Töpferkurs mit Leiche | Der humorvolle Cosy Crime aus Ostfriesland - Sonja Zimmer - E-Book
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Töpferkurs mit Leiche | Der humorvolle Cosy Crime aus Ostfriesland E-Book

Sonja Zimmer

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Beschreibung

Veronika gibt einen Töpferkurs – und findet im Brennofen ausgerechnet eine Leiche
Der dritte humorvolle Kriminalfall in Ostfriesland

Eigentlich wollte Veronika nur Fietes Nachbarn besser kennenlernen. Damit, dass sie dann aber ein Mitglied ihres neuen Töpferkurses tot im, glücklicherweise kalten, Brennofen findet, hat sie nicht gerechnet. Gleichzeitig macht eine Serie von Einbrüchen in den umliegenden Häusern alle nervös. Leer ist wohl doch nicht so beschaulich wie gedacht … Während Kommissar Jacobsen sich um den Mord kümmert, nehmen Fiete und Veronika die Nachbarn genauer unter die Lupe. Hat einer von ihnen etwa ein dunkles Geheimnis?

Weitere Titel in der Reihe
Klaus muss wech (ISBN: 9783987788253)
Klunker für die Fische (ISBN: 9783989982703)

Erste Leser:innenstimmen
„Eine humorvolle Kombination aus gemütlichem Kleinstadtflair und spannender Krimihandlung!“
„Dieser gemütliche Kleinstadt-Krimi hat alles, was einen guten Cosy Crime ausmacht: liebenswerte Charaktere, eine charmante Umgebung und einen spannenden Mordfall.“
„Veronikas Abenteuer in Leer sind immer wieder einfach hinreißend und sehr charmant!“
„Auch dieser dritte Fall ist wieder ein sehr gelungener Cosy Krimi!“

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Seitenzahl: 269

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Über dieses E-Book

Eigentlich wollte Veronika nur Fietes Nachbarn besser kennenlernen. Dass sie dann aber ein Mitglied ihres neuen Töpferkurses tot im, glücklicherweise kalten, Brennofen findet, damit hat sie nicht gerechnet. Gleichzeitig macht eine Serie von Einbrüchen in den umliegenden Häusern alle nervös. Leer ist wohl doch nicht so beschaulich wie gedacht … Während Kommissar Jacobsen sich um den Mord kümmert, nehmen Fiete und Veronika die Nachbarn genauer unter die Lupe. Hat einer von ihnen etwa ein dunkles Geheimnis?

Impressum

Erstausgabe September 2024

Copyright © 2025 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-98998-275-8 Taschenbuch-ISBN: 978-3-98998-559-9

Covergestaltung: Buchgewand unter Verwendung von Motiven von stock.adobe.com: © schab, © lovelyday12 depositphotos.com: © artush, © mazzachi shutterstock.com: © Yeti studio, © Lipskiy, © aimful, © Marc Venema Lektorat: Sandra Effert

E-Book-Version 10.03.2025, 16:00:31.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

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Töpferkurs mit Leiche

Kapitel 1

Die Wellen schlugen über dem Bug zusammen, während sich die Mannschaft nur mühsam auf den Beinen halten konnte. Fiete riss das Steuer seiner Heike herum. Wieder brach die tosende See über dem Bug zusammen, der Ausleger der Netze ächzte …

Tuuuuuuuuut!

»Alle Mann von Bord!«, rief er und sprang auf. Doch dann registrierte er den festen Boden unter seinen Füßen und er erkannte sein Schlafzimmer. Grinsend kratzte er sich seinen grauen Bart. O ha, da hab ich doch glatt gedacht, ich bin auf meiner Heike.

Tuuuuuuuuut!

Nanu, habe ich doch nicht geträumt? Fiete schob die Gardine zur Seite und blickte auf die Straße. Dort stand ein großer Lkw und davor … Fiete rieb sich über die Augen. Vor dem Lkw hüpfte seine Freundin Veronika Schwartau auf und ab, winkte ohne Unterlass.

Sofort hüpfte Fietes Herz mit. Seine Roni war wieder da! Doch Moment. Lkw? Fiete schluckte. Wollte Veronika jetzt ganz bei ihm einziehen?

»Fiete!«

Automatisch hob Fiete einen Arm und winkte zurück.

Veronika deutete auf die Tür.

Fiete winkte weiter.

»Fiete! Machst du mir auf?« Veronika stemmte die Hände in die Hüften und sah zu ihm hoch.

Oh, stimmt. Fiete schüttelte sich, bevor er die Treppe hinuntereilte und die Haustür aufriss. Nur in Boxershorts und T-Shirt stürmte er auf die Straße.

»Roni!«, rief er und schloss sie in die Arme. »Wolltest du nicht heute Abend mit dem Zug kommen?« Er schielte zu dem Lkw einer Münchener Firma, an dem der Fahrer gerade die hintere Tür öffnete.

Veronika kuschelte sich in seine Arme. »Ich konnte nicht alles mit dem Zug mitkriegen.«

Fiete schob sie ein Stück von sich.

»Schau nicht so entsetzt!« Veronika lachte. »Dachtest du, ich zieh direkt mit allen Möbeln bei dir ein?« Sie knuffte ihm in die Seite.

»Ich? Nein!« Fiete blickte konzentriert auf seine Zehenspitzen. Erwischt.

»Ich habe dich durchschaut, Fiete Jacobsen. Keine Angst. Das ist Markus, der Neffe meiner Freundin. Er hatte eine Tour nach Emden und war so lieb, mich mitzunehmen.« Sie zog Fiete zu dem jungen Mann, der gerade drei Koffer und einen Karton aus dem Laderaum des Lkws geholt und auf den Gehweg gestellt hatte. »Markus, das ist Fiete.«

»Freut mich!« Der junge Mann drückte ihm die Hand. »Hab schon viel von dir gehört.«

»Moin.« Der kann zupacken, alle Achtung. »Frühstück?«

»Nein, danke. Ich muss erst abliefern.« Markus schlug die Tür zum Frachtraum zu. »Ich wünsche euch eine schöne Kreuzfahrt durch die Ostsee. Das muss traumhaft sein. Schreib mal ne Karte.«

»Mach ich. Danke, Markus. Grüß deine Tante von mir.«

Veronika und Fiete sahen dem Lkw nach, wie er aus der schmalen Straße der Wohnsiedlung verschwand. Fiete zog Veronika an sich und küsste sie.

»Das nenn ich eine schöne Überraschung, meine Liebe.« Er küsste sie noch einmal.

»Ich hab dich vermisst, alter Seebär. Vielleicht sollten wir drinnen weitermachen?«

»Sehr gute Idee.«

Ohne sich von ihr zu lösen, ging Fiete in Richtung Haus.

»Fiete?«

»Hm.«

»Meine Sachen.«

»Hm.« Mit einem Knurren ließ Fiete sie los und schnappte sich zwei Koffer, Veronika nahm den dritten.

Fiete schleppte die beiden Koffer ins Haus, stellte sie ins Wohnzimmer und lief zurück nach draußen. Er beugte sich hinunter, hob den Karton an, als ein Stich durch seinen Rücken fuhr und es knackte. »Ahh!« Gebückt blieb er stehen.

Veronika rannte zu ihm. »Alles in Ordnung?«

Fiete legte beide Hände in den Rücken und richtete sich langsam auf. Mit siebzig zwickte sein Rücken leider mehr als zu seiner aktiven Zeit als Kutterkapitän.

»Ich glaube schon. Sach mal, hast du die Berge eingepackt?« Er deutete auf den Karton.

»Ton.«

»Musik?«

»Töpferton.«

»Aha.« Fiete ging in die Knie und hievte den Karton hoch.

»Erzähl ich dir später.« Veronika rieb ihm über den Rücken. »Erst einmal bekommst du eine Massage von mir.«

Fiete schmunzelte, während er hinter ihr her ins Haus eilte.

Kapitel 2

Veronikas Reiseführer – Stadt Leer

‚Das Tor Ostfrieslands‘.

Die Stadt Leer liegt im südlichen Ostfriesland an den Ufern der Flüsse Ems und Leda. Die beschauliche Stadt mit 34.000 Einwohnern punktet mit der malerischen Altstadt, gemütlich urigen Cafés und Teestuben sowie einem Hafen mitten in der Stadt, der zahlreiche Anlegemöglichkeiten bietet.

Schönheit, Ruhe und Gastfreundlichkeit – nur einige Dinge, die Leer bietet. Auch Burgen und Schlösser gehören dazu, wobei lediglich die Evenburg in Leer-Loga mit ihrem Schlosspark öffentlich zu besichtigen ist.

Bereits seit 200 Jahren besitzt Leer die Stadtrechte. Doch schon länger hat der Ort die Marktrechte inne. Jeweils im Herbst beginnt für einige Tage die fünfte Jahreszeit – der Gallimarkt. Der Vieh- und Jahrmarkt lockt jährlich hunderttausende Besucher in die Stadt.

***

Veronika saß in Fietes Strandkorb im Garten und genoss die Sonne. Der Garten lag zum Süden, eine hohe Hecke begrenzte das Grundstück. Ein großer, alter Ahornbaum spannte seine Äste weit über einen Holzschuppen, in dem Fiete Gartenmöbel untergestellt hatte. Zwei Apfelbäume in der anderen Ecke boten Schatten und sie konnte sich gut vorstellen, eine Liege dort hinzustellen und darunter zu lesen. Ob die Äpfel wohl eher süß oder sauer sind? Im restlichen Teil des Gartens hatte Fiete Rasen angesät; Blumen entdeckte sie keine, da Fiete keinen grünen Daumen hatte, wie er meinte. Die Vögel zwitscherten ihre Lieder. Veronika schloss die Augen.

Was war es doch für ein Glück gewesen, dass sie vor einiger Zeit nach Leer gekommen war, um sich die Drehorte ihrer Lieblingsserie anzusehen. Gefunden hatte sie nicht nur die, sondern auch ihren Fiete. Auch wenn sie ihn am Anfang am liebsten auf den Mond geschossen hätte – sie fühlte sich in Leer sehr wohl. Dieses Städtchen in Ostfriesland hatte sie von Anfang an verzaubert. Leider kannte sie außer Fiete, seinem Sohn und Schwiegertochter Anja dort noch keinen.

»Worüber denkst du nach, mein Schatz?« Fiete drückte ihr ein Schokoeis in die Hand und quetschte sich neben Veronika in den Strandkorb.

»Töpfern.«

»Ach ja, du hast ja den ganzen Ton dabei. Braucht man dafür nicht so eine Scheibe?«

»Nicht, wenn man Aufbau-Ton verwendet. Den kann man einfach kneten und schlagen. Für eine Scheibe habe ich in meiner Wohnung leider keinen Platz.«

»Kneten darfst du mich auch, aber nicht schlagen.« Fiete kicherte.

»Du wieder.« Veronika schleckte an ihrem Eis. »Ich überlege, ob ich nicht einen Kurs für die Nachbarn anbieten soll. Wenn ich öfter hier bin, wäre es doch schön, ein paar Leute kennenzulernen. Also … ein paar Damen.«

»Das ist eine gute Idee.« Fiete nickte. »Was hältst du davon, wenn wir eine Einladung schreiben? Bei einem Spaziergang kann ich dir dann verraten, wo du eine einwerfen solltest und wo besser nicht.«

»Das wäre toll. Sag mal, können wir dein Gartenhaus dafür herrichten? Dann hast du mit dem Damenkränzchen nichts zu tun und wir können nach Lust und Laune den Ton verkloppen und über Männer reden.«

Gesagt, getan. Unter Veronikas Anleitung schob und rückte Fiete Möbel, schwang den Besen und wechselte die Glühbirne aus. Veronika bastelte aus einem alten Stoff, den Fiete noch auf dem Dachboden liegen hatte, einen Vorhang. Damit verdeckte sie das Regal mit seinem Werkzeug, das eine komplette Wand des Häuschens in Beschlag nahm. Sie legte eine Gartentischdecke auf den Tisch, verteilte Sitzkissen auf die Stühle und holte Wassergläser aus der Küche.

Sie klopfte sich die Hände an der Hose ab. »Das sieht doch gut aus. Fiete? Magst du den Karton mit dem Ton holen und dort in die Ecke stellen?«

»Sicher.« Fiete verließ die Hütte.

Veronika setzte sich auf einen der Stühle und knibbelte an ihren Fingernägeln. War das wirklich eine gute Idee mit dem Töpferkurs? Sie machte das ja auch nur als Hobby. Und was, wenn die Nachbarn sie doof fanden, weil sie doch aus München war?

Fiete kam zurück. Er stellte den Karton ab und hockte sich neben sie. Sanft strich er ihr über die Beine. »Was ist denn los, mein Schatz?«

Veronika lehnte sich an ihn. »Was mach ich denn, wenn keiner kommt? Ich bin ja schließlich die Neue hier.«

Fiete küsste sie auf die Stirn. »Genau deshalb werden sie kommen.« Er grinste. »Wenn meine Nachbarn eines sind, dann neugierig. Keine Angst, die beißen nicht. Und nun komm, Foto machen und Flyer drucken.«

»Foto?« Veronika stand auf. »Aber nicht von mir.«

»Oh, doch.«

»Nein!«

»Doch!«

Eine Stunde später ratterte der Drucker in Fietes Büro – mit einer etwas schief lächelnden Veronika auf dem Flyer.

***

Veronikas Reiseführer – Der Ostfriese

Der Ostfriese an sich ist eher wortkarg unterwegs. Dabei ist er aber keinesfalls unhöflich, sondern offen, herzlich und hilfsbereit. Er ist schwer aus der Ruhe zu bringen und begegnet den Dingen mit einem eigenen, trockenen Humor. Oft wird dem Ostfriesen nachgesagt, er sei stur, dabei ist er nur meinungsstabil.

Er ist freiheitsliebend und erhöht den durchschnittlichen Pro-Kopf-Teeverbrauch Deutschlands deutlich. Drei Tassen am Tag müssen es mindestens sein, wobei meistens mehr als einmal am Tag Tee getrunken wird.

Dreimal ist Ostfriesenrecht. Dies gilt sowohl bei der Teezeremonie als auch dann, wenn etwas nicht sofort gelingt. Wird im Übrigen auch gerne auf Kekse oder andere Leckereien angewendet.

***

Fiete lebte in einer ruhigen Wohnsiedlung am Rande von Leer. Die meisten der Häuser waren aus den Fünfziger- oder Sechzigerjahren – typische rote Backsteinhäuschen mit gepflegten Vorgärten. Hier und da fanden sich größere Einfamilienhäuser: Neubauten, die die in die Jahre gekommenen Häuser ersetzt hatten. Die Bürgersteige waren gefegt und unkrautfrei. Man kannte sich und keiner war einem kleinen Schnack am Gartenzaun abgetan.

Veronika und Fiete machten einen Spaziergang durch die Siedlung. Ihr gefielen die ruhigen Straßen sehr. Es war ganz anders als die laute Gegend in München und das Hochhaus, in dem sie wohnte. Die Luft roch hier frisch – alles war irgendwie leichter. Nach der Runde wusste Veronika fast alles über Fietes Nachbarn. Sie hatte die Einladungen zum Töpferkurs bei denen eingesteckt, die Fietes Meinung nach am nettesten waren. Wenn tatsächlich einige kämen, würde es eine bunt gemischte Truppe werden.

Jetzt saßen sie beim Abendbrot, als Veronika Zweifel überkamen. Waren die Einladungen tatsächlich eine gute Idee gewesen? Aber nun, sie konnte es nicht mehr ändern. Die Zettel waren in den Briefkästen und sie würde einfach abwarten, was passierte. Sie nahm die Teekanne vom Stövchen und schenkte sich ein. Lächelnd lauschte sie dem Knistern des Kluntje, als der heiße Tee auf ihn traf. Tee war neben Fiete das Beste an Ostfriesland. Ein Brummen ertönte und Fiete blickte auf. »Hm, da hat jemand einen neuen Rasenmäher.«

Veronika sah ihn mit großen Augen an. »Du kannst Rasenmäher an ihrem Motorengeräusch erkennen?«

Fiete klopfte sich stolz auf die Schulter. »Kannst mal sehen, was dein alter Seebär alles für verborgene Talente hat.«

Veronika lachte. Sie sah aus dem Fenster in den Garten, verschluckte sich und hustete. »Ich würde sagen, das ist ein Aufsitzmäher«, krächzte sie und griff nach der Teetasse.

»Roni! Ich wusste gar nicht, dass du dich mit Technik auskennst.« Fiete hob die Augenbrauen.

»Tu ich auch nicht, aber ich kann gucken.« Sie deutete in Richtung Garten.

Dort fuhr der Aufsitzmäher gerade eine große Runde, bevor er vor der Terrasse hielt. Und auf ihm saß …

»Dini?« Fiete fiel sein Brot aus der Hand. Er sprang hoch und riss die Terrassentür auf. Veronika folgte ihm.

Vor ihnen auf dem Aufsitzmäher saß Dini Freese, fünfundsiebzig, und winkte ihnen mit einem schiefen Lächeln zu. Die sonst ordentlich in Wellen gelegten Haare standen kreuz und quer vom Kopf. Sie trug ihre Alltagskittelschürze und Gummistiefel – was ungewöhnlich war. Denn außerhalb ihres Hofes im tiefsten Rheiderland trug sie immer die gute Sonntagsschürze mit dem Blumenmuster.

»Dini! Was machst du hier? Bist du … Bist du ganz mit dem Aufsitzmäher gekommen?« Veronika trat zu ihr, während ihr die geröteten Augen der älteren Dame auffielen. »Dini? Was ist los?«, fragte sie und legte ihr die Hand auf die Schulter.

Dini sackte zusammen. »Sie hat mich rausgeworfen«, nuschelte sie.

»Talea?«, fragte Veronika. Das konnte nicht sein. Die beiden Schwestern waren unzertrennlich. »Na, komm erst einmal rein. Was hältst du von einer guten Tasse Tee?«

»Schnaps ist mir lieber.« Dini deutete auf den Rucksack, den sie auf den Mäher geschnallt hatte.

»Oder so. Fiete, nimmst du bitte die Tasche?«

Der nickte und nestelte an dem Seil, mit dem Dini den Rucksack festgebunden hatte.

Veronika hakte Dini unter und führte sie in die Küche. Sie hatte die beiden schrulligen Schwestern in ihr Herz geschlossen, seit sie sich vor ein paar Monaten kennengelernt hatten. Die Freese-Schwestern lebten seit jeher auf einem Resthof im Rheiderländer Nirgendwo und waren eigentlich ein Herz und eine Seele. Es musste also etwas Gravierendes vorgefallen sein, dass Dini allein die weite Strecke nach Leer auf sich nahm.

»Nun erzähl mal. Du bist tatsächlich mit dem Gefährt die ganzen fünfzehn Kilometer hierhergefahren?« Fiete schüttelte den Kopf.

Dini ließ sich auf einen Stuhl fallen und seufzte tief. »Mir ist Taleas Becher runtergefallen. Ihr Lieblingsbecher. Das war so ein ganz olles Teil; das hatte doch schon einen Sprung. Und plötzlich ist sie ausgerastet und hat gesagt, ich solle verschwinden. Da hab ich gemeint, sie solle doch gehen, weil ich bin schließlich älter. Aber sie hatte den Haustürschlüssel schneller in der Hand. Also habe ich ein paar Sachen in den Rucksack gestopft und hab mir gedacht, wenn ich schon wegmuss, dann geht der Mäher mit. So.«

Veronika schmunzelte. Beide Schwestern liebten den Aufsitzmäher heiß und innig. Sie hatten kein Auto und so flitzten sie gerne damit durchs Rheiderland. Sie hatten ihn frisiert und mit extra starken Scheinwerfern ausgestattet.

Fiete stellte immer noch kopfschüttelnd ein Schnapsglas vor Dini auf den Tisch. »Dat geiht nich.«

»Doch. In Jemgum hab ich getankt.« Dini holte eine Schnapsflasche aus dem Rucksack und goss sich ein. Ihre Augen glitzerten, als wäre sie kurz vor dem Weinen. »So böse war die Talea noch nie mit mir.« Sie zog die Nase hoch. »Was mach ich denn nu?«

»Du bleibst erst einmal hier.« Veronika tätschelte ihre Hand. »Fiete hat ein ganz bequemes Gästezimmer. Und dann machst du der Talea einen neuen Becher, okay?«

Nach mehreren Gläsern Schnaps brachte Veronika die aufgelöste Dini ins Bett – sie schlief sofort ein. Auf Zehenspitzen schlich Veronika wieder nach unten in die Küche.

»Glaubst du das?« Fiete räumte den Abendbrottisch ab. »Mit dem Aufsitzmäher?«

»Was machen wir denn nun? Hast du die Nummer von Talea? Ist doch kindisch, die eigene Schwester wegen eines Bechers rauszuwerfen.«

»Da in der Kommode liegt noch ein altes Telefonbuch vom Rheiderland.« Fiete zeigte auf das Möbel im Flur.

Veronika fand das Telefonbuch und auch die Nummer der Freese-Schwestern. Es war erst acht Uhr, da konnte sie ruhig noch anrufen.

»Freese.« Taleas Stimme klang matt und müde.

»Hallo, Talea, Roni hier.«

»Die Roni! Das ist ja schön«, rief Talea.

»Talea, die Dini ist hier.«

»In Bayern?«

»Nee, in Leer bei Fiete. Da bin ich auch. Sag mal, war das mit dem Becher jetzt so schlimm, dass du sie rauswerfen musstest? Sie ist ganz mit dem Aufsitzmäher hierhergefahren, da hätte doch sonst was passieren können.«

Am anderen Ende der Leitung war es still, bevor das Knallen einer Tür durch den Hörer hallte.

»Disse oll Höhnerdeev! Dini!«

Veronika hielt den Hörer von sich. Ein Tuten war zu hören – Talea hatte aufgelegt.

»Und? Was sagt sie?«, fragte Fiete.

»Irgendwas auf Platt und hat aufgelegt. Vielleicht hätte ich ihr nicht sagen sollen, dass Dini mit dem Aufsitzmäher hier ist?«

Fiete lachte. »Damit hat die auf jeden Fall ein Druckmittel in der Hand. Weißt du was? Wir zwei setzen uns jetzt nach draußen und genießen den Sonnenuntergang. Die beiden Streithennen beruhigen sich schon wieder.«

Kapitel 3

Es war ein lauer Sommerabend – die Vögel sangen, die Bienen summten. Veronika hatte kein Ohr dafür. Nervös rannte sie zwischen Gartenhaus und Terrasse hin und her. Hatte sie genügend Gläser? Wo waren die Häppchen? Sekt! Sie brauchte Sekt!

Fiete und Dini saßen währenddessen im Strandkorb und sahen ihr grinsend zu.

»Schatz!«

»Keine Zeit!« Veronika flitzte ins Haus und kam ohne etwas wieder zurück. »Was wollte ich noch gleich?« Sie sah sich gehetzt um. Es würde eine Katastrophe werden, ganz bestimmt. Es würde niemand kommen. Oder alle würden sie doof finden. Sie würde sich verhaspeln und blamieren und ihren Schatz gleich mit. Irgendwas fehlte noch, das hatte sie im Gefühl. Nur was?

Fiete stellte sein Bier ab und ging zu ihr. Er fasste sie sanft an den Armen. »Schatz. Es ist alles perfekt. Oder …« Er zupfte an ihren Haaren. »Ist das Ton?« Lachend hielt er ihr ein Stück graue Masse vor die Nase.

Veronika schlug die Hand vor die Stirn. »Umziehen! Ich muss mich umziehen.«

Fünf Minuten vor halb acht stand Veronika frisch geduscht und frisiert mit einem Sektglas in der Hand im Garten. Pünktlich um halb acht klingelte es an der Haustür und Fiete brachte eine Dame in grauem Stiftrock und weißer Bluse nach draußen. Die Haare hatte sie zu einem akkuraten Dutt gesteckt, eine Lesebrille saß auf ihrer Nasenspitze. Veronika schätzte sie auf Mitte fünfzig.

»Roni? Das ist Frau Gramberg. Sie wohnt am Ende der Straße.«

Sie reichte der Dame die Hand. »Veronika Schwartau. Freut mich, Sie kennenzulernen. Möchten Sie ein Glas Sekt?«

»Wasser bitte.«

»Wasser, sicher.« Veronika verschwand in der Hütte.

Als sie mit dem Glas zurück in den Garten kam, standen zwei junge Frauen neben Fiete und Frau Gramberg. Sie lachten und Veronika atmete ein wenig auf. Die beiden machten auf Anhieb einen sympathischen Eindruck.

»Hey! Ich bin Marie.« Eine der jungen Frauen hielt Veronika die Hand hin. »Ich wohn da oben.« Sie deutete auf das Grundstück, das hinten an Fietes Garten angrenzte. Sie war so klein und zierlich wie Veronika selbst und hatte die braunen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden. Ihre braunen Augen blitzten fröhlich.

»Veronika.«

»Und ich bin Luisa von nebenan.« Mit einem Fingerzeig deutete die blonde Frau auf den Ziegelbau links von ihnen. »Zu mir gehören die drei kreischenden Gören.« Sie grinste ein wenig schief.

»Freut mich.« Veronika drückte ihr ein Glas Sekt in die Hand.

Luisa trank das Glas in einem Zug leer. »Auf deinem Zettel stand, man darf den Ton schlagen?«

»Ähm, ja?«

»Gut. Ich muss mich dringend abreagieren.« Luisa kniff die Augen zusammen.

Zu der kleinen Truppe stieß noch eine Frau um die vierzig, die sich als Silke Frerichs vorstellte und in der Parallelstraße wohnte.

»Meine Damen, darf ich alle ins Gartenhaus bitten?« Veronika warf Fiete einen unsicheren Blick zu. Der streckte den Daumen in die Höhe und nickte ihr aufmunternd zu.

Die Frauen gingen schwatzend ins Gartenhäuschen. Während sie sich einen Platz aussuchten, wischte Veronika sich die feuchten Hände an der Hose ab. Sie war nervös. Die anderen kannten sich scheinbar untereinander und würden sie sicher mit Argusaugen beobachten. Was, wenn sie sich unter dem Töpferkurs etwas ganz anderes vorstellten und sie … Schluss! Sie würden einfach nur Spaß zusammen haben. Nicht mehr und nicht weniger. Schnell nahm sie ihren Platz ein, räusperte sich und wollte gerade eine offizielle Begrüßung halten, als Fiete mit einer älteren Dame hereinkam.

»Meine Damen, hier kommt noch eine Nachzüglerin. Gesine, das ist meine Roni«, erklärte er mit Stolz in der Stimme.

»Mooi Wicht, Fiete.« Gesine umarmte Veronika und setzte sich auf den letzten freien Stuhl neben Dini, während Fiete an der Tür stehenblieb.

Mit klopfendem Herzen sah Veronika in die Runde, wippte mit den Füßen. »Ja, also, ich freue mich, dass Sie, also ihr gekommen seid. Ich bin die Veronika …«

Sie wurde von Gesine unterbrochen, die eine braune Flasche aus ihrer Tasche holte und sie mit einem Knall auf den Tisch stellte. »Fiete, Gläser. Unser bayrischer Gast muss schließlich ordentlich begrüßt werden.«

»Jawohl, kommt sofort.« Fiete öffnete ein Schränkchen und holte Schnapsgläser heraus, die er auf den Tisch stellte. »Ich lass euch dann mal allein.«

Nachdem er die Hütte verlassen hatte, griffen sich die Damen jeweils eines und klopften damit auf den Tisch. Nur Frau Gramberg hielt ihr Wasserglas eisern fest.

Gesine drehte die Flasche auf und füllte die Gläser. »Roni, nich lang snakken, Kopp in Nacken.«

»Ähm …« Was hatte sie gesagt? Veronikas Blick huschte Hilfe suchend zu Fiete, doch der war bereits im Garten verschwunden.

Die alte Dame drückte ihr ein Glas Kruiden in die Hand. »Grützi!« Gesine hob das Glas.

Die anderen sahen sie an, Marie lachte auf. »Gesine, bleib lieber bei Platt.« Sie hob das Glas. »Willkommen in Leer, liebe Veronika. Prost!«

Veronika erklärte ein paar Grundlagen, bevor die Damen loslegten. Dini und Gesine verstanden sich auf Anhieb. Sie steckten die Köpfe zusammen, kicherten und Dini ließ es sich nicht nehmen, die Geschichte von Klaus und seiner außerordentlichen Entsorgung zum Besten zu geben. Einmal verschwand sie aus der Hütte, nur um kurz darauf mit dem guten Schnaps von Hein zurückzukommen. Ein Gläschen nach dem anderen tranken die beiden – mal den Kruiden, mal den guten –, dass Veronika schon beim Zusehen Kopfschmerzen bekam. Sie grinste. Da haben sich ja zwei gefunden.

Ein lautes Hupen ließ die Truppe zusammenzucken. Kurz darauf rief eine laute Stimme: »Wo ist sie? Dini! Komm sofort her!«

Mit geweiteten Augen blickte Dini zur Tür, verlor jegliche Farbe aus ihrem Gesicht. »Das ist Talea.«

»Wahrscheinlich hat sie dich vermisst.« Veronika nickte ihr mit einem Lächeln zu.

»Wohl eher den Aufsitzmäher. Aber den Schlüssel geb ich nicht her.« Dini stand auf. »Ui, das wackelt n büschen.«

Die Tür wurde aufgerissen und Talea füllte den Rahmen aus. Sie trug ihre Sonntagsausgehkittelschürze und stemmte die Hände in die Hüften, ihre Augen blitzten. Die anwesenden Damen verstummten; mit geduckter Haltung sahen sie zwischen den Schwestern hin und her.

»Gib mir sofort den Schlüssel!«, fauchte Talea und streckte die Hand aus.

»Nö.« Dini schüttelte den Kopf. »Du hast das Haus, ich krieg den Aufsitzmäher.«

Veronika stand eilig auf. »Talea, beruhig dich erst einmal. Möchtest du auch einen Schnaps?«

»Nö. Ich will den Mäher!«

»Nö.« Dini verschränkte die Arme vor der Brust.

»Kinners, was soll das Theater? Wir sind doch nicht im Kindergarten.« Fiete tauchte im Gartenhaus auf und schob sich zwischen die Schwestern. »Wie bist du denn hergekommen?«, fragte er Talea.

»Mit Jan.« Sie funkelte ihre Schwester böse an. »Mit dem Mäher konnte ich ja nicht.«

»Jan hat dich mit seinem Milchlaster mitgenommen?« Veronika schüttelte den Kopf – es wurde immer verrückter. »Könnt ihr euch nicht einfach vertragen? Dini ist dein Becher runtergefallen, ja, und das tut ihr auch leid. Es …«

»Mein Lieblingsbecher war das!«, rief Talea.

»Ja und das tut ihr doppelt leid. Siehst du, was sie da macht?« Veronika nahm den undefinierbaren Klumpen Ton in die Hand, den Dini geformt hatte.

»Einen Stein?« Talea kniff die Augen zusammen. »Könnte auch ein Haufen von den Hühnern sein.«

»Banause!« Dini schnaubte.

»Sie töpfert dir einen ganz eigenen neuen Becher«, rief Veronika dazwischen. »Deshalb ist sie hier.«

»Oh.« Talea rieb sich die Hände an ihrer Sonntagsausgehschürze. »Das ist aber nett.«

»Genau. Willst du dich nicht zu uns setzen?« Veronika deutete Fiete, dass er noch einen Stuhl holen sollte.

»Möchtest du auch n Kruiden?« Gesine hatte ihre Sprache wiedergefunden.

»Danke. Ich muss noch fahren.« Talea hob abwehrend die Hände.

»Nicht mit dem Rasenmäher!« Dini trat mit geballter Faust auf sie zu.

»Doch!« Dini wollte etwas erwidern, aber Talea schnitt ihrer Schwester das Wort ab. »Mit dir drauf natürlich, du dumme Nuss.«

»Ja?« Dinis Augen glänzten feucht.

»Ja!«

***

Nach einem sehr geselligen Abend halfen alle noch schnell beim Aufräumen, dann verabschiedeten sie sich. Dini und Talea waren die Letzten.

»Bringst du mir den, wenn der verbrannt ist?« Dini zeigte auf den windschiefen Becher, den sie gemacht hatte.

»Gebrannt, Dini.« Veronika lachte. »Selbstverständlich bringen wir dir den Becher vorbei. Dauert aber noch ein bisschen.« Sie sah Talea tief in die Augen. »Vertragt ihr euch bis dahin?«

»Jo. So ganz ohne Dini ist doch blöd auf dem Hof. Nur so mit den Hühnern, nee.« Talea schwang sich auf den Aufsitzmäher. »Komm, Dini, ab nach Hause.«

Dini drückte Veronika und Fiete. »Danke.« Sie kletterte hinter Talea auf den Aufsitzmäher und schlang die Arme um sie. »Gib Gas!«

Talea ließ die Finger knacken. »Halt dich fest, Schwesterherz.« Der Motor des frisierten Aufsitzmähers heulte auf, bevor sie davon schossen und um die nächste Ecke verschwunden waren.

»Hach, es war so schön.« Veronika kuschelte sich an Fiete. »Luisa hat den Ton ordentlich verkloppt. Ich dachte, der Tisch bricht zusammen.« Sie kicherte. »Ich bin so froh, dass die Schwestern sich wieder vertragen haben. Aber war das richtig, sie noch fahren zu lassen?«

Fiete brummte. »Denen passiert schon nichts.«

»Gesine ist richtig goldig. Kennst du sie schon lange?« Veronika hakte sich bei Fiete ein und ging mit ihm zurück in den Garten.

»Seit ich hier vor fünfundvierzig Jahren eingezogen bin. Ihr Mann war auch ein feiner Kerl«, erklärte er.

»War?«

»Der Heinz ist vor acht Jahren gestorben. Aber der Timo, ihr Enkel, kommt häufig vorbei.«

»Das ist lieb. Ach, Fiete, Leer gefällt mir immer besser.«

Kapitel 4

Veronikas Reiseführer – Haneburg

Zweiflügeliges Wohnschloss in der Altstadt von Leer. Erbaut 1570 und erweitert 1621 liegt es am Ende einer Kastanienallee. Nach einer wechselvollen Geschichte beheimatet das Gebäude jetzt Teile der Volkshochschule Leer.

Eine Besichtigung ist lediglich von außen möglich.

***

Veronika stand im Gartenhaus und packte sorgfältig die getöpferten Sachen in eine Kiste. Viermal hatten sie sich in den letzten Tagen getroffen, wobei einige schöne Becher und Schalen entstanden waren. Unter jedes Gefäß ritzte sie den Anfangsbuchstaben derjenigen, die es gemacht hatte, und notierte alles auf einer Liste. Nur bei dem windschiefen Becher von Dini war das nicht nötig. Nachdenklich drehte Veronika den Becher in ihrer Hand. Ihre Zweifel, ihre Sorgen – all das war unbegründet gewesen. Die Töpferabende waren ein voller Erfolg. Die Nachbarsfrauen hatten sie herzlich in ihre Runde aufgenommen und sie war froh, dass sie Anschluss gefunden hatte. Sicher, sie vermisste auch ihre Freundinnen zu Hause in München. Doch mit Fiete, dem besonderen Flair der Stadt, mit den netten neuen Bekanntschaften – Leer fühlte sich immer mehr wie ihr neues Zuhause an.

Ein Klopfen an der Tür ließ sie aufblicken. »Anja!« Veronika stellte Dinis Becher in die Kiste und umarmte Fietes Schwiegertochter.

»Na, ihr seid ja richtig fleißig gewesen.« Anja nickte anerkennend.

»Es macht auch richtig Spaß. Luisa nutzt die Abende, um sich abzureagieren. Ihre Drillinge sind gerade in der Trotzphase. Die verkloppt den Ton richtig mit Inbrunst.«

»Dafür ist der natürlich perfekt. Oh, der ist ja toll!« Anja nahm eine Figur in die Hand. »Der sieht ja fast aus wie Fiete.«

»Den hat Marie gemacht. Sie ist sehr begabt. Du, ich bin dir wirklich dankbar, dass du mir das mit der Volkshochschule möglich gemacht hast. Bei all der Aufregung hatte ich gar nicht daran gedacht, dass die Sachen ja auch gebrannt werden müssen.«

»Gerne. Meine Freundin Marga lässt dort auch brennen, insofern hatte ich beste Kontakte. Soll ich die Kiste schon ins Auto bringen?« Sie deutete auf eine der drei Kisten, die auf den Stühlen standen.

Veronika warf einen Blick hinein. »Da fehlen noch die beiden Becher da. Magst du die dazustellen?« Sie zeigte auf den Tisch und wandte sich wieder ihrer Liste zu.

Anja räumte die Brennstücke eins nach dem anderen ein.

»Hat Klaas gerade viel zu tun?«, fragte Veronika.

Fietes Sohn war bei der Polizei in Leer und zu seinem Leidwesen mischten sich Veronika und Fiete gerne in seine Ermittlungen ein. Wobei Veronika das nicht einmischen nennen würde: Sie arbeiteten der Polizei zu.

»Es geht. Also nichts, wo ihr miträtseln könntet.« Anja schmunzelte. »Wann geht es auf Kreuzfahrt?«

»In zwei Wochen. Ich freu mich schon darauf. Fiete ist noch ein wenig skeptisch.«

»Oh, das kann ich mir denken. Alles, was größer ist als sein Kutter Heike, ist für ihn eine Zumutung und kein richtiges Schiff mehr.« Anja griff nach der Kiste. »Ich bringe die schon mal ins Auto.«

Veronika schnappte sich eine weitere und folgte ihr zur Straße. »Danke auch, dass du mich fährst.« Sie stellte die Kiste in den Kofferraum. »Warum hat Fiete eigentlich nur einen Roller?«

»Kann ich dir gar nicht so genau sagen. Sein altes Auto war kaputt und nachdem er nicht mehr jeden Tag nach Ditzum zur Heike fahren musste, reichte ihm der.«

Veronika lachte auf. »Macht hier in Leer ja auch Sinn.« Außerdem kann man sich auf dem Roller viel besser an ihn kuscheln.

Nachdem auch das letzte Brennstück notiert, verpackt und seinen Platz in Anjas Auto gefunden hatte, ließ sich Veronika mit einem Seufzer auf den Beifahrersitz fallen. Wie die gebrannten Werke wohl aussehen werden?

Je näher sie der Haneburg kamen, desto unruhiger wurde Veronika. In dem alten u-förmigen Gebäude waren Teile der Leeraner Volkshochschule untergebracht.

Anja fuhr durch die Kastanienallee auf den Hof. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch stieg Veronika aus. Als sie das letzte Mal hier gewesen war, war sie als Geisel genommen worden. Sie schüttelte sich.

»Alles okay?« Anja legte ihr einen Arm um die Schulter.

»Ja. Ich musste nur gerade an was denken.«

»Der Typ ist hinter Gittern und kommt da auch so schnell nicht wieder raus.« Anja ließ Veronika los und öffnete den Kofferraum. »Dort unten müssen wir rein.« Sie deutete auf eine Tür im rechten kleinen Flügel. »Marga hat gemeint, wir können die Sachen direkt in den Ofen stellen. Sie heizt ihn heute Abend an, wenn sie ihre Brennstücke auch eingeräumt hat.«

»Das ist echt super.« Veronika griff sich eine Kiste und lief hinter Anja die Kellertreppen der Haneburg hinunter. Von einem schmalen Gang gingen mehrere Türen ab. Anja öffnete die mit der Aufschrift Töpferwerkstatt. In dem Raum standen ein Tisch, Regale, mehrere Werkzeuge und Ton. Dahinter lag der Raum, in dem der Brennofen untergebracht war. Ein Stück nach dem anderen stellte Veronika vorsichtig in den Ofen, hakte jedes Stück auf der Liste ab und legte diese dann auf eines der Regale.

»Kannst du Marga meine Mobilnummer geben?«, fragte Veronika.

»Schon passiert. Sie ruft dich an, wenn alles fertig gebrannt ist. Dann können wir die Sachen abholen.«

»Super! Anja, vielen Dank.«

»Da nich für. Weißt du was? Wir lassen meinen Wagen hier stehen und machen noch einen Bummel durch die Altstadt, was meinst du?«

»Perfekt!« Veronika liebte die Leeraner Altstadt mit den verwinkelten Gassen und den alten Häusern, die sich eng aneinander duckten. Sie und Fiete gingen oft am Hafen spazieren, sahen den Möwen zu und lauschten den Wellen, die an die Kaimauer schwappten.

Kapitel 5

Knapp eine Woche später trafen sich die Frauen am frühen Abend im Hof der Haneburg. Veronika sah sich suchend um – sie vermisste jemanden. »Kommt Marie heute gar nicht?«

»Vielleicht muss sie arbeiten.« Luisa zuckte mit den Schultern.

»Wo arbeitet sie denn?«, erkundigte Veronika sich.

»In einer Cateringfirma. Sie springt wohl mal spontan ein, wenn eine Kollegin ausfällt.«

»Okay. Seid ihr auch so gespannt wie ich, wie unsere Kunstwerke geworden sind?«

Ein vielstimmiges Ja war die Antwort.