Trägt der Teufel Tanzschuhe - Paul Fenzl - E-Book

Trägt der Teufel Tanzschuhe E-Book

Paul Fenzl

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Beschreibung

Das Training einer Triathletin endet im Guggenberger See tödlich. Im Parkhaus am Petersweg kommt es zu einem brutalen Mord. Besteht ein Zusammenhang? Fast alle Personen, die in den Fokus der Ermittlungen des Hauptkommissars Edmund Köstlbacher und seines Teams geraten, scheinen etwas mit der Regensburger Tanzschule DANCEIMPERIAL zu tun zu haben. Hängt das Geschehen mit einem Autounfall mit Todesfolge zusammen, der vor Jahren geschah? Wie sehr ist die Schwester der Staatsanwältin in den Fall verwickelt?

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Seitenzahl: 154

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1 

Kapitel 2 

Kapitel 3 

Kapitel 4 

Kapitel 5 

Kapitel 6 

Kapitel 7 

Kapitel 8 

Kapitel 9 

Kapitel 10 

Kapitel 11 

Kapitel 12 

Kapitel 13 

Kapitel 14 

Kapitel 15 

Kapitel 16 

Kapitel 17 

Kapitel 18 

Kapitel 19 

Kapitel 20 

Kapitel 21 

Kapitel 22 

Kapitel 23 

Kapitel 24 

Kapitel 25 

Kapitel 26 

Kapitel 27 

Kapitel 28 

Kapitel 29 

Kapitel 30 

Kapitel 31 

Kapitel 32 

Kapitel 33 

Kapitel 34 

Kapitel 35 

Kapitel 36 

Kapitel 37 

Kapitel 38 

Kapitel 39 

Kapitel 40 

Kapitel 41 

Kapitel 42 

Kapitel 43 

Kapitel 44 

Kapitel 45 

Kapitel 46 

Kapitel 47 

Namensliste 

Danksagungen 

Weitere Regensburg-Krimis vom Autor Paul Fenzl 

 

Vollständige e-Book Ausgabe 2025 

 

Originalausgabe: »Trägt der Teufel Tanzschuhe?« 

© 2025 Spielberg Verlagsgruppe Neumarkt 

Spielberg Verlag GmbH, Am Schlosserhügel 4a1 

92318 Neumarkt, [email protected] 

Umschlagbild: © iStock 

Alle Rechte vorbehalten 

Vervielfältigung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

 

(e-Book) ISBN: 978-3-95452-136-4 

 

www.spielberg-verlag.de 

 

 

 

 

Gewidmet meiner lieben Frau Virginia 

 

 

 

»Täglich ein Walzer mit dem Weibe 

hält den Doktor dir vom Leibe.« 

 

Johann Wolfgang von Goethe 

Kapitel 1 

Die Anruferin erreichte den Köstlbacher kurz vor Dienstschluss. Der Tag heute war eher ruhig verlaufen. Polizeihauptkommissar Edmund Köstlbacher, Dienststellenleiter der Abteilung für Gewaltverbrechen bei der Kripo Regensburg, war in Gedanken schon bei seiner Anna, der er versprochen hatte, sie am Abend noch auf einen kleinen Einkaufsbummel zu begleiten. Seiner Frau bedeutete das weit mehr, als wenn er ihr einen Strauß Rosen schenken würde. Was allerdings schon Jahre nicht mehr passiert ist.

Edith Klein, Köstlbachers Sekretärin, hatte schon Feierabend. So blieb ihm nichts anderes übrig, als den Anruf selbst entgegenzunehmen.

»Kommissar Köstlbacher, Kripo Regensburg, was gibt’s?«

»Ich hatte schon die 110 kontaktiert. Sie wissen schon, den Notruf. Aber die dort haben nur gemeint, ich solle mich beruhigen und abwarten. Sie hätten Besseres zu tun, als nach jemandem zu fahnden, der erst seit ein paar Stunden verschwunden ist«, begann die Anruferin offensichtlich sehr erregt, ohne ihren Namen zu nennen oder anzugeben, von wo aus sie sich meldete.

»Ich kann nur bestätigen, was Ihnen meine Kollegen sagten. Warum sollen wir hier anders reagieren?«, antwortete der Köstlbacher, den die Anruferin eher nervte. Zudem verstand er sie schlecht. Vermutlich rief sie ihn von einem Handy aus an und hatte gerade eine miese Verbindung.

»Weil ich nicht glaube, dass meine Tochter nur vermisst ist. Ich glaube eher, dass sie tot ist.« Die Lautstärke der Anruferin steigerte sich mit jedem Wort. Am Ende überschlug sie sich fast.

Nicht dass so eine Vermutung den Köstlbacher in Alarm versetzt hätte. Derartiges musste er sich weiß Gott wie oft anhören. Und dahinter war in aller Regel nichts. Absolut nichts! Allenfalls Fantasien eines kranken Hirns: Eifersucht, Wichtigtuerei, Kontrollverlust. Aber die Dienstvorschriften besagten nun einmal, dass Nachrichten dieser Art trotz allem Aufmerksamkeit zu zollen ist.

»Wenn Sie meinen«, sage der Köstlbacher gelangweilt. »Dann aber der Reihe nach! Ihr Name?«

»Der tut nichts zur Sache. Ich sehe schon, man nimmt mich auch hier nicht ernst.« Mit diesen Worten beendete die Anruferin das Gespräch.

›Hysterisches Weibsstück!‹, dachte der Kommissar, warf einen missmutigen Blick auf den Hörer des Festnetzes in seinem Büro und legte auf.

Kapitel 2 

Der Hubschrauber der Polizei kreiste inzwischen bereits über eine Stunde über dem Guggenberger See nahe Neutraubling. Unter ihm etliche Schlauchboote, teils mit Tauchern, die sich ebenfalls an der Suche beteiligten. Ein Spaziergänger, der mit seinem Fiffi Gassi ging, hatte sich am Vormittag bei der Polizei gemeldet. Er glaubte, gesehen zu haben, wie eine Schwimmerin im südwestlichen Teil des Sees, an dem die Verbindungsstraße von Neutraubling nach Mintraching vorbeiführt, plötzlich unter der Wasseroberfläche verschwand. Man nahm seine Beobachtung sehr ernst, da sich wegen des schlechten Wetters an diesem Tag keine Badegäste am Guggi tummelten, und daher eine einzelne Schwimmerin durchaus ins Blickfeld eines Spaziergängers geraten konnte.

Dann plötzlich ein Signal vom Hubschrauber. Die Wärmebildkamera schienen etwas entdeckt zu haben. Boote setzten sich in Bewegung. Taucher sprangen ins Wasser. Wenig später drehte der Hubschrauber ab und setzte auf dem Parkplatz zur Straße hin zur Landung an.

Eine Leiche in ein Schlauchboot zu hieven, ist selbst für geübte Schwimmer, Taucher oder die Helfer der Wasserwacht im Boot, kein Kinderspiel, obwohl es sich hier eher um ein Federgewicht handelte. Kaum angelandet, übernahmen Rettungskräfte des BRK und ein Notarzt den Einsatz. Wie erwartet, blieben Wiederbelebungsversuche erfolglos.

Von der Kripozentrale in der Bajuwarenstraße bis zum Guggenberger Weiher sind es gerade mal 12 oder 13 km. Dementsprechend schnell war der Köstlbacher zusammen mit dem Kommissar Baldauf vor Ort. Sogar noch vor der Spurensicherung und der Forensik, die bei einem Leichenfund in aller Regel vonnöten sind. Kurz nach den beiden Kriminalern traf die Kommissarin Verena Koch mit ihrer Hündin Mina ein. Bei einer aus dem Wasser geborgenen Leiche musste zur Feststellung der Identität die Einstiegsstelle schnellst möglichst gefunden werden. Vor allem die dort zurückgelassene Bekleidung und eventuell abgelegte Papiere des Opfers zu sichern, hatte Priorität.

»Was liegt an?«, fragte der Köstlbacher den Notarzt, der den Tod der von der Wasserwacht geborgenen Person festgestellt hatte.

»Was die junge Frau dazu bewegt hat, bei diesem Sauwetter im Guggi zu schwimmen, ist mir schleierhaft. Aber offensichtlich hat sie es getan. Ihrem Aussehen nach zu urteilen, war sie sehr sportlich. Vielleicht trainierte sie ja für einen Schwimmwettbewerb oder gar für einen Triathlon. Soweit ich weiß, findet demnächst einer in Regensburg und Umgebung statt. Das würde vieles erklären«, antwortete der Notarzt. »Trotzdem! Exitus durch Ertrinken. So zumindest meine vorläufige Diagnose. Das würde auch die Beobachtung von dem da drüben bestätigen.« Der Notarzt deutet bei seinen letzten Worten in Richtung eines älteren Herrn, der mit seinem angeleinten Promenadenmischling geduldig vor dem Haus der Wasserwacht stand und wartete. Er hatte den Einsatz durch seinen Notruf auf den Plan gerufen und wurde angewiesen, sich zur Feststellung seiner Personalien und einer Zeugenaussage bereitzuhalten.

»Einen Totenschein kann ich leider nicht ausstellen«, fügte der Notarzt noch hinzu.

»Verstehe!«, sagte der Köstlbacher. »Es fehlen die Angaben zur Person.«

»Auch das! Aber auch so dürfte ich das nicht tun. Sie kennen ja die Vorschriften. Nur ein Arzt, der die Person persönlich kennt, ist dazu berechtigt. Und natürlich die Gerichtsmedizin in Erlangen. Wahrscheinlich bleibt euch ohnehin nichts anderes über, als sie dorthin bringen zu lassen. Ohne Obduktion lässt sich nicht mit absoluter Sicherheit sagen, ob sie tatsächlich ertrunken ist. Rein theoretisch könnten zum Beispiel auch Drogen eine Rolle gespielt haben.«

In dem Moment erreichte der Einsatzwagen mit der Spurensicherung und der Forensikerin den Parkplatz am Guggi. Kommissar Baldauf, der sie dort erwartete, führte sie zur Leiche, um die man einen Sichtschutz errichtet hatte. Einsatzkräfte der Neutraublinger Polizei hatten zudem den Parkplatz vorbildlich abgesperrt, um etwaige Neugierige fernzuhalten. Auch wenn keine Badegäste vor Ort waren, die Verbindungsstraße war sehr belebt, und so ein Hubschraubereinsatz lockt natürlich gerne Schaulustige und Neugierige an.

Der Köstlbacher schüttelte dem Kommissar Bernhard Jung, dem Leiter der Spurensicherung, und Frau Dr. Sigrid Braun, neu als Forensikerin im Team, die Hände.

»Wisst ihr schon, um wen es sich handelt?«, fragte der Köstlbacher seinen Kollegen Jung, als der bereits nach wenigen Minuten wieder der Toten den Rücken zuwandte, sich eine Zigarette anzündete und aufmerksam das Ufer des Badeweihers mit seinen Augen absuchte.

»Nimmst du deinen Personalausweis mit, wenn du im See zum Schwimmen gehst?«

»Ich gehe nicht zum Schwimmen. Und wenn, dann höchstens im Hallenbad«, grantelte der Köstlbacher.

»Habt ihr das Ufer schon absuchen lassen? Irgendwo muss sie ja ihre Sachen abgelegt haben, bevor sie ins Wasser stieg.«

Der Köstlbacher deutete zum gegenüberliegenden Ufer, wo eine Frau mit einem Schäferhund zu sehen war. »Die Kollegin Koch ist schon mit ihrer Hündin Mina unterwegs. Sie steht mit dem Baldauf in Funkkontakt. Bisher offensichtlich negativ.«

Als hätte die Kommissarin Koch ihren Chef reden hören, hob sie plötzlich eine Hand und gestikulierte mit der anderen in Richtung einer Bank am Uferweg.

»Sie hat etwas gefunden!«, rief dem Köstlbacher sein Kollege Baldauf zu, der abwartend in einiger Entfernung auf ein Signal von seiner Kollegin Koch gewartet hatte. »Verena hat zwar Gummihandschuhe dabei, möchte aber alles so belassen, wie es ist.«

»Wer sagt’s denn? Dann sehen wir uns das doch mal an! Die Leiche kann warten. Mit der beschäftigt sich ohnehin immer noch unsere Forensikerin«, sagte der Köstlbacher und eilte mit dem Baldauf zum Wagen. Dabei ging ihm spontan irgendein nebulöser Gedanke durch den Kopf, irgendwas, was mit dieser Sache hier zu tun haben könnte. Aber er kam nicht drauf. Vermutlich war’s unwichtig, und nur irgendetwas, das er heute in der Zeitung gelesen oder in den Nachrichten gehört hatte.

Kommissar Jung folgte mit seinem Team.

Die Hündin Mina saß brav neben einigen Kleidungsstücken, die fein säuberlich zusammengelegt auf einer Bank lagen. Die Kommissarin Koch hatte die Schäferhündin an der Leiche schnuppern lassen. Das reichte für Mina, um deren Habseligkeiten aufzuspüren.

Bernhard Jung wies seine Leute an. Es wurden Fotos gemacht und dann alles auf einer weißen Folie ausgebreitet.

»Keine Papiere, kein Geld, kein Autoschlüssel. Auch kein Fahrradschlüssel«, resümierte der Kommissar Jung.

»Dann kam sie also zu Fuß hierher?«, fragte der Baldauf.

»Nicht zwangsläufig. Es kann sie auch jemand hergefahren haben. Aber das rauszufinden ist nicht meine Angelegenheit«, antwortete der Kommissar Jung.

»Falls sie jemand hergefahren hat, dann wird er oder sie wieder zurückkommen, um sie abzuholen«, mutmaßte der Köstlbacher.

»Wenn dem so ist, dann war der Abholende oder die Abholende vielleicht aber schon da und hat Fersengeld gegeben, als er das Polizeiaufkommen gesehen hat«, setzte der Baldauf den Gedankengang fort.

»Gute Idee!«, meinte der Köstlbacher, gab aber zu bedenken: »Wenn ich jemanden zum Schwimmen fahre, später zum Abholen komme und ein großes Aufgebot an Polizei vorfinde, dann bin ich doch eher beunruhigt und frage nach, was passiert ist.«

»Womit wir in dem Falle damit zu rechnen haben, dass irgendwas faul ist«, führte der Baldauf den Gedanken zu Ende.

Kapitel 3 

Die Ernennung zur Polizeihauptkommissarin stieg Martina Cuscunà nicht zu Kopf. Letztendlich bedeutete es, außer in finanzieller Hinsicht, keine Änderung für ihre Karriere. Natürlich könnte sie sich als Polizeihauptkommissarin auf einen freiwerdenden Posten in leitender Funktion bewerben. Aber momentan müsste sie dazu Regensburg den Rücken zuwenden. Und das kam für sie nicht infrage. Der Köstlbacher hatte seine Absicht bekanntgegeben, sich in zwei Jahren in den Ruhestand zu verabschieden. Wer weiß…?

Die Hauptkommissarin, sie machte es dem Köstlbacher nach und ließ sich nach wie vor nur mit ›Frau Kommissarin‹ anreden, hatte heute ihren freien Tag. Das Wetter war für einen Sommertag grauenhaft, was sie dazu bewog, ihre Wohnung nicht zu verlassen. Ein ausgiebiges Bad in der Badewanne, eine kleine private Modenschau vor dem Spiegel – schließlich musste mal wieder überprüft werden, welche ihrer Klamotten noch zu brauchen waren und welche nicht – ein Schönheitsschlaf, an Programmpunkten sollte es nicht fehlen.

Schaum bedeckte die Badewanne. ›Schade, dass Rainer nicht da ist. Er könnte ein tolles Foto von mir machen‹, dachte sie. Rainer Kühne fotografierte sie gerne, und sie ließ sich auch sehr gerne von ihm fotografieren. Es steigerte ihr Selbstwertgefühl, sich in Farbe oder schwarzweiß abgebildet zu sehen. Rainer hatte einen echten Fotografenblick. Er wusste, wann das Ergebnis gut zu werden versprach. Bei diesen Gedanken tauchte sie unter. Nirgendwo ist man dieser Welt mehr entrückt, als unter Wasser in einer Badewanne. Eine Erfahrung, die sie schon in ihrer Kindheit machte.

Nach ein paar Sekunden, gefühlt waren es Minuten, tauchte sie wieder auf, prustete sich den Schaum aus dem Gesicht und griff nach ihrem Smartphone, das sie am Rand der Badewanne abgelegt hatte, um sich über Spotify mit Musik berieseln zu lassen. Im selben Moment vibrierte und klingelte es gleichzeitig. Beinahe wäre ihr das Handy vor Schreck aus der Hand geglitten und ins Wasser gefallen. Im letzten Moment nahm sie die freie Hand zu Hilfe und konnte das Malheur verhindern. Dabei fasste sie es aber ungeschickt an und drückte ungewollt den Anrufer weg.

Im ersten Moment war Martina verärgert. Aber als sie am Display sah, wer sie angerufen hatte, lächelte sie nur. »Lieber Herr Lenz, und wenn Sie Hundert Mal mein Abteilungsleiter sind, ich liege jetzt in der Badewanne. Und damit basta!«, murmelte sie und tauchte demonstrativ erneut unter.

Tobias Lenz wurmte es immer wieder aufs Neue, wenn sein um 10 Jahre jüngerer Chef, der Polizeipräsident Dr. Erwin Astleitner, ihn anrief, um Druck in irgendeiner Sache zu machen, der man absoluten Vorrang einräumen sollte. Als ob er nicht selbst wüsste, was wichtig ist und was nicht.

Polizeihubschrauber im Einsatz über dem Guggenberger See. 

Kapitel 4 

Er schäumte vor Wut. Gleichzeitig fühlte er sich verletzt wie nie zuvor. Auch wenn es sich absurd anfühlte, aber da war immer noch Liebe. Ja, mit Füßen getretene Liebe, aber dennoch Liebe. Gestern noch ohne jeden Zweifel. So sehr er sich heute auch bemühte, die Liebe durch Hass zu ersetzen, es wollte nicht gelingen. Vielleicht, weil es da immer noch einen Funken Hoffnung gab. Er schüttelte sich im Wechselbad seiner Gefühle. Am liebsten wäre es ihm gewesen, tot umzufallen. Sollte er sich …? Nein! Dazu war er zu feige.

Noch verkroch er sich. Nur wenige Vertraute im engsten Umfeld wussten um seinen Schmerz. Aber so sollte es nicht bleiben. Alle sollte es erfahren. Alle Freunde, alle Bekannten, die ganze Stadt, ja die ganze Welt.

Bisher hatte nur wenig wirklich geholfen. Wie auch? Medikamente versetzen nur in einen Dämmerzustand. Lässt die Wirkung nach, stellt man schnell fest, dass sich nichts verändert hat. Lange Gespräche mit den besten Freunden stellten angeblich Linderung in Aussicht. Das Gegenteil war der Fall. Je mehr er darüber redete, desto unglücklicher wurde er. Warum auch immer. Am meisten bewirkte Hypnose. Zumindest glaubte er das. Im Freundeskreis zu feiern, auch wenn es nichts zu feiern gab, lenkte ab. Aber nur für kurze Zeit.

Kapitel 5 

Dr. Sigrid Braun, die Forensikerin, war relativ schnell zu einem zumindest vorläufigen Ergebnis gekommen. Mit wenigen Worten unterrichtete sie die Ermittler von der Kripo:

»Es ist keinerlei Fremdeinwirkung zu erkennen, die zum Tode der jungen Frau hätte führen können. Bleibt nur ›Tod durch Ertrinken‹. Das ginge auch konform mit dem Zeugen. Der Todeszeitpunkt und die Uhrzeit seines Anrufes decken sich. Minutengenau lässt sich das natürlich nicht sagen. Wenn ihr ganz sicher gehen wollt, dann lasst die Leiche in die Gerichtsmedizin nach Erlangen bringen. Ansonsten spräche nichts dagegen, die Leiche freizugeben, nachdem der Hausarzt der Verstorbenen ihren Exitus bestätigt hat.«

»Das mit dem Hausarzt ist nicht so einfach. Bislang ist die Identität der Toten unbekannt.« Kommissar Jung nahm vorweg, was der Köstlbacher anmerken wollte.

»Oh! In dem Falle ist natürlich auch keine Benachrichtigung der Angehörigen möglich. Dann viel Spaß! Bedeutet für euch wieder mal nervenaufreibende Kleinarbeit.«

Frau Brauns Einschätzung traf leider zu. Leichen, deren Identität nicht bekannt ist, ziehen immer einen Rattenschwanz an Ermittlungsarbeit hinter sich her, egal ob nun ein Unfall oder eine Gewalttat zum Tode des Opfers führte.

»Vergiss den Typ dort nicht!«, erinnerte der Baldauf seinen Chef, »Unser einziger Zeuge. Er hat gesehen, wie die Schwimmerin unterging.«

»Schon dran gedacht!«, meinte der Köstlbacher. »Ich habe soeben die Koch zu ihm geschickt. Sie hatte nichts mehr zu tun und bot sich an, mit ihm zu sprechen.«

Kapitel 6 

Der Mann mit dem Hündchen, der auf seinem Spaziergang gesehen hatte, wie die Schwimmerin plötzlich unter der Wasseroberfläche verschwand, stand immer noch wartend vor dem Haus der Wasserwacht, das bei so einem Sauwetter natürlich nicht besetzt war. Die Kommissarin Koch begab sich mit Mina zu ihm und seinem Hündchen. Aus Erfahrung wusste sie, dass Hundebesitzer untereinander schnell eine unkomplizierte Verbindung zueinander finden. Es konnte darum nicht schaden, vorab ein paar Worte über Hunde mit ihm zu wechseln. Der Köstlbacher hatte das wohl auch so gesehen, als er sie beauftragte, eine erste kurze Befragung durchzuführen.

Die große Schäferhündin Mina beachtete den kleinen Hund nicht. Der hingegen tat so, als wollte er Mina in der Luft zerreißen. Sein Herrchen rief ein Kommando, das er sich wohl selbst bei der Erziehung seines Vierbeiners ausgedacht hatte, denn Verena Koch war es trotz jahrelanger Arbeit mit Hunden nicht geläufig. Aber immerhin, es funktionierte. Sein Hund hörte schlagartig auf zu keifen und setzte sich brav zu Füßen seines Herrschens.

»Herr …?«, begann die Koch. »Sie sind Herr …?«

»Zweig. Gerhard Zweig.« Zaghaft reichte er Frau Koch zur Begrüßung eine Hand. Seit Corona eine fast in Vergessenheit geratene Geste.

»Mein Name ist Koch. Ich bin, wie Sie sehen, die Hundeführerin der Kripo Regensburg.« Dabei tätschelte sie liebevoll den Kopf ihrer Mina.

»Ich habe Sie schon beobachtet. Ihre Schäferhündin scheint dort drüben ja was gefunden zu haben.«

»Ja, auf Mina kann ich mich verlassen. Wenn es was zu finden gibt, dann enttäuscht sie mich nie. Da es geregnet hat und keine Badegäste hier sind, war ihre Aufgabe auch nicht besonders schwer. Der Regen hat alle Fremdspuren verwaschen. Umso deutlicher waren für Minas Hundenase die Kleidungsstücke der Toten nicht zu übersehen. Eigentlich müsste es ›überriechen‹ heißen.« Die Koch lächelte über ihre eigene Wortschöpfung.

»Na ja, bis Ihre Hündin das konnte, was sie jetzt kann, da haben Sie sicherlich viel Arbeit investieren müssen.«

»Das ist mein Job!«, antwortete die Kommissarin. »Leider muss ich, außer Mina in Form zu halten, auch bei der üblichen Polizeiarbeit mithelfen. Entschuldigen Sie, dass wir Sie so lange haben warten lassen!«

»Kein Problem. Es war spannend, zumindest aus der Ferne so einen Einsatz beobachten zu können. Weiß man denn inzwischen, wer die Tote ist?«

Verena Koch zuckte mit den Achseln. »Vielleicht. Die Kollegen sind dran.« Laufende Ermittlungen. Es war besser, die Unwissende zu spielen.

»Drehen Sie regelmäßig hier am See Ihre Runden mit Ihrem Hund?«, fragte die Koch, um nach dem anfänglichen Geplänkel über Hunde nun zum Kern der Sache zu kommen.

»Bei gutem Wetter eher weniger. Da tummeln sich zu viele Leute hier. Das mag ich nicht, und mein Fiffi auch nicht. Aber wenn das Wetter nicht zum Baden einlädt, dann komme ich schon gerne hier raus.«

»Haben Sie die Schwimmerin schon einmal gesehen? Wie es scheint, war sie ja eine von denen, die auch bei schlechtem Wetter zum Schwimmen gehen.«

»Kann gut sein. Aber auf die Entfernung? Es könnte meine Enkelin sein, und ich würde sie vermutlich nicht erkennen.«

»Am Ufer haben Sie die junge Frau auch noch nie gesehen? Vielleicht, wie sie sich fürs Schwimmen fertig machte? Vielleicht, wie sie ins Wasser stieg? Vielleicht, wie sie wieder herausstieg?«

»Ich bin kein Spanner! Frauen, die sich am Ufer umziehen, bevor sie zum Schwimmen ins Wasser gehen, sehe ich nicht zu!«, empörte sich Herr Zweig.

»Das habe ich Ihnen auch nicht unterstellt. Aber es hätte ja sein können …«