Traummann am Haken - Shirley Jump - E-Book

Traummann am Haken E-Book

Shirley Jump

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Beschreibung

Funkenflug bis zum Himmel: Verzweifelt sieht Rachel das Geschäft ihres Vaters in Flammen aufgehen. Doch Colton, neuer Feuerwehrmann von Stone Gap, ist da. Mit starken Armen und einem Kuss, der sagt: Wenn alles zerstört ist, ist die beste Zeit für einen Neuanfang …

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Seitenzahl: 176

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IMPRESSUM

Traummann am Haken erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Ralf MarkmeierLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2016 by Shirley Kawa-Jump, LLC Originaltitel: „The Firefighter’s Family Secret“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCA EXTRABand 44 - 2017 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Valeska Schorling

Umschlagsmotive: Harlequin Books S.A.

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733746810

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Das Letzte, womit Colton Barlow während seines Besuchs in Stone Gap, North Carolina, gerechnet hatte, war die Chance auf einen Neuanfang.

Er war kein Mensch, der die Dinge gern dem Zufall überließ, das konnte jeder bestätigen, der ihn näher kannte. Er war ein Stratege – jemand, der sich ein Ziel setzte und den Weg dorthin exakt durchplante. So ging er auch in seinem Job vor: verschaffte sich einen Überblick über die Situation und wog sämtliche Risiken ab, bevor er aktiv wurde. Sich blind in die Flammen zu stürzen, konnte nämlich tödlich ausgehen.

Das wusste er aus schmerzhafter Erfahrung.

Sein Leben war immer in gerade Bahnen verlaufen. Bis auf den Unfall vor einem halben Jahr. Seitdem fiel es Colton manchmal schwer, die gleiche Begeisterung für seinen Beruf als Feuerwehrmann aufzubringen wie früher. Aber meistens lief es einigermaßen.

Vor wenigen Wochen hatte er jedoch etwas erfahren, das sein Leben komplett auf den Kopf stellte und alles, was er bisher über sich glaubte, über den Haufen warf. Diese Neuigkeit war es auch, die ihn in eine Kleinstadt in den Südstaaten verschlug. Zu drei Halbbrüdern, von deren Existenz er bis vor einem Monat keine Ahnung hatte.

Fast dreißig Jahre lang hatte er den Nachnamen seiner Mutter – Williams – getragen, doch wie sich inzwischen herausgestellt hatte, war er in Wirklichkeit ein Barlow. Der Name fühlte sich für ihn immer noch fremd an, wie ein nicht ganz passender Schuh, aber vielleicht würde er sich ja noch daran gewöhnen.

So wie an seine neue Familie. Er hatte die drei Barlow-Brüder Jack, Mac und Luke vor einer Woche bei Jacks Hochzeit kennengelernt und war bei dieser Gelegenheit quasi über den neuen Job bei der Feuerwehr von Stone Gap gestolpert.

Er hatte nicht danach gesucht, aber die Vorstellung, irgendwo anders als in Atlanta von vorn anzufangen, hatte ihren Reiz. Ein Versuch konnte nicht schaden. Vielleicht würden seine neuen Kollegen ihn ja nicht ständig mit dieser Mischung aus Mitleid und Skepsis ansehen. Vielleicht konnte er die Vergangenheit endlich abschütteln.

Seit dem Unfall machte ihm sein Job nämlich keinen Spaß mehr. Manchmal schaffte er es kaum, in seine Uniform zu kommen. Erst bei seinem Gespräch mit dem örtlichen Feuerwehrchef Harry Washington hatte er zum ersten Mal seit langer Zeit wieder so etwas wie Vorfreude verspürt.

Vielleicht hatte er deshalb in Atlanta auf dem Absatz wieder kehrtgemacht. Er war nach Stone Gap zurückgekommen, um Zeit mit seinem Vater und seinen Brüdern zu verbringen – und um sein offizielles Vorstellungsgespräch mit Harry nachzuholen. Das war offensichtlich eine reine Formalität, denn Harry schien diese Dinge locker zu sehen. Anstatt Colton über seine Erfahrungen auszuhorchen, zeigte er ihm lieber die Stadt.

„Hier drüben gibt es den besten Apfelkuchen weit und breit.“ Harry zeigte auf ein kleines Ecklokal, das Good Eatin’ Café. Rundlich wie er war, konnte man sich gut vorstellen, dass er öfter hier einkehrte. Sein breites Lächeln und seine freundliche Art schienen in ganz Stone Gap beliebt, denn er wurde ständig gegrüßt. „Und wenn Sie Viv ganz nett bitten, gibt Sie Ihnen vielleicht eine Extrakugel Vanilleeis.“

Harry hatte Colton schon den Laden gezeigt, in dem man die besten Arbeitsstiefel der Stadt bekam, ihm verraten, welche Gerichte auf der Speisekarte von Mabel’s Diner am leckersten waren, und ihm noch jede Menge anderer Tipps gegeben, die nicht das Geringste mit dem Feuerlöschen zu tun hatten. Colton wusste nicht, was er davon halten sollte. Vielleicht sollte er Harry einen kleinen Anstoß geben? „Sir, wenn Sie meinen Lebenslauf sehen wollen …“

Harry hob abwehrend eine Hand. „Da muss ich Sie gleich mal unterbrechen. Zeugnisse sind Schall und Rauch, das wissen Sie genauso gut wie ich. Mich interessiert der Mensch, nicht irgendwelche Empfehlungen.“

„Aber Sie wollen doch bestimmt wissen, ob ich die nötigen Erfahrungen für den Job mitbringe“, wandte Colton ein.

Harry blinzelte in die Sonne. „Angeln Sie eigentlich gern, Colton?“

Der abrupte Themenwechsel brachte Colton auf dem unebenen Bürgersteig zum Stolpern. Schließlich fand er sein Gleichgewicht wieder und schob seine verrutschte Sonnenbrille hoch. „Äh … ja, Sir.“

Harry nickte. „Gut. Besorgen Sie sich eine Angel und kommen Sie um drei zu Ray Prescott. Dann erledigen wir das mit dem Vorstellungsgespräch.“

Colton sah den älteren Mann verblüfft an. „Beim Angeln?“

Harry grinste. „Das nennt man Multitasking. Wenn Sie meine Frau fragen, wird Sie Ihnen zwar versichern, dass ich es noch nicht mal schaffe, gleichzeitig zu reden und zu atmen, aber ich kann problemlos gleichzeitig reden und angeln.“ Er salutierte und marschierte zurück zur Feuerwache.

Colton sah ihm lange unschlüssig hinterher und beschloss dann, sich eine Angel zu kaufen. Das war offensichtlich Voraussetzung, wenn er den Job in Stone Gap wollte – sofern er ihn wollte. Schade, dass er kaum Angelerfahrung hatte. Manchmal hatte er seinen Onkel Tank zum Angeln begleitet, aber das war’s dann auch schon.

Er war zu beschäftigt mit der Rolle des Familienoberhaupts gewesen. Ein Job, der ihm zugefallen war, kaum dass er hatte laufen können. Sogar jetzt noch – Meilen von seiner Mutter und Schwester in Atlanta entfernt – spürte er die Last der Verantwortung. Katie war natürlich inzwischen erwachsen, aber ihre Mutter … na ja, sie war irgendwie immer noch auf der Suche nach sich selbst. Und so hatte Colton immer Schuldgefühle, wenn er mal etwas für sich tun wollte.

Angeln gehen zum Beispiel.

Doch sein Leben hatte eine dramatische Wende genommen. Vor einem Monat noch hatte er für die Feuerwehr in Atlanta gearbeitet und seine Freizeit damit verbracht, das klapprige Auto seiner Mutter zu reparieren oder seine Schwester dazu zu bewegen, sich mal eine dringend benötigte Auszeit von ihrer Achtzigstundenwoche als Buchhalterin zu nehmen. Ab und zu hatte er mal eine Bettgeschichte. Feste Beziehungen waren nicht sein Ding, was er auch den Frauen klarmachte, mit denen er ausging. Sein Leben war im Großen und Ganzen okay gewesen.

Doch dann hatte Colton erfahren, dass sein Nennonkel Tank, den er immer für einen Freund der Familie gehalten hatte, tatsächlich sein Onkel war, und dass sein biologischer Vater – ein Mann, den seine Mutter nie erwähnt hatte – mit Frau und drei Söhnen in Stone Gap lebte.

Dreißig Jahre lang hatte Robert Barlow keine Notiz von Coltons Existenz genommen – ein Umstand, der Colton immer noch einen schmerzhaften Stich versetzte, auch wenn er eigentlich viel zu alt war, sich nach einem Vater zu sehnen, der ihm beim Basteln half oder ihm Tipps gab, wie er das Herz eines Mädchens erobern konnte. Wäre er ein nüchterner, rationaler Mensch, hätte er der Stadt nach seinem letzten Besuch vielleicht für immer den Rücken gekehrt. Doch er wollte mehr über seine Wurzeln wissen.

Er musste wieder an den Unfall vor zwei Jahren denken – einen Unfall, der vielleicht vermeidbar gewesen wäre, wenn Colton sich mehr Mühe gegeben hätte. Dann wären zwei seiner Freunde möglicherweise noch am Leben …

Er sah wieder das Flammenmeer vor sich, hörte das Knacken der Balken über sich, die plötzlich herunterbrachen und die beiden unter sich begruben. Colton presste einen Finger an den Nasenrücken, um die Erinnerungen zu verdrängen, und holte ein paar Mal tief Luft. Als er die Augen wieder aufschlug, rief er sich ins Gedächtnis, dass er sich jetzt in Stone Gap, North Carolina, befand und so etwas wie Urlaub machte. Und dass er nachher angeln gehen würde.

Reiß dich zusammen, Barlow!

Er überquerte die Main Street, auf der ein einziges Fahrzeug gen Süden fuhr. Belustigt schüttelte er den Kopf. Verglichen mit Atlanta war Stone Gap ein verschlafenes Nest. Schon allein das wäre mal eine willkommene Abwechslung … falls er den Job bekam.

Als er an Gator’s Garage vorbeikam und zwei Beine unter einem alten Ford Pickup herausragen sah, blieb er zögernd stehen. Er kannte seine drei Halbbrüder noch nicht lange und war noch etwas unsicher, wie er ihnen begegnen sollte. Die Beine hier mussten zu Luke gehören, der seit Bobbys Knieoperation die Werkstatt übernommen hatte.

Kurz entschlossen betrat Colton die Werkstatt, um Hallo zu sagen. Der Geruch von Motoröl und Benzin stieg ihm in die Nase. Als er den Blick über die Regale voller Werkzeug und Kisten mit Ersatzteilen schweifen ließ, konnte er sich lebhaft vorstellen, wie Bobby Luke früher erklärt hatte, wie man einen Öl- oder Reifenwechsel machte. Er verspürte einen Anflug von Neid. „Hey, Luke“, sagte er.

Sein Halbbruder rutschte unter dem Wagen hervor. Bei Coltons Anblick breitete sich ein Lächeln über sein Gesicht. Er hatte das gleiche dunkle, gewellte Haar und die gleichen blauen Augen wie alle männlichen Barlows, Colton eingeschlossen. Manchmal hatte Colton das unheimliche Gefühl, in einen Spiegel zu sehen, wenn er einem seiner Brüder gegenüberstand.

„Hey, Colt, schön, dich zu sehen! Dann haben wir dich also noch nicht verjagt?“

Colton lachte. „So leicht werdet ihr mich nicht los. Außerdem habe ich noch ein Vorstellungsgespräch mit Harry.“ Er zuckte die Achseln. „Vielleicht wird auch gar nichts draus, aber einen Versuch ist es wert.“

Nickend stand Luke auf und wischte sich die Hände an einem Tuch ab. „Schön zu wissen, dass du uns noch erhalten bleibst. Dann kannst du mir dabei helfen, Mac zu ärgern – jetzt, wo Jack in den Flitterwochen ist. Aber ich muss dich warnen, Jack und ich sind Vollprofis auf dem Gebiet. Du wirst dich ganz schön anstrengen müssen, um unser Niveau zu halten.“

Jack, ein Ex-Soldat, hatte kürzlich seine Jugendliebe Meri geheiratet, während Mac, ein erfolgreicher Tycoon, der Millionen mit der Liquidierung von Firmen verdiente, sich kürzlich in eine Frau aus Stone Gap, Savannah Hillstrand, verliebt hatte. Luke, der Witzbold der Familie, war hingegen ganz und gar seiner Verlobten Peyton Reynolds verfallen – und ihrer gemeinsamen Tochter Maddy.

„Ich bin dabei.“ Belustigt schüttelte Colton den Kopf. „Ich muss mich erst daran gewöhnen, plötzlich eine große Familie zu haben. In Atlanta waren wir immer nur zu dritt, aber hier stolpere ich an jeder Ecke über einen Barlow.“

Luke grinste. „Tja, es gibt kein Entrinnen. Frag nur die Nachbarn. Sie haben uns jedes zerbrochene Fenster in die Schuhe geschoben.“

„Zurecht?“

„Das kannst du dir bestimmt denken. Aber ich bekenne mich nicht öffentlich zu meinen Jugendsünden, zumindest nicht im Beisein meiner leicht zu beeindruckenden Tochter. Was hältst du davon, wenn du, Mac und ich morgen zusammen bei Viv frühstücken?“

„Klingt gut.“ Colton gab sich cool, aber insgeheim freute es ihn, dass die anderen Barlow-Jungs ihn so selbstverständlich akzeptierten. „Hey, wo kann man hier eigentlich eine Angel kaufen?“

Luke grinste. „Lass mich raten: Harry hat dich eingeladen? Geh mal rüber zu Ernie’s Hardware Store, da kriegt man fast alles.“

„Mach ich, danke. Dann also bis morgen?“

Luke nickte. „Bis morgen.“

Kurz darauf betrat Colton den Eisenwarenladen und blieb einen Moment stehen, bis seine Augen sich an das Dämmerlicht gewöhnt hatten.

„Guten Morgen. Kann ich Ihnen helfen?“, hörte er eine angenehme weibliche Stimme.

Das war das Erste, was ihm auffiel – die tolle freundliche Stimme. Die Frau klang, als wäre sein Besuch das Beste, das ihr heute passiert sei.

Dabei ist es genau umgekehrt, dachte er, als er sie hinterm Tresen stehen sah. Diese Frau war das Beste, was ihm der Tag bisher gebracht hatte. Sie war absolut umwerfend. Seine Großmutter hätte sie als gertenschlank bezeichnet. Sie war groß und schmal, hatte langes weißblondes Haar und große dunkelgrüne Augen. Als sie ihn anlächelte, wurde ihm ganz warm ums Herz. Sie trug eine weiße Bluse mit großen Silberknöpfen und eine enge dunkle Jeans, die ihre weiblichen Hüften betonte.

„Äh … ja, guten Morgen“, stammelte Colton. Was ist bloß los mit mir? „Ich brauche eine Angel.“

„Hier entlang.“ Die junge Frau winkte mit einem Zeigefinger und ging einen Gang entlang. Colton folgte ihr. Er wäre ihr sogar nach Timbuktu gefolgt, zumal ihr Anblick auch von hinten einen Sog erzeugte, dem er nicht widerstehen konnte.

In der Mitte des Gangs blieb sie stehen und zeigte auf ein Regal mit Angeln. „Ich weiß ja nicht, was Sie suchen, aber mein Vater würde Ihnen raten, ein paar in die Hand zu nehmen. Eine Angel sollte sich anfühlen wie für Sie geschaffen. Nicht zu schwer und nicht zu leicht.“

„Okay, dann zeigen Sie mal her.“

Sie reichte ihm eine. „Zu berücksichtigen ist natürlich auch, wo und was Sie angeln.“

„Keine Ahnung. Ich treffe mich nachher mit Harry Washington bei Ray Prescott. Für eine Art Vorstellungsgespräch.“

Sie lachte. „Typisch Harry, er steht nicht auf Formalitäten. Ray wohnt direkt am See, da gibt es andere Fische als im Meer. Probieren Sie mal die hier aus.“ Sie gab ihm eine andere.

Colton nahm sie ihr ab und reichte ihr die erste zurück. Ja, die fühlte sich gut und solide an. „Sie scheinen sich gut mit Angeln auszukennen.“

Sie lächelte. „Tja, wenn man Daddys einziges Kind ist, lernt man früh, Baseball zu spielen, zu angeln und zu schießen. Auch wenn ich mich wie die anderen Mädchen in einem gewissen Alter natürlich auch mit Lippenstiften und High Heels beschäftigt habe.“

Colton streckte ihr lachend eine Hand hin. „Darf ich mich vorstellen? Ich bin Colton. Colton … Barlow.“ Der Name klang immer noch fremd in seinen Ohren, doch allmählich gewöhnte er sich daran.

Verwirrt sah sie ihn an. „Gehören Sie zu den Barlows? Zu Jack, Luke und Mac?“

Typisch Kleinstadt, dachte Colton. „Irgendwie schon. Ich bin ihr Halbbruder aus Atlanta. Feuerwehrmann, Angelnovize und erprobter Baseballspieler.“ Er wusste selbst nicht, warum er dieser jungen Frau das erzählte.

„Schön, Sie kennenzulernen, Colton Barlow aus Atlanta. Ich bin Rachel Morris, Tochter des berühmten Ernie, erfahrene Anglerin und keine üble Mittelstürmerin.“

„Vielleicht könnten Sie mir ja beibringen, wie ich einen guten Fang mache.“

Ihre Augen blitzten belustigt auf. Ein verschmitztes Lächeln umspielte ihre Lippen. „Sind Sie deshalb hier? Wir sind nämlich keine Partneragentur, sondern verkaufen nur Angeln und Laubrechen.“

„Ich rede von Forellen und Barschen, nicht von Lebenspartnern. Was das angeht, habe ich keinen Bedarf.“ Colton nahm ihr eine weitere Angel ab, prüfte das Gewicht und stellte sie wieder zurück. Er entschied sich für die, die Rachel ihm empfohlen hatte.

„Genau das, was diese Stadt braucht. Noch einen überzeugten Junggesellen“, witzelte Rachel und ging mit seiner Angel zur Kasse.

Während Colton bezahlte, überlegte er fieberhaft, wie er seinen Aufenthalt hier noch verlängern konnte. Rachel gefiel ihm. Er fand sie äußerst anziehend, und es war schon sehr, sehr lange her, dass ihn eine Frau so gereizt hatte. „Und? Wohnen Sie schon immer hier?“ Was für eine dämliche Frage! Ich bin eindeutig außer Übung.

„Kann man so sagen. Ich bin hier geboren und aufgewachsen.“ Sie reichte ihm einen Beleg und einen Kugelschreiber zum Unterschreiben. „Spielen Sie mit dem Gedanken, hierherzuziehen, falls Sie den Job bei der Feuerwehr bekommen?“

„Vielleicht.“

„Sie wollen uns erst austesten, oder?“, witzelte sie. „Tja, eins kann ich Ihnen schon mal verraten: Stone Gap ist die klassische Kleinstadt. Wenn Sie beim Frühstück in ihr Müsli niesen, lässt sich noch vor dem Mittagessen die halbe Stadt gegen Grippe impfen. Jeder weiß hier alles über jeden.“

„Klingt irgendwie … erdrückend.“

„Fühlt sich auch manchmal so an.“ Lächelnd zuckte sie die Achseln. „Aber es ist immer jemand da, wenn man Hilfe braucht, und wenn es einem schlecht geht, muntert einen ein Nachbar oder Freund wieder auf. Stone Gap ist nicht perfekt, aber es ist eine schöne Stadt. Und das Wetter ist toll, genauso wie die Lage am See.“

Colton lachte. „Gehören Sie etwa zum Begrüßungskomitee?“

Sie errötete. „Nein. Ich habe nur … ich weiß diesen Ort endlich zu schätzen.“

„Diese Art Lokalpatriotismus ist mir fremd. Atlanta ist toll, aber zu anonym. Man kann sich dort manchmal irgendwie … verloren fühlen.“

„Sie meinen, es kann einsam sein?“, fragte sie sanft.

Colton räusperte sich verlegen. Er hatte nicht die Absicht, seine Lebensgeschichte vor einer Frau auszubreiten, die er kaum kannte. Auch wenn er beim Anblick ihres Lächelns am liebsten nie wieder gehen wollte. „Na ja, danke jedenfalls für die Infos über Stone Gap. Ich werd’s mir merken.“

„Gern geschehen. Und falls Sie eine Fünfundzwanzig-Cent-Stadtführung wollen, wissen Sie, wo Sie mich finden.“

„Fünfundzwanzig Cent? So billig?“

Rachel errötete erneut. „Stone Gap ist nicht sehr groß.“

Er musste lachen. „Harry hat mir schon gezeigt, wo man den besten Apfelkuchen kriegt.“

„Dann sind wir nur noch bei zwanzig Cent. Es sei denn, Sie haben schon den besten Platz zum Rummachen entdeckt.“ Sie errötete noch heftiger. „Ich meine natürlich für Teenager.“

„Schon klar.“ Rummachen?! Unwillkürlich stellte er sich vor, wie er mit Rachel auf den Rücksitz seines Mietwagens kletterte. Nicht gerade eine passende Fantasie, aber er konnte nichts dagegen tun. „Wir alten Leute sind natürlich viel zu reif für so etwas.“

„Und wie.“

Plötzlich knisterte es so gewaltig zwischen ihnen, dass Colton den bizarren Impuls verspürte, sich über den Tresen zu beugen und Rachel zu küssen. „Also … ich sollte das hier mal unterschreiben.“ Er kritzelte seinen Namen auf den Beleg und reichte ihn zurück.

„Danke.“ Sie reichte ihm die Angel. „Brauchen Sie sonst noch etwas?“

Ja, deine Telefonnummer, dachte Colton. Er würde Rachel Morris, Anglerin und Mittelstürmerin, besser kennenlernen. Andererseits würde er die Stadt in ein paar Tagen wieder verlassen, da machte ein Date keinen Sinn.

2. KAPITEL

Rachel entstaubte Borde, die längst sauber waren, und arrangierte Auslagen, die schon arrangiert waren. Heute war Dienstag – einer der Wochentage, an denen im Laden ihres Vaters nie viel los war. Ihr einziger Kunde war der groß gewachsene, muskulöse Feuerwehrmann in hellblauem T-Shirt und Jeans gewesen. Großer Gott, schon allein sein Bizeps hatte ihre Fantasie überschießen lassen! Ein attraktiver Mann wie er war eine erfrischende Abwechslung zu den schmerbäuchigen Rentnern, die sonst den Laden frequentierten.

Außerdem hatte er ein umwerfendes Lächeln. Ja, Männer wie Colton Barlow sah man wirklich nicht oft in Stone Gap. Schade, dass er sie nicht nach einem Date gefragt hatte. Anscheinend war sein Interesse an ihr doch nicht so groß gewesen wie sie anfangs dachte. Wahrscheinlich hatte sie ihn mit ihrem ständigen Erröten und ihrer völlig dämlichen Bemerkung über den besten Ort zum Rummachen in die Flucht geschlagen.

Um sechs schloss sie den Laden ab, stieg in ihren Wagen und fuhr auf die andere Seite der Stadt zu dem Bungalow, in dem sie aufgewachsen war. Als Rachel die vernachlässigten Blumenbeete, die überschießenden Hecken und den vergrauten Holzzaun sah, parkte sie seufzend ihren Wagen in der Einfahrt und betrat das Haus, dessen Inneres genauso schäbig war wie die Fassade.

Vor dem Tod ihrer Mutter vor einem Jahr hatte ihr Vater tagein tagaus im Laden gestanden. Rachels Mutter war diejenige gewesen, die zu Hause alles in Schuss gehalten hatte, doch seit ihrem Tod verließ Ernie das Haus nicht mehr. Er lebte zurückgezogen wie ein Eremit, kümmerte sich um nichts und nahm keinerlei Anteil am Laden mehr. Rachel war für ihn eingesprungen, um ihm Zeit zum Trauern zu geben.

Trotz seines offensichtlichen Desinteresses kam Rachel jeden Abend bei ihm vorbei, um ihn auf dem Laufenden zu halten. Sie konnte nur hoffen, dass sich sein Zustand bald besserte, denn sie wollte gern wieder in ihrem alten Job als Hochzeitsplanerin arbeiten – vorausgesetzt, sie fand nach einem Jahr Auszeit überhaupt noch den Anschluss.

Als sie die Küche betrat, saß Ernie mal wieder am Tisch, ein Kreuzworträtsel vor sich ausgebreitet. Seitdem sie ihn heute Morgen alleingelassen hatte, hatte er kaum etwas davon ausgefüllt. Das Frühstücksgeschirr stand noch in der Spüle, und der Herd war kalt. Rachel wusste, dass ihr Vater nichts aß, wenn sie nicht regelmäßig bei ihm vorbeikam.

„Guten Abend, Dad.“ Als sie ihn auf eine Wange küsste, fiel ihr auf, dass er sich mal wieder nicht rasiert hatte. Sie vermisste den Duft seines Aftershaves. „Was gibt’s zum Abendessen?“

„Ich … also, ich habe noch nicht darüber nachgedacht.“ Ernies Augen waren rot und geschwollen – vermutlich, weil er mal wieder vor dem Fernseher eingeschlafen war. Sein weißes Haar stand in alle Himmelsrichtungen, und sein T-Shirt sah aus, als habe er es seit Wochen nicht gewaschen. „Die Tage vergehen immer so schnell. Ich habe gar nicht gemerkt, wie spät es schon ist.“

„Ich lege mal schnell etwas Hähnchenfleisch auf den Grill“, sagte Rachel so munter, als sei alles in bester Ordnung. Dabei tat es ihr in der Seele weh, ihren früher immer so robusten und energiegeladenen Vater so gebrochen zu sehen. „Hast du noch Kartoffeln?“

„Kartoffeln?“

„Ja, ich habe gestern welche gekauft, erinnerst du dich?“