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Es ist schon fatal, wenn man in einem Krankenhausbett aufwacht und nicht mitteilen kann, dass man als Kriminalhauptkommissar in Otterndorf eine wichtige Person ist. Erwin Crukowski kann wegen einer dummen Allergie und einer zu einem Badeschwamm verquollenen Zunge nur noch ein Mmmhmmmh herausbringen. Doch durch die Fürsorge, die ihm in dem idyllisch gelegenen Krankenhaus in Otterndorf zuteil wird, geht es ihm bald besser und sogar ausgezeichnet, als er mit seinem Bettnachbarn, dem Gutsherrn Alfons von der Geest, die schwierigsten Kreuzworträtsel knacken kann. Bis die Schwiegertochter des adeligen alten Herrn ins Zimmer flattert. Mit sich führend eine Wolke teuren Parfums sowie ein grünes Fläschchen voll Kräutermedizin. Wirklich nur Kräutermedizin???
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Ein Otterndorf-Krimivom Autorenteam Ilona • Bettina • Gaby
Sonderausgabe Mai 2025, Otterndorf Copyright Autorenteam Hadelner Krimi-Ladies (Ilona Waldera - Bettina Hartig - Gaby Joppien )
Das Autoren-Trio HADELNER KRIMI-LADIES hat sich im Rahmen eines Krimi-Workshops der VHS Landkreis Cuxhaven im Wintersemester 2020 im Marinefliegermuseum Aeronauticum in Nordholz zusammengefunden. Seitdem frönt es dem mörderischen Treiben in Schriftform und hat dabei immer ein Augenmerk auf die besonders interessanten Plätze und Merkmale der heimatlichen Region. (Siehe Seite 155)
Sollte der aufmerksame Leser in diesem Krimi Personen finden, die ihm irgendwie bekannt vorkommen, handelt es sich um eine Art Zufall. Der durchaus erwünscht ist, wenn er dem Leser Vergnügen bereitet.
Es ist kalt geworden. Der Herbst hat Einzug gehalten in Otterndorf. Die letzten Insekten suchen hektisch nach zuckerhaltiger Nahrung bevor sie dem Winter zum Opfer fallen. Die Touristen, die Otterndorf im Sommer bevölkert haben, sind abgereist. Die Blätter sind gelb und fallen von den Bäumen, die Natur macht sich bereit für eine Ruhepause.
Von einer Ruhepause kann im Krankenhaus Otterndorf leider keine Rede sein. Alle Betten sind belegt, die Patienten geben keine Ruhe und halten die Belegschaft auf Trapp.
Die Schwester geht noch ein letztes Mal in Zimmer 115. „Guten Morgen die Herren. Wer hat geklingelt?“
Mit wild gestikulierenden Händen versucht der Mann im Krankenbett vorne rechts die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Das Gesicht ist bis zur Unkenntlichkeit geschwollen, Lippen wie Fahrradschläuche, die Augen sind nur noch dünne Schlitze.
“Mmpf..bmmb..prmm pmmm umm vmnn..m..gnn zmm!” Das Sprechen fällt schwer, weil auch die Zunge taub ist. Der Mann versucht der Frau im blauen Kasack und blauer Hose etwas mitzuteilen, aber die wiegelt nur ab: „Jaja, ich weiß… noch eine Infusion und es wird Ihnen schon besser gehen. Beruhigen Sie sich und warten Sie einfach ab!“ Damit ist sie schon wieder verschwunden. Es ist das Ende ihrer Nachtschicht und nach der Übergabebesprechung will sie endlich nach Hause.
Im Schwesternzimmer sitzen schon alle zusammen und warten, auch Uschi ist von der Partie. Sie übernimmt jetzt die Patienten der Station 1. Wieder einmal eine Extraschicht, weil einige Kollegen krank geworden sind.
„Also, wir haben zwei Neuzugänge: Freiherr von der Geest, 80 Jahre alt, wegen einer Herzschwäche und Verwirrtheit. Die Angehörigen sind sehr anstrengend und haben sich schon beschwert, weil er in einem 2-Bett-Zimmer liegt. Zimmer Nr. 115. Daneben ist heute Nacht noch ein „anaphylaktischer Schock“ eingeliefert worden. Infusionen laufen bereits, es handelt sich um………“
Uschi hört gar nicht mehr richtig zu, Freiherr Alfons von der Geest, das ist ja mal eine Nummer. Er gehört zur High Society im Land Hadeln. Der Großgrundbesitzer mit dem imposantesten Gutshof, inklusive Hofladen, Café und einem Gestüt. Im Sommer veranstalten sie dort Treibjagden. Allein bei dem Gedanken gräbt sich ihr eine tiefe Zornesfalte in die Stirn. Widerlich, die Bewohner des Waldes gnadenlos zu hetzen, bis sie schußgerecht vor der Flinte stehen, und der Jäger nur noch den Finger am Abzug krümmen braucht. Ja, es ist kein Geheimnis, Krankenschwester Uschi ist keine Freundin der Jagd! Trotzdem, das muss sie sich selbst eingestehen, wäre sie liebend gern einmal auf einem dieser Reiterbälle dabei.
Als die Klingel von Zimmer 115 läutet, springt Uschi gleich auf: „Ich gehe schon!“
Die Brünette mit dem gut sitzenden Kittel klopft an und betritt das Krankenzimmer, Herr Freiherr von der Geest liegt im Bett am Fenster: „ Herr von der Geest, was kann ich für Sie tun?“
“Mmpf..bmmb..prmm pmmm umm vmnn..m..gnn zmm!” meldet sich dieser Bettnachbar zu Wort.
Sein Gesicht ist stark gerötet und aufgequollen wie ein Hefeteig, die Augen so prall wie Tomaten, die Haare zerzaust. Irgendwie kommt dieser Patient Uschi bekannt vor, aber im Moment kommt sie nicht drauf.
“Ich habe nicht gerufen, mein Fräulein, sondern der Herr Kommissar!“ informiert sie der alte Adelsmann. Im Gegensatz zu seinem Bettnachbarn besitzt er Würde. Er artikuliert sich kultiviert. Von seiner angeblichen Verwirrtheit ist nichts zu merken.
Aber was hat er gerade gesagt? Kommissar? Bei genauerer Betrachtung hat der Hefekloßmann tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit mit…mit….HERRN CRUKOWSKI ??!!. Tatsächlich. Na warte! Kleine Rachegelüste perlen empor wie Luftbläschen im Whirlpool. Viel zu oft wurde die Krankenschwester und Hobbydetektivin von diesem Herrn in ihre Schranken gewiesen, obwohl sie ihm bei der Aufklärung einiger Fälle die entscheidenden Hinweise gegeben hat.
Mit ernster Miene wendet sie sich dem Patienten zu: „Sie müssen sich ruhig verhalten, dann wirken die Medikamente auch besser. Anderenfalls muss ich Sie sedieren.“
Das darf die Krankenschwester zwar nicht, aber der Ausdruck im roten Hefekloß-Gesicht freut sie diebisch.
Er stammelt wieder etwas, hört sich mit viel Fantasie ungefähr an wie ‚das hat noch ein Nachspiel‘. Oder so. Was die kesse Brünette mit einem fröhlichen Grinsen quittiert, frei nach dem Motto: Wir werden ja sehen, wer hier und heute am längeren Hebel sitzt. Nämlich ich!
Im Krankenhaus gibt es keine festen Besuchszeiten, deshalb strömen die Angehörigen der Patienten auch schon am Vormittag ins Haus, was Uschis Arbeit nicht gerade erleichtert. Während sie bei Herrn von der Geest Blutdruck misst und den Blutzuckerwert bestimmt, kommt eine elegant gewandete Dame ins Zimmer.
„Vati was machst du denn für Sachen? Wie geht es dir? Ich bin es, Melanie!“
„Mit geht’s gut, behandele mich nicht wie einen Geisteskranken!“
„Blutdruck 140 : 80 und Zuckerwert 130, das ist normal!“ bestätigt Uschi
„Haben Sie ihm auch seine Medikamente gegeben? Ich habe deine Pillenbox mitgebracht, Vati. Hier, die musst du nehmen!“ bestimmt die blonde Frau.
„Unsere Patienten bekommen nur Medikamente aus der hauseigenen Apotheke, die private Medikation können Sie wieder mitnehmen.“
„Das werde ich mit dem Chefarzt besprechen, was wissen Sie schon, was für meinen Vater wichtig ist. Wo kann ich Ihren Chef finden?“
„Herr Dr. Landschau macht gerade Visite, er wird innerhalb der nächsten halben Stunde auch nach Herrn von der Geest schauen.“
„Ich will aber jetzt mit dem Chefarzt sprechen!“ Damit dreht sie sich um und stolziert wieder aus dem Zimmer.
Herr von der Geest stöhnt: „Nichts als Ärger mit den Kindern, schaffen Sie sich bloß keine an!“
Die attraktive Schwester lacht. Zur Zeit besteht da keine Gefahr, denn bedingt durch ihre sich immer wieder ändernden Dienstpläne, sieht sie Martin eher selten.
Das muss sich so schnell wie möglich ändern, überlegt Uschi. Gleich morgen wird sie Martin mit einem romantischen Feierabend überraschen. Kuschelig auf dem Sofa, mit Käse und Wein, dazu einen spannenden Krimi in der Glotze. Natürlich nur solange, bis er die Finger nicht mehr von ihr lassen kann. Im Schlafzimmer wird es dann hoffentlich noch spannender. (Kicher)
Mit dieser Aussicht verlässt sie fröhlich pfeifend das Patientenzimmer und geht ihrer Arbeit nach.
Mittagszeit. Noch schnell die Essensausgabe und dann kann Uschi endlich Feierabend machen. Vielleicht gönnt sie sich vorher noch eine leckere Currywurst mit Pommes in der Kantine. Diese ist unter den Beschäftigten die Leibspeise Nr. 1 und sicher kann sie während des Essens auch noch mit Britta oder Inga plauschen. Die können der Currywurst auch nicht widerstehen.
Als sie mit dem Menü Zimmer 115 betritt, sitzt eine rundliche Frau am Bett von Herrn Crukowski.
„Mensch Erwin, das sieht ja noch immer nicht besser aus. Was habe ich dir gesagt, ‚nicht nach den Wespen schlagen!‘ Das hast du jetzt davon!“
„Bmmmm Dnnnnn gkrrrrrr mmmmh fffffhhhhh mmmmmh……“ Noch immer bekommt Kommissar Crukowski kein Wort heraus, aber Uschi vermutet, dass er keine Lust auf die Vorhaltungen seiner Frau hat.
Herr von der Geest blättert derweil in der Tageszeitung: „ Vielen Dank, mein Kind!“ sagt er, als Uschi ihm das Essen auf den Nachtschrank stellt.
Auf dem Weg zur Tür stößt Uschi beinahe mit weiteren Besuchern zusammen. Dieses Mal ist es ein Mann im exzellent geschnittenen Anzug mit einer Aktentasche aus Nappaleder unterm Arm.
In der Kantine war heute besonders viel los, klar, heute ist Currywurst-Tag! Der ganz große Renner im Krankenhaus und nicht nur beim Personal beliebt. Immer mehr Leute schleichen sich in die Krankenhaus-Kantine um von dieser köstlichen Otterndorfer Spezialität zu naschen. Wie etwa dieser attraktive, nicht mehr ganz junge Mann mit den dunklen Haaren und den glänzenden braunen Augen. Er hat den Hemdkragen seines schicken Jacketts hochgeschlagen, so als wolle er nicht gleich erkannt werden. Der geübte Leser wird schon ahnen, um wen es sich handelt. Ja, es ist tatsächlich der Spitzen-TV-Koch Stefan Hässler!
Die Gerüchte um die sagenhafte Currywurst in diesem Krankenhaus, haben ihn in das kleine Städtchen im Hadelner Land getrieben. Jetzt sitzt er am Tisch vom Krankenhaus-Café und schiebt sich einen Bissen nach dem anderen in den Mund. Hhhmm, nicht schlecht, Herr Specht, murmelt er leise und nur für sich selbst hörbar vor sich hin. Und diese Currysoße? Hhhm. Ja..., die kann sich sehen lassen. Ich muss das unbedingt weiter analysieren. Damit greift er in die Jackentasche und zieht ein kleines Plastikdöschen hervor, in das er etwas von der roten Soße löffelt.
Das, geht es dem Koch durch den Kopf, muss ich in meiner Versuchsküche genauer untersuchen. Weiter geht’s. Zum Glück habe ich in diesem Kaff nicht wieder dieses grauenvolle mediengeile Paar getroffen. Diese, diese … „Robert“-schreiende, überreife Blondine und den Herrn mit den Glubschaugen und der dicken Brille.
Stefan Hässler ist es mittlerweile gewohnt nicht mehr mit B- oder C-Promis zu verkehren, sondern nur mit A-Promis. Er tupft sich mit der Serviette den Mund ab und verläßt das Café. Dabei sieht er nicht, dass ein protziger Stadtgeländewagen versucht, auf dem kleinen Parkplatz einzuparken. In dem ein wasserstoffblondiertes Paar ebenso heftig gestikuliert wie redet. Das werden doch nicht etwa die………??? Doch. Dem Leser bleibt nichts erspart.
In Zimmer 115 hat der Herr, den Uschi eben um ein Haar angerempelt hätte, seine Nappaleder-Aktenmappe auf dem Bett des greisen Adligen platziert. Klar, denn auf dem Rollwägelchen ist kein Raum mehr, da steht das Tablett mit dem Essen, das die Krankenschwester gebracht hat.
Herr Kommissar Crukowski bekommt leuchtende Augen, als er die Currywurst mit der Portion Pommes sichtet. Er hat nicht so etwas Leckeres bekommen, verdammt nochmal. Ihm haben sie irgendetwas gesundes Gemüsiges gebracht um seine Blutwerte nicht zu reizen. Erwin Crukowski grollt innerlich, denn diese Kaninchenkost ist nicht seins. Mit dem Versuch eines Lächelns wendet er sich an seinen Bettnachbarn:
„Wnnn snnnn mönnnnn esss hhhhh ddddd wnnnnn“ und deutet auf den Teller mit der heißgeliebten Wurst.
„Wie bitte?“
„Wnnn snnnnn dnnnnn wnnnn?“ Zur Erläuterung streckt er den pummeligen Zeigefinger in die Richtung des begehrten Objekts.
„Ahhhhh, Sie hätten Interesse an meinem Essen?“ schmunzelt Freiherr von der Geest. „Das können Sie gerne haben, mir ist der Appetit vergangen. Ich muss ja auch noch diese gräßliche Medizin nehmen, die meine Schwiegertochter mitgebracht hat. Herr Notar, wären Sie so nett und würden Sie Herrn Crukowski den Teller reichen?“
Gedämpfte Jubelschreie aus dem Nachbarbett. „MMhhhhh hhhhh dddnnnnn“
Während Herr Kommissar die Currywurst schneidet und in sich hineinstopft, greift der Freiherr zu der kleinen Flasche und schüttet sich etwas davon in sein Glas.