Triptychon Teil 1 - Böse Träume - Thomas Beckstedt - E-Book

Triptychon Teil 1 - Böse Träume E-Book

Thomas Beckstedt

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Beschreibung

In einem multinationalen Konzern wird ein ­unschuldiger Mann zur Schachfigur in einem ­mörderischen Spiel um Macht, Geld und Kontrolle. Er erlebt die Hölle auf Erden. John Gallagher, Informatiker aus London, steht massiv unter Druck. Er arbeitet für einen mächtigen Konzern, der in Südafrika ein neues Rechenzentrum eröffnen will. Aber John ahnt nicht, dass er in Wahrheit einem verbrecherischen Plan dient. Sein Alltag wird zum Albtraum, er kann kaum noch schlafen, der berufliche Stress erdrückt ihn. Wieder und wieder stößt er an seine physischen und psychischen Grenzen. Er will dem Wahnsinn entrinnen und schlittert in eine Affäre mit unabsehbaren Folgen. Er gerät zwischen die Fronten eines Konflikts, der mit einer für ihn unvorstellbaren Grausamkeit hinter den Kulissen tobt. Er wird zum Gejagten, doch die wahren Zusammenhänge erkennt er sehr spät. Das Sterben nimmt kein Ende, die Spirale der Gewalt eskaliert. Thomas Beckstedt hat einen mitreißenden Thriller über die Abgründe der Menschen und die Schattenseiten des modernen Wirtschaftssystems geschrieben, über den Einbruch von Gewalt und Tod in eine scheinbar normale Welt, über das Gefühl des Ausgeliefertseins und der Fremdbestimmung durch Mächte, die sich immer wieder entziehen. Tauchen Sie im vorliegenden ersten Teil dieses Thrillers in eine Welt voller Profitgier, Machtstreben und Skrupellosigkeit ein.

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Seitenzahl: 238

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Thomas Beckstedt

Triptychon

Thriller

THOMAS BECKSTEDT

TRIPTYCHON

THRILLER

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

1. Auflage 2016

© 2016 by Braumüller GmbH

Servitengasse 5, A-1090 Wien

www.braumueller.at

Lektorat: Mario Wurmitzer

Coverfoto: © pixelparticle | shutterstock.com

ISBN Printausgabe: 978-3-99200-158-3

ISBN e-book (Teil II): 978-3-99200-173-6

ISBN e-book (Teil III): 978-3-99200-174-3

ISBN e-book (Teil I): 978-3-99200-172-9

Inhalt

I Böse Träume

1. Juli

2. Juli

3. Juli

4. Juli

5. Juli

I

Böse Träume

1. JULI

Auf diese Weise sind wir gewarnt: hinter der Schönheit lauert Fäulnis;hinter der Freude Verzweiflung; hinter dem Genuß ewige Qual.

Peter S. Beagle über den Garten der Lüstevon Hieronymus Bosch

Am Anfang war die Dunkelheit und diese Dunkelheit war alles. Sie war still und sie war gut. Sie war das Nichts, in dem es nichts gibt: keinen Schmerz, keine Tränen, keine Gedanken. Und wo keine Gedanken sind, da ist auch keine Angst. Die in sich ruhende Leere war schön und in ihrer Schönheit vollkommen. Aber dann kam der Nebel, und aus dem Nebel stiegen Laute auf und den Lauten folgten Schreie, und aus dem Nebel quoll der schwarze Rauch einer verbrennenden Stadt.

Es wurde Licht. Flammen, überall Flammen. Aber dieses Licht war nicht gut, denn in diesem Licht war das Grauen, und wo das Grauen ist, da sind auch Schmerzen. Seine Schmerzen, entsetzliche Schmerzen. Sie überschwemmten ihn wie eine dunkle Flut …

Er ist da und doch nicht da, ist dort und doch nicht dort, ist Qual und Verzweiflung, durch und durch nichts als Verzweiflung und Qual. Dann diese entsetzlichen Bilder: Ratten, so groß wie Hunde fressen einem Ritter die Gedärme aus dem Leib. Zwei Henkersknechte zerren einen halb gerösteten Mann zu einem Galgen empor. Seine Füße zappeln; er zittert und schreit mit brechender Stimme. Scharfe Lichtfinger zucken wirr durch die Nacht, werfen ihren Schein auf zwei Ohren ohne Kopf, durchbohrt von einem Pfeil. Dazwischen ein Messer; die Klinge ist riesig. Dann das gehörnte Wesen am Horizont; dunkel und schwer erkennbar. Doch er weiß, wo der unterirdische Götze thront, denn längst ist ihm bewusst, an welchem Ort er sich befindet: in der Hölle des Hieronymus Bosch.

Schatten, Schemen, schwarze Gestalten. Massen gequälter Sünder und Heerscharen dämonischer Krieger. Mit langen Spießen treiben sie dumpf stöhnende Ketzer vor sich her. Ein Jammern und Wehklagen erfüllt die Luft wie das Heulen eines Sturmwindes. Da übertönt plötzlich ein Brüllen alles. Ein grauenvolles Brüllen am Rande des Wahnsinns. Eine Frau, kein Zweifel. Er kann sie hören, aber nicht sehen – ihr Geschrei kommt näher.

Auf einmal erkennt er sie. Amy! Er sieht sie, aber glaubt es nicht: kann nicht sein, darf nicht sein – – Ein grinsender Teufel schleift Amy an ihren Haaren hinter sich her. Grotesk schlurfend schleppt er seine Beute durch die Hölle. Amy kriecht auf allen vieren, versucht aufzustehen … stürzt … wird geschleift … rutscht auf den Knien. Ihr linkes Bein ist gebrochen … zerschmettert … verdreht; steht ab, fast ein rechter Winkel. Amys Augen flehen um Hilfe. Er sieht sie, spürt sie: Amy und ihre Angst. Ich muss ihr helfen!, schreit sein Kopf. Muss helfen …! Er will loslaufen, aber kann nicht. Er kann sich nicht bewegen. Er steckt fest, aber wo? Nebel. Flammen. Der Nebel kommt, der Nebel geht, Amys Schreie bleiben. Wieder will er gehen, laufen, rennen – kann nicht …

… und plötzlich sieht er sich selbst, als stünde er zwei Meter neben sich. Bis zum Hals ist er in einem giftigen Sumpf versunken. Heißer Schlamm, überall Schlamm und Maden, fettgefressen an menschlichem Aas. Fliegen surren … krabbeln über seinen Schädel, wollen seine Augäpfel leer trinken. Bleiche Asseln kriechen in seine Nase … seine Ohren, kratzen ihn am Trommelfell. Er kämpft, will zu Amy, muss ihr helfen. Langsam geht er unter, Amys Gebrüll wird lauter. Seine Nasenlöcher füllen sich mit Schlamm. Er kann nicht atmen, aber sehen … kann Amy sehen, ihr Brüllen hören. Sie zerren sie zu einer Bank aus grobem Holz. Amy wehrt sich. Sie strampelt, schreit und weint. Riesige Klauen verdrehen ihr die weißen Arme. Knochen splittern. Mit Stricken binden sie ihre Hände und Füße fest. Dann sieht er das Feuer, die Glut, den eisernen Stachel … das glühende Eisen und das Grinsen des Dämons, der mit hängenden Schultern zu Amy schlurft und –

Neeiin! Er bäumt sich auf mit all seiner Kraft. Sein Kopf schießt aus dem Morast hervor. Sein Mund öffnet sich zu einem hilflosen, schier endlosen Schrei.

Das glühende Eisen schnellt vor – –

Ein Zischen.

Rauch steigt auf. Es stinkt. Verbranntes Fleisch.

Ihr Fleisch.

Amy brüllt.

Er schreckte hoch und schlug um sich. Sein Puls raste. Er wollte Amy retten, sich zwischen sie und den sabbernden Dämon werfen, aber …

… aber da waren keine Teufel! Und auch kein heißer Schlamm. Keine Schreie. Nur ein monotones Geräusch, das sich anhörte wie eine Turbine. Zerschlagen und vollkommen desorientiert sah er sich um.

Dunkel, aber nicht finster. Ein paar verwaschene Lichtpunkte im Nebel. Er war noch immer nicht da; sah alles wie durch eine beschlagene Scheibe hindurch.

Eine unbekannte Zeitspanne verstrich, ehe sein Blick langsam wieder klar wurde und die Konturen der Umgebung sich abzeichneten. Dann endlich war er sich seiner selbst wieder bewusst. Ich sitze in einem Flugzeug, lautete die erlösende Erkenntnis. Erleichtert schloss er die Augen und lehnte sich zurück.

Nicht die Hölle, nur ein Flugzeug!

Er seufzte.

Aber die Freude, dem Albtraum entronnen zu sein, währte nicht lange; sie wich einem anderen, sehr beklemmenden Gefühl. Pharma-Worldwide-Industries (P.W.I.) und die bevorstehende Arbeitswoche waren ihm in den Sinn gekommen. Die Business-Trips nach Johannesburg hatten schon vor langer Zeit ihren Reiz verloren, waren aufreibend geworden, die reinste Qual. Dieser würde besonders hart werden, daran bestand nicht der geringste Zweifel.

Er tastete nach seiner Hose. Sie war nass und kalt. Ein widerlich peinliches Gefühl überkam ihn. Ob er sich im Schlaf …?

„Kann ich Ihnen behilflich sein?“ Eine Frauenstimme. Erschrocken fuhr er herum. Im schwachen Schein der Nachtbeleuchtung hatte sich eine Stewardess zu ihm gebeugt. Zwei dunkle, fragende Augen. Er öffnete den Mund zu einer Antwort, brachte jedoch keinen Ton hervor.

„Unter den Passagieren befindet sich ein Arzt“, sagte die Stewardess. „Soll ich ihn holen?“

Nein, er schüttelte den Kopf.

„Sie haben laut aufgeschrien. Sind Sie sicher, dass Sie keine Hilfe benötigen?“ Eve Townsend war ernsthaft besorgt. Dieser groß gewachsene, zurückhaltende Mann war ihr nicht unbekannt. Schon etliche Male hatte sie ihn auf dem Flug London–Johannesburg–London als Passagier betreut – mittlerweile kannte sie auch seinen Namen: John Gallagher –, aber jetzt schwitzte er aus allen Poren, obwohl es sehr kühl war; fast zu kühl, wie sie fand.

„Danke“, krächzte er. „Es geht schon. Ich muss eingeschlafen sein und …“ Er blies die Luft aus. „Es war nur ein dummer Traum. Nichts von Bedeutung. Bemühen Sie sich nicht.“

„Wie Sie meinen …“ Was sollte Eve machen? Sie zog sich zurück.

Nichts von Bedeutung?

Albträume waren nichts Neues für John. Schon seit geraumer Zeit litt er an schweren Einschlafstörungen, und schlief er endlich ein, dann träumte er. Meist von Stahlplatten oder Felsblöcken, die ihn zermalmten.

Aber Hieronymus Bosch? Ja, er mochte dessen rätselhafte Gemälde, aber Bilder zu lieben, war nichts Ungewöhnliches. Schon gar nicht für ihn, der mit Bildern aufgewachsen war. Seine Mutter hatte Kunstgeschichte gelehrt, sein Vater war Galerist gewesen.

(Und Amy …?)

Er schloss die Augen und das Bild einer Frau mit brünetten Haaren erschien. Im Geist betrachtete er Amys Gesicht wie ein wertvolles Gemälde. Schließlich wischte er es wieder zur Seite. Sie hat Technische Mathematik studiert, sagte er sich betont geschäftsmäßig, und sie macht einen guten Job. Einen sehr guten sogar. Vor allem beim Design großer Clustersysteme. Sie ist ein wunderbarer Mensch, sie – –

John sah auf seine Swatch, die er am Flughafen gekauft hatte, nachdem die Omega, die seine Frau Angelina ihm zum zehnten Hochzeitstag geschenkt hatte, kurz vor seiner Abreise stehen geblieben war. Unerklärlicherweise hatte dieses mechanische Wunderwerk um drei Uhr nachmittags zu ticken aufgehört – und jetzt war es schon wieder drei. Aber nachts – oder besser gesagt morgens.

Wieder tastete er nach seiner nassen Hose. Neben seinen Schuhen, die er ausgezogen hatte, lag ein zerdrückter Plastikbecher. Wie es aussah, hatte er im Schlaf sein Tonic verschüttet; also nichts Schlimmes. In seinem Handgepäck befand sich frische Kleidung; die holte er nun hervor. Leicht benommen und nur in Socken tapste er den Gang entlang Richtung Toilette und schlüpfte hinein. Aus dem Spiegel blickte ihm ein erschreckend graues Gesicht entgegen. Mit schwarzen Ringen unter den Augen und Lippen wie ein blasser Bleistiftstrich. Missmutig zupfte er ein weißes Haar aus der Schläfe.

Ich bin nicht mehr dreißig. Ein Lächeln erschien.

John, was soll das? Du bist fünfundvierzig!

Halbzeit, nicht wahr? Das Lächeln wurde breiter.

Wenn du Glück hast …

Das Lächeln verschwand. Rasch wechselte er die Hose, zog sein verschwitztes Hemd aus und wusch sich. Dann warf er sich das frische über und kehrte sichtlich erleichtert zu seinem Sitzplatz zurück. Kurz darauf brachte ihm eine lächelnde Eve Townsend Erfrischungstücher und ein neues Tonic. „Das ist aber nett!“, murmelte er und streckte seine langen Beine aus. Alles in Ordnung! Alles bestens!

(nur meine Nerven)

Er nahm seinen E-Reader, las ein paar Seiten, nickte ein, schlief eine halbe Stunde, wurde wach und döste ein wenig.

Plötzlich schreckte er auf. Doch dieses Mal war es kein Albtraum, der ihn erschauern ließ. Dieses Mal wurde die Boeing 747 der British Airways so heftig durchgeschüttelt, dass er fürchtete, der Sturm würde dem Flugzeug jede einzelne Niete aus den Tragflächen reißen. Die Maschine durchflog ein Gewitter – und auf einmal sackte sie ab wie ein abstürzender Fahrstuhl. Einen Moment schwebte sein Magen auf Höhe der Augen. Im Geist sah er das Flugzeug abstürzen.

(… like a led Zeppelin …)

Wie einen bleiernen Zeppelin sah er die Boeing auf die Erde zurasen, mit brennendem Rumpf und qualmenden Triebwerken. Dann der Aufschlag in der Einöde von Botswana. Ein orangefarbener Feuerball schoss hoch hinauf in die Nacht. Das Kerosin dampfte. Es zischte und prasselte und alles verbrannte.

Ihr Bewusstsein kehrte nur langsam zurück. Wie blubbernde Blasen, die aus einem schwarzen See aufsteigen. Das Erste, das sie registrierte, war ein stechender Schmerz im Rücken; sie lag auf etwas unangenehm Hartem. Als Nächstes wurde ihr das taube Gefühl in Armen und Beinen bewusst. Ihre Gliedmaßen fühlten sich an wie abgestorben. Instinktiv begann sie, die Finger zu strecken und zu Fäusten zu ballen, um sie wiederzubeleben. Ihr dritter Gedanke galt einer Toilette. Sie verspürte einen leichten Druck. Sie wollte sich zur Seite drehen und aufstehen, aber – – sie vermochte es nicht. Irgendetwas hielt sie fest. Langsam öffnete sie die Augen. Sie waren müde, die Lider unnatürlich schwer. Sie blinzelte, sah alles verschwommen. Es war zu anstrengend, die Augen fielen ihr wieder zu. Sie kam sich vor wie betäubt.

Nach einer Weile – sie hatte ein wenig geschlafen – versuchte sie erneut sich aufzurichten. Wieder vergeblich. Irritiert linste sie nach ihrer rechten Hand. Um Gottes willen! Eine Hitzewelle durchfuhr sie. Ein Lederriemen war straff um ihren Oberarm gezogen, und auch ihr Handgelenk war …

… war an einen OPERATIONSTISCH gefesselt?!

Ihr Herz begann zu hämmern.

Wach!

Binnen Sekunden war sie hellwach – ihr Blick gehetzt.

Unwillkürlich kam ihr der Gedanke an ein Irrenhaus, in dem die Wahnsinnigen die Ärzte und die Gesunden die Eingesperrten waren. Sie fühlte, dass sie an dem Ort, an dem sie sich befand, alles bekommen konnte, was schlecht und böse und widerlich war. Sie kämpfte, die Kontrolle über ihre Nerven nicht zu verlieren, am liebsten jedoch hätte sie lauthals geschrien.

Über ihr war eine Decke aus rohem Beton, von der eine nackte Glühbirne hing. Sie flackerte, sah staubig und alt aus. Spinnweben hingen herab. Der Raum war quadratisch und fensterlos, die Tür schwarz. Vermutlich aus Eisen. THE MOB RULES war mit roter Farbe auf die Tür gesprüht. Auch die Wände waren bemalt. Wüste Graffiti, obszöne Sprüche, brutale Slogans. Neben einem schmalen Regal klebte ein Plakat von Led Zeppelin; vermutlich aus den 1970er-Jahren. Irgendjemand hatte den Musikern die Augen ausgestochen.

Aus weiter Ferne drang ein dumpfes Rollen zu ihr durch. Sie dachte an eine U-Bahn. Wohin sie wohl fuhr? Nach Westminster? Oder Waterloo Station? Vielleicht nach London Bridge …? „In die Freiheit“, murmelte sie tonlos, ihre Lippen bewegten sich kaum. Allmählich wurde das Geräusch leiser, bis es schließlich völlig erstarb.

Sie wartete.

Worauf? Sie unterdrückte die Frage. Sie fürchtete, die Antwort zu kennen, und zählte die Sekunden, um sich abzulenken … um nicht an ihre drückende Blase zu denken. Sie zählte bis dreihundert und begann wieder von vorne: abermals bis dreihundert. Das machte sie viermal. Es war zwecklos, sie konnte den Urin nicht mehr halten.

Sie – –

Anschließend begann sie wieder zu zählen, aber bei neunundachtzig hielt sie inne. Sie hatte etwas gehört.

Ein Kratzen?

Metall auf Mauerwerk.

– – im Gehen, wie Kinder einen Stock über einen Gartenzaun ziehen, ohne sich dessen bewusst zu sein.

Was war es?

(ein Schraubenzieher?)

(ein Schlüssel …?)

Jemand näherte sich. Ihre Nerven waren zum Zerreißen angespannt und plötzlich glaubte sie, das Geräusch von Schritten durch die geschlossene Tür zu vernehmen. Wessen Schritte? Sie wollte es nicht herausfinden. Inständig hoffte sie, dass – wer auch immer da draußen umherschlich – nicht zu ihr ging.

Die Schritte kamen näher.

„Geht weg!“, flüsterte sie. „Bitte!“

Das Kratzen wurde lauter.

„Bitte nicht …“

Abrupt verstummten die Schritte. Kein Kratzen mehr. Nichts. Instinktiv hielt sie den Atem an und ein paar Sekunden war es vollkommen still. Sie starrte auf die Tür und hoffte, betete, sie möge sich nicht öffnen.

Ein Schlüssel wurde ins Schloss gesteckt.

„O mein Gott …“

Die Tür öffnete sich.

Eisen scharrte über Beton. Gänsehaut überzog ihren Körper, als ein athletisch gebauter Mann in den Kellerraum trat. Sein Gesicht war grob und kantig, das dunkle Haar kurz geschnitten. Aus wasserblauen, kalten Augen musterte er sie: Die Arme im rechten Winkel ausgestreckt, hatte er sie auf einen ausrangierten OP-Tisch mit seitlich montierten Armstützen gefesselt. Wortlos trat er näher und überprüfte die Fesseln. Schnellbinder und Ledergurte. Einen zurrte er fester. Schmerzhaft fester. Er schnitt jetzt tief in ihr Fleisch. Langsam ließ er seine Hand über ihre Hüfte gleiten, strich über ihren Bauch, tastete sich unter ihrem T-Shirt vor bis zu ihren Brüsten und begann sie zu kneten. Er legte seinen Mund dicht an ihr Ohr und stellte leise, aber bestimmt Fragen, während seine Finger ihre Brustwarzen zwirbelten.

Sie wusste nicht, wer dieser Mann war, auch nicht, dass er sich Roman nannte, hatte aber sofort begriffen, von wem er geschickt worden war. Sie zweifelte nicht im Geringsten, was ihr nun bevorstand: Schmerzen, wahnsinnige, unerträgliche Schmerzen. Mit aller Macht kämpfte sie gegen die aufsteigende Panik an, konzentrierte sich auf ihre Atmung – und schwieg.

Roman wurde rasch zornig. Er schrie und beschimpfte sie als Hure. Wütend über ihr hartnäckiges Schweigen griff er nach ihren Haaren und riss derart grob daran, dass sie glaubte, er würde ihr das Genick brechen. Er schlug ihren hellen Sommerrock nach oben und riss ihren Slip nach unten – ihren nassen Slip …

„Sau!“, fluchte Roman. „Du verdammte Drecksau!“ Er wischte seine Hand ab – dann sie; er wischte sie trocken und zwängte seine Hand zwischen ihre Beine. Er tat ihr weh, so fürchterlich weh. Seine Linke verkrallte sich in ihren Haaren und hielt ihren Kopf fest. Sie konnte der Zunge, die sich schmatzend in ihr Ohr bohrte, nicht entfliehen. Keuchend drohte er, sie zu Tode zu ficken, wenn sie nicht endlich ihr verdammtes Maul aufmachte – und stieß ihr den Finger so brutal in die Scheide, dass sie laut aufschrie.

Aber sie beantwortete seine Fragen nicht. Stattdessen flüsterte sie kaum hörbar: „Mein Name ist Amy Russborough. Ich arbeite für Pharma-Worldwide-Industries, bin dreiunddreißig Jahre alt, unverheiratet und wohne in London, in Hoxton, Shenfield Street. Mein Name ist Amy Russborough …“

Vor Wut schäumend stieß Roman ihren Kopf zurück und schlug ihr ins Gesicht. Zweimal, dreimal. „Hundevieh!“ Er holte weit aus. Viermal, fünfmal. „Köter!“ Ihre Lippen platzten. Sechsmal. „Fotze!“ Blut schoss aus ihrer Nase. Siebenmal. Sie weinte. Achtmal, neunmal …

Sie gab nicht auf. Mit der ganzen ihr innewohnenden Kraft klammerte sie sich an diese wenigen Worte, die sie vor sich hin murmelte wie ein Gebet. „Mein Name ist Amy Russborough“, schluchzte sie, „bin dreiunddreißig Jahre alt … unverheiratet … und wohne in Hoxton, Shenfield Street. Ich arbeite für Pharma-Worldwide-Industries … und mein Name ist Amy Ru–“

Romans Faust schoss vor. Der Schlag zertrümmerte Amys Nasenbein. Ein stechender Schmerz. Rote Blitze hinter den Augäpfeln. Sie glaubte, ihr Kopf würde explodieren. Blut rann ihr in den Rachen. Sie musste husten, hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen. Sie drehte das Gesicht zur Seite und spuckte Blut. Die Schmerzen hatten begonnen, aber die entscheidende Information würde sie nicht preisgeben. Niemals! Ein stiller Schwur. Dann begann sie zu beten: „Vater unser …“

Da traf sie der nächste Faustschlag. Mit einem scharfen Knacken brachen ihre oberen Schneidezähne ab.

(… der du bist im Himmel …)

Die Turbulenzen der Nacht waren vorüber, die Boeing 747 war weder abgestürzt noch in der Einöde von Botswana verbrannt, das Gewitter war nur ein Gewitter gewesen, Johns Traum nur ein Traum. Mittlerweile war die afrikanische Sonne vor einem strahlend blauen Himmel aufgegangen und der Pilot hatte soeben durchgegeben, dass in wenigen Minuten der Sinkflug auf Johannesburg beginnen werde. Die Landung würde pünktlich erfolgen. Gut, dachte John, schloss die Sonnenblende und döste noch ein wenig.

Nachdem die Maschine auf der Landebahn des OR Tambo Airports aufgesetzt hatte, schaltete John seinen Blackberry ein und überflog die eintrudelnden E-Mails, von denen er die meisten löschte und nur die wenigsten beantwortete.

Aber bald schon waren seine Gedanken wieder bei Amy. Wenngleich sein Verstand die nächtliche Vision längst in die Kategorie des Unerklärlichen einsortiert hatte, war ein schaler Nachgeschmack geblieben, den er nicht zu verdrängen vermochte. Ob er Amy anrufen sollte, einfach nur so? („Hallo, wie geht’s dir? Alles gut? – Ja? – Freut mich zu hören …“) Er warf einen Blick auf die Uhr. Zu früh. Amy war kein Morgenmensch und im Gegensatz zu ihm hatte sie ihre Angewohnheit beibehalten, nachts das Telefon abzuschalten.

(… nachts …?)

Unwillkürlich musste John an Harvey denken. Amy hatte über ihren Lebensgefährten, dem er noch nie begegnet war, nur wenig erzählt, eigentlich fast gar nichts; nur die eine oder andere Bemerkung gemacht. Es war schon komisch, denn er wusste nicht einmal (noch immer nicht), wie dieser Mann hieß. Aber weil jeder Mensch einen Namen brauchte, hatte er ihn vor einiger Zeit schon Harvey getauft.

(H a r v e y …?Wie kann man nur Harvey heißen?!)

Ich rufe später an!

FASTEN YOUR SEATBELT (ping!) – das Zeichen erlosch. Allgemeiner Aufbruch. John steckte den Blackberry ein und zwängte sich in den Gang. Overheadboard und Handgepäck. Dann warten wie immer in einer dicht gedrängten Menschenschlange.

Unterdessen hatte Eve mit ihrer Kollegin Susan Butler beim vorderen Ausgang Position bezogen, um sich wie üblich von den Fluggästen zu verabschieden. Als endlich die Tür aufging und die ersten Passagiere nach draußen drängten, begann sie freundliche Floskeln herunterzuleiern.

„Danke, dass Sie mit British Airways geflogen sind.“

„Ich hoffe, Sie hatten einen angenehmen Flug.“

„… wünsche einen schö…“

Eve verstummte.

John.

Sie wusste nicht, was in dieser Nacht mit ihm geschehen war, stellte aber erleichtert fest, dass er relativ gut erholt aussah. Vielleicht war es ja doch nur ein Traum gewesen, wie er gesagt hatte. John nickte Eve kurz zu und verließ das Flugzeug. Während er über die Gangway nach unten ging, schaute sie ihm nach. Ein wenig zu lang und interessiert, wie Susan Butler fand. Sie stieß Eve mit dem Ellenbogen in die Rippen.

„Was denn?“, rief Eve erschrocken und drehte den Kopf.

„Gefällt er dir …?“

„Wie … wer denn?“

„Na, der Typ da, dem du so nachgestarrt hast.“

„Ich habe nicht gestarrt!“

„O doch! Regelrecht ausgezogen hast du ihn mit den Augen.“

„Hab ich nicht!“

„Hast du doch …!“

„Nein!“

„Doch. Das ist mir schon mehrfach aufgefallen. Jedes Mal, wenn er mit uns fliegt, starrst du ihn an.“

„Blödsinn!“, zischte Eve. Sie war hörbar verärgert, aber innerlich musste sie lächeln. Nachdem die Passagiere das Flugzeug verlassen hatten, ging sie ihre Handtasche holen. Auf dem Rückweg erspähte sie zwischen den Reihen der Businessclass etwas Flaches, Schwarzes, das in einem Ablagenetz steckte. Sie machte halt und griff danach: Johns E-Reader; sein Name war in Gold in die Kunststoffhülle geprägt. Leise lächelnd ließ sie ihn in ihre Handtasche gleiten.

John begab sich zum Kofferkarussell, schnappte sich seinen Schalenkoffer und eilte mit langen Schritten Richtung Ankunftshalle, wo sein Fahrer Jethro Jabulile schon wartete. Jethro, ein Farbiger um die fünfzig, begrüßte John sehr freundlich und nahm ihm das Gepäck ab. Zügig brachte er ihn zu seinem mauritiusblauen Toyota Avensis.

„Wollen Sie vorher noch ins Hotel oder gleich nach Midrand?“

„Gleich nach Midrand.“ Johns Zeitplan war eng.

Sie stiegen ein und Jethro startete den Motor. Als er sich auf die R24 Richtung Johannesburg einfädelte, fragte er vorsichtig: „Sind Sie Ingenieur, Mr. Gallagher?“ In letzter Zeit kamen viele weiße Techniker nach Midrand; Jethro unterhielt sich gerne, aber nicht alle seiner weißen Fahrgäste wollten sich mit einem farbigen Fahrer unterhalten, der verfaulende Zähne hatte und dessen Englisch holprig klang.

„Ich bin Informatiker“, sagte John. „Aber lassen Sie bitte den Mister weg. Nennen Sie mich doch einfach John.“

„Jethro“, lächelte Jethro. „Ich heiße Jethro.“ Er fand John sofort sympathisch. Und bald schon wurde er neugierig. Selbstverständlich wusste er, was ein Informatiker war, zumindest ungefähr, aber was machte so ein Mensch den ganzen Tag? John erklärte es ihm: „Ich gehöre zu denen, die diese großen schwarzen Kisten zum Laufen bringen, die jetzt Lkw-weise nach Midrand gekarrt werden. Konkret bin ich für Betriebssysteme und IT-Security verantwortlich. Alles andere machen andere. Das klingt relativ einfach, ist aber manchmal unglaublich nervig.“

„Alles klar. Sie sind sozusagen ein Windows-McAfee-Spezialist im Großen.“

„So in etwa.“ John musste fast lachen. „Nur setzen wir kein Windows ein. Unsere Maschinen laufen unter UNIX.“

Jethro überholte einen Lastwagen, aus dessen Auspuff schwarzer Rauch quoll, als brenne der Motor. „Sind Sie schon lange bei P.W.I.?“

„Kann man so sagen“, erwiderte John. „Angefangen habe ich vor zwanzig Jahren in einer kleinen IT-Firma, die stark expandierte. Eines Tages wurde sie verkauft und umstrukturiert, und als sie endlich umstrukturiert und neu ausgerichtet war, wurde sie wieder veräußert. Kurz darauf wurde das Unternehmen, das uns erworben hatte, von einem anderen, noch größeren Unternehmen geschluckt, das zwei Jahre später von einem multinationalen Konzern übernommen wurde, der nach rund zehn Monaten den Bereich, in dem ich tätig war, an P.W.I. verkaufte. P.W.I. hatte die Strategie gewechselt: Insourcing statt Outsourcing lautete der neue Slogan. Das ist mittlerweile fast zehn Jahre her, und vor drei Jahren ging’s dann mit dem Datacenter-Projekt in Midrand los.“

„Und wie läuft’s, wenn ich fragen darf?“

„Na ja, wie solche Projekte eben laufen …“ (Scheiße)

„… der Zeitdruck ist enorm …“ (ein Albtraum)

„… noch neunzig Tage, dann muss Phoenix abgeschlossen sein“, oder sie grillen uns! Und vorher gibt’s ’ne Rasur ohne Wasser und Seife mit ’nem verdammt scharfen Messer.

„Phoenix?“, fragte Jethro.

„Ja, so heißt das Projekt. Bei uns hat alles einen Namen.“

Jethro nickte. „Wissen Sie, das alles ist noch ziemlich neu für mich. Ich fahre erst seit drei Wochen für P.W.I. Mein Bruder hat einige Zeit beim Sicherheitsdienst auf der Baustelle gearbeitet. Damals war das Firmenareal bloß mit einem Maschenzaun gesichert und nur eine Handvoll Männer passte auf, dass nichts geklaut wurde. Hier wird nämlich alles geklaut, was nicht angenagelt, angenietet oder angeschweißt ist. Ha-ha-ha. Einmal hat er mir die Baustelle gezeigt. War echt beeindruckend, wie sie mit riesigen Baggern und Kränen die Erde aushoben. Das Loch war so groß wie ein Fußballfeld und mindestens achtzig Meter tief.“

„Hundertfünf Meter“, korrigierte John.

„Wirklich? Dachte ich mir’s doch.“ Jethro wiegte den Kopf. „Eines Nachts haben wir uns reingeschlichen und hockten uns an den Rand der Baugrube. Mann, da unten war’s schwarz wie in der Hölle. Wir rauchten und tranken Bier. Die leeren Flaschen ließen wir fallen und dann zählten wir die Sekunden, bis sie zerschellten.“ Er lachte. „Ein halbes Jahr später haben sie die Mauer gebaut, und anschließend wurde monatelang nur geschweißt, Eisen gebogen und betoniert.“ Jethro setzte den Blinker und wechselte auf die N3.

„Tja“, sagte John, „es ist schon erstaunlich, wie viele hunderttausend Tonnen Stahlbeton so ein Datacenter verschlingt. Die Rechenzellen, in denen die Server und Storage-Systeme stehen, machen weniger als ein Drittel der gesamten Nutzfläche aus. Alles andere wird für Stromversorgung, Kühl- und Löschanlagen benötigt. Dazu kommen Batterieräume und starke Dieselmotoren für die Notstromversorgung. Im Rechenzentrum sieht es aus wie in einer Fabrik.“

„Klingt echt interessant“, fand Jethro, der das Areal später nie mehr betreten hatte. „Nachdem sie die Mauer errichtet hatten, begann P.W.I. einen eigenen Sicherheitsdienst aufzubauen. Mein Bruder hatte sich auch beworben, aber sie wollten ihn nicht. Sie meinten, er sei zu alt.“

Jethro reihte sich links ein und verließ die Autobahn. Nach circa zweihundert Metern bog er scharf rechts ab und lenkte den Wagen auf eine kleine Anhöhe. Minuten später sahen sie die Mauer. Über drei Meter hoch. Anfangs weiß, war sie inzwischen ergraut und mit Graffiti übersät. Unmittelbar dahinter, von außen nicht sichtbar, befand sich der elektrische Zaun. Alle zehn Meter war auf der Mauer ein Schild angebracht:

ACHTUNG HOCHSPANNUNG – LEBENSGEFAHR

Die vier dreistöckigen Gebäude über dem Datacenter waren in Kreuzform angeordnet. Sie sahen aus wie die Wohneinheiten einer Kaserne: roher Beton mit großen Fenstern. Auf dem Turm in der Mitte, aus dem lange Antennen ragten, prangte das ellipsenförmige Logo von Pharma-Worldwide-Industries. Drei pinkfarbene Buchstaben auf schwarzem Grund.

P. W. I.

Jethro steuerte auf den Schranken zu. Sie mussten warten. Ein gelber Daihatsu wurde ungewöhnlich scharf kontrolliert. Der Fahrer musste aussteigen und den Kofferraum öffnen. Nachdenklich beobachtete John die Männer des Sicherheitsdienstes. Sie trugen dunkelblaue Uniformen, verspiegelte Sonnenbrillen und schwere Stiefel. Außerdem waren sie mit Maschinenpistolen bewaffnet, wie ihm jetzt erst auffiel. Mit den Leuten von der Gebäudesicherheit hatte er nie zu tun gehabt. Grüßen beim Kommen – Grüßen beim Gehen: Das war im Wesentlichen alles. Dennoch war er fest überzeugt, keinen dieser Männer je zuvor gesehen zu haben. Sie mussten neu sein, genauso wie die zwei knurrenden Schäferhunde, die sie mit sich führten. „Ist was passiert?“, fragte er, aber Jethro schüttelte den Kopf: „Seit einer Woche geht das schon so. Ich weiß auch nicht, warum.“

Der Schranken hob sich, der Daihatsu fuhr weiter, der Schranken senkte sich. Nun waren sie an der Reihe. Jethro rollte vor und stellte den Motor ab. Der Sicherheitsmann verlangte Johns Firmenausweis und seinen Pass. Auch das war neu; bis zu diesem Zeitpunkt hatte die ID-Card von P.W.I. genügt, wollte er ein Firmengebäude betreten. Der Sicherheitsmann erklärte, dass es (erstens) nur Autos mit Sondererlaubnis gestattet sei, auf das Areal zu fahren (Jethro hatte keine), dass John (zweitens) nur das Handgepäck mitnehmen dürfe und er (drittens) durch einen Bodyscanner gehen müsse. „Anordnung von oben.“ Der Sicherheitsmann wollte nicht diskutieren.

Also gut, dachte John und ersuchte Jethro, sein Gepäck ins Hotel zu bringen. Dann schnappte er sich die Aktentasche, in der sein Laptop und die Projektunterlagen waren, und unterzog sich dem Securitycheck.

Anschließend schlenderte er Richtung Block B, in dem sich die Verwaltung und das Konferenzzentrum befanden. Alles andere hier diente der Forschung. Vor dem Eingang blieb er stehen und blinzelte in die afrikanische Sonne. Er wählte Amys Nummer, kam jedoch sofort zu ihrer Sprachbox: „Amy Russborough. I‘m not available now. Please leave a message after the beep!”

John waren die beiden Männer nicht aufgefallen, die seit Tagen jede seiner Bewegungen überwachten. Sie waren mit der gleichen Maschine nach Südafrika geflogen und hatten ihn auch keine Sekunde aus den Augen gelassen, als er mit Jethro zu dessen Wagen gegangen war. Charly Miles (groß, blond, auffällig große Oberarme) war in einem Taxi Jethros Toyota gefolgt, während sich Jack Drejo, ein schmächtiger Mann mit blassem Gesicht, auf dem kürzesten Weg ins Hotel begab.

Das elektronische Equipment, das Jack für seinen Auftrag benötigte, stand schon in seinem Zimmer bereit. Er stellte den silbrig schimmernden Metallkoffer auf den Tisch, klappte ihn auf und begann auszupacken. Die Zutrittskarte, die ihm die Tür zu Johns Hotelzimmer öffnen würde, steckte er in seine Brusttasche. Dann nahm er einen Laptop und einen 17-Zoll-Flachbildschirm heraus und verband sie miteinander. Nachdem er eine kleine Empfängereinheit an den Laptop angeschlossen hatte, griff er nach einigen Styroporverpackungen, deren Inhalt er vor sich in einer Reihe auflegte: winzige Videokameras und Mikrofone.