TRISTAN UND ISOLDE - Gottfried von Straßburg - E-Book

TRISTAN UND ISOLDE E-Book

Gottfried von Straßburg

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Beschreibung

Gottfried von Straßburgs 'TRISTAN UND ISOLDE' ist ein Meisterwerk der mittelhochdeutschen Literatur, das im 13. Jahrhundert verfasst wurde. Das epische Liebesdrama erzählt die Geschichte von Tristan, einem tapferen Ritter, der sich unsterblich in Isolde, die Frau seines Onkels, verliebt. Der Roman zeichnet sich durch seine detaillierten Beschreibungen von Liebe, Ehre und Verrat aus und wird oft als Höhepunkt der mittelalterlichen höfischen Literatur betrachtet. Von Straßburgs poetischer Stil und sein tiefes Verständnis für die menschliche Psyche machen dieses Buch zu einem zeitlosen Klassiker. Aufgrund seines historischen und literarischen Kontexts ist 'TRISTAN UND ISOLDE' ein wichtiger Beitrag zur deutschen Literaturgeschichte und wird oft als eines der bedeutendsten Werke des Mittelalters angesehen. Der Autor, Gottfried von Straßburg, war selbst ein Minnesänger und Dichter, der seine tiefen Kenntnisse der höfischen Kultur in dieses epische Werk einfließen ließ. Sein Interesse an Liebe, Rittertum und höfischer Etikette durchdringt das gesamte Buch und verleiht ihm eine einzigartige Authentizität. Mit seiner meisterhaften Erzählung und seinem poetischen Stil zieht 'TRISTAN UND ISOLDE' die Leser in seinen Bann und hinterlässt einen nachhaltigen Eindruck. Dieses Buch ist ein absolutes Muss für Liebhaber der mittelalterlichen Literatur und alle, die sich für die romantische Sage von TRISTAN UND ISOLDE begeistern.

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Gottfried von Straßburg

TRISTAN UND ISOLDE

Eine der bekanntesten Liebesgeschichten der Weltliteratur Translator: Karl Simrock
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Inhaltsverzeichnis

I. (Eingang)
II. Riwalin und Blanscheflur
III. Rual li foitenant
IV. Das Schachzabelspiel
V. Die Jagd
VI. Das höfische Kind
VII. Wiederfinden
VIII. Die Schwertleite
IX. Vaterrache
X. Morold
XI. Tantris
XII. Brautwerbung
XIII. Der Drachenkampf
XIV. Der Splitter
XV. Gewonnen Spiel
XVI. Der Minnetrank
XVII. Die Arznei
XVIII. Brangäne
XIX. Rotte und Harfe
XX. Mariodo
XXI. Die Bittfahrt
XXII. Melot der Zwerg
XXIII. Der Ölbaum
XXIV. Das Gottesgericht
XXV. Petitcriu
XXVI. Verbannung
XXVII. Die Minnegrotte
XXVIII. Täuschung
XXIX. Enttäuschung
XXX. Isolde Weißhand

I. (Eingang)

Inhaltsverzeichnis

Gedächte man nicht gütig sein, Der Gutes rang der Welt zu leihn, So könnt uns keine Freude leihn Was Gutes in der Welt mag sein.

Der gute Mann, was der für gut Und nur der Welt zu Gute thut, Wer das ihm anders als für gut Verstehen will, der missethut.

Ich hör es schmähen oft und viel Wes man doch nicht entrathen will; Da ist an Kleinem schon zu viel, Da will man was man doch nicht will.

Es lob ein Mann, das ziemt ihm wohl, Wes doch auch Er bedürfen soll; Er laß es sich gefallen wohl, Weil es ihm doch gefallen soll.

Theur und werth ist mir der Mann, Der Gut und Übel scheiden kann, Der mich und einen jeden Mann Nach seinem Werth erkennen kann.

Ehr und Gunst laßt finden Kunst, Da Kunst geschaffen ist der Gunst. Wo Kunst geblümet wird mit Gunst, Da blühet alle gute Kunst.

Recht wie ein Ding zu Grunde geht, Das ohne Lob und Ehre steht, So blühet was in Ehren steht Und seines Lobs nicht irre geht.

Ich weiß wohl, Mancher ist gewohnt, Daß er das Gute übel lohnt Und Übles wieder gut belohnt: Der ist an übeln Lohn gewohnt.

Cunst und einsichtsvoller Sinn Bringt Eins dem Andern nur Gewinn; Kommt Neid dazu um Brotgewinn, So muß erlöschen Kunst und Sinn.

Hei, Tugend, schmal sind deine Stege, Gar kümmerlich all deine Wege. Doch deine Wege, deine Stege Wohl ihm, der sie da geh und stege!

Trieb ich die Zeit vergebens hin, So zeitig ich zu leben bin, So führ ich in der Welt dahin, Der Welt so werth nicht als ich bin.

Ich hab ein neues Thun mir jetzt Der Welt zu Liebe vorgesetzt Und edeln Herzen zum Genuß, Den Herzen, die ich lieben muß, Der Welt, die meinem Sinn gefällt: Nicht mein' ich aller Andern Welt, Die Welt, von der ich höre sagen, Daß sie kein Mühsal möge tragen Und nur in Freuden wolle schweben; Die laß auch Gott in Freuden leben!

Der Welt und solchem Leben Scheint mein Gedicht uneben. Solch Leben ist nicht meine Welt, Eine andre Welt mir wohlgefällt: Die zusammen hegt in Einer Brust Das süße Leid, die bittre Lust, Das Herzensglück, die bange Noth, Das selge Leben, leiden Tod, Den leiden Tod, das selge Leben. Dem Leben hab ich meins ergeben, Der Welt will ich ein Weltkind sein, Mit ihr verderben und gedeihn. Bei ihr bin ich bisher geblieben, Mit ihr hab ich die Zeit vertrieben, Die mir in vielbedrängtem Leben Geleit und Lehre sollte geben. Der hab ich Thun und Thätigkeit Zu ihrem Zeitvertreib geweiht, Daß sie durch meine Märe, Welch Leid sie auch beschwere, Zu halber Lindrung bringe, Ihre Noth damit bezwinge; Denn hat man des zuweilen Acht, Was uns die Weile kürzer macht, Das entbürdet bürdeschweren Muth, Das ist für Herzenssorgen gut. Es zweifelt Niemand daran: Wenn der müßige Mann Mit Liebesschaden ist beladen, So mehrt die Muße Liebesschaden; Bei Liebesleiden Müßigkeit, So wächst nur noch der Liebe Leid. Drum rath ich, trägt wer Schmerzen Und Liebesleid im Herzen, So widm er sich mit Kräften Zerstreuenden Geschäften, Damit das Herz in Muße ruht: Das ist dem Herzen herzlich gut. Doch ist es nimmer wohlgethan, Wenn ein liebesiecher Mann Sich solchen Zeitvertreib erkührt, Der reiner Liebe nicht gebührt: Mit edeln Liebeskunden Versüß er seine Stunden, Die mag ein Minner minnen Mit Herzen und mit Sinnen.

Noch hört man Eine Rede viel, Die ich nicht ganz verwerfen will: Je mehr ein Herz, das Liebe plage, Sich mit Liebesmären trage, Je mehr gefährd es seine Ruh. Der Rede stimmt' ich gerne zu, Wär Eins nicht, das mir Zweifel regt: Wer innigliche Liebe hegt, Daß er im Herzen Schmerzen spürt, Der bleibt von Schmerz nicht unberührt. Der innigliche Liebesmuth, Je mehr in seines Triebes Glut Der brennt und liebend lodert, Je mehr er Liebe fodert. Dieß Leiden ist so voll der Lust, Dieß Uebel thut so wohl der Brust, Daß es kein edles Herz entbehrt, Weil dieß erst Muth und Herz gewährt. Mir ist gewisser nicht der Tod, Nicht sicherer die letzte Noth, Fühlt Einer Liebeswunden, So liebt er Liebeskunden. Wer solcher Mären trägt Begier, Der hat nicht weiter als zu mir. Ich weiß ihm wohl ein Märchen, Ein edles Liebespärchen, Das reiner Lieb ergab den Sinn: Ein Minner, eine Minnerin, Ein Mann ein Weib, ein Weib ein Mann, Tristan Isold, Isold Tristan.

Ich weiß wohl, Mancher ist gewesen, Der schon von Tristan hat gelesen. Und doch, nicht Mancher ist gewesen, Der recht noch hat von ihm gelesen.

Tret ich nun aber hin sofort Und sprech ein scharfes Richterwort, Als wolle mir ihr Aller Sagen Von dieser Märe recht behagen, So thu ich anders als ich soll; Ich thu es nicht: sie sprachen wohl Und nur aus edelm Muthe, Mir und der Welt zu Gute. Bei meiner Treu, sie meintens gut, Und was der Mann in Güte thut, Das ist auch gut und wohlgethan. Und stellt ich doch das Wort voran, Als hätten sie nicht recht gelesen, Damit ists so bewandt gewesen: Sie sprachen in der Weise nicht Wie Thomas von Britannien spricht, Der sich auf Mären wohl verstand Und in britannschen Büchern fand All dieser Landesherren Leben, Davon er Kund uns hat gegeben. Was der von Tristans Lebensfahrt Uns Zuverläßges hat bewahrt, Das war ich lang beflißen Aus Büchern zu wißen, Lateinischen und wälschen, Damit ich ohne Fälschen Nach seinem Berichte Berichte die Geschichte. So sucht' ich denn und suchte lang Bis mir des Buches Fund gelang, Darin all seine Meldung stand, Wie es um Tristan war bewandt. Was ich nun so gefunden Von diesen Liebeskunden, Leg ich nach freier Wahl und Kür Allen edeln Herzen für, Daß sie durch Zeitvertreib genesen: Es ist sehr gut für sie zu lesen. Gut? Ja ohne Zweifel gut: Es süßt die Liebe, höht den Muth, Befestigt Treu, verschönt das Leben, Es kann dem Leben Werth wohl geben; Denn wo man höret oder liest, Daß reiner Treu ein Paar genießt, Das weckt in treuen Mannes Brust Zu Treu und aller Tugend Lust. Liebe, Treue, stäter Muth, Ehr und noch manches hohe Gut Gehn dem Herzen nie so nah, Gefallen nie ihm so wie da, Wo man von Herzensliebe sagt Und Herzeleid um Liebe klagt. Lieb ist so reich an Seligkeit, So selig macht ihr Glück, ihr Leid, Daß ohne ihre Lehre Niemand Tugend hat noch Ehre. So viel die Liebe Gutes frommt, So manche Tugend von ihr kommt, Weh, daß doch Alles was da lebt Nicht nach Herzensliebe strebt; Daß ich so Wenige noch fand, Die im Herzen lautern Brand Um Herzensfreunde wollen tragen Und einzig um das Bischen Klagen, Das dabei zu mancher Stund Verborgen liegt im Herzensgrund!

Wie litte nicht ein edler Sinn Ein Übel für so viel Gewinn, Ein Ungemach um so viel Lust? Wer nie von Liebesleid gewust, Wust auch von Liebesfreude nie. Freud und Leid, stäts waren die Bei Minne nicht zu scheiden. Man muß mit diesen beiden Ehr und Lob erwerben, Oder ohne sie verderben.

II. Riwalin und Blanscheflur

Inhaltsverzeichnis

Ein Herr, der in Parmenien saß, Ein Kind an Jahren, wie ich las, Der war, wie uns der Sage Mund Giebt von seinem Leben kund, Köngen gleich wohl an Geschlecht, An Landen Fürsten wohl gerecht, An Leibesschönheit ohne Gleich, Getreu und kühn und mild und reich. Wem er Freude sollte tragen, Dem war er in seinen Tagen Eine freudereiche Sonne. Er war der Welt Wonne, Der Schildesamtes Lehre, Der Nahverwandten Ehre, Seines Landes Zuversicht. Ihm gebrach an aller Tugend nicht, Die Herren haben sollen, Hätt er nicht immer wollen In seines Herzens Lusten schweben Und nur nach Seinem Willen leben, Was endlich auch sein Schade war; Denn es ist und bleibt doch wahr, Aufblühnde Jugend, reiches Gut, Die zwei sind voller Übermuth. Vertragen, was doch Mancher kann, Der mehr besitzt als Er gewann, Daran gedacht er selten: Übel mit Übel gelten, Kraft der Kraft entgegensetzen, Daran hatt er sein Ergetzen. Nun thut es nie die Länge gut, So Einer Alles, was man thut, Vergilt mit Kaiser Karls Gewicht. Weiß Gott, es ist dem Manne Pflicht, Andern Manches nachzusehn, Soll ihm nicht Schaden oft geschehn. Wer Schaden nicht vertragen kann, Dem reiht sich Schad an Schaden an, Es ist ein unheilvoller Brauch; Fängt man doch so den Bären auch: Der rächt den einzelnen Schaden, Bis er mit Schaden wird beladen. Das wars, warum es ihm misslang, Denn er rächte sich so lang Bis er dabei zu Schaden kam. Daß er solchen Schaden nahm, Geschah ihm keiner Bosheit wegen Wie Andre sich zu schaden pflegen: Der Schade kam ihm im Geleit Seiner Unerfahrenheit, Daß er in blühnder Jugend Mit junger Herren Tugend Verscherzte seines Glückes Huld; Sein kindscher Leichtsinn trug die Schuld, Der seine üppgen Ranken Ihm trieb in den Gedanken. Er war wie alle Kinder sind, Denn für die Folgen sind sie blind. Ihm stiegen Sorgen nie zu Sinn, Er lebt' und lebte nur so hin: Da seines Lebens Quelle sprang, Sich wie der Morgenstern erschwang Und lachend auf die Erde sah, Da wähnt' er, was doch nicht geschah, Daß er so immer sollte leben Und in des Lebens Süße schweben. Nein, seines Lebens Anbeginn Schwand nach kurzem Leben hin; Die junge Morgensonne Seiner Weltwonne, Da die zu leuchten kaum begann, Da brach sein jäher Abend an, Der erst ihm war verborgen, Und löscht' ihm seinen Morgen.

Wie er benannt gewesen Giebt uns das Buch zu lesen: Die Sage sagt uns über ihn, Mit Namen hieß er Riwalin, Daneben noch Kanelengres. Viele melden uns indess, Daß er von Lohneis wär gewesen Und zum König erlesen Über Lohneis das Land. Doch macht uns Thomas ja bekannt, Der es in den Mären las, Daß er zu Parmenie saß Und zu Lehen trug sein Land Von eines Britenfürsten Hand, Dem er zu Dienst war unterthan: Derselbe hieß li duc Morgan.

Da nun der edle Riwalin, Seit Rittersstand ihm war verliehn, Drei Jahr in Ehren zugebracht, Und sich zu eigen längst gemacht Alle Kunst der Ritterschaft, Zu Kriegen volle Macht und Kraft – Er hatte Leute, Land und Gut – Ob ihn da Noth, ob Übermuth Dazu vermochte, weiß ich nicht; Doch griff er, wie die Sage spricht, Morgan, seinen Lehnsherrn, an Als einen schuldigen Mann. Er kam geritten in sein Land Mit so kraftvoller Hand, Daß bald viel Burgen waren Gefällt von seinen Scharen. Die Städte musten sich ergeben, Ihr Gut ihm lösen und ihr Leben, So übel ihnen das gefiel, Bis er an Gold und Gut so viel In Feindeslanden aufgebracht, Daß er seine Kriegesmacht Gar sehr damit vermehrte, Und wohin sein Heer sich kehrte Mit Städten oder festen Plätzen Verfuhr nach seinem Ergetzen. Auch nahm er oftmals Schaden dran, Er entgalts mit manchem biedern Mann, Denn Morgan stellte sich zur Wehr: Er bestand ihn oft mit seinem Heer Und brach ihm ab von seiner Kraft. Denn zu Kriegen und zu Ritterschaft Gehört Verlust und Gewinn, Hiemit so gehn die Kriege hin: Verlieren und Gewinnen, Sie schweben mitten innen. Morgan vergalt ihm Alles wieder, Er warf ihm Städt und Burgen nieder: Seine Habe, seine Leute Entführt' er oft als Beute Und that ihm Abbruch wo es gieng; Obwohl auch das nicht viel verfieng, Denn wieder zwang ihn Riwalin Mit Schaden sich zurückzuziehn, Und trieb das mit ihm alsolang Bis er ihn völliglich bezwang, Daß er am Sieg verzagte Und keinen Kampf mehr wagte Als noch aus seinen Vesten, Den stärksten und den besten. Vor denen lag dann Riwalin Und zog mit Obmacht wider ihn Zu Stürmen und zu Streiten. Er trieb ihn auch allzeiten Siegreich wieder in das Thor. Auch hielt er manchesmal davor Turnei mit voller Ritterschaft. So lag er stäts ihm ob mit Kraft Und haust in seinem Lande Mit Raub und mit Brande Bis ihn um Frieden bat Morgan Und mit aller Noth von ihm gewann, Daß getagt ward und zuletzt Ein jährger Friede festgesetzt. Dem Frieden ward von Beiden Mit Bürgen und mit Eiden Volle Gültigkeit verliehn. Froh und reich zog Riwalin Mit den Seinen heim zu Land, Belohnte sie aus milder Hand Und belud sie all mit Gaben; Ließ sie dann Urlaub haben Und wohl nach seinen Ehren Zu ihrer Heimat kehren.

Als es Kanelen so gelang, Darnach so währt' es nicht mehr lang, Bis er einer neuen Fahrt Sich zu ergetzen schlüßig ward. Er beschickte sich zur Reise In so glänzender Weise Wie der Ehrbegierge thut. All das Geräth und all das Gut, Dessen binnen Jahresfrist Solch ein Herr benöthigt ist, Das ward ihm in ein Schiff getragen. Oftmals hatt er hören sagen, Wie höfisch, reich an Ehre Der junge König wäre, Mark, vom Lande Cornewal; Des Preis vernahm man überall. Cornewal und Engelland, Die dienten beide seiner Hand. Durch Erbschaft war er Cornwals froh; Um England aber stand es so: Es war ihm zugewachsen, Als die galischen Sachsen Die Briten dort vertrieben Und des Landes Herrn verblieben; Daher es auch den Namen kor: Es hieß Britannien zuvor; Doch anders ward es jetzt genannt: Nach den Galen Engelland. Da Die das Land besaßen Und unter sich vermaßen, Da wollten Alle Königlein Und ihre eignen Herren sein. Das schlug zu Aller Schaden aus: Mit Mord und blutigem Strauß Brachten sie sich selbst zu Falle. Zuletzt befahlen sie Alle In Markes Schutz sich und das Land. Der hielt es mit so starker Hand Nun in seiner Macht beschloßen, Kein König hat noch je genoßen Ergebnern Dienst von seinem Reich. Die Geschichte meldet uns zugleich, Daß in aller Länder Kreiß, So weit gedrungen war sein Preis, Kein Fürst geehrter war denn Er.

Dahin war Riwalins Begehr: Bei Marke wollt er bleiben, Ein Jahr mit ihm vertreiben Und üben seine junge Kraft, Daß er lerne neue Ritterschaft Und der feinern Sitte Brauch. Sein edles Herze sagt' ihm auch: Wer fremder Lande Sitten weiß, Verbeßert so der eignen Preis Und erwirbt sich Ruhm und Lob. Das wars, warum er sich erhob. Er befahl die Leute wie das Land In seines Marschalles Hand, Eines Herr in seinem Reich: Weil er getreu war ohne Gleich Hieß er Rual li foitenant. So hob sich Riwalin zu Hand Mit zwölf Gesellen über Meer: Er brauchte zum Geleit nicht mehr; Mit diesem Volk begnügt' er sich. Da nun der Zeit so viel verstrich, Daß er zum Lande Cornwal kam, Und auf dem Meere schon vernahm, Daß König Mark, der hehre, Zu Tintajöle wäre, Da wandt er seine Fahrt dahin. Er stieß ans Land: da fand er ihn Und ward von ganzem Herzen froh. Sich und die Seinen schmückt' er so, Daß er Lob erwarb bei Jedermann.

So zog er an den Hof heran. Da kam mit fürstlichem Prangen Der Fürst ihn zu empfangen Und all die Seinen so wie ihn. Man erwies da Riwalin So viel Ehre beim Empfang, Daß es ihm sein Leben lang Zu keiner Zeit, an keinem Ort So wohl geboten ward als dort. Darüber flog ihm hoch der Muth, Der Hofbrauch deucht ihn schön und gut. Oft gedacht er auch bei sich: »Fürwahr, der Himmel selbst hat mich Zu diesem Volke hergebracht! Mich hat das Glück gar wohl bedacht. Was je zu Markes Ruhme mir Noch ward gesagt, das find ich hier. Gar höfisch lebt er und gut.« Da sagt' er Marken seinen Muth, Und warum er wär gekommen. Als Marke nun vernommen Hatte, was er suche hier, »Willkommen«, sprach er, »Gott und mir! Leib und Gut und was mein eigen Soll sich zu euerm Willen neigen.«

Riwalin der war da voll Des Hofs, der Hof war seiner voll. Liebgewonnen ward er gleich Und werthgeschätzt von Arm und Reich, Daß nie ein Gast geliebter war. Das verdient' er auch fürwahr: Der tugendreiche Riwalin, Der war und wies auch fernerhin Sich mit Leib und Gute In geselligem Muthe Zu ihrer Aller Dienst bereit. So lebt' er in der Würdigkeit Und in der rechten Güte, Die er in sein Gemüthe Mit neuem Wachsthum täglich nahm, Bis Markes Hofgelage kam.

Zu diesem Hoffest waren Beschieden ganze Scharen Durch Gebot und Bitte. Auf seine Ladung, das war Sitte, Kam die Ritterschaft zuhand Aus dem Königreich zu Engelland Jedes Jahr zu Einem Mal Gefahren hin gen Cornewal. Da sah man auch in ihrer Schar Viel schöne Frauen süß und klar Und manch andre Herrlichkeit.

Nun war des Hofgelages Zeit Verkündet und gesprochen In die blühnden vier Wochen, Von des süßen Maien Anbeginn Bis seine Wonne schwindet hin. Bei Tintajöl wars auf dem Plan, Wo die Gäste sich ersahn In der wonnigsten Au, Die jemals eines Auges Schau Erlugt in ihrer Lieblichkeit. Die sanfte süße Sommerzeit Hatte die süße Schöpferhand Mit süßem Fleiß auf sie gewandt. Die kleinen Waldvögelein, Die der Ohren Freude sollen sein, Gras, Blumen, Laub und Blüthenpracht, Und was die Augen selig macht Und ein edles Herz erfreuen soll, Des war die Sommeraue voll. Man fand da, was man wollte, Daß der Frühling bringen sollte: Den Schatten bei der Sonnen, Die Linde bei dem Bronnen; Die sanften, linden Winde, Die Markens Ingesinde Scherzend entgegen fächelten; Die lichten Blumen lächelten Aus dem bethauten Grase. Des Maien Freund, der grüne Wase, Der hatt aus Blumen angethan Ein Sommerkleid so wohlgethan, Daß sie dem Gast aus Mienen Und Augen wiederschienen. Die süße Baumbluth sah den Mann Mit so süßem Lächeln an, Daß sich das Herz und all der Muth Wieder an die lachende Bluth Mit spielenden Augen machte Und ihr entgegen lachte. Das sanfte Vogelgetöne, Das süße, das schöne, Das Ohren und Muthe So lieblich kommt zu Gute, Scholl aus den Büschen überall. Die selige Nachtigall, Das liebe, süße Vögelein, Das immer selig müße sein, Das sang aus der Kühle Mit solchem Hochgefühle, Daß den edeln Herzen all Gab Freud und hohen Muth der Schall.

Nun hatte die Gesellschaft sich In hohen Freuden lustiglich Gelagert auf den Anger hin; Ein Jeglicher nach seinem Sinn. Wie Jedes Laun und Lust bestellt, Darnach beschafft' er sich ein Zelt: Die Reichen lagen reichlich, Die Höfschen unvergleichlich;Die lagen unter Seide,Die unterm Schmuck der Haide. Vielen gab die Linde Schatten; Andre sich gehüttet hatten Mit laubgrünen Aesten. Von Gesinde noch von Gästen Ward so wonniglich wohl nie Geherbergt, als sie lagen hie. Die Hüll und Fülle war bereit Wes man bedarf zur Lustbarkeit An Gewand und guter Speise; Ein Jeder hatte weise In der Heimat sich bedacht. Auch ließ mit königlicher Pracht Sie König Mark versorgen: Sie genoßen ohne Sorgen Hier der schönen Frühlingszeit. So begann die Lustbarkeit, Und was der schaubegierge Mann Nur zu schauen Lust gewann, Das war zu schauen Alles da: Man sah da was man gerne sah. Die sahn nach schönen Frauen,Die giengen Tanzen schauen,Die sahen Buhurdieren, Die andern Tiostieren: Wozu das Herz Verlangen trug, Das fand sich Alles da genug. Denn Alle, die da waren Von freudereifen Jahren, Die flißen sich im Wechselstreit Zu Freuden bei der Lustbarkeit. Und König Mark, der gute, Der höfsche, hochgemuthe, Hätt er auch nicht alle Macht Verwandt auf seines Festes Pracht, So ließ er doch hier schauen Ein Wunder aller Frauen, Seine Schwester Blanscheflur, Eine Magd, so schön, als nur Ein Weib auf Erden ward gesehn. Ihrer Schönheit muste man gestehn, Sie sehe kein lebendger Mann Mit inniglichen Augen an, Der nicht darnach in seinem Sinne Fraun und Tugend höher minne.

Die selge Augenweide, Die machte auf der Haide Fröhlich manches junge Blut, Manch edles Herze hochgemuth. Auch sah man auf der Auen Noch viel so schöne Frauen, Daß Jede nach der Schönheit Schein Eine reiche Köngin mochte sein. Es musten Alle, die sie sahn, Frischen Muth davon empfahn: Viel Herzen wurden freudenreich. Hiemit begann der Buhurd gleich Von Gesind und Gästen. Die Kühnsten und die Besten, Die ritten auf und ab die Bahn; Der edle Marke stäts voran Und sein Geselle Riwalin, Und seiner Ritter viel um ihn, Die all beflißen waren, Im Spiel so zu gebahren, Daß es ihm Ehre brächte So oft man des gedächte. Manch Ross im Ueberkleide Von Tuch und halber Seide Ersah man auf dem Flecke; Manche schneeweiße Decke, Oder gelb, roth, braun, grün oder blau; Andre trugen sie zur Schau Aus edler Seide wohlgewirkt, Andre vielfach ausgezirkt, Getheilt, gestreift, bordieret, So oder so verzieret. In Waffenröcken zeigten sich Die Ritter, schön und wonniglich, Geschlitzt als wärs zerhauen. Auch ließ der Frühling schauen, Daß er Marken günstig war; Denn Viele trugen in der Schar Kränzlein aus der Blumen Pracht, Die er zur Steuer ihm gebracht.

In solchem wonnevollen Mai Begann das wonnige Turnei. Oft wirrte sich das Doppelheer, Es warf sich hin und warf sich her: Das trieben sie so lang und viel Bis dahin sich zog das Spiel, Wo Blanscheflur die süße, Die ich ein Wunder grüße, Mit andern schönen Frauen Da saß, es anzuschauen, Wie sie so herrlich ritten, Mit so kaiserlichen Sitten, Daß manches Aug es gerne sah. Doch was von Andern auch geschah, Doch wars der höfsche Riwalin, Und so geziemt' es sich für ihn, Der vor der ganzen Ritterschaft Das Beste that mit seiner Kraft. Auch nahmen sein die Frauen wahr, Und sprachen, daß in all der Schar Niemand nach Rittersitte So behend und herrlich ritte. Sie lobten was man an ihm sah. »Seht«, sprachen sie, »der Jüngling da, Das ist ein wonnevoller Mann! Wie wonnig steht ihm Alles an Was er begeht, wie er sich hält. Wie ist sein Leib nach Wunsch bestellt, Wie fügen sich mit gleichem Scheine Seine kaiserlichen Beine! Den Schild, wie trägt er ihn so eben Wie festgeleimt sieht man ihn schweben. Wie ziemt der Schaft in seiner Hand! Wie herrlich sitzt ihm sein Gewand; Wie steht sein Haupt, wie glänzt sein Haar. Süß ist sein Gebahren gar, Voll Seligkeit sein ganzer Leib. O, wohl ist das ein selig Weib, Die ihm ihr Glück soll danken.« Wohl merkte die Gedanken Blanscheflur die gute: Sie trug in ihrem Muthe Wohl vor den Andern allen An ihm ihr Wohlgefallen. Sie hatt ihn sich ins Herz geschloßen, Er war ihr in den Sinn geschoßen: Er trug auf hohem Throne Das Scepter und die Krone In ihres Herzens Königreich, Ob sie ihr Geheimnis gleich Vor der Welt so gut verbarg, Daß des Niemand hatt ein Arg.

Als das Kampfspiel war gethan, Die Ritter schieden von dem Plan Und sich ein Jeder kehrte, Wohin ihn Laune lehrte, Der Zufall bracht es da so mit, Daß Riwalin zur Stelle ritt, Wo Blanscheflur die schöne saß. Da sprengt' er näher durch das Gras, Und als er ihr ins Auge sah, Gar minniglich begann er da: »Ah! Dê vous sal, la belle!« »Merzi«, dit la Püzelle, Und sprach beschämt entgegen: »Gott, der Heil und Segen In die Herzen flößt mit voller Flut, Der flöß euch Heil in Herz und Muth Und halt euch hochbegnadet, Meinem Recht unbeschadet, Das ich an euch fordern kann.« – »Ach Süße, was verbrach ich dann?« Fiel höfisch Riwalin ihr ein. Sie sprach: »An einem Freunde mein, Dem besten, den ich je gewann, An dem habt ihr mir Leid gethan.« Ach Himmel, dacht er da bei sich, Was will sie sagen? Was hab ich Begangen wider ihre Huld? Wes giebt mir die Holde Schuld? Er wähnte, daß er etwa Wen Der Ihren, diesen oder den, Unwißend, ohne Vorbedacht, Zu Schaden bei dem Spiel gebracht, Und deshalb ihm die Hehre Erzürnt und abhold wäre. Nein, der Freund, nach dem er frug, Das war ihr Herz, in dem sie trug Um seinetwillen Ungemach: Das war der Freund, von dem sie sprach. Weil er sich des nun nicht versann, Als ein höfischer Mann Sprach er inniglich zu ihr: »Ich will nicht, Schöne, daß ihr mir Haß und argen Willen tragt: Ist es so wie ihr mir sagt, So richtet selber über mich: Was ihr gebietet, thu ich.« Die Süße sprach: »Um den Verstoß Ist noch mein Zorn nicht allzu groß; Ich lieb euch auch darum nicht sehr: Versuchen will ich euch vorher, Wie ihr mir wollt zu Buße stehn Für das Leid, das mir von euch geschehn.«

Da neigt' er sich und wollt hindann. Und sie, die Schöne, seufzt' ihn an Gar insgeheim, indem sie sprach Aus inniglichem Herzen: »Ach, Mein lieber Freund, Gott segne dich!« Da zuerst entspann es sich Mit Gedanken her und hin. Von dannen eilte Riwalin Vor Minnen ohne Sinne; Zu sinnen trieb ihn Minne Was Blanscheflur ihm schmolle Und ihm mit Grolle wolle. Ihren Gruß, ihr Wort erwog er nun, Ihr Seufzen, Segnen, all ihr Thun Ward in Betracht genommen. Schon hatt er Muth bekommen, Ihr Seufzen, ihren süßen Segen, Zu seinen Gunsten auszulegen. Er glaubt' es wahrlich klar zu sehn, Sie wären beide geschehn Aus anders nichts als Minne. Das entzündet' ihm die Sinne, Daß sie hinwieder fuhren Und nahmen Blanschefluren Und entführten sie sogleich In Riwalinens Herzensreich Und krönten festlich sie darin Ihm zu einer Königin. Ja, Blanscheflur und Riwalin, Der König, die süße Königin, Theilten unter sich gar gleich Ihrer Herzen zwiefach Königreich! Das ihre fiel an Riwalin; Der Blanscheflur ward seins verliehn, Doch so daß Keines sich versah Was mit dem andern Theil geschah. So hatten diese Beiden sich Zu gleicher Zeit einmüthiglich Einander in den Sinn genommen. Da war zu Herzen Herz gekommen: Sie lag auch ihm im Herzen Mit den gleichen Schmerzen, Die sie um seinetwillen trug. Weil er aber nicht genug Gewissheit mocht erlangen, Womit sie war befangen, Ob mit Haß ob mit Minne, So musten seine Sinne Im Meer des Zweifels schwanken. Ihm schwankten die Gedanken Bald hinab und bald hinan. Jetzt fürwahr wollt er hindann, Dann wollt er plötzlich wieder her; So hatt er sich zuletzt so sehr Verstrickt in seinem Sinnen, Er konnte nicht von hinnen.

Der gedankenvolle Riwalin, Ein Beispiel ist an ihm verliehn, Daß der minnende Muth Gleich dem freien Vogel thut, Der frei auf manchem Zweig sich wiegt Und jetzt auf den geleimten fliegt. Wenn er nun verspürt den Leim, So flög er gerne wieder heim: Da klebt er mit den Füßen schon; Er regt die Schwingen, will davon Und rührt an keinem Ort das Reis, Wärs noch so linde, noch so leis, Der ihm nicht neue Lähmung schafft. So schlägt er dann aus aller Kraft Her und hin und hin und her, Bis er mit seiner Gegenwehr Sich selbst zuletzt besiegt und fängt Und fest geleimt am Zweige hängt. Ganz in derselben Weise thut Des Jünglings unbezwungner Muth: So der in Liebessorgen kommt Und Liebe Wunder an ihm frommt Durch süßer Schmerzen Kunde, So will der Schmerzlichwunde Zu seiner Freiheit wieder: Doch wieder zieht ihn nieder Der süße Leim der Minne, Er verfängt sich so darinne, Daß er sich mit allem Fleiß Nicht hin noch her zu helfen weiß. So war es Riwalin ergangen, Also hatte sich verfangen In der Minne Leim sein Sinn Zu seiner Herzenskönigin. Ihn brachte die Verwirrung In wunderliche Irrung, Da er nicht wuste, ob ihr Muth Ihm übel wolle oder gut: Er erkannte weder dieß noch das, Ihre Minne nicht, noch ihren Haß. Nicht Trost noch Zweifel hielten Stand; Er wollte fort, und war gebannt. So zogen Trost und Zweifel ihn Ohne Ende her und hin: Trost sagt' ihm Minne, Zweifel Haß. Dieser Zwist bewirkte das: Er konnte mit Vertrauen, Auf keins von beiden bauen, Auf Haß noch auf Minne. So schwebten seine Sinne In einem unsichern Port. Trost trieb ihn her und Zweifel fort: Kein Verlaß war an den zwein, Sie stimmten niemals überein. Wenn Zweifel kam und er erfuhr, Ihn haße seine Blanscheflur, So wankt' er und beschloß zu gehn; Sogleich kam Trost und ließ ihn sehn Ihre Gunst und süßes Minneglück: Das bracht ihn wieder ihr zurück. So konnt er sich nicht rühren mehr, Er wuste weder hin noch her. Je stärker er entgegen rang, Je fester ihn die Minne zwang. Je heftiger er sich entwand, Je enger schlang die Minn ihr Band. So trieb es Minne mit ihm lang, Bis doch der Trost den Sieg errang, Den Zweifel endlich ganz vertrieb Und Riwalin gewiss verblieb, Seine Blanscheflur die minne ihn. Da war sein Herz und all sein Sinn Allein auf sie gerichtet Und aller Streit geschlichtet.

Da nun die süße Minne Sein Herz und seine Sinne Ganz unterthänig sich gemacht, Da hätt er doch sich nicht gedacht, Daß so viel Leid und Wehe Aus Herzelieb entstehe. Als er, was ihm mit Blanscheflur Geschehen war und widerfuhr, Von Anbeginn betrachtete, Genau auf Alles achtete, Ihre Schläfe, Stirne, Lockenhaar, Ihren Mund, ihr Kinn, ihr Wangenpaar, Den freudenreichen Ostertag, Der lachend ihr im Auge lag, Da kam die rechte Minne, Die Befeurerin der Sinne, Und facht' ihr Sehnsuchtsfeuer an, Das Feuer, das ihm lodernd brann Im Herzen, und zur Stunde Ihm gab gewisse Kunde, Was für ein schmerzlich Wehe Aus Liebesleid entstehe. Denn ihm begann ein neues Leben, Das Leben war ihm neu gegeben: Er verwandelte darin Ganz seine Sitte, seinen Sinn, Und ward zumal ein andrer Mann Denn Alles was er jetzt begann War ein so wunderlich Betragen, Mit Blindheit schien er oft geschlagen; Seine angebornen Sinne, Die waren von der Minne So verwildert und verstört, Als hätten sie ihm nicht gehört. So schwächten ihn die Schmerzen: Lachen aus vollem Herzen Wie sein Brauch gewesen war, Das verlernt' er ganz und gar. Schweigen und in Sorgen schweben War hinfort sein bestes Leben; Denn all sein Sinn, all seine Kraft Lag in seines Kummers Haft.

Auch verschonte Liebesschmerz Nicht der jungen Blanschflur liebend Herz: Sie war auch mit demselben Schaden Durch ihn, wie er durch sie, beladen. Die gebieterische Minne War auch in ihre Sinne Allzu stürmisch gekommen, Und hatt ihr mit Gewalt genommen Schier alle Ruh und ebnes Maß. Seit die Liebe sie besaß War gegen sich und vor der Welt Ihr Betragen ganz entstellt. Die Freuden, die sie sonst geletzt, Die Scherze, die sie sonst ergetzt, Die däuchten sie nun widerlich. Ihr ganzes Leben fügte sich Nur allein nach dem Gebot Ihrer bittersüßen Herzensnoth. Doch wieviel ihr junger Muth Von Sehnsucht litt und Liebesglut, Sie wuste doch nicht was ihr war. Denn jetzt zuerst ward sie gewahr, Was für ein schmerzlich Wehe Aus Herzeleid entstehe. Oft sprach sie zu sich selber noch: »O weh, mein Gott, wie leb ich doch! Wie und was ist mir geschehn? Hab ich doch manchen Mann gesehn, Von dem mir nie ein Leid geschah; Und seit ich diesen Mann ersah, So wird mein Herz mir nimmermehr So frei und fröhlich als vorher. Dieß Sehn, das ich an ihm gethan, Davon allein hab ich empfahn Nahegehnden Leids genug. Mein Herz, das niemals Schmerz ertrug, Das ist davon versehret; Es hat mir ganz verkehret So die Seele wie den Leib. Soll aber einem jeden Weib, Die ihn höret oder sieht, Von ihm geschehn wie mir geschieht, Und ist das ihm angeboren, So ist viel Schönheit hier verloren, Es ist ein unheilvoller Mann. Wenn er aber zaubern kann, Und durch seine Zauberlist Dieß Wunder mir geschehen ist Und diese wunderliche Noth, So wär er sehr viel beßer todt, Und sollt ihn nie ein Weib mehr sehn. Gott! Wie ist mir von ihm geschehn, Und geschieht mir stündlich schlimmer! Gewiss, ich sah doch nimmer Ihn oder einen andern Mann Mit feindlichen Augen an, Und trug auch Niemanden Haß. Wie denn verschuldet hätt ich das, Daß mir von Jemand Leid geschähe, Auf den ich gerne freundlich sähe?

»Was schelt ich doch den guten Mann? Unschuldig ist er wohl daran, Was mir für Herzeleid geschah, Und noch geschieht seit ich ihn sah, Weiß Gott, es wird daran allein Das eigne Herz mir schuldig sein. Viel Andre kamen auch dahin: Verschuldet Er es, daß mein Sinn Vor den Andern allen Auf Ihn allein verfallen? Denn als so manches edle Weib Seinen kaiserlichen Leib Rühmte, und ich überall Seinen Preis wie einen Ball Hin und wieder hörte schlagen, Und so viel zu seinem Lobe sagen, Und selbst mit Augen an ihm fand Was man ihm Lobes zugestand, Und was er Preisliches besaß In mein Herz zusammenlas, Das bethörte mir den Sinn: So fiel mein Herz ihm zum Gewinn. In Wahrheit, das bestrickte mich; Der Zauber wars, durch welchen ich Mein selbst vergaß seit dieser Zeit. Er selber that mir nichts zu Leid, Der liebe Mann, um den ich klage, Um den ich Grund zur Klage trage; Mein junger, meisterloser Muth, Der ist es, der mir Leides thut, Der meinen Schaden will ist Der. Er will und will nur allzu sehr Was er nicht wollen sollte, Wenn er bedenken wollte Was Ehr und Zucht verlange; Doch sieht er schon zu lange Nichts als sein Begehren an Nach diesem wonnevollen Mann, Dem er in so kurzer Frist So ganz anheimgefallen ist. Und so mir Gott, ich wähne schier, Erlaubt den Wahn die Ehre mir Und muß ich mich von Magdthums wegen Nicht schämen solchen Wahn zu hegen, So dünkt mich, daß die Herzensklage, Die ich um ihn im Herzen trage, Nichts anders ist als Minne. Ich werd es daran inne, Daß mich verlangt nach seiner Nähe. Wie es immer damit stehe, So fühl ich, daß mein Herz beschleicht Ein Ding, das Mannesliebe gleicht; Denn was ich noch all meine Tage Von verliebter Frauen Klage, Von Minne je vernommen, Das ist mir ins Herz gekommen. Ja, der süße Herzensschmerz, Der so manches edle Herz Quält mit süßen Schmerzen, Der liegt in meinem Herzen.«

Da nun die Höfsche, Gute, Mit ungeteiltem Muthe Ihr Herz erschloß zu dem Entschluß, Wie ein jeder Minner muß, Daß Riwalin ihr Geselle, Ihres Herzens Freudenquelle, Ihr Trost sein müße und ihr Leben, Sie begann ihm Augentrost zu geben, Sah ihn, wo sie ihn mochte sehn: Ließ es die Schicklichkeit geschehn, So suchte sie mit Blicken Ihm süßen Trost zu schicken. Sie ließ oft mit Verlangen Die Augen an ihm hangen, Und sah ihn lang und lieblich an. Als das der minnende Mann, Ihr Freund, begann zu merken, Da begann ihn erst zu stärken Die Minne, die so hold ihm war: Sein Herz entbrannt ihm nun erst gar, Und ersah er jetzt sein holdes Glück, Blickt' er viel süßer noch zurück Als er sonst sie angesehn, Ließ es Zeit und Ort geschehn, War sein Blick, sein Gruß ihr nah. Als die schöne Magd nun sah, Daß er sie minne wie sie ihn, Ihre große Sorge schwand dahin. Sie hatte stäts gedacht bisher, Er trage nicht nach ihr Begehr; Nun sah sie aber wohl, so gut Und so getreu sei ihr sein Muth Als je den Freund die Freundin fand; Das war auch ihm von ihr bekannt. Dieß schürte ihre Flammen: Da begannen sie zusammen Sich zu meinen und zu minnen Mit Herzen und mit Sinnen; Sie hatten Kunde wohl empfangen, Wo Blick' an Freundesblicken hangen, Das sei dem Minnefeuer Eine nährende Steuer.

Das Hofgelag war aufgehoben Und all die Ritterschaft zerstoben, Da hörte Mark die Märe: Ein fremder König wäre, Sein Feind, geritten in sein Land, Mit so kraftvoller Hand, Möge man nicht bald ihm wehren, Werd er das ganze Reich verheeren, So weit ers überreite. Alsbald entbot zum Streite König Mark ein mächtig Heer, Zog wider ihn mit starker Wehr Und focht bis er den Sieg gewann, Und erschlug und fieng so manchen Mann, Daß Der die Gunst des Himmels pries, Den er ledig oder leben ließ. Auch Riwalin, der werthe Held, Ward von einem Sper gefällt; In der Seite saß die Wunde. Die Seinen trugen ihn zur Stunde Als einen halbtodten Mann Aus dem Kampfgewühl hindann Gen Tintajöl mit großem Jammer, Da lag er todsiech in der Kammer. Alsbald erscholl die Märe, Kanelengres der wäre Todwund und in dem Streit erschlagen. Da hob sich bald ein kläglich Klagen So am Hofe wie im Land. Wem sein Werth nur war bekannt, Dem war sein Schade herzlich leid. Sie klagten seine Mannheit, Seinen schönen Leib und süße Jugend, Seine hochgelobte Fürstentugend: Sollten die sobald zergehn Und ein so frühes Ende sehn. Der König selber auch, Herr Mark, Beklagte seinen Freund so stark, Daß er um keinen andern Mann So bittern Kummer je gewann. Ihn weinte manches edle Weib, Viel Jungfraun klagten seinen Leib; Jedem, der ihn je gesehn, War an seinem Leide Leid geschehn. Doch so groß ihr Erbarmen Auch war mit dem Armen, So war es doch alleine Seine Blanscheflur die reine, Die höfische, die gute, Die aus ganzem Muthe Mit Augen und mit Herzen Des Herzgeliebten Schmerzen Weinte mit bitterm Jammer. In einsamer Kammer, Wo sie zu klagen Raum gewann, Da fiel sie sich mit Händen an Und schlug dahin sich tausendmal, Wo der Sitz war ihrer Qual: Der Stelle, wo das Herze lag, Der gab die Schöne manchen Schlag. So marterte das süße Weib Den jungen schönen süßen Leib In so jämmerlicher Noth: Sie hätte jeden andern Tod, Der nicht von Minne war gekommen, Für ihr Leben gern genommen. Sie wär auch wohl verdorben Und in dem Leid erstorben, Hätte sie nicht den Trost gehabt, Sich nicht an Einem Wunsch gelabt Wie es immer möcht ergehn, So wollte sie ihn wiedersehn, Und wenn sie ihn nur sähe, Was ihr darnach geschähe, Da wollte sie sich drein ergeben. So fristete sie sich das Leben Bis sie zu Sinnen wieder kam, Und ernstlich in Berathung nahm Wie sie zum Liebsten käme, Daß sie den Schmerz bezähme.

Darüber kam ihr in den Sinn Ihre gute Meisterin, Die sie stäts und allewege Hielt in treuer Lehr und Pflege Und ihr immer gab Geleit. Die zog sie eines Tags beiseit (Sie waren Beide ganz allein), Und klagt' ihr all die herbe Pein, Wie sie allzeit thun und thaten, Die sich um Liebesnoth berathen. Ihre Augen überquollen, Die heißen Thränen rollen Sah man im vollen Drange Über die lichte Wange. Dabei die Hände gefalten, Flehend empor gehalten: »Ach meines Leides«, sprach die Maid; »Ach«, sprach sie, » welch ein Herzeleid! Ach, herzgeliebte Meisterin, Nun sei die Treue mein Gewinn, Die ohne Ende bei dir ist; Und da du selbst so selig bist, Daß nur Seligkeit und Heil Von deinem Rath mir wird zu Theil, So klag ich dir mein Herzeleid Bei aller deiner Seligkeit: Hilfst du mir nicht, so bin ich todt.« – »Nun Fräulein, was ist eure Noth Und euer klägliches Klagen?« – »Ach, Traute, darf ich dir es sagen?« – »Ja, liebes Fräulein, sagt mirs an.« – »Mich tödtet dieser todte Mann, Von Parmenie Riwalin; Gar zu gerne sah ich ihn, Wüst ich, wie ichs erwürbe, Bevor er ganz erstürbe, Denn leider kann er nicht gedeihn: Willst du dazu mir Hülfe leihn, So versag ich nie dir eine Gabe, So lang ich bin und Leben habe.«

Da sprach bei sich die Meisterin: Wenn ich ihr gefällig bin, Welch großer Schaden ist es dann? Dieser halbtodte Mann Stirbt morgen oder heute noch: So hab ich meinem Fräulein doch Aus Noth geholfen und aus Leid; Hernach vertraut sie jederzeit Vor allen andern Frauen mir. »Lieb Fräulein«, hub sie an zu ihr, »Euer Kummer ist mir herzlich leid, Und wenn ich eurer Traurigkeit Mit meinem Leben steuern kann, So thu ichs, zweifelt nicht daran. Ich geh sogleich zu ihm hernieder; Seh ihn und kehre eilends wieder. Ich erspäh auch die Gelegenheit, Da wo er liegt, und Ort und Zeit, Und erkundge nach den Leuten mich.« Da gieng sie hin und stellte sich Als käme sie ihn zu beklagen, Und sah die Zeit ab, ihm zu sagen, Ihr Fräulein woll ihn gerne sehn, Könn es anders geschehn Mit Fug und in Ehren. Sie kam mit diesen Mären Zu ihrem Fräulein von dem Mann. Sie nahm die Magd und legt' ihr an Eines armen Bettelweibes Kleid. Ihres Angesichtes Schönheit Mit dichten Tüchern sie verband, Und nahm ihr Fräulein bei der Hand Und kam zu Riwalinen so. Der hatte, des Besuches froh, Die Seinen ausgetrieben Und war allein geblieben. Er sprach: »Es ist mein Wille: Ich brauche Ruh und Stille.« Zu den Leuten sprach die Meisterin, Sie brächt ihm eine Ärztin, Und erwarb, daß man sie zu ihm ließ. Den Riegel vor die Thür sie stieß: »Nun« sprach sie, »Fräulein, sehet ihn.« Und sie, die Schöne, eilte hin, Und als sie ihm ins Auge sah, »O weh mir immer!« sprach sie da; »Weh, daß ich jemals ward geboren! Meine Hoffnung, wie ist die verloren!«

Da nickt' ihr Riwalin nur kaum: Die Kräfte ließen ihm nicht Raum Als einem todsiechen Mann. Das sah sie aber wenig an Und verdacht es nicht, nein, liebeblind Saß zu ihm das schöne Kind Und legte ihrem Riwalin Die Wang an seine Wange hin. Bis ihr da zu gleicher Zeit Von Freud und auch von Herzeleid Gar des Leibes Kraft entwich; Ihr rosenfarbner Mund erblich, Die lichten Lebensfarben Erloschen und erstarben, Die sie geziert bis diesen Tag. Ihren klaren Augen ward der Tag Trüb und finster wie die Nacht. So lag sie in der Ohnmacht Und ohne Sinne lange, Ihre Wang an seine Wange Sanft gelehnt, als wär sie todt. Als sie darauf aus dieser Noth Zu Kraft ein wenig wieder kam, Ihr Lieb sie in die Arme nahm, Legt' ihren Mund an seinen Und küsst' in einer kleinen Weil' ihn hunderttausendmal, Bis sich aus ihrem Munde stahl In ihn die Glut der Minne; Denn Minne war darinne. So gab ihr Mund ihm Freude kund Und lieh ihm solche Kraft ihr Mund, Daß er das kaiserliche Weib An seinen halbtodten Leib Nahe zwang und inniglich. Nicht lange mehr verzog es sich Bis da Beider Wunsch ergieng Und das süße Weib empfieng Von des Mannes Heimlichkeit. Auch war er von der süßen Maid Beinah, und von der Minne todt. Half ihm Gott nicht aus der Noth, So konnt er nimmermehr gedeihn; So genas er, denn es sollte sein.

So kam, daß Riwalin genas Und Blanscheflur die schöne saß Von ihm beladen und entladen Mit zwei verschiednen Herzensschaden: Sie ließ groß Leid wohl bei dem Mann, Doch trug sie größeres hindann. Sie ließ sehnliche Herzensnoth Und trug mit sich hinweg den Tod. Die Noth ließ sie mit Minnen dort; Den Tod im Kinde trug sie fort. Und gleichwohl, wie ihr auch geschah, In welcher Weise sie sich sah Von ihm entladen und beladen So mit Frommen als mit Schaden, Ihr Herz sah doch nichts andres an Als die süße Lieb und lieben Mann. Ihr war das bittre Todeslooß, Das Kind nicht kund in ihrem Schooß; Doch Mann und Minne war es wohl. Sie that wie der Lebendge soll Und gern der Minnende thut: Ihr Herz lag, all ihr Wunsch, ihr Muth An Riwalin alleine. Hinwieder lag der seine An ihr und ihrer Minne. So trugen sie im Sinne Eine Liebe nur, und Ein Begehr. So war er sie und sie war er, Er war für sie und sie für ihn, Hier Blanscheflur, da Riwalin, Hier Riwalin, da Blanscheflur, In Beiden Eine Liebe nur. Ihr Leben war Ein Leben so, Sie waren miteinander froh Und erhöhten ihr Gemüthe Durch Liebe sich und Güte. Und konnten sie beisammen sein, Diese Beiden ganz allein, So war ihr Glück vollkommen, Ihnen alles Leid benommen: Sie hätten nimmermehr ihr Leben Um alle Reiche hingegeben.

Doch währte das nicht lange: Kaum war ihr Glück im Gange, Daß sie am Besten lebten, In den höchsten Freuden schwebten, Da empfieng die Kunde Riwalin, Morgan, sein Feind, woll überziehn Mit einem starken Heer sein Land. Auf diese Kunde gleich zur Hand Ward ihm ein Schiff bereit gemacht, All sein Geräth darauf gebracht, Und Alles, Ross und Speise, Beschafft für seine Reise.

Die minnigliche Blanscheflur, Als sie die leide Mär erfuhr Um den herzgeliebten Mann, Da hub erst recht ihr Kummer an, So weh geschah der Armen da, Daß sie nicht hörte mehr noch sah. Gleich einem todten Weibe War sie an ihrem Leibe; Aus ihrem Munde gieng hinfort Nur noch »O weh!« dieß arme Wort. Das eine sprach sie noch allein: »O weh dem Schmerz, o weh der Pein! O weh nun, Minne, weh nun, Mann! Ihr zwei, wie fielet ihr mich an Mit so viel Kummer, so viel Leid. Minne, du Unseligkeit! Da an dir so kurze Freude ist Und du so gar unstäte bist, Was minnt doch all die Welt an dir! Ich seh doch wohl, du lohnest ihr Wie der Ungetreue thut! Es ist dein Ende nicht so gut Als du der Welt verheißest, Die du verlockst und reißest Nach kurzer Freud in lange Pein. Dein verlockender Schein, Die in so falscher Süße schwebt, Trügt Alles was auf Erden lebt. Zu wohl an dir erfuhr ich dieß: Was all mein Glück zu sein verhieß, Läßt mich nun nichts erlangen Als Qual und tödtlich Bangen! Mein Trost fährt hin und läßt mich hier!«

Da so der Jammer sprach aus ihr, Trat ihr Geselle Riwalin Mit betrübtem Herzen vor sie hin Sich den Urlaub zu erbitten. »Gebietet mir«, sprach er mit Sitten, »Ich soll und muß zu Lande fahren; Euch Schöne möge Gott bewahren. Lebt immer glücklich und gesund.« Da erblich ihr andernmals der Mund Und aber fiel sie von der Noth Vor ihm in Ohnmacht und für todt In den Schooß der Meisterin. Ihr Leidgenoße Riwalin, Da der das große Leid ersah, Das seinem Herzelieb geschah, Er entzog sich nicht der Freundespflicht: Ihres Herzeleides ganz Gewicht Trug er mit ihr minniglich, Daß auch ihm die Farb erblich Und alle Kräfte schwanden. So in des Jammers Banden Saß er trauernd zu ihr nieder Schier verzagend, bis sie wieder Doch so weit zu Kräften kam, Daß er sie bei Händen nahm Und hielt das freudenlose Weib Zärtlich gefügt an seinen Leib Und küsst' ihr oft und lange Augen, Mund und Wange, Und herzte sie und hielt sie lieb Bis er die Ohnmacht vertrieb Und sie allmählich genas Und ohne Hülfe aufrecht saß.

Als Blanscheflur nun zu sich kam Und wahr vor sich des Freundes nahm, Da sah sie ihn mit Jammer an: »Ach«, sprach sie, » seliger Mann, Wie ist mir Leid an euch geschehn! Herr! daß ich euch hab ersehn, Wie bracht es mich in Schmerz und Klage, Die ich in meinem Herzen trage Um eurethalb, durch eure Schuld! Durft ich es mit eurer Huld Sagen, Freund, so möchtet ihr Freundlicher wohl thun an mir. Herr und Freund, wie mancherlei Die Schmerzen sei'n, doch sind es drei, Die tödtlich und unwendbar sind. Das Eine ist, ich trag ein Kind, Und nimmermehr genes ich sein, Mir wolle Gott denn Beistand leihn. Des andern Leides ist noch mehr: Mein Bruder und mein Herr, wenn der An mir ersieht dieß Ungemach Und seines eignen Namens Schmach, So wird er mich verderben Und schmählich laßen sterben. Am schwersten ist die dritte Noth Und gar viel bittrer als der Tod. Ich weiß wohl, könnt es sich begeben, Daß mich mein Bruder ließe leben Und nicht darum ersterbte, Daß er mich doch enterbte Und nähme Gut und Ehre: Wohin ich dann mich kehre, So muß ich arm und unwerth sein. Dazu muß ich mein Kindelein, Das den Vater doch am Leben hat, Erziehen ohne Vaters Rath. Das Alles wollt ich minder klagen, Dürft ich die Schmach allein nur tragen, Daß nicht mein Bruder brauchte, Mein Geschlecht auch, das erlauchte, Mit mir zu leiden, und sie mein Und der Schande ledig dürften sein. Wenn aber Allen, die nun sind, Ruchbar wird, ich hab ein Kind Kebslich erworben, und der Schall Durch England geht und Cornewal, Das ist dem wie jenem Lande Eine öffentliche Schande. Und wehe mir, wenn das geschieht, Wo man mich mit den Augen sieht, Daß der Länder zwei von wegen mein Beschimpft, bescholten sollten sein; So wär viel beßer mir der Tod. Seht«, sprach sie, »Herr, das ist die Noth, Das ist die stäte Herzensklage, In der ich alle meine Tage Ersterbe mit lebendgem Leib. Herr, helft ihr nicht dem armen Weib Und fügt es nicht der Himmel so, Ich werde nimmer wieder froh.«

»Traute Frau«, sprach er zu ihr, »Da ihr viel Leides habt von mir, Will ichs euch büßen, wo ich kann, Und Sorge tragen, daß fortan Euch Schande nicht und Wehe Durch meine Schuld entstehe. Was in Zukunft auch geschehen mag, Ich hab an euch so lieben Tag Erlebt, daß es unbillig wär, Wenn ihr irgendwie Beschwer Mit meinem Willen solltet tragen. Frau, ich will euch gänzlich sagen Mein Herz und allen meinen Muth. Es gescheh euch übel oder gut, Lieb oder Leid, des habt Bericht, Davon geschieden werd ich nicht, Da will ich immer sein dabei, Wie kümmerlich es anders sei. Ich biet euch zweier Dinge Kür, Die leget euerm Herzen für: Ich reise oder bleibe hier; Nun wählet und gebietet mir. Wollt ihr, daß ich hier bestehe Und erwarte, wie es euch ergehe, Das sei. Geruhet ihr jedoch Mit mir heimzufahren heute noch, Ich selbst und was ich je gewann, Das ist euch Alles unterthan. Ihr erbotet Liebes mir so viel, Daß ich es euch gedenken will Mit Leben und mit Gute. Wie euch nun sei zu Muthe, Herrin, des bescheidet mich: Was ihr wollt, das will auch ich.«

»Herr, ich dank euch«, sprach sie froh, »Ihr sprecht und bietet mir es so, Daß Gott euch lohnen müße Und daß ich eure Füße Immer gern umfaßen soll. Freund und Herr, ihr wißet wohl, Meines Bleibens kann hier unlang sein. Die Angst um mein Kindelein, Die mag ich leider nicht verhehlen: Wüst ich mich hinweg zu stehlen, Das wäre mir der beste Rath, Da es sich so gewendet hat. Gebieter, dazu rathet ihr.« –

III. Rual li foitenant

Inhaltsverzeichnis

Wer Trauer stäts und Treue Dem Freunde trägt aufs Neue, Dem lebt der Freund aufs Neue; Das ist die gröste Treue.

Wer stäts dem Freunde Trauer trägt, Ihm nach dem Tode Treue hegt, Das ist vor allem Lohne, Ist aller Treue Krone. Mit derselben Krone waren Gekrönt, das hab ich wohl erfahren, Der Marschall und sein Weib, das gute, Die gleiche Treu in Einem Muthe Gott und der Welt bewährten Und durch ihr Vorbild lehrten Vor der Welt und Gott zumal, Daß sie, wie es Gott befahl, Nach ganzer Treue zielten Und sie unverbrüchlich hielten Ohn End und ohne Wende Bis an ihr Beider Ende. Und so Wer sollt auf Erden Für seine Treue werden König oder Königin, So verdienten Sie wohl den Gewinn, Wie ich euch von den Beiden In Wahrheit mag bescheiden, Wie Er und Sie sich treu erwies. Als Blanscheflur ihr Leben ließ Und Riwalin begraben war, Das verwaiste Kind, das sie gebar, Dem giengs nach solchen Ungenaden Gar wohl: es sollt ihm wenig schaden. Der Marschall und die Marschallin Nahmen das kleine Waislein hin Und hielten es mit Sorgen Vor aller Welt verborgen. Sie sagten oder ließen sagen, Ihre Herrin hätt ein Kind getragen, Das wäre mit und in ihr todt. Von dieser dreifachen Noth Mehrte sich des Landes Klage,