Lorraine.“ Sie lächelte und schenkte ihm Kaffee nach. Komischerweise machte ihm die Tatsache, dass sie keine Frau von sittsamer Tugend war, nicht das Geringste aus. Alles, was er wahrnahm, war, dass Lorraine nicht nur außergewöhnlich und sehr attraktiv war, sondern ihm die dringend benötigte Chance in dieser Stadt bot.

Als Jesse ihr Haus verließ, war er bester Laune. Er würde genug verdienen, um Maggie sehr viel schneller als ursprünglich angenommen nach Tombstone holen zu können. Er überquerte die Straße, bemerkte dabei aber nicht, dass Wild Linc Duncan, der vor einem Opiumzelt stand, ihn beobachtete. Die Augen des Spielers glitzerten gefährlich und hasserfüllt. Er drehte sich um, blickte kurz zu Lorraines Haus hinüber und ging dann auf einen der Saloons der Allen Street zu. Er war gefährlich, wenn er schlechte Laune hatte. Wild Linc strich kurzerhand das geplante Frühstück und ersetzte es mit einer Flasche Whiskey.

 

Kapitel Sechs

Lorraine räumte den Tisch ab. Sie war zufrieden, wie das Gespräch über den angebotenen Job verlaufen war, und mochte Jesse Connor auf Anhieb. Sie schätzte ihn als fleißigen Mann ein. Immerhin hatte er sich von Anfang an den wichtigen Reparaturen am Haus verschrieben, wo so manch anderer sich erst einmal in den Saloons herumgetrieben hätte. Außerdem behandelte er sie vom ersten Zusammentreffen an mit Respekt. Bislang hatte er nicht versucht, sich ihr als Kunde zu nähern und sie schätzte ihn dafür sehr. Dennoch musste sie zugeben, dass er ein sehr attraktiver Kerl war – attraktiv in vielerlei Hinsicht.

Lorraine verließ das Haus, um mit Cotton Joe über ihren neuen Angestellten zu sprechen und ihm mitzuteilen, dass Jesse bereits diese Woche anfangen konnte. Geld war kein Problem für sie und sie hatte gespürt, dass der junge Mann ein regelmäßiges Einkommen dringend brauchen könnte. Je früher, desto besser für ihn.

 

Cotton Joe machte sich gerade bereit zur Mine aufzubrechen, nachdem er all seine Hausarbeiten in seiner Blockhütte erledigt und ein paar Waren beim Händler in der Stadt gekauft hatte. Er begrüßte seine Arbeitgeberin mit einem freundlichen Lächeln. Joe mochte die Frau sehr und sah in ihr nie ein leichtes Mädchen, sondern seine Geschäftspartnerin. Natürlich besaß sie den weitaus größeren Anteil an der Mine.

Sie war klug, schön und gleichzeitig ein fairer Partner. Aber noch viel mehr hatte Lorraine Bernard bewiesen, dass sie eine der zuverlässigsten Freundinnen war, die ein Mensch in dieser rauen und gefährlichen Stadt haben konnte. Sie hatte ihm geholfen, dem tödlichen Einfluss der Whiskeyflasche zu entkommen, und ihm die Chance geboten, neu anzufangen. Niemand sonst hatte zu jenem Zeitpunkt an ihn geglaubt.

Joe winkte ihr zu und wartete, bis sie ihn erreicht hatte. Er liebte es, sie beim Laufen zu betrachten. Die Frau war geschäftstüchtig und selbstbewusst und beides zeigte sich in ihrem zügigen Gang.

„Guten Morgen, Joe!“

„Howdy, Lorraine! Was für ein wunderschöner Tag, nicht wahr?“ Sie nickte und beide betrachteten einen Moment den strahlend blauen Himmel und die paar bauschigen Wolken, die träge dahinzogen.

„Joe, ich wollte dich nur rasch darüber informieren, dass ich einen Mitarbeiter eingestellt habe. Netter Kerl! Jung und fleißig und anscheinend harte Arbeit gewohnt, wenn man seine Muskeln richtig beurteilt. Sein Name ist Jesse Connor.“ Joe zwinkerte ihr zu, aber sie schüttelte den Kopf.

„Nein, er ist kein Freier von mir. Er ist anders als die anderen Männer.“ Joe nickte verständnisvoll.

„Du hast mir eine Chance gegeben, also vermute ich mal, dass auch er eine verdient hat. Schicke ihn übermorgen zu meinem Haus rüber. Ich werde ihm die Mine zeigen und alles beibringen, was er wissen muss. Du kannst dich auf mich verlassen. Er kann damit anfangen, im Hauptschacht nach Silber zu graben. Ich vermute es ist in deinem Interesse, dass ich ihm die Goldader erst zeige, wenn wir ihn besser kennen?“ Lorraine nickte und bestätigte, „da hast du vollkommen recht. Erzähl ihm noch nichts davon. Wir müssen ihm erst besser vertrauen können, bevor wir die Karten auf den Tisch legen und zugeben, dass unsere kleine, einfache Mine mehr als Silber für uns bereithält.“

Joe tippte zum Gruß an seinen Hut und wünschte Lorraine einen schönen Tag. Er gab es nicht offen zu, aber er war froh darüber, dass sie ihm vorab über den neuen Mann Bescheid gegeben hatte. Cotton Joe besaß nur zwanzig Prozent der Mine und hatte somit keine Entscheidungsgewalt. Sie konnte einstellen, wen sie wollte, aber offensichtlich zählte Joes Meinung für Lorraine, und das trotz seiner Vergangenheit als berüchtigter Trinker. Er fühlte sich geehrt, dass sie ihn mit einbezogen hatte.

Lorraine verurteilte die Menschen nie nach äußeren Umständen, sondern versuchte immer ihr Bestes, um unliebsame Situationen im Leben zu etwas Besserem zu wandeln. Sie glaubte an das Gute in den Menschen. Cotton Joe wusste, dass viele der sogenannten respektablen Bürger die Frau wegen ihres unmoralischen Gewerbes mieden. Er hatte oft die Lästereien der verheirateten Frauen von Tombstone mitbekommen. „Verdammte Narren, ihr habt ja keine Ahnung, was für eine wunderbare Freundin ihr alle in eurem Leben verpasst“, murmelte er wütend in seinen roten Bart. Er wusste aus eigener Erfahrung, was für ein wertvoller Mensch Lorraine war, und er hätte Himmel und Hölle für sie in Bewegung gesetzt. Lorraine Bernard hatte ihm das Leben gerettet und noch mehr: Sie hatte ihm das beste Leben ermöglicht, nachdem er dem Alkohol Lebewohl gesagt hatte. Dank ihr hatte er mehr erreicht, als er sich jemals hätte erträumen können.

 

Lorraine lief zurück zu ihrem Haus. Sie ging so zügig, dass der Staub bei jedem Schritt um den Saum ihres langen Rockes hochwirbelte. Sie würde heute auf ihren Anteil des nächtlichen Entertainments verzichten und stattdessen am Nachmittag in eines der besseren Restaurants der Stadt gehen. Sie gönnte sich ein saftiges Steak mit frischem Gemüse. Manchmal war es vernünftiger, die Saloons der Allen Street zu meiden. Auch den Oriental Saloon. Sie nahm sich den Abend frei, weil sie es sich schlichtweg leisten konnte. Ab und zu verwöhnte sich Lorraine selbst mit Abenden der Zurückgezogenheit in ihrem exquisit möblierten Haus. Sie las ständig Bücher, um ihre Allgemeinbildung noch mehr auszubauen. Lorraine war vertieft in ein Buch über neue europäische Schürfer- und Silberbergbaumethoden, als der typische Lärm der randalierenden Gäste von Saloons und Bordellen zu ihr herüberschallte. Nein, für kein Geld und Silber der Welt würde ich heute den Frieden meines Zuhause verlassen.

 

Ein paar Meilen außerhalb der Stadt lag Jesse Connor wach in seinem Haus und dachte über das außergewöhnliche Glück nach, das ihm heute widerfahren war. Er hatte bereits viel am Haus gemacht und ein fantastisches Jobangebot in der Tasche, welches mehr regelmäßiges Einkommen versprach, als er es sich je erhofft hatte. Und was noch besser war: Er hatte all das in nur wenigen Tagen erreicht. Es sah so aus, als ob seine Glückssträhne in Tombstone bereits angefangen hätte. Er betete, dass ihm Fortuna für eine ganze Weile beistehen würde.

Aber Jesse war realistisch genug und wusste, dass ein Schürfercamp wie Tombstone auch Diebe, Revolverhelden und andere Banditen anlockte, und er schwor sich, immer auf der Hut zu sein. Jesse hatte bereits den ein oder anderen verdächtigen Charakter in den Straßen der Stadt wahrgenommen.

 

Am nächsten Tag musste er noch ein paar Baumaterialien und zusätzliche Nägel besorgen, aber bevor er den Händler aufsuchte, ging er zu Lorraines Haus und klopfte an die weiß gestrichene Türe. Er wartete einen Moment, aber niemand öffnete. Er drehte sich um und führte sein Pferd an den Zügeln die Straße entlang. Kaum war er in dem Laden, staunte er zum wiederholten Mal über die Auswahl der angebotenen Waren. Alles war ordentlich in den Regalen eingeräumt. Er suchte alles Nötige zusammen und wählte auch drei frische Äpfel aus einem Korb aus. Jesse musste sein Geld mit Bedacht ausgeben und freute sich wie ein Kind unter dem Weihnachtsbaum darauf, die süßen Äpfel zu genießen. Sie waren für ihn eine seltene Delikatesse und teuer. Es schien ihm Ewigkeiten her zu sein, seit er den letzten reifen, rot glänzenden Apfel gegessen hatte. Er polierte einen an der Vorderseite seines Hemdes und wollte gerade herzhaft reinbeißen.

„Ein Apfel pro Tag hält den Doktor fern.“ Er hätte ihre sanfte Stimme überall erkannt. Jesse drehte sich um und blickte direkt in Lorraines schöne Gesichtszüge. Er bezahlte rasch für seine Waren und sie führte ihn zügig aus dem Laden. Draußen deutete sie zu einem Haus am Ende der Straße.

„Cotton Joe, der Mann, der für mich die Mine bewirtschaftet, wohnt dort drüben. Ich habe ihn informiert, dass du unser neuer Minenarbeiter bist, und wenn du willst, kannst du bereits morgen anfangen. Geh zu seinem Haus und treffe dich dort mit ihm nach Sonnenaufgang. Joe wird dich mit zur Mine nehmen und dir alles erklären, was du wissen musst. Was sagst du dazu?“ Sein Lächeln wurde immer breiter, bis es schließlich das ganze Gesicht erhellte.

„Oh, Miss Lorraine, wie wundervoll! Ich wollte Ihnen vorhin einen Besuch abstatten und fragen, wann ich wohl anfangen könnte. Das heißt ja, dass ich mein erstes Geld schon Ende dieser Woche verdienen kann. Das ist wirklich sehr großzügig von Ihnen. Das ist eine große Erleichterung für mich, denn ich hatte einige Ausgaben wegen der ganzen Waren, die ich für den Neuanfang hier kaufen musste. Großartig! Ich möchte Ihnen von ganzem Herzen dafür danken.“ Sie lächelte ihn an und winkte ab.

„Ich bezahle das Geld nicht fürs Nichtstun. Die Arbeit in der Mine ist sehr anstrengend und ich erwarte viel von meinen Angestellten, aber ich bin auch bereit den Ertrag dieser harten Arbeit ehrlich mit euch zu teilen. Ich wünsche dir einen großartigen Anfang morgen! Oh, bevor ich es vergesse, eines der Kochzelte liefert jeden Tag das Mittagessen. Du brauchst dir also keine Gedanken darüber zu machen Proviant einzupacken. Auf diese Art sorge ich dafür, dass mein Freund Joe vernünftig isst.“ Er blickte sie verdutzt an, aber sie lachte nur. „Nun, es ist allgemein bekannt, dass gutes Essen den Körper für anstrengende Arbeit stärken kann. Es ist also in meinem eigenen Interesse, dass du und Cotton Joe euch vernünftig ernährt. Je besser deine körperliche Verfassung ist, umso erfolgreicher gräbst du dich durch die Tunnel, richtig?“

„Jawoll, Ma’am!“ Sie drehte sich um und winkte ihm zum Abschied nochmal zu. Er biss herzhaft in einen seiner schmackhaften Äpfel und grinste dabei wie ein glücklicher Junge. Jetzt war er froh, dass er die Früchte gekauft hatte, obwohl diese Belohnung normalerweise außerhalb seines knappen Budgets lag.

Wie glücklich dieser Mann doch über einen einfachen Apfel ist, wunderte sich Lorraine. Jesse war definitiv ein bescheidener Mann. Sie hoffte, er würde es bleiben, denn Lorraine hatte schon zu oft gesehen, wie ein steigendes Einkommen den Charakter von Männern verdorben hatte. Die Gier war eine der Krankheiten, die jede Schürferstadt im Westen heimsuchte, und sie war oftmals Zeuge gewesen, wie zahlreiche Männer wegen ihrer Habgier ihr Leben in den Pionierstädten verloren hatten.

 

Kapitel Sieben

Als Jesse zuhause ankam, war es immer noch früh genug, um an den Reparaturen des Pferches für die Pferde weiterzumachen. Er wollte auch einen kleinen Unterstand für die Tiere bauen, damit die beiden Schutz vor der sengenden Sommersonne haben würden. Er hatte schon immer ein großes Herz für Tiere gehabt und behandelte sie sehr gut. Jesse arbeitete mit freiem Oberkörper in der Sonne und hatte bereits sechs kräftige, gegabelte Äste gerichtet. Es war unheimlich anstrengend, Löcher in den Boden zu graben, denn der Wüstengrund war wie festgebacken. Die Erde war steinhart und gab kaum nach. Der junge Mann überlegte, wie schwer es erst sein musste, in einem Minenschacht dutzende Meter unter der Oberfläche zu graben.

Als die Hauptstützpfosten aufgerichtet waren, fügte er eine gitterartige Dachkonstruktion aus quer verlegten Ästen hinzu. Er schnitt verschiedene Zweige von den Büschen in der Nähe des Hauses zu und legte sie dicht verwoben auf die Dachkonstruktion. Dann band er sie mit Hilfe einer stabilen Sisalschnur auf dem Gitterrahmen fest, sodass die Konstruktion auch einen kräftigeren Windstoß überstehen würde.

Die beiden Pferde trotteten neugierig näher, um zu begutachten, was ihr Besitzer da Wunderliches trieb. Jesses kastanienbraune Stute wieherte ihn leise an und leckte dann über seine verschwitzte, salzige Haut. Er lachte, denn es kitzelte, und er kratzte sie ein paar Minuten hinter dem Ohr. Natürlich wollte sein Wallach ebenfalls seine Streicheleinheiten, also kraulte Jesse auch ihn für einen Moment. Dabei stiegen kleine Staubwolken von seinem schmutzigen Fell auf. Kurz darauf wandte Jesse sich wieder seiner Arbeit zu und wurde mit dem Unterstand knapp vor Sonnenuntergang fertig. Er bewunderte die prächtigen Farben der Abenddämmerung von seiner kleinen Veranda aus und trank dabei kühles Wasser aus einem alten Blechbecher. Nachdem er sich am Bachlauf gewaschen hatte, fütterte er die Pferde und bereitete sich dann einen Eintopf aus den Resten des Vortags zu.

„Ein Restaurant liefert das Mittagessen zur Mine.“ Lorraines Stimme klang in Jesses Erinnerung nach und er schüttelte den Kopf. Obwohl er diese Frau kaum kannte, war er ihr sehr dankbar für die gebotene Chance. Der gutaussehende Abenteurer hatte nach wie vor Bedenken, aus diesem Traum aufzuwachen, und dass die Vision eines ordentlichen Verdienstes und bezahltes Mittagessen jederzeit wie eine Seifenblase platzen könnte. So lag er noch eine ganze Weile wach, zu aufgeregt, um einzuschlafen. Er war mehr als bereit, die neue Arbeit und sein zukünftiges Leben in Angriff zu nehmen, und hatte sich fest vorgenommen, beides so gut wie möglich zu meistern. Schließlich hängen seine eigene Zukunft und die seiner Ehe davon ab.

 

Er wachte noch vor dem Morgengrauen auf und zog sich rasch an. Auf dem Ritt in die Stadt kaute er auf einem Stück Trockenfleisch und einer Scheibe Brot. Ein Teil der Bewohner schlief noch immer, aber auf der Allen Street waren schon wieder viele Leute unterwegs und es herrschte geschäftiger Lärm. Ein Tumult lenkte Jesse ab. Zwei Männer waren in einen Streit verwickelt und stolperten von den hölzernen Bohlen des Gehwegs vor einem der zahlreichen Saloons mitten in die staubige Straße. Es dauerte nur wenige Momente, bis einer der beiden Kontrahenten seine Pistole aus dem Halfter zog und seinem Gegenüber in den Unterleib schoss. Alles geschah in Sekundenbruchteilen. Jesses Pferd bäumte sich erschrocken über den plötzlichen Schuss und das Geschrei auf und er brauchte einen Moment, bis er das nervöse Tier wieder beruhigt hatte. Er hielt die Zügel straff und lehnte sich im Sattel leicht nach vorne, um nicht abgeworfen zu werden.

Eine Menschenmenge hatte sich um die Leiche auf der Straße versammelt und einige der Männer zogen den schießwütigen Kerl Richtung Büro des Marshals. Nun verstand Jesse, warum Tombstone als eine Stadt, die einen Mann zum Frühstück verschlang, bekannt geworden war. Es schien hier einfacher zu sein, wegen eines schlichten Streits getötet zu werden, als auf der Suche nach Silber ums Leben zu kommen. Die Leute bevorzugten es wohl gleich, zur Waffe zu greifen, anstatt die Dinge auszudiskutieren, und einige der Bewohner von Tombstone neigten offensichtlich zum Jähzorn.

Jesse schüttelte angewidert seinen Kopf, als er den großen Blutfleck auf der Straße sah, aber auf ihn wartete Arbeit, und so ritt er zu Cotton Joes Haus, wo er den Mann bereits auf der Veranda stehen sah. Jesse tippte zum Gruß an seinen Hut, stieg aus dem Sattel und hielt die Zügel fest.

„Mister Cotton Joe?“

„Ja, das bin ich, aber lass das Mister weg und nenn mich einfach Joe. Du musst Jesse Connor sein, richtig?“

„Jawoll Sir, ich bin Jesse!“ Cotton Joe schüttelte Jesse mit überraschend starkem Griff die Hand. Sein Körper war drahtig und mit Muskeln bepackt. Jesse musterte seinen zukünftigen Vorarbeiter verstohlen. Er schätzte Joe auf Anfang fünfzig. Er hatte ein wettergegerbtes Gesicht und blassblaue Augen. Wegen der roten Haare und des Bartes vermutete Jesse, dass der Mann irischer Herkunft war.

Der erfahrene Minenschürfer deutete rüber zu der Stelle, wo der Kampf stattgefunden hatte.

„Was ist passiert? Hast du etwas gesehen?“ Jesse nickte.

„Zwei Männer sind in einen Streit geraten und einer hat den anderen erschossen. Wahrscheinlich hat derjenige gedacht, dass genug geredet wurde. Ich glaube sie haben den schießwütigen Typen in die Zelle des Marshals geworfen.“ Cotton Joe schüttelte verachtend den Kopf.

„Diese Stadt wird von Tag zu Tag verrückter. Sobald sich die Leute mit Whiskey volllaufen lassen oder sich zu viel in den Opiumzelten der Chinesen rumtreiben, werden sie unberechenbar. Besonders wenn sie Pech beim Schürfen oder Spielen hatten, sind sie mit Vorsicht zu genießen. Nimm dich vor solchen Männern in Acht! Das Leben ist hier nicht einmal einen angelaufenen Nickel wert. Die Leute zögern keine Sekunde, einen anständigen Mann aus einem lächerlichen Grund zu töten. Ich sag dir, meistens braucht es nicht viel.“ Jesse nickte. „Zum Glück leb ich etwas außerhalb der Stadt.“