Totenschädel auf St. Pauli. 2.Platz Deutscher E-Book-Preis 2013 - Jochen Stüsser-Simpson - E-Book

Totenschädel auf St. Pauli. 2.Platz Deutscher E-Book-Preis 2013 E-Book

Jochen Stüsser-Simpson

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Beschreibung

Wenn die Flut kommt, werden die Priele zu reißenden Strömen, je flacher das Watt um so schneller steigt die See, die besten Läufer laufen ihr nicht davon. Das Wasser schoss über die schlammige Leere, darüber Möwenzüge. Als sich die ersten Wellen rauschend an den Sylter Strand warfen, wandte sich Igor schaudernd ab. Sonst war er sprachlich eher zurückhaltend, jetzt murmelte er: "Vier Tote mehr im Wattenmeer." Es klang rhythmisch wie ein Gebet. Aber Igor betete nie. Das Gewehr stellte er beiseite und dachte kurz an Störtebeker und an die Frau mit den whiskyfarbenen Augen. 2.Platz beim Deutschen E-Book-Preis am 10.10.2013 auf der Frankfurter Buchmesse. Der E-Book-Preis ist ausgelobt von Chichili Agency und Satzweiss.com GmbH

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Jochen Stüsser-Simpson

Totenschädel auf St. Pauli. 2.Platz Deutscher E-Book-Preis 2013

Ein Kiez-Roman um Piraten, eine schöne verführerische Geschäftsfrau, den FC und viele Euros

Dem Schädel des großen Piraten Klaus Störtebeker! R I P 2.Platz beim Deutschen E-Book-Preis am 10.10.2013 auf der Frankfurter Buchmesse. Der E-Book-Preis ist ausgelobt von Chichili Agency und Satzweiss.com GmbHBookRix GmbH & Co. KG80331 München

Dies ist eine Piratengeschichte

Zarteren Gemütern wird von der Lektüre abgeraten.

Bar Centrale, Portugiesenviertel im Hamburger Hafen, 9.Januar

Am Anfang waren sie vier. Sie standen vor dem Lokal und stampften hin und wieder mit den Füßen auf. Ihr Atem floss zu einer Rauchfahne zusammen, die in der Luft stehen blieb. Es war bitter kalt auf St.Pauli, lange nicht erlebt. Auf den Straßen lag eine festgefahrene Schneedecke, die allerdings überall schwarz und braun gefärbt war. Vor Weihnachten hatte es in diesem Jahr angefangen zu schneien – und eine völlig überforderte und unter Sparmaßnahmen leidende Stadtreinigung kam mit dem Räumen nicht hinterher, nicht nur im Hafen und in St. Pauli, sondern in der ganzen Stadt. Und als sie zwischen Weihnachten und Neujahr gerade mal die Hauptstraßen und Autobahnzubringer im Griff hatte, kam aus Nordwest mit etwas milderen Temperaturen die nächste Schneewolkenfront und schüttete die ganze Stadt zu, dass alles leiser und langsamer wurde. Die Autos trugen Pelz und die Leute auf den Straßen wurden immer weniger. Wer es sich leisten konnte, blieb je nach Gewohnheit und Beruf zu Hause oder im Büro, oder in der Kneipe natürlich. Jan und Ali und Glas und Pit ließen einen Flachmann kreisen. Pit klatschte sogar in die Hände – und zog sofort fragende Blicke auf sich, denn das gehörte sich eigentlich nicht, auch wenn es kalt war. Schließlich hatten sie auch keine Handschuhe an, sie waren harte Jungs. Wenn Hein und Igor doch endlich kämen! Als Ali mit den Zähnen klapperte und Jan anfing zu schlottern, beschlossen sie, das Lokal zu betreten. Zum Aufwärmen bestellten sie gleich eine Runde Campari Orange. Als Jan gerade seinen skeptischen Kollegen erklärte, das sei der Klassiker, mit dem man schon am frühen Nachmittag beginnen sollte, polterten Hein und Igor herein, mit einem eisigen Luftzug und einer wirren Entschuldigung. Igor ließ den Russen raushängen, klar, er brauchte keinen Mantel, sondern lief im schwarzen Anzug über die Straße, den obersten Hemdknopf unter der Krawatte geöffnet. „Ab minus 20 Grad, ich trage Mantel“, erzählte er jedem, der es hören wollte und rollte dabei das R in einer Weise, die ängstlichere Gemüter dazu brachte, Abstand zu halten. Vielleicht spielte dabei zusätzlich eine Rolle, dass er neben seinem scharfen R etwas über zwei Meter maß und den Gang von Vitali Klitschko kopierte, von dem er gelegentlich behauptete, mit ihm befreundet zu sein. Igor fürchtete nichts, höchstens Wespen, weil er eine seltsame Allergie hatte. Aber da musste er sich bei den Temperaturen wirklich keine Gedanken machen. Jetzt waren sie sechs auf dieser Seite des Tresens. Auf der anderen stand Luigi, der Barkeeper, ein Italiener im Portugiesen-Viertel. Er bestreute einge Crostini mit gehackter Petersilie und schob sie mit Pfeffer und Salz herüber.

 

"Soviel Getue für einen alten Knochen", legte Ali los, ich hoffe, das ist kein Schuss in den Ofen." Jan hob sein Shotglas: "Mann, freu dich doch, auf diese Weise bist du mal wieder ins Museum gekommen." "Was heißt hier "mal wieder"? Glaubst du, Ali war vorher schon mal im Museum?" "Jedenfalls nicht im Museum für Hamburgische Geschichte", klärte Ali, "aber im Museumshafen, in Hagenbecks Tierpark." "Schon gut, Ali, das ist nicht irgendein Knochen, sondern der Kopf, das Wichtigste, was jeder Mensch hat." Glas kommentierte trocken: "Aber nun ist er ja man ziemlich tot, und das schon länger. Da kann die Bedeutung von so einem Kopf schon einmal reichlich nachlassen." "Habt ihr denn nicht mitgekriegt, was das für ein Schädel ist? Da standen doch überall Schilder und Hinweise." "Ali und Pit tun sich ein bisschen schwer mit Lesen, das weißt du doch. Ich habe aber auch nicht genau hingesehn, ich musste mich auf Wichtigeres konzentrieren. Als ich den Saft für die Überwachungskameras abgeklemmt hatte, habe ich nur noch auf den Wärter geachtet." „Meinst du den langen Schlacks mit der Mütze und der zuckenden Augenbraue?" Alle lachten, Igor klopfte sich auf die Schenkel. "Das war ein berühmter Seefahrer, alter Schwede." Wenn Igor das sagte, klang es eher wie "Allah Schwede"; mit Religion hatte er jedoch nichts im Sinn. "Wie Amerigo Vespucci", schaltete sich Luigi ein, während er mit schnellen Griffen Eiswürfel in ein Aperitifglas gab, Vermouth und Cynar auf ihnen verrührte und mit Orange abspritzte. Er stellte es vor Hein, der sich nachdenklich eine mit Olivenöl bestrichene Baguette-Scheibe in den Mund schob. "Nein, das war kein Italiener, der kommt aus der Abteilung Piraten." "Deshalb also die Plastik-Köpfe drumherum mit Augenbinden und Totenkopftüchern, so als wärst du beim St.Pauli-Spiel am Millerntor." "Jetzt aufpassen", knurrte Igor und legte einen Biker-Sack mit einem Alpen-Cross-Sticker auf den Tresen, öffnete langsam die Klettverschlüsse und den Reißverschluss, fingerte vorsichtig in dem Rucksack, holte einen ballartigen, in ein Tuch gehüllten Gegenstand heraus und legte ihn auf die Theke.

Fast zärtlich zog er das Tuch zurück: Vor ihnen lag ein gelbbrauner Totenschädel mit einem Loch in der Schädeldecke. Sechs Männer starrten einen Augenblick regungslos auf den Totenkopf. Nur Luigi knurrte etwas wie Raggazzi und Kinderkram - und hantierte hinter einem Wald verschiedenster Flaschen, bunten Sirup-, hohen Prosecco- und Vermouth-Flaschen, Martini und Cinzano. Hein senkte die Stimme: "Leute, Mensch, wir haben nicht irgendwen, wir haben den Störtebeker geklaut, das ist der Superstar der Piraten-Liga. Der hat vier Liter Bier getrunken, ohne einmal abzusetzen."