Träum dich weg: Sehnsucht bei Knaur #02 - Mhairi McFarlane - kostenlos E-Book

Träum dich weg: Sehnsucht bei Knaur #02 E-Book

Mhairi McFarlane

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Beschreibung

Liebst du große Gefühle? Entspannst du gerne bei romantischen Geschichten mit Happy End? Faszinieren dich bewegende, dramatische Lebensgeschichten? Dann ist dieser Leseproben-Mix genau das Richtige für dich! Träum dich weg mit dem humorvollen Liebesroman »Du hast mir gerade noch gefehlt« von Mhairi McFarlane: Eve ist heimlich verliebt in ihren langjährigen Freund Ed, der bei einem gemeinsamen Pub-Quiz jedoch gerade einen Heiratsantrag bekommen hat. Als der Bruder ihrer besten Freundin, das schwarze Schaf der Familie, auftaucht und Eve den Kopf verdreht, spielt Ed plötzlich mit dem Gedanken, die Hochzeit abzusagen – das Chaos ist komplett. Stehe Alex in »Bis zum Mond und zurück« von Dani Atkins zur Seite. Der verliert seine große Liebe und Mutter eines gemeinsamen Sohnes bei einem tragischen Autounfall und baut nach ihrem Tod eine starke Verbindung zu den Menschen auf, denen seine Frau Lisa mit einer Organspende ein neues Leben schenkte. Oder begleite die junge Schweizerin Eli, die sich 1946 ihrem Vater und ihrem Verlobten widersetzt, um sich im zerbombten Köln einer Hilfsorganisation anzuschließen, und dort den wortkargen ehemaligen Soldaten Helmut in ihr Herz schließt – in »Die Stunde zwischen Nacht und Morgen« von Priska Lo Cascio. Diese und weitere gefühlvolle Geschichten von Autorinnen wie Ella Lindberg, Renate Ahrens, Harriet Evans und vielen mehr findest du in der Leseproben-Sammlung zu den Sehnsuchts-Titeln von Droemer Knaur. Das kostenlose eBook enthält Leseproben zu: - Mhairi McFarlane, »Du hast mir gerade noch gefehlt« - Dani Atkins, »Bis zum Mond und zurück« - Ella Lindberg, »Du bringst mein Chaos durcheinander« - Jana Bennings, »In Liebe, für immer« - Priska Lo Cascio, »Die Stunde zwischen Nacht und Morgen« - Daniela Ohms, »Winterhonig« - Renate Ahrens, »Schicksalsfreundin« - Mia Löw, »Das verborgene Zimmer im Hotel Normandie« - Jules Wake, »Notting Hill im Schnee« - Harriet Evans, »Das Haus der wilden Rosen«

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Seitenzahl: 431

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Mhairi McFarlane / Dani Atkins / Ella Lindberg / Jana Bennings / Franka Michels / Priska Lo Cascio / Daniela Ohms / Nadine Ahr / Mia Löw / Jules Wake / Harriet Evans

Träum dich weg:Sehnsucht bei Knaur

Gefühlvolle Leseproben von Mhairi McFarlane, Dani Atkins, Ella Lindberg, Jana Bennings u.v.m.

Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG.

Über dieses Buch

Liebst du große Gefühle? Entspannst du gerne bei romantischen Geschichten mit Happy End? Faszinieren dich bewegende, dramatische Lebensgeschichten? Dann ist dieser Leseproben-Mix genau das Richtige für dich!

Träum dich weg mit dem humorvollen Liebesroman »Du hast mir gerade noch gefehlt« von Mhairi McFarlane: Eve ist heimlich verliebt in ihren langjährigen Freund Ed, der bei einem gemeinsamen Pub-Quiz jedoch gerade einen Heiratsantrag bekommen hat. Als der Bruder ihrer besten Freundin, das schwarze Schaf der Familie, auftaucht und Eve den Kopf verdreht, spielt Ed plötzlich mit dem Gedanken, die Hochzeit abzusagen – das Chaos ist komplett.

Stehe Alex in »Bis zum Mond und zurück« von Dani Atkins zur Seite. Der verliert seine große Liebe und Mutter eines gemeinsamen Sohnes bei einem tragischen Autounfall und baut nach ihrem Tod eine starke Verbindung zu den Menschen auf, denen seine Frau Lisa mit einer Organspende ein neues Leben schenkte.

Oder begleite die junge Schweizerin Eli, die sich 1946 ihrem Vater und ihrem Verlobten widersetzt, um sich im zerbombten Köln einer Hilfsorganisation anzuschließen, und dort den wortkargen ehemaligen Soldaten Helmut in ihr Herz schließt – in »Die Stunde zwischen Nacht und Morgen« von Priska Lo Cascio.

Diese und weitere gefühlvolle Geschichten von Autorinnen wie Ella Lindberg, Renate Ahrens, Harriet Evans und vielen mehr findest du in den Vorab-Leseproben zu den Sehnsuchts-Titeln von Droemer Knaur, die im Herbst und Winter 2021 erscheinen.

 

Das kostenlose eBook enthält Leseproben zu:

- Mhairi McFarlane, »Du hast mir gerade noch gefehlt«

- Dani Atkins, »Bis zum Mond und zurück«

- Ella Lindberg, »Du bringst mein Chaos durcheinander«

- Jana Bennings, »In Liebe, für immer«

- Priska Lo Cascio, »Die Stunde zwischen Nacht und Morgen«

- Daniela Ohms, »Winterhonig«

- Renate Ahrens, »Schicksalsfreundin«

- Mia Löw, »Das verborgene Zimmer im Hotel Normandie«

- Jules Wake, »Notting Hill im Schnee«

- Harriet Evans, »Das Haus der wilden Rosen«

Inhaltsübersicht

Vorwort

Mhairi McFarlane – Du hast mir gerade noch gefehlt

Dani Atkins – Bis zum Mond und zurück

Ella Lindberg – Du bringst mein Chaos durcheinander

Jana Bennings – In Liebe, für immer

Daniela Ohms – Winterhonig

Priska Lo Cascio – Die Stunde zwischen Nacht und Morgen

Mia Löw – Das verborgene Zimmer im Hotel Normandie

Renate Ahrens – Schicksalsfreundin

Jules Wake – Notting Hill im Schnee

Harriet Evans – Das Haus der wilden Rosen

Liebe Leser*innen,

für uns bei Knaur ist es immer ein ganz besonderer Moment, wenn ihr den ersten Blick in unsere Lieblinge werfen könnt. Der Herbst 2021 hält auch wieder einiges zur Flucht aus dem Alltag bereit – egal ob nun zum Lachen, Schluchzen oder einfach nur zum Wegträumen. Lasst eurer Sehnsucht freien Lauf und schickt eure Gedanken mit unseren exklusiven Vorableseproben auf Reisen. Wir wünschen viel Spaß beim Reinschnuppern.

 

Herzlich

Euer Knaur-Team

Mhairi McFarlane

Du hast mir gerade noch gefehlt

Aus dem Englischen von Maria Hochsieder

Seit Studienzeiten sind Eve, Susie, Ed und Justin beste Freunde – genauso lange ist Eve mehr oder weniger heimlich in Ed verliebt.

Die Katastrophe nimmt ihren Anfang, als Eds Freundin ihm ausgerechnet während eines gemeinsamen Pub-Quizabends einen Heiratsantrag macht. Dann ruft ein Unfall Susies älteren Bruder Finlay auf den Plan, und das schwarze Schaf der Familie sorgt für jede Menge Chaos. Als Eve feststellt, dass sich unter Finlays rauer Schale ein gar nicht so unattraktiver Kern verbirgt, spielt Ed plötzlich mit dem Gedanken, die Hochzeit abzusagen. Was für Eve ein Grund zur Freude sein sollte, hat ihr jetzt gerade noch gefehlt …

But I thought in spite of dreams / You’d be sitting somewhere here with me

Being Boring, Pet Shop Boys

Danach

Heute Nacht warst du wieder am Leben.

Das plötzlich eingekehrte Bewusstsein schreckt mich auf, und still liege ich im Dunkeln, während mein Gehirn versucht, die Wirklichkeit wieder zusammenzusetzen. Es war kein Albtraum – auch die habe ich zur Genüge –, es war einfach nur eine andere Welt, ganz genau wie diese hier, mit einem entscheidenden Unterschied: Du warst da. Und ich hielt deine Anwesenheit für selbstverständlich.

Wir waren dabei, einen Skiurlaub zu planen, vergnügt saßen wir an einem Schreibpult am Rande einer viel befahrenen Schnellstraße. Die vorbeidonnernden Autos brachten den Tisch zum Beben, doch wir ließen uns davon nicht stören. Was hältst du von der Schweiz?, fragtest du. Wir hatten Pläne.

Ich stelle mir vor, dass wir uns Nachrichten schreiben, dass ich dir am Morgen davon erzähle, um dich auf deiner Fahrt ins Büro zu unterhalten. Deine Antworten kamen immer innerhalb von Minuten.

Ha, du würdest doch nie und nimmer zum Skifahren gehen, Eve. »Warum sollte ich freiwillig irgendwohin reisen, wo es sehr kalt ist, Sport treiben und das Ganze dann ›Urlaub‹ nennen? Wer ist so doof, sich an einen steilen vereisten Abhang zu stellen und zu denken, jetzt ziehe ich mir diese Dinger an die Füße, damit es mit dem Runterfallen noch ein bisschen schneller geht?« Usw.

 

Jaja, du hast recht! Anscheinend haben Trolle mein Unterbewusstsein infiltriert. Überhaupt: Warum sind Träume für den Träumenden so spannend und für alle anderen so öd? Wahrscheinlich sind wir schrecklich beeindruckt von uns selbst, weil wir uns eine Geschichte ausgedacht haben, dabei ist sie für andere Leute völlig bedeutungslos.

 

Genau. Und die Typen, die meinen, der Traum ist besonders erstaunlich, weil er surreal ist, kriegen doppelte Langweilerpunkte. Als wären Träume üblicherweise logisch. »Da stand ich und starrte die Ziege an, und plötzlich, oh Schreck, wurde mir klar, dass ICH SELBST die Ziege war!«

 

Das klingt doch ehrlich gesagt ziemlich cool. Die Transmogrifikation zur Ziege toppt das Skifahren eindeutig.

 

Mann, warum bin ich so eine faule Socke? Wäre ich bloß die zwei Minuten länger zum Caffè Nero gegangen! Sogar der Flat White von Starbucks ist eklig süß wie ein Kinder-Milkshake. Treffen wir uns nach der Arbeit auf ein Bier?

 

Bier nach der Arbeit!

Ich vermisse dich.

Ich hasse es, mir in Ermangelung des Originals deine Sprüche auszudenken. Ich bin das, was meine Mutter eine »geborene Imitatorin« nennt – wobei das bei ihr etwas säuerlich rüberkommt, weil ich ziemlich gut darin war, ihren zweiten Mann nachzuahmen.

Die Leichtigkeit aber, mit der ich dich heraufbeschwören kann, fühlt sich an wie ein Fluch. Ein Taschenspielertrick, doch das Ganze ist eine makabre Parodie. Als würde man mit einer Schaufensterpuppe Walzer tanzen.

Ich rutsche tiefer unter die warme Bettdecke und lausche dem Regen, der draußen aufs Dach prasselt. Ich bin Grufti genug, um einen Wolkenbruch zu genießen, solange ich nicht hinausmuss, und der hier ist wirklich gut: schwer, so richtig nass, er tränkt die Erde, und man hört sogar, wie das Wasser von den Blättern abprallt. Nur Schlaflose, der Milchmann, die übrig gebliebenen Nachtschwärmer und Schichtarbeiter werden überhaupt wissen, dass es ihn gab. Er ist ein Geheimnis, das wir teilen, während der Rest der Stadt vor sich hin schnarcht.

Kurz setzt mein Herz aus, als sich der Vorhang bewegt. Roger gleitet durchs Fenster herein und miaut empört. Irgendjemand hat kaltes Wasser vom Himmel auf ihn geschüttet, gerade als er damit beschäftigt war, Ratten zu observieren und sich zu amüsieren.

Im Licht der Nachttischlampe, die du mir geschenkt hast – sie ist aus Keramik und hat die Form eines Fliegenpilzes im Disney-Stil mit weißem Stamm und gepunktetem rotem Hut (»Es handelt sich um einen Giftpilz. Mit deinen putzigen Wohnaccessoires kannst du jede Hoffnung auf einen Freund begraben«) −, sehe ich, wie Roger es sich am Fußende des Betts gemütlich macht; sein Fell ist feucht und stachelig.

Jemand hat mir mal erzählt, dass eine Geburt gleichzeitig das gewöhnlichste und außergewöhnlichste Erlebnis ist, das man haben kann. Beim Tod ist es genauso. Die unumstößliche Tatsache deines Todes manifestiert sich genau hier, unerbittlich und gleichzeitig so banal und überwältigend befremdlich.

Mir ist klar geworden, dass es immer so bleiben wird. Der Schmerz ist dauerhaft, ich muss einen Platz für ihn finden. Er ist jetzt ein Teil meines Körpers.

Dauernd warte ich darauf, dass es vergeht. Dass ich nach vorne schauen kann, es verkraften, beiseitelegen, verstehen und verarbeiten kann. Dass ich das Ganze irgendwie »hinter mich« bringe. Wie geht es weiter?, denke ich ständig, während der Schmerz in meinem Magen sich so anfühlt, als habe man mir den Bauch aufgeschlitzt. Es gibt kein Weiter, Dummerchen. Genau das ist der Punkt. Ein Mensch ist fort, für immer, und du musst aufhören, auf die Rückkehr dieses Menschen zu warten. Ohne dass du es merkst, steckst du in einer Warteschleife fest, als könnte sich an der Tatsache, dass dieser Mensch weg ist, etwas ändern.

Was ich früher nicht wusste: Wenn du etwas verlierst, bekommst du gleichzeitig auch etwas dazu. Du schleppst ein Gewicht mit dir herum, das du vorher nicht hattest. Es liegt nie hinter dir. Es ist immer an deiner Seite.

In ihren Eheversprechen reden die Leute dauernd von »für immer«, als wüssten sie, was das bedeutet, aber das wirkliche »für immer« ist verdammt lange.

1
Davor

»Heute Abend gewinnen wir«, sagt Ed, »das habe ich einfach im Gefühl. Ich kann es riechen. Ich könnte es wie ein Omelette zerteilen. Der Geruch unseres bevorstehenden Sieges liegt in der Luft. Inhaliert ihn, Schwestern.«

Schnuppernd reckt er die Nase.

»Bist du sicher, dass der nicht von Leonard kommt?«, fragt Justin. »Der hatte heute Chili con Carne zum Abendessen. Der Trottel war auf dem Küchentresen und hatte die Schnauze schneller im Topf, als ich gucken konnte. Seitdem lässt er einen pikanten Furz mit Rinderaroma nach dem anderen fahren.«

»Vielleicht riecht Siegen ja genau wie Hackfleisch und Kidneybohnen, die sich durch den Verdauungsapparat eines sehr kleinen Hundes arbeiten«, sage ich, und Susie grunzt.

»Woher sollen wir auch wissen, wie es riecht? Keiner von uns war jemals erfolgreich«, füge ich an Ed gewandt hinzu.

»Schließ nicht von dir auf andere. Mein Hausarzt hat gesagt, dass er in dreißig Jahren als praktizierender Mediziner keine so markanten Hämorrhoiden wie meine gesehen hat.«

Ich lache laut. (Es ist Eds typische Art von Witz, ich gehe davon aus, dass mit seinem Hintern alles okay ist.)

Automatisch strecke ich die Hand aus, um Leonard zu streicheln, der einen eigenen Stuhl hat und auf Justins Jacke sitzt, um das Polster zu schonen.

Leonard ist ein Chorkie, eine Mischung aus Chihuahua und Yorkshire Terrier. Unter dem komischen Pony aus grauweißen Haaren, die am Scheitel abstehen wie bei Paul Weller zu seinen besten Mod-Zeiten, schauen Knopfaugen hervor, er hat Fledermausohren und ein schiefes Grinsen aus Zähnchen, die spitz sind wie Zahnstocher.

Ed hat recht, wenn er sagt, dass Leonard aussieht »wie eine unternehmungslustige Zeichentrickratte, die sich heimlich als Hund verkleidet hat. Wir wurden von einem kriminellen Nagetier unterwandert.«

Der allesfressende und lästigerweise spontanpinkelnde Leonard ist eine der großen Lieben meines Lebens. (Die übrigen sitzen hier um diesen Tisch oder manchmal auch darunter.)

»Ed, du sagst jede Woche, dass wir das Quiz gewinnen«, wirft Susie ein, die an einem Bierdeckel herumspielt und ihn in einen Haufen weicher Pappfetzen zupft. »Und jedes Mal werden wir von denselben fünf entschlossenen Männern in praktischen Lands’-End-Anoraks gefickt.«

»Das ist eine treffende Beschreibung meines schönsten Walesurlaubs«, meint Justin. Justin sagt von sich selbst, er sei »großkotzige Nervensäge und performatives Sandwichkind«, und er ist zweifellos einer der lustigsten Menschen, die es gibt, aber in Fragen des guten Geschmacks wendest du dich ganz sicher nicht an ihn.

Wie die Stimme Gottes unterbricht das dröhnende Organ des Quizmasters alle Gespräche.

»Frage Nummer zehn: Wer ist Michael Owuo? Wer ist Michael Owuo?«

Wie nach jeder Frage legt sich sekundenlang Schweigen über den Raum.

»Ist das nicht … der Labour-Abgeordnete des östlichen Bezirks von Kingston upon Hull?«, flüstert Ed mit gespieltem Ernst.

»Echt?«, fragt Susie.

»Nein«, sage ich und verdrehe die Augen, während sich Ed mit dem Bic-Kugelschreiber auf die Lippen tippt und mir zuzwinkert.

»Ihr drei wisst schon, wer das ist, oder?«, sagt Justin und sieht uns ernst an. »Mann. Ich komme mir vor wie die Millennial-Besetzung dieser Rentner-Sitcom aus den Siebzigern Last of the Summer Wine.«

»War er der Bösewicht im letzten James Bond?«, frage ich, und Ed sagt: »GENAU! Doctor Pardon. Was war wieder sein besonderes Markenzeichen?«

»Er hatte mit Pailletten besetzte Paukenröhrchen«, erwidere ich. »Und einen fiesen, mit Lametta behängten Rollator.«

Ed lacht. Ich liebe es, wie sein Lachen in den Schultern beginnt und von oben nach unten wandert.

»Okay, wer von euch verarscht uns hier und wer nicht?«, fragt Susie. »Ich meine, die zwei tun es offensichtlich«, sie verzieht das Gesicht und deutet auf Ed und mich. »Weißt du wirklich, wer das ist, Justin?«

»Es ist Stormzy«, zischt Justin. »Au Mann, man merkt wirklich, dass ihr vierunddreißig seid.«

»Du bist auch vierunddreißig, Justin«, erwidert Susie.

»Man kann vierunddreißig sein – oder ›Wer sind die Stormzys‹-vierunddreißig«, erklärt Justin und macht ein Greisengesicht.

»Ein Stormzy also, sagst du«, referiert Ed mit knarrender Richterstimme. »Was auch immer ein Stormzy sein mag.« Daraufhin schreibt er »Mr Storm Zee« auf den Zettel.

Ed hat wirklich schöne Hände, und ich stehe total auf schöne Hände. Er fährt viel Rad, und er kann alle möglichen Sachen reparieren, und mittlerweile bin ich alt und reif genug, um derartige praktische Fertigkeiten zu würdigen.

Susie nimmt Ed den Stift aus der Hand, streicht durch, was er geschrieben hat, und schreibt »Stormzy« richtig darauf.

»Halten dich deine Schüler denn in diesen Dingen nicht auf dem Laufenden?«, frage ich Ed. »Get on my level, Alter!«

»Meine Aufgabe ist, die Kinder mit Dickens vertraut zu machen, und nicht, mir von ihnen Blödsinn beibringen zu lassen.«

Ed ist Leiter der Englischabteilung an einer netten staatlichen Schule. Man kennt das, wenn Leute sagen, jemand sieht aus wie ein Polizist. Bei Ed ist es genauso, er sieht aus wie ein Lehrer – einer vom Film oder aus dem Fernsehen, so ein strahlender junger Lehrer –, mit seiner vertrauenerweckenden hübschen Bodenständigkeit und den strohblonden kurz geschorenen Haaren. In einer Krisensituation unter lauter fremden Menschen wäre Ed genau das freundliche, vertrauenswürdige Gesicht, nach dem man Ausschau halten würde. Er ist der Typ, der seine Krawatte als provisorischen Druckverband anbieten würde.

Ich glaube, der Spaß an dieser wöchentlichen Verabredung, gemeinsam das Pubquiz zu verlieren, rührt zum Teil daher, dass es die Rolle, die jeder von uns in dieser Vierergruppe besetzt, so deutlich zutage bringt und bestimmt. Ed und ich kaspern herum, Justin ist mit seinem scharfen Witz der Schiedsrichter, und Susie gibt die entnervte Mutter.

Manchmal nehme ich gar nicht mehr an den Gesprächen teil, sondern schnurre einfach nur wohlig vor mich hin, genieße das Beisammensein und freue mich daran, dass wir alle auf derselben Wellenlänge sind. Ich beobachte uns von außen.

… Hat die nicht den Sänger der Mumfords geheiratet? Da wäre ich ja noch lieber eine Braut beim IS. (Susie)

… Dieser Kirschwodka, den Hester im Duty-Free gekauft hat, ist wirklich erstaunlich. Der schmeckt wie Fiebersaft für Babys. Jedenfalls den Aussagen der Babys zufolge. (Ed)

… Der war vielleicht mal ein griesgrämiger Karottenkopf! Ich habe gesagt: Weißt du, warum die Diskriminierung von Rothaarigen das letzte hoffähige Vorurteil ist? Weil es hoffähig ist. (Justin natürlich)

»Schsch«, sage ich, weil ich bemerke, wie der Quizmaster seine Lesebrille zurechtrückt und auf ein Blatt späht.

»Frage Nummer elf: Das Wort chronophagos ist ein Begriff aus dem Altgriechischen und hat ins Englische Eingang gefunden. Aber was bedeutet es? Ein Hinweis: Ihr Smartphone kann diese Eigenschaft besitzen. Das heißt allerdings nicht, dass Sie jetzt auf Ihrem Handy nachschauen sollen, haha.«

Wie ein Windstoß lässt der Quizmaster Luft aus den Nasenlöchern entweichen, direkt auf die Glühbirne, und man hört die Spucke landen.

Die Gesichter unserer Erzfeinde in Funktionsjacken lassen ahnen, dass sie bei dieser Frage wesentlich zuversichtlicher sind als bei der Frage nach Mr Stormzy.

»Chrono heißt Zeit …«, flüstert Ed. »Wie in Chronograf.«

»Chronologisch«, bestätigt Susie nickend. »In zeitlicher Reihenfolge.«

»Phagos«, murmle ich. »Hm. Koprophagie heißt, dass jemand Kacka isst. Ich bin mir ziemlich sicher, dass kopro das Kacka ist, also muss phagie das Essen sein.«

»Eve!«, blafft mich Susie an, die gerade dabei ist, einen gebratenen Shrimp zum Mund zu führen. »Warum weißt du so was überhaupt?«

»Ich habe halt nichts ausgelassen in meinem Leben.«

»Die meiste Zeit war ich dabei, also kann ich sicher sagen, dass das nicht stimmt.«

»Zeit fressen?«, flüstert Justin. »Es muss Zeit fressen bedeuten. Das tut ein Handy auch. Violà. Schreib das auf.«

Ed tut es.

Wir sind jeden Donnerstag im Gladstone. Fast möchte ich sagen, ohne Ausnahme, aber wir sind in den Dreißigern, haben alle ein Leben, Jobs und andere Freunde und – manche von uns − Partner, also gibt es doch Ausnahmen. Aber in den meisten Fällen sind wir da.

»Frage Nummer zwölf, dann machen wir eine kurze Pause. Welche Gemeinsamkeit haben Marcus Garvey, Rudyard Kipling, Ernest Hemingway und Alice Cooper? Ich gebe Ihnen einen Tipp. Es hat etwas mit einem Fehler zu tun.«

Ratlos starren wir einander an. Die Funktionsanoraks wirken hektisch, sie reden flüsternd miteinander, statt zu schreiben oder selbstgefällig zu gucken, was nur heißen kann, dass sie sich auch nicht sicher sind.

»Geht es um die Wahl der ersten Ehefrau? Im Sinne von: Sie hatten alle mehr als eine?«, fragt Ed.

»Heutzutage reden wir nicht mehr von Fehlern, wenn wir geschiedene Partner meinen«, hält Susie dagegen.

»Meine Mum schon«, widerspreche ich.

»Weißt du noch, wie unser Religionslehrer gesagt hat, dass sich die Leute zu schnell scheiden lassen, und du hast gemeint: ›Ich finde, sie lassen sich zu viel Zeit.‹ Zur Strafe musstest du nachsitzen«, sagt Susie, und ich muss lachen.

»Ah, da ist sie ja«, sagt Ed, als die Tür aufschwingt und seine Freundin Hester hereinkommt. Angewidert rümpft sie die Nase, als ihr der leichte Mief nach Achselschweiß entgegenschlägt.

Mein Herz wird um einen Hauch schwerer, aber ich ignoriere das und setze ein strahlendes einladendes Lächeln auf.

Um ganz ehrlich zu sein, hängt im The Gladdy manchmal schon ein bisschen der Mief, kein Wunder bei dem klebrigen Boden, aber das ist Teil seines Charmes. Es ist ein Pub, wie es sich gehört, mit Dartboard und treuen Stammgästen.

Ich liebe es zu jeder Jahreszeit, auch den holprigen betonierten Biergarten mit den Blumentöpfen auf der Feuerleiter, die in dem Hof voller Bierfässer und Raucher vermutlich eine »städtische grüne Oase« simulieren sollen. Aber am schönsten ist es im Herbst und Winter, wenn auf der anderen Seite der beschlagenen Fensterscheiben vom Frost überzogene Blätter und der Sternenhimmel sind. Das ist echte Hygge.

Meistens jedenfalls.

Hester ist wegen Ed nach Nottingham gezogen, eine Tatsache, die sie mindestens einmal im Monat neu verhandelt.

Sie sieht so aus, als wäre ein nachkoloriertes Bild in einen Schwarz-Weiß-Film über das Arbeitermilieu getreten: Ihre Haut ist pfirsichfarben, und sie hat glänzendes champagnerblondes Haar. Sie wirkt wie ein menschgewordener Bellini-Cocktail.

Ihre geballten Fäuste stecken in den Taschen der Barbourjacke mit dem beigen Cordkragen, als wäre sie in einen Westernsaloon geplatzt und wolle im nächsten Moment zwei Revolver ziehen.

Nicht, dass ich Hester nicht leiden kann …

»Und, seid ihr alle schon betrunken?«, sagt sie angriffslustig. Sie wirft mir einen Blick zu. »Eve sieht betrunken aus.«

Ach, was soll’s. Es ist absolut so, dass ich Hester nicht leiden kann.

 

»Und noch einmal für die hinteren Reihen: Welche Gemeinsamkeit haben Marcus Garvey, Rudyard Kipling, Ernest Hemingway und Alice Cooper? Es hat mit einem Fehler zu tun. Ein Fehler. Ein Irrtum. Okay, gleich geht’s weiter.«

»Hemingway hat mal einen Flugzeugabsturz überlebt. Die anderen vielleicht auch?«, flüstere ich.

»Ist ein bisschen weit hergeholt, einen Flugzeugabsturz als ›Fehler‹ zu bezeichnen«, flüstert Ed zurück.

Ich zucke die Schultern und pflichte ihm mit einem Nicken bei.

»Außerdem ist Rudyard Kipling ein bisschen zu alt für Flugzeuge«, wendet Justin ein. »Man sieht ihn nicht gerade auf Instagram gegen Kohlenhydrate wettern oder in der Airport Lounge eine Sektflöte hochhalten.«

Er imitiert den Versuch, sein Bierglas zu fotografieren, und Susie schnaubt.

»Man hat ihnen fälschlicherweise Preise zugesprochen, die sie zurückgeben mussten«, sagt Hester und zieht die Jacke aus. »Wo ist der Stift?«

Justin macht ein skeptisches Gesicht, und Ed bemüht sich um einen möglichst neutralen Ausdruck, als er ihr den Stift reicht. Es ist nicht so, dass sein Humor sich vollständig in Luft auflösen würde, wenn Hester in der Nähe ist, aber er nimmt eine förmlichere »Natürlich habe ich das so nicht gemeint«-Haltung an.

Hester ist heute später dran als sonst, weil sie mit ein paar Freundinnen in einem Tapas-Restaurant war. Und weil alle anderen Babys haben, ist die Angelegenheit um neun Uhr zu Ende. Zum Quizabend im Gladdy gesellt sich Hester ohnehin nur unregelmäßig. »Manchmal finde ich eure ständigen Insiderwitze ein bisschen ermüdend«, sagt sie. Dabei kennt sie uns alle schon so lange, dass ich mich frage, wie es Insider geben kann, zu denen sie nicht gehört.

»Bist du dir sicher?«, fragt Susie.

»Ja, bin ich«, erwidert Hester. Und schränkt dann ein: »Oder fällt euch was Besseres ein?«

»Sicher – dann ist das also unser ›so sicher wie man nach vier Proseccos eben sein kann und uns fällt eh nichts Besseres ein‹?« Susie lässt nicht locker und grinst fies wie die böse Königin mit dem roten Apfel.

Sie fordert Hester in einer Weise heraus, die ich mich nie trauen würde. Susie fordert die meisten Menschen heraus. Die meisten stecken es ohne Gegenwehr ein.

Susie hat langes, dichtes hellbraunes Haar, das sie entweder als Pferdeschwanz trägt oder offen und mit einem Tuch gebauscht wie Barbra Streisand in einem Siebzigerjahre-Film. Sie hat einen großen Mund, die Oberlippe kräuselt sich zu einem leichten Schmollmund und sieht so aus, als würde sie von der Stupsnase nach oben gezogen.

»Was für einen Preis hat Marcus Garvey denn bekommen?«, fragt Justin.

»Hübschester Hintern?«, schlage ich vor, und Ed johlt. Hester ist am Schäumen, das weiß ich.

»In Ordnung, ignoriert mich nur!«, sagt sie. »Tut mir leid, dass ich versucht habe, mich einzubringen.«

»Nein, nein! Das ist gut! Bestimmt hast du recht«, sagt Ed hastig. »Keiner von uns hat eine bessere Idee. Schreib es drauf.«

Ich habe Achtung davor, wie ritterlich Ed Hester immer beispringt und sie verteidigt, gleichzeitig aber wünschte ich, es würde jemanden treffen, der es eher verdient hat.

Hester schreibt die Lösung auf, und Justin, Susie und ich vermeiden es, einander anzusehen.

»Ich hole noch eine Runde. Was wollt ihr?«, fragt Justin und steht auf, um an die Bar zu gehen.

Ich gehe auf die Toilette, und nachdem ich gespült habe, sehe ich, dass Susie mir eine Textnachricht geschickt hat. (Keine WhatsApp, weil da immer das Risiko besteht, dass jemand die Nachricht auf dem gesperrten Bildschirm liest. Wirklich gewieft.)

Ich öffne sie, die Nachricht ist für mich und Justin. Ich kann mir vorstellen, wie sich die beiden nebenan um Unauffälligkeit bemühen – Justin checkt beiläufig sein Handy, während er auf die Getränke wartet, und Susie hat sich leicht zur Seite gedreht und tut so, als schaue sie bloß nach, ob jemand geschrieben hat.

Susie: WARUM IST SIE NUR SO EIN BESSERWISSERISCHES ARSCHLOCH?

Justin: Sie kann sich alles erlauben, weil sie so einen prächtigen Busen hat, Schätzchen

Susie: Ich habe auch tolle Titten, und die haben keinen Einfluss auf meinen Charakter. Die Lösung ist so OFFENSICHTLICH FALSCH. Warum ist Ed ein solcher Waschlappen, wenn es um so was geht? Jaja, schreib den Quatsch nur auf, mein kleiner süßer Giftkloß. BÄH.

Justin: Da haben wir die Titten wieder

Eve: Die Giftklößchen

Susie: Ich schwöre, sie weiß, dass die Antwort falsch ist, und will uns nur reinreiten

Ich lehne mich an die angenehm kühlen Fliesen in der Toilette und tippe grinsend weiter.

Nachdem ich seit knapp zwei Jahrzehnten bis über beide Ohren in Hesters bessere Hälfte verliebt bin, ist mir nie ganz klar, wie viel von meiner Abneigung gegenüber Hester nichts weiter ist als simple Eifersucht. Susie und Justin aber versichern mir unablässig – und unbeabsichtigt, weil sie nicht die geringste Ahnung haben −, dass ich Hester in jedem Fall doof gefunden hätte. Was sie angeht, spiele ich sogar oft genug den guten Cop, um die beiden erst recht auf die falsche Fährte zu locken.

Eve: Wartet ab, am Ende hat sie doch recht und zeigt es uns allen

Susie: Sie hat unrecht, die weiß doch nicht einmal, wer Marcus Garvey war, das war doch offensichtlich, als Justin sie darauf angesprochen hat

Justin: Wahrscheinlich denkt sie, der hat 2007 bei den Grammys den Preis fürs beste Musikvideo bekommen

Susie: LOL. Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass Eves Vorschlag niedergemacht wurde und Eve deswegen auch nicht rumgenölt hat

Eve: Ist das ein schlechtes Zeichen, was meinen Busen angeht?

Susie: Nur dafür, dass er nicht dem Ablasshandel dient, um eklig zu sein

Justin: Seufz. Kommt Leute, wir betrinken uns.

2

Justin und Susie sind beides Typen, die sich im Großen und Ganzen nicht mit Schuldgefühlen herumquälen − es würde ihre bösen Kommentare beträchtlich zügeln. Ich hingegen sauge Schuldgefühle auf wie einen Smoothie zum Frühstück, und sosehr ich unsere regelmäßigen Hinterzimmergespräche über Hester auch genieße, so weiß ich doch, dass es falsch ist.

Aber wie ich einmal einem Kollegen gegenüber erklärt habe: Manche Menschen sind einfach unerträglich, und das Leben verlangt trotzdem von dir, sie zu ertragen. Es gibt nur zwei Möglichkeiten, den Druck abzulassen: Entweder reagierst du dich an der Person selbst ab, die dich auf die Palme bringt, oder du lästerst gnadenlos hinter ihrem Rücken.

Die zweite Option mag weder affirmativ noch ehrenhaft sein, hat aber weit weniger Folgen für den Gesellschaftsvertrag.

Keiner von uns hat je daran gezweifelt, dass es unsere Freundschaft mit Ed schwer beeinträchtigen würde, wenn wir Hester ausschließen würden. Man hat kein Vetorecht, wenn es um die Partner von Freunden und Verwandten geht. Das weiß ich besser als jeder andere. Andernfalls hätte ich das Desaster mit Mums zweitem Ehemann verhindern können.

Als ich an den Tisch zurückkehre, spüre ich, dass wir uns bei dem Tempo, das wir beim Trinken vorlegen, intellektuell gerade auf einen unschönen Abstieg begeben. Leonard hat sich wohlweislich zusammengerollt und ist eingeschlafen. Morgen ist Freitag, also nur noch ein Arbeitstag, den man durchstehen muss.

»Man merkt dir an, dass die Schulferien bevorstehen«, sagt Susie zu Ed. »Ach, Eve. Hast du nicht kürzlich erzählt, dass Mark Vater geworden ist?«

»Oh, ja.« Ich nehme einen tiefen Schluck von dem frischen Estrella. Ah, Bier betäubt so wunderbar. »Er hat letzte Woche ein paar Fotos gepostet. Ezra. Cooler Name.«

Mark ist mein Ex-Freund und der einzige ernst zu nehmende Freund, den ich je hatte. Als wir neunundzwanzig waren, zog er nach London, um als Journalist Karriere zu machen, und ich ging nicht mit, sondern wir führten eine Fernbeziehung. Ziemlich bald kam er zu der Überzeugung, dass mein Unwillen umzuziehen ein Zeichen für fehlendes Engagement war – und er täuschte sich nicht. Er beendete die Beziehung. Inzwischen arbeitet er für die Time Out in San Francisco, ist verheiratet, amerikanischer Staatsbürger und Vater. Währenddessen habe ich mir eine Katze zugelegt.

Es stimmt schon, manchmal bereue ich es. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass wir nie wirklich zusammengepasst haben, aber eine nörgelnde Stimme in meinem Kopf meint, dass es so gut war, wie es eben sein kann, und dass ich ein Trottel war. Zufälligerweise sagt das auch meine Mum.

»Es ist komisch, wenn man denkt, wie oft er mit uns hier gesessen hat. Und jetzt ist er für immer dort drüben. Macht es dir was aus?«, fragt Susie.

»Hm, nein. Es fühlt sich sehr weit weg an. In jeder Hinsicht.«

»Wie hast du denn davon erfahren?«

»Vor ein paar Monaten hat er angefangen, mir auf Instagram zu folgen, und ich folge ihm jetzt auch.«

»Aha. Er ist also nicht ganz über dich hinweg«, meint Ed. »Er will dir zeigen, dass er die Sache hinter sich gelassen hat, und will wissen, was du so treibst. Was ein sicheres Zeichen dafür ist, dass er die Sache nicht ganz hinter sich gelassen hat.«

»Ha, das bezweifle ich. Die schicke Nachbarschaft in Lower Haight, schlappe achttausend Kilometer von hier, ist doch geradezu die Definition von hinter sich lassen.«

(Schon richtig, das weiß ich von trübsinnigen Klicks und Scrolls im Internet um halb zwei in der Nacht.)

»Ich bin mir ganz sicher. Man kann nur hier und hier etwas abschließen.« Ed deutet auf seinen Kopf und sein Herz. Ruhig blickt er mir in die Augen, ich blinzle, und zwischen uns gibt es einen winzigen, kaum wahrnehmbaren Moment der Innigkeit, den ich zur ewigen Aufbewahrung gedanklich in eins meiner Reagenzgläser packe.

»Wetten, er geht durch die Fotos von dir und Roger und denkt, Mann, ich vermisse diese Schreibblockade auf zwei Beinen mit den Augen der Kleopatra.«

»Blockade!« Doch eigentlich freue ich mich.

»He, das ist was Gutes. ›Schreibblockade auf zwei Beinen mit den Augen der Kleopatra‹ klingt doch wie ein Songtext von Lloyd Cole oder so.«

»Schon komisch, dass wir die sozialen Medien dazu nutzen, Leuten nachzuspionieren, wo dort doch jeder irgendwie lügt«, meint Justin. »Auf Trivago gab es das Foto eines Hotels, das die Runde machte, weil sie das Atomkraftwerk dahinter herausgeschnitten hatten. Tun wir das nicht alle irgendwie, schneiden wir nicht alle unsere persönlichen Atomkraftwerke raus?«

Ich lache.

»Genau, alle stellen ihr Leben dar, als wäre es ein Urlaubsziel«, sage ich. »Andererseits ist der Ort, an dem Mark lebt, tatsächlich ein Urlaubsziel.«

»Ich finde ja, wenn ein Ex-Freund richtig glücklich mit jemand anderem geworden ist, sollte er sich bei dir dafür bedanken, dass du Schluss gemacht hast«, sagt Susie. »Es war ganz offensichtlich richtig, sich zu trennen. Warum kommt immer dieses bösartige ›Da guck nur, wie gut es mir geht!‹ Ach was, mein Lieber, genau deshalb war ich der Meinung, dass wir uns trennen sollten, während du gebrüllt hast, dass die Welt untergeht. Vielleicht wäre eine Entschuldigung angebracht. Warum denken die immer, dass sie bewiesen haben, dass sie im Recht waren, statt andersherum?«

Ich lache, auch weil es so ein exaktes Abbild dessen ist, was Susie Hart auszeichnet.

»Genau genommen hat Mark mich sitzen gelassen, also kann er sich den Erfolg ganz alleine zuschreiben«, setze ich entgegen.

»Schon, aber nur, weil du entschieden hast, hierzubleiben.«

»Wer würde freiwillig hier weggehen?«, sage ich und erhebe mein Glas auf den Raum und dann auf Leonard. Wir lachen, aber mir ist klar, dass es sich jetzt, wo wir Mitte dreißig sind, ein kleines bisschen hohl anfühlt.

Wir merken selbst, dass wir, falls wir es nicht längst schon getan haben, direkt davor stehen, einen unumkehrbaren Fehler zu begehen. Hester hat vor Kurzem eine Bemerkung darüber gemacht, dass wir gemeinsam »im Leerlauf vor uns hin dümpeln«. Und weil »ihr einander habt, haltet ihr nicht nach höheren Zielen Ausschau. Gegenseitige Abhängigkeit. Ihr seid einander die zweite Hälfte, deshalb müsst ihr euch auch nicht mit Beziehungen herumschlagen.«

Ausgenommen sie und Ed natürlich. Gott, was ist sie für ein Ekel.

Die Sache mit Hester ist die, dass dort, wo ihre Nettigkeit eigentlich sein sollte, eine riesengroße Lücke ist. Gleichzeitig aber ist sie alles andere: Sie ist gut aussehend, dynamisch, sie verdient gut, ist perfekt organisiert, selbstbewusst, bemüht, gesellig, eine tolle Hausfrau, sie vergisst keinen Geburtstag, und sie ist klug. Ich verstehe, wie es dazu gekommen ist. Man muss schon sehr genau aufpassen.

Und Ed ist äußerst loyal. Manchmal übersehen von Natur aus loyale Menschen den Moment, an dem sie weniger loyal sein sollten.

»Apropos aus dem Staub machen: Ich vermisse Hester.« Ed deutet auf ihren leeren Stuhl, und Justin brummt »wir nicht«, gerade so laut, dass Susie und ich es hören können, Ed aber nicht.

Das Gespräch wird von einem kreischenden metallischen Geräusch unterbrochen, der Rückkopplung eines fehlgesteuerten Mikrofons, sodass wir unwillkürlich die Schultern krümmen und die Mienen verziehen.

»Hoppla! Lassen Sie mich das machen. Na also. Hallo! Bevor wir mit dem Quiz weitermachen, möchte diese junge Dame hier für einen Augenblick an mein Equipment. Sozusagen, haha. Ich reiche deshalb mal das Mikrofon weiter an … Esther? Entschuldigung: Hester.«

Unsere Köpfe schießen herum, und verwundert erblicken wir Hester auf der anderen Seite der Bar stehen. Mit einem Ausdruck verzückter Erwartung führt sie das Mikrofon zum Mund, als wolle sie in der nächsten Minute eine Karaoke-Darbietung von Total Eclipse of the Heart geben oder das Urteil der Eurovisions-Jury verlautbaren und warte bloß auf das »Go« des Produzenten aus dem Ohrhörer.

»Hallo allerseits«, sagt sie, und im Pub wird es still. »Ich habe schon eine Weile darüber nachgedacht, wann der beste Augenblick ist, und dann hatte ich eine göttliche Eingebung. Es ist sein Lieblingspub, es gibt ein Mikro …« Sie wedelt es vor ihrem Mund herum, als wäre es ein Lolli, an dem sie lutschen will, und mir fällt auf, dass einige männliche Anwesende sehr genau hinschauen. Hester hat oft so eine Wirkung auf die Leute. So ähnlich wie wenn man sich auf eBay für etwas interessiert und erfährt, dass vier andere den Artikel beobachten.

»Also … Dieser Mann dort drüben …«, sie deutet auf Ed, der peinlich berührt wirkt, wenn auch ein wenig selbstzufrieden, hauptsächlich aber beunruhigt, »ist die Liebe meines Lebens.«

Sie macht eine Pause, um dem Ahhh, das durch den Raum wogt, Zeit zu geben, schließt die Augen und nickt. Mein Magen zieht sich zusammen.

»Ich weiß, ich weiß, sogar in diesem Hemd!« Gelächter. Hester gebietet über den Raum wie Gwyneth bei der Oscarverleihung.

»Ja. Wir sind seit …«, sie gibt vor, die Jahre an ihren Fingern abzuzählen, »… sechzehn Jahren ein Paar! Wir sind kurz davor, aus der Altersgruppe herauszuwachsen, die bei den Demografen unter ›Jugend‹ fällt, mein Lieber. Vierunddreißig ist die Schwelle. Das weiß ich so genau, weil ich in der Werbung arbeite.«

Wieder wird gelacht. Du arbeitest in einer Marketingagentur. Ich habe miterlebt, wie schnippisch du andere korrigiert hast, die es Werbung genannt haben.

»In dem Herbst, in dem ich Ed kennenlernte – wir waren erst ein paar Monate zusammen – hat er etwas ganz Außerordentliches gemacht.«

O Gott, ich bin viel zu britisch, um mich nicht fremdzuschämen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Ed anders ergeht.

»… Meine Schwester war schwer krank, und eine Zeit lang war nicht sicher, ob sie es schaffen würde. Ed und ich kannten uns noch nicht lange. Die meisten Typen hätten Reißaus genommen, weil ich so viel Zuwendung nötig hatte. Aber Ed hat es nicht getan.« Sie blickt ihn mit glänzenden Augen an, und alle im Raum halten die Luft an. »Weihnachten kam er zu uns, kochte uns ein Weihnachtsessen, kümmerte sich um meine Eltern und versprach mir, immer für mich da zu sein …«

Ach was, tatsächlich? Es ist durchaus denkbar, dass es anders war, Hester ist groß darin, Mythenbildung um sich selbst zu betreiben.

»Da wusste ich, dass ich jemand ganz Besonderen gefunden hatte.«

Die Leute im Pub hängen an ihren Lippen.

»Jetzt, mit vierunddreißig, frage ich dich, Ed Cooper … nach sechzehn großartigen Jahren mit Höhen und Tiefen, mit Lachen und Weinen … Möchtest du mich heiraten?«

Eine Pause, dann steigt aus dem dunstigen, dicht gedrängten Pub männliches Gejohle auf.

Schockiert sehen Susie, Justin und ich Ed an, und einen Moment lang erwidert er unseren Blick und scheint auf einen Rat von uns zu hoffen oder eine Erlaubnis. Ganz deutlich sehe ich den Gedanken auf seinem Gesicht, dass er sich in schreckliche Schwierigkeiten bringt, wenn er mehr als eine Sekunde braucht, um dieses Angebot abzuwägen.

»Ja!«, sagt Ed. Und dann lauter: »Ja, ich will dich heiraten!«

Er steht auf und rennt an die Bar, beugt sich über den Tresen, und er und Hester küssen sich kurz, während im Pub geklatscht und gejohlt wird.

Susie, Justin und ich blicken uns um, und uns wird bewusst, dass wir uns anschließen sollten, und mechanisch fallen wir in den Beifall ein.

»Was hast du nur …? Was in aller Welt?«, höre ich Ed zu Hester sagen, und die hebt selbstzufrieden die Hände, als könne sie nichts dafür, so bin ich eben. Während um uns herum Getöse herrscht, nippen Susie, Justin und ich an unseren Getränken und sagen nichts.

Ed und Hester flüstern weiter miteinander, ganz offensichtlich kann Ed nicht aufhören, über Hesters romantischen Wagemut zu staunen. Mühsam reiße ich den Blick von ihnen los und sehe meine Freunde an.

»Damit hätte ich nun wirklich nicht gerechnet!« Justin versucht, betont fröhlich und gleichmütig zu klingen. »Noch dazu im Gladdy. Die Gondeln in Venedig oder der Sonnenuntergang in Marrakesch sind nichts dagegen … so muss man das machen! Ich werde mich vormerken lassen, wenn sie in der Panko’s Fish Bar demnächst Döner anbieten. Was sagst du dazu, Leonard? Übernimmst du den Job als Ringträger?« Leonard wacht auf, starrt seinen Besitzer an und schläft, das Gesicht auf die Pfoten mit den kleinen Haarbüscheln gelegt, schnurstracks wieder ein. Recht hast du, Leonard.

Susie und ich pflichten ihm höflich bei; zugegeben, dieses eine Mal sind wir beide sprachlos.

Ed und Hester kehren an den Tisch zurück, und wir machen vage, aber empathische Äußerungen, wie »Wow!« und »Gratuliere!« und »O mein Gott!«

In Momenten wie diesen – nun gut, derartige Momente hat es nicht oft gegeben, aber in Momenten, in denen von uns aufrichtige und ungekünstelte Begeisterung für Eds Beziehung erwartet wird − staune ich darüber, dass jemand, der so einfühlsam ist wie Ed, die Tatsache ausblenden kann, dass wir ganz offensichtlich nicht so verrückt nach seiner Freundin sind. Vielleicht aber weiß er es ja doch und ignoriert es.

Wann immer das Thema Heirat auf den Tisch kam, lenkte er mit der Tatsache ab, dass sie sich ein verdammt renovierungsbedürftiges Haus angeschafft hatten. »In unserer Villa Morsch gibt es weiß Gott bessere Möglichkeiten, zwanzigtausend Pfund auszugeben.« Wider besseres Wissen hoffte ich, dass es bei seiner Zurückhaltung um mehr ging als um die Kosten.

»Voilà!«

Schwungvoll stellt Hester eine Flasche Cava auf das Blatt mit den Quizlösungen. Ed balanciert fünf Sektflöten, und wir simulieren ehrfürchtige Bewunderung angesichts der jüngsten Ereignisse. Eds Wangen sind rot vor Schock, Freude und vom Alkohol. Hester schält die Folie ab und zerrt am Korken, und als er mit einem Plopp herausrutscht, läuft die sprudelnde Flüssigkeit über, an der Flasche herunter und bespritzt das Lösungsblatt.

»Ups!« Ich will danach greifen, um es zu retten, aber Hester nimmt die Flasche und wischt den Boden mit dem Papier ab, sodass die Tinte verläuft und sich die Schrift in einen nicht mehr zu entziffernden Rorschachtest verwandelt. Oh. Ich nehme es in die Hand, es ist schlaff wie ein Taschentuch.

»Ich lege es hierher, damit es trocknen kann«, sage ich und hänge es über die Stuhllehne.

»Du wirst Grafologen von der British Library brauchen, um das zu entschlüsseln«, meint Justin in seiner unübertrefflich unbeschwerten Art, mit der er immer davonkommt.

Unwillkürlich sehe ich Susie an, die mir einen kurzen mitfühlenden Blick zuwirft und dann wieder wegschaut.

Wir nippen an dem Schampus, stoßen an und sagen so herzlich wie möglich: »Alles Gute zur Verlobung!«

Hester erzählt: »Ich hatte das nicht geplant, es war einer dieser Momente, in denen ich eine Eingebung hatte. Und ihr wisst ja, dass ich solchen Impulsen nachgebe.«

Das weiß ich tatsächlich. Ich erinnere mich an die Geschichte, wie Hester beim Familienurlaub in Cornwall ihre Schwiegereltern in spe dazu überredet hat, nackt baden zu gehen; ich habe heute noch Albträume davon. (»Man sollte Leuten, die sich ungeniert ausziehen, niemals über den Weg trauen.« Das war der einzige brauchbare Rat, den mir mein Vater jemals gegeben hat.)

»Als Nächstes müsst ihr euch Ringe kaufen«, meint Justin. »Man sollte einen Monatslohn dafür investieren, heißt es doch, oder?«

Ed verzieht das Gesicht. »Zum Glück verdiene ich nicht mehr als zweihundert Pfund und eine Tüte Chips.«

»Ha, mein lieber Edward. Dann fang schon mal zu sparen an! Mir gefällt so einer von Cartier!«, sagt Hester.

Soso, es war nicht geplant.

»Du liebe Güte, wie viel kostet der?« Ed tippt auf sein Smartphone und googelt. Als er die Homepage findet, tut er so, als müsse er sich mit seinem Schal die Stirn abtupfen. »Äh, die haben noch nicht einmal Preise auf ihrer Website. Ich muss«, er setzt eine James-Bond-Miene auf, »für meine Preisanfrage einen Repräsentanten von Cartier kontaktieren.«

Hester gurrt verzückt, und mir ist klar, dass es Ed freisteht, heute Abend so viele Witze darüber zu reißen, wie er will, womöglich sogar für den Rest seines Lebens.

»Wenn die noch nicht einmal geradeheraus über den Preis reden, dann ist das tatsächlich wie ein Fick ohne Gleitmittel«, meint Justin. (Ich habe ja gesagt, dass Justin und der gute Geschmack zwei Dinge sind, die nicht miteinander in Einklang zu bringen sind.) »Uff.«

»Ja, die fangen erst jenseits der fünftausend an«, sagt Susie, die von uns allen am meisten von schicken Dingen versteht. »Du kannst deine Niere schon mal auf dem Schwarzmarkt anbieten, Eduardo!«

Ed simuliert Übelkeit, und Hester streicht sich die Haare glatt und senkt spielerisch den Blick auf Prinzessin-Diana-Art. Auch mir ist übel, dabei geht es hier noch nicht einmal um meine Ersparnisse. »Ich habe an eine Hochzeit im Frühling gedacht«, sagt Hester. »Ich mag keine langen Verlobungen, das ist so sinnlos. Das ist doch nur für Leute, die Zeit brauchen, um es sich anders zu überlegen, haha.«

»Oder um Geld zu sparen«, sage ich mit gepresster Stimme; jetzt kommen meine Gefühle in dieser Sache doch an die Oberfläche.

»Eve«, Hester wendet sich an mich. »Susie«, dreht sie sich zu Susie.

Hester wird eine atemberaubende Braut abgeben. Frühling. Es wird Schneeglöckchenkränze geben, fließenden rückenfreien Satin wie bei einer mittelalterlichen Prinzessin, Kerzen in Windlichtern. »Ich habe eine Bitte an euch beide. Wenn wir uns das Jawort geben, dann wird meine beste Freundin ungefähr im sechsten Monat sein, und ihrer letzten Schwangerschaft nach zu schließen, wird sie bis dahin aussehen wie ein Osterei.«

Wow.

»… Und meine Schwester findet es peinlich und beschämend, Brautjungfer zu sein, wenn man in ihrem Alter immer noch Single ist.«

Eine Kunstpause. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ihre Schwester kaum zwei Jahre älter ist als wir. »Deswegen habe ich mich gefragt, ob ihr zwei meine Brautjungfern sein wollt.«

Eine fassungslose Sekunde vergeht, bevor Susie herausplatzt: »Wow, nein, natürlich, o Gott, das machen wir gern!«, und ich falle mit so viel Nachdruck, wie ich nur aufbringen kann, ein.

Wir lassen die Gläser klirren, und Ed sagt: »Mann, Hester, das ist das Allerbeste. Zwei meiner besten Freundinnen sind die Brautjungfern, das freut mich total.«

Ich habe Ed noch nie so treu und ergeben gegenüber Hester erlebt. Zugegebenermaßen habe ich nach winzigen Anzeichen gesucht, die beweisen, dass er sich über diesen Überfall aus dem Hinterhalt ärgert, aber da gibt es keine.

»Ich habe mir gedacht, dass es für euch beide eine nette Sache wäre. So könnt ihr euch ganz dazugehörig fühlen«, sagt Hester zu Susie und mir, als dürften wir dank eines besonderen Härtefallfonds am Schulausflug teilnehmen.

Mein falsches Grinsen hat die Ausmaße einer Banane. Ich bin so dankbar, mittlerweile betrunken zu sein. Hut ab, Hester, das hast du wirklich spitzenmäßig hingekriegt.

»Es muss nicht eigens erwähnt werden, dass der hier mein Trauzeuge ist!«, sagt Ed, und er und Justin umarmen sich. »Somit sind wir komplett.«

Unscharf nehme ich wahr, wie darüber debattiert wird, welcher Veranstaltungsort auch unter freiem Himmel genug Platz für die Zeremonie bietet, während mir durch den Kopf geht, dass ich mit Hester zu Anproben gehen werde, bei denen sie mich in ein bonbonfarbenes Kleid nach dem anderen zwingen und einen Freibrief für Kommentare über mein Aussehen besitzen wird. Man kennt mich praktisch ausschließlich in Schwarz, mit klobigen Stiefeln und – wie Ed sagt − treu dem alternden Gothic-Make-up ergeben.

Statt mich auf dieser Hochzeit im Hintergrund zu halten, in meiner schwarzen Seiden-Clutch ein Shot-Fläschchen Gin, eine Valium und meine zerstörten Hoffnungen, werde ich ganz vorne stehen und mich durch die offiziellen Hochzeitsbilder grinsen müssen.

Die Hochzeit meines besten Freundes mag ein lustiger Film gewesen sein, aber es fühlt sich kein bisschen komisch an, die Handlung am eigenen Leib nachzuerleben.

»… Frage Nummer zwölf: Wir haben danach gefragt, welche Gemeinsamkeit Marcus Garvey, Rudyard Kipling, Ernest Hemingway und Alice Cooper haben? Es hat mit einem Fehler zu tun. Die richtige Antwort lautet: Sie alle hatten Gelegenheit, ihre eigenen Nachrufe zu lesen, die irrtümlicherweise vor ihrem Tod publiziert wurden.«

»Aha, das war der Zusammenhang!«, sage ich, aber keiner hört mir zu.

Die Männer in den Funktionsanoraks gewinnen.

 

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Du hast mir gerade noch gefehlt erscheint am 01.10.2021.

Dani Atkins

Bis zum Mond und zurück

Aus dem Englischen von Simone Jakob und Anne-Marie Wachs

Für Alex bricht die Welt zusammen, als seine Frau Lisa bei einem tragischen Unfall ums Leben kommt. Sie war nicht nur seine große Liebe, sondern auch die Mutter ihres gemeinsamen Sohnes Connor, der erst sechs Jahre alt ist.

Dass etwas von Lisa noch immer da ist, spürt Alex plötzlich ganz deutlich, als sich die herzkranke Molly mit einem sehr emotionalen Brief an ihn wendet: Lisa war Organspenderin, und ihr Herz hat Molly ein neues Leben geschenkt. Nach und nach melden sich drei weitere Organempfänger bei Alex. Von Beginn an besteht eine starke Verbindung zwischen den so unterschiedlichen Menschen.

Als der kleine Connor von zu Hause fortläuft, um seine Mutter zu suchen, und dabei in Lebensgefahr gerät, werden die neuen Freundschaften auf eine harte Probe gestellt.

Kapitel 1
Alex

Hätte er es nur gewusst, hätte er alles anders gemacht. Er hätte sie fester umarmt, hätte sie länger geküsst, sie einfach festgehalten und nicht mehr losgelassen. Hätte er doch nur etwas geahnt.

Doch in der sonnendurchfluteten Küche hatten seine Lippen ihre nur gestreift, als würden in den nächsten Jahrzehnten noch tausend weitere Küsse folgen. Als hätten sie sich immer noch küssen können, wenn ihr Haar von Silberfäden durchzogen wäre, während sein Haar immer dünner und sein Bauch dicker wurde.

Er hatte sich gerade gebückt, um den Orangensaft aufzuwischen, den Connor verschüttet hatte, da kam Lisa in die Küche und sah, wie der Saft auf den schwarz-weißen Fliesenboden tropfte und ihr Sohn in Tränen auszubrechen drohte. Connors Unterlippe zitterte.

»Niemand ist böse auf dich, Großer. Es war nur ein Versehen.« Alex schaute seine Frau an, und in seinem Blick war zu lesen, was er nicht aussprach. So was meine ich, wenn ich sage, er ist zu sensibel.

Ihre kornblumenblauen Augen erwiderten: Er ist erst sechs Jahre alt, und er kommt mit solchen Situationen eben nicht gut klar. Lass es einfach gut sein.

»Warte, ich mach das«, hatte Lisa gesagt und zu Alex’ Erleichterung nach dem Lappen gegriffen, während die Saftlache sich immer weiter ausbreitete.

Alex hatte an ihr hochgeschaut, angefangen bei den Stilettos mit den roten Sohlen, von denen ihr am Ende des Tages die Zehen schmerzen würden, bis hinauf zu dem beigefarbenen Etuikleid. Es war das perfekte Outfit für eine Frau, die auf einer Messe in London einen Vortrag halten würde, aber weniger gut geeignet, wenn man klebrige Saftpfützen in der Küche beseitigen musste.

»Lass gut sein, Schatz, ich schaff das schon.« Er sah auf seine Uhr und verschwendete damit weitere wertvolle Sekunden, in denen er das Gesicht seiner Frau hätte betrachten können. »Beeil dich lieber, sonst verpasst du noch deinen Zug.«

Er hatte recht gehabt, und doch hatte sie gezögert. Hatte sie ihn damals gespürt, den Augenblick, in dem der Sand aus dem oberen Teil der Sanduhr zu rieseln begann?

»Du nimmst den um 7:48 Uhr, oder?«

Lisa hatte genickt und sich mit einer einzigen Bewegung sowohl ihre Laptoptasche als auch ihren Autoschlüssel gegriffen.

»Ich würde so gern mitfahren, Mommy. Ich will die Modelle vom Mond und von den Planeten angucken.«

Lisa ging neben Connors Stuhl in die Hocke. Alex mochte es, dass sie das immer machte, um mit ihrem Sohn auf Augenhöhe zu sprechen, sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne. Diese Gewohnheit hatte er übernehmen wollen, doch er vergaß seinen guten Vorsatz ständig.

»Ich weiß, mein Schatz. Aber ich werde dort so mit diesem langweiligen Vortrag beschäftigt sein, dass wir gar keine Zeit hätten, uns gemeinsam all die tollen Ausstellungsstücke anzusehen. Nächstes Jahr dann«, flüsterte sie und küsste ihren Sohn auf den zerzausten rotblonden Haarschopf. »Nächstes Jahr fahren du und ich gemeinsam auf die Astronomiemesse. Mit dem Zug. Und wir schauen uns dort den ganzen Tag lang alles an, jeden einzelnen Stand. Nur du und ich.« Lisa legte sich die französisch manikürten Finger aufs Herz. »Versprochen.«

Alex sah weg, um ein Schmunzeln zu verbergen, denn er wusste nur zu gut, wie aufgeregt seine dreiunddreißigjährige Frau war, dass sie diesen langweiligen Vortrag halten würde. Sie hatte ihn Abend für Abend geübt, mit Alex auf dem Bett sitzend, den Laptop zwischen ihnen, und hatte ihm von schwarzen Löchern, Supernovas und den Tiefebenen auf dem Mond erzählt, und das mit einer Leidenschaft, die ihn mit Stolz erfüllte, solch eine kluge und schöne Frau zu haben.

Er kannte ihren Vortrag inzwischen beinahe so gut wie sie selbst. »Das wird der Hammer«, hatte er ihr gestern Abend gesagt, sich zu ihr hinübergebeugt und vorsichtig ihren Laptop zugeklappt.

»Aber ich muss noch …«, protestierte sie, verstummte aber, als seine Lippen ihre berührten. »Na gut«, seufzte sie erleichtert und glitt mit ihren Händen unter den Saum seines T-Shirts, um seine Rückenmuskeln zu erkunden. »Ich kann ja immer noch improvisieren.«

»Drück mir die Daumen«, sagte Lisa jetzt und erhob sich anscheinend mühelos, trotz ihrer Wolkenkratzer-High-Heels, in denen sie nur wenige Zentimeter kleiner war als er. Sie ging zu ihm, um ihn zu umarmen, und hüllte ihn in eine hauchfeine Wolke des Parfüms ein, das sie nur zu besonderen Anlässen trug. Und heute war tatsächlich auch ein besonderer Tag für sie; das sah er ihr an den Augen an, die vor Aufregung glänzten.

Er drückte sie an sich, und ihm wurde auf eigenartige Weise eng ums Herz, als sich ihre vertrauten Rundungen an ihn schmiegten wie die eine Seite eines Yin-Yang-Symbols an die andere. Schließlich ließ er sie los, mit einem Widerstreben, das er sich nicht erklären konnte.

»Hals- und Beinbruch«, sagte er und stahl sich einen letzten Kuss von ihr, ehe sie ging.

Aus dem Flur war noch ihr Lachen zu hören, dann verschwand sie durch die Haustür. »Hals- und Beinbruch«, das waren an diesem Morgen seine letzten Worte zu ihr gewesen.

 

Connor gefiel es offenbar, zur Abwechslung mal von Elternteil Nummer zwei versorgt zu werden, dem eindeutig schwächeren Kandidaten für diesen Job, weil Alex doppelt so lange brauchte wie Lisa, um ihn schulfertig zu machen. Alex fand trotzdem, dass er eigentlich Extrapunkte dafür verdiente, wie er auf Connors Beteuerungen reagierte, seine Zahnbürste schmecke »komisch«, und wie er den fehlenden Schuluniform-Schuh fand, der sich auf rätselhafte Weise unter Connors Kopfkissen verirrt hatte.

Obwohl sie schon längst im Wagen hätten sitzen und auf dem Weg sein sollen, nahm sich Alex die Zeit, seinem Sohn den blank geputzten schwarzen Schuh zuzubinden, während der Junior die Füße baumeln ließ.

»Alles okay, Großer? Dich bedrückt doch nichts wegen der Schule, oder?«

Connor hörte auf, mit den Füßen zu zappeln, und Alex wurde etwas nervös. Sein Sohn war ein stiller, intelligenter Junge, ein Kind, das bei den Lehrern beliebt war, aber von anderen Kindern eher gemieden wurde. In der Schule hatte er ein paar Freunde, aber Alex und Lisa hatten ihn beide schon ganz allein am Rand des Schulhofes darauf warten sehen, dass man ihn abholte.

Alex wünschte, Lisa hätte heute nicht den frühen Zug nehmen müssen, denn in solchen Dingen war sie viel besser als er. Seit dem Moment, als die Hebamme ihr das Neugeborene in den Arm gelegt hatte, hatte es zwischen seiner Frau und ihrem Sohn ein unzerstörbares Band gegeben. Alex hatte sich zwar nie ausgeschlossen gefühlt, aber er wusste, dass Connor seine Mutter mehr brauchte als ihn. »Das wird sich alles ändern, wenn er lernen muss, wie man sich rasiert, einparkt oder ein Mädchen um ein Date bittet«, hatte Lisa gesagt. »Da kannst du dann glänzen, Schatz.«

Weil nichts dergleichen unmittelbar bevorstand, hatte er immer noch das Gefühl, ein riesiges »Fahranfänger«-Schild auf dem Rücken zu tragen; Lisa hingegen meisterte die Elternprüfung mit Bravour.

»Mein Bauch fühlt sich komisch an«, sagte Connor und rieb sich die Magengegend.

»Als ob du dich übergeben müsstest?«

»Nein. Nur so, wie wenn ich was Ekliges gegessen hätte.«