Trubel im Schlosshotel - Britta von Meierhofen - E-Book

Trubel im Schlosshotel E-Book

Britta von Meierhofen

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Fürstenkrone Classic In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. Stolz thronte das schöne, im Renaissancestil erbaute Schloss Rüdenshausen am Ufer des idyllischen Sees, der, umgeben von hohen Berggiganten, wie eine Oase der Ruhe wirkte. Sanfte Wellen kräuselten den glasklaren Wasserspiegel. Segelboote kreuzten im lauen Wind. Ein einsamer Schwimmer, den die um Mitte Mai noch kühle Temperatur des Sees nicht abschreckte, zog seine Bahn, und auf dem gepflegten englischen Rasen aalten sich die Gäste im Liegestuhl. Kein lautes Wort, kein Autolärm oder das Lachen eines Kindes störte die Stille, nur das Zwitschern der Vögel und das Säuseln des Windes in den Bäumen war zu hören. Das zum Hotel umgebaute Schloss befand sich im Besitz Graf Wolframs von Rüdenshausen und war ein Geheimtipp der illustren Gesellschaft. Nur Personen von Rang und Namen hatten hier Zutritt, wobei Familien mit Kindern nicht so gern gesehen waren. Man war nicht kinderfeindlich, wollte aber vermeiden, dass sich die meist älteren Herrschaften vom Lärm spielender Kinder gestört fühlen könnten. Außerdem war das Hotel vom Erdgeschoss bis unters Dach vollgestopft mit edlem Porzellan und kostbaren Skulpturen, die allzu leicht Kinderhänden zum Opfer fallen konnten. Auch die antiken Möbel und Dekorationen, wie blinkende Ritterrüstungen in den Ecken oder Waffen an den Wänden, waren alles andere als kindergerecht, machten aber das besondere Flair des noblen Hauses aus. Es gab nur wenige, die sich mokierten, wenn sie wegen ihres Nachwuchses diskret auf ein anderes Hotel verwiesen wurden, das nicht weit entfernt ebenfalls am See lag. Jenes Haus war mit seiner heiteren Atmosphäre sowie der familiengerechten Ausstattung das genaue Gegenteil zu dem altehrwürdigen Schloss. Dort speiste man in hellen, freundlichen Räumen und nicht im Rittersaal unter den strengen Blicken der Ahnen, deren Gemälde an den Wänden prangten. Dort verwehrten auch keine schweren Brokatvorhänge der Sonne den Eintritt oder dicke Teppiche schluckten jeden Schall. Trotz dieser altväterlichen Atmosphäre war das Hotel aber ständig ausgebucht. Baron Gustav von Trentow ließ sich jedoch nicht so leicht abweisen. Er hatte für sich und seine Gattin Ariane im Hotel eine Suite reserviert und brachte nun wider Erwarten seinen fünf Jahre alten Enkel Maximilian mit. Baroness Eleonore von Stein, die Hotelmanagerin, blickte über den Rand ihrer Designerbrille leicht indigniert auf den Jungen an der Hand des Großvaters. »Aber Baron Trentow, Sie wissen doch …«, begann sie verwirrt.

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Fürstenkrone Classic – 67 –

Trubel im Schlosshotel

Wie frischer Wind in alten Mauern Einzug hielt

Britta von Meierhofen

Stolz thronte das schöne, im Renaissancestil erbaute Schloss Rüdenshausen am Ufer des idyllischen Sees, der, umgeben von hohen Berggiganten, wie eine Oase der Ruhe wirkte. Sanfte Wellen kräuselten den glasklaren Wasserspiegel. Segelboote kreuzten im lauen Wind. Ein einsamer Schwimmer, den die um Mitte Mai noch kühle Temperatur des Sees nicht abschreckte, zog seine Bahn, und auf dem gepflegten englischen Rasen aalten sich die Gäste im Liegestuhl. Kein lautes Wort, kein Autolärm oder das Lachen eines Kindes störte die Stille, nur das Zwitschern der Vögel und das Säuseln des Windes in den Bäumen war zu hören. Das zum Hotel umgebaute Schloss befand sich im Besitz Graf Wolframs von Rüdenshausen und war ein Geheimtipp der illustren Gesellschaft.

Nur Personen von Rang und Namen hatten hier Zutritt, wobei Familien mit Kindern nicht so gern gesehen waren. Man war nicht kinderfeindlich, wollte aber vermeiden, dass sich die meist älteren Herrschaften vom Lärm spielender Kinder gestört fühlen könnten. Außerdem war das Hotel vom Erdgeschoss bis unters Dach vollgestopft mit edlem Porzellan und kostbaren Skulpturen, die allzu leicht Kinderhänden zum Opfer fallen konnten. Auch die antiken Möbel und Dekorationen, wie blinkende Ritterrüstungen in den Ecken oder Waffen an den Wänden, waren alles andere als kindergerecht, machten aber das besondere Flair des noblen Hauses aus.

Es gab nur wenige, die sich mokierten, wenn sie wegen ihres Nachwuchses diskret auf ein anderes Hotel verwiesen wurden, das nicht weit entfernt ebenfalls am See lag. Jenes Haus war mit seiner heiteren Atmosphäre sowie der familiengerechten Ausstattung das genaue Gegenteil zu dem altehrwürdigen Schloss. Dort speiste man in hellen, freundlichen Räumen und nicht im Rittersaal unter den strengen Blicken der Ahnen, deren Gemälde an den Wänden prangten. Dort verwehrten auch keine schweren Brokatvorhänge der Sonne den Eintritt oder dicke Teppiche schluckten jeden Schall. Trotz dieser altväterlichen Atmosphäre war das Hotel aber ständig ausgebucht.

Baron Gustav von Trentow ließ sich jedoch nicht so leicht abweisen. Er hatte für sich und seine Gattin Ariane im Hotel eine Suite reserviert und brachte nun wider Erwarten seinen fünf Jahre alten Enkel Maximilian mit.

Baroness Eleonore von Stein, die Hotelmanagerin, blickte über den Rand ihrer Designerbrille leicht indigniert auf den Jungen an der Hand des Großvaters. »Aber Baron Trentow, Sie wissen doch …«, begann sie verwirrt.

»Natürlich ist uns bekannt, dass Kinder in Ihrem Hotel nicht unbedingt erwünscht sind«, erwiderte der Baron, ein gemütlicher Mann um die siebzig. »Aber bei treuen Gästen wie uns, die jedes Jahr in Ihrem Hotel urlauben, machen Sie doch sicher eine Ausnahme.« Er lächelte verbindlich.

»Unser Enkel wollte unbedingt mitkommen«, mischte sich nun die Baronin ein, während sie dem verdrossen dreinblickenden Jungen aufmunternd über die blonden Haare strich. Sie war trotz ihrer auffallenden Eleganz eine mütterliche Frau, der man die abgöttische Liebe zu ihrem Enkel ansah. Sie wandte sich wieder der Managerin zu. »Seine Eltern mussten überraschend verreisen, da wollte er mit dem Kindermädchen nicht allein zu Hause bleiben, und uns ist auch wohler, wenn wir ihn unter Aufsicht haben. Er ist ein lieber Junge, Sie werden ihn kaum spüren.«

»Daran zweifele ich nicht«, erwiderte Eleonore von Stein und nestelte unbehaglich an ihrer Bluse. Hilfesuchend sah sie sich nach Graf Wolfram um. Doch dieser war nicht in Sicht. Sie atmete tief durch. »Trotzdem muss ich Sie um Verständnis bitten, dass ich die Regeln unseres Hauses nicht so einfach umstoßen kann«, fuhr sie mit spröder Stimme fort. »Wenn ich bei Ihnen Nachsicht übe, werden auch andere Gäste ihre Kinder und Enkel mitbringen wollen. Aber das …« Sie hob erschrocken die Hände. »Oh, bitte nicht!«

Doch da klirrte es schon.

Der Junge hatte sich heimlich von den Großeltern entfernt und neugierig eine kostbare chinesische Vase von einem Podest genommen. Diese war jedoch so schwer, dass sie seinen kleinen Händen entglitt und zu Boden fiel, wo sie zersprang.

Die achtunddreißigjährige Managerin stöhnte genervt. »Begreifen Sie nun, was ich meine«, sagte sie mühsam beherrscht und läutete dem Hausmädchen, damit es die Scherben wegfegte, bevor sich noch jemand verletzte. »Unser Haus ist einfach nicht kindergerecht eingerichtet.«

»Selbstverständlich komme ich für den Schaden auf«, versicherte der Baron und blickte tadelnd zu dem Enkel, der schuldbewusst seine Schuhspitzen fixierte. »Wird auch nicht mehr vorkommen. – Nicht wahr, Maximilian?« Der Junge nickte zerknirscht.

Trotzdem blieb Eleonore von Stein unbeugsam. »Ich werde Sie im Hotel Kronen unterbringen, dort ist noch eine Suite frei, wie ich weiß. Es ist ebenfalls am See gelegen und für Familien bestens geeignet. Dort wird sich der Kleine bestimmt wohler fühlen. Da ist er nicht allein, findet Spielkameraden, mit denen er herumtollen kann, und ein Spielplatz ist auch vorhanden. Hier bei uns ist es doch für ein Kind nur langweilig.« Sie lächelte dem Jungen zu, wobei ihr jedoch die Wärme fehlte.

Maximilian erwiderte ihr Lächeln nicht, blickte sie nur scheu an und klammerte sich wieder an die Hand des Großvaters.

»Da haben Sie Recht«, pflichtete der Baron, nun einsichtig geworden, bei. »Wenn das Hotel unserem Standard entspricht, bin ich einverstanden.«

»Ich hatte mich aber bereits auf unser Turmzimmer gefreut und den Wellnessbereich«, seufzte Baronin Ariane und blickte nun ihrerseits verdrossen drein.

Die beiden romantischen Turmzimmer im alles überragenden Burgfried waren etwas Besonderes und bei den Gästen sehr begehrt. Es waren eigentlich keine Zimmer, sondern Suiten, die aus einem Schlafraum mit Badezimmer und einem gemütlichen Salon bestanden. Dank der vielen Fenster rundum hatte man einen wunderbaren Blick auf die Berge und den See. Zudem verfügte das Schlosshotel über einen modernen Wellnessbereich, der sich in einem verglasten Gebäude im Außenbezirk befand und die sonst strenge Atmosphäre auflockerte. Nach der Sauna oder dem Dampfbad konnte man sich im Liegestuhl bei einem Buch entspannen oder einfach nur die schöne Landschaft genießen. Daneben bemühten sich fachkundige Masseure um das körperliche Wohlergehen der Gäste, und im romanischen Hallenbad mit exotischen Pflanzen, Wasserfällen und Wellengang konnte man von der Südsee träumen. Ein großzügig angelegter Golfplatz auf dem riesigen Areal des Schlosses sorgte zusätzlich für Zerstreuung.

Graf Wolfram von Rüdenshausen wusste, was er seinen Gästen schuldig war und wie er sein Haus voll bekam. Er war der modernen Zeit aufgeschlossen und ein cleverer Geschäftsmann. Deshalb hatte er auch den alten Kasten, wie er sein Erbe respektlos betitelte, zu dem exklusiven Hotel umbauen lassen. Anders hätte er das Schloss, das Unsummen an Unterhalt verschlang, nicht finanzieren können.

»Auf der großen Wiese am See kann unser Enkel genauso gut herumtollen«, setzte die Baronin fast ein wenig trotzig hinzu. »Ich bin nicht davon begeistert, in diesem Familienhotel Urlaub zu machen, benötige trotz allem meine Ruhe. Maximilian ist ein stilles Kind, das sich auch mal selbst beschäftigen kann, was leider heutzutage nur noch selten der Fall ist. Außerdem legen wir noch großen Wert auf ein ansprechendes gesellschaftliches Ambiente, sonst würden wir nicht im Schlosshotel logieren.« Sie musterte die Managerin ärgerlich, dass diese ihr unbedingt das fremde Hotel aufdrängen wollte.

Wieder blickte sich Eleonore nach dem Grafen um. Sonst war sie um Antworten nie verlegen. Aber der vermögende, in der Gesellschaft hoch angesehene Baron war einer ihrer besten Kunden. Den durfte sie nicht verärgern, weshalb sie die heikle Angelegenheit lieber Graf Wolfram überlassen wollte.

Die Managerin atmete erleichtert auf, als sie nun den Grafen näher kommen sah. Er verneigte sich vor der Baronin, nahm ihre rechte Hand und hauchte einen Kuss darauf. »Es ist mir eine Ehre, Baronin von Trentow«, sagte er mit seiner sonoren Stimme, die vielen Damen einen wohligen Schauer verursachte.

Auch sonst hätte er die Damenwelt mit seinem attraktiven Äußeren in Entzücken versetzen können, denn er war dunkelhaarig, von schlanker, groß gewachsener Gestalt und hatte ein markantes Gesicht. Aber er war steif vom Scheitel bis zur Sohle. Mit seiner überkorrekten Erscheinung wurde er dem Klischee des vornehmen Schlossherrn in allen Punkten gerecht. So trug er selbst bei größter Hitze elegante dunkle Anzüge mit passender Weste und Krawatte und sah in seinem Monokel, das hin und wieder in seinem rechten Auge klemmte, ein Statussymbol. Ebenso zog er die goldene Taschenuhr seines Vaters, die mit einer Kette am Gürtel befestigt war, einer modernen Armbanduhr vor. Selbst sein Lächeln schien einstudiert, liebenswürdig-freundlich, aber immer distanziert.

Es umgab ihn eine seltsame Aura. Einerseits zuvorkommend und stets darauf bedacht, es seinen Gästen recht zu machen, wirkte er auch unnahbar und stolz, weshalb ihn nicht wenige als selbstgefällig und blasiert bezeichneten. Zudem war er ein notorischer Nörgler, fand immer ein Haar in der Suppe. Wiederum war er gerecht, hatte für jeden ein offenes Ohr und verlor auch in der größten Hektik nie seine sprichwörtliche Gelassenheit, weshalb ihn seine Angestellten trotz allem achteten. Anders Eleonore von Stein, die aufgrund ihres herrschsüchtigen Verhaltens und ihrer kalten Reserviertheit beim Personal nicht sonderlich beliebt war.

Der Graf hatte die Worte der Baronin gehört. Er lupfte leicht die rechte Augenbraue und warnte besorgt: »Es ist für ein kleines Kind am See nicht ungefährlich, verehrte Baronin. Wie Sie wissen, fällt das Ufer steil ab und ist für Nichtschwimmer eine ernste Gefahr, weshalb wir auch diesmal keine Ausnahme machen können. So leid es uns tut.«

Die Baronin wollte einen Einwand anbringen, doch er fuhr eifrig fort: »Ich versichere Ihnen, Baronin, Sie werden nicht enttäuscht sein. Das kürzlich renovierte Hotel Kronen verfügt nicht nur über gemütliche Suiten sowie über einen großzügigen Wellnessbereich, der dem unseren nahe kommt. Es wird auch viel für die kleinen Gäste getan. Es gibt ein kindergerechtes Menü, das Ufer des Sees ist angeböscht, und ausgebildete Erzieherinnen sorgen in Spielgruppen dafür, dass es den Kleinen nicht langweilig wird. Dadurch haben Eltern und Großeltern Muße, ihren Urlaub zu genießen.« Er lächelte gewinnend.

Die Baronin verzog jedoch abermals unwirsch die dezent geschminkten Lippen. »Ich habe das Gefühl, man will uns mit allen Mitteln loswerden«, mokierte sie sich. Sie trat näher an den Grafen heran und blickte ihm spöttisch in die Augen. »Unser Enkel schwimmt bereits wie ein Fisch, verehrter Graf. Mir sind die Gefahren des Sees durchaus bekannt, weshalb ich schon selbst von einem Quartier in Ihrem Schloss Abstand genommen hätte, müsste ich mir hier Sorgen um Maximilian machen. Auch wäre das Kindermädchen mitgekommen, würden wir auf eine Betreuung des Jungen Wert legen. Wir wollen aber die Zeit mit unserem Enkel genießen und uns selbst um ihn kümmern.«

Als der Graf sich entschuldigen wollte, winkte sie herrisch ab. »Nachdem Sie uns das Hotel Kronen wie sauer Bier angeboten haben, ziehe ich es vor, Ihrem Rat zu folgen, statt hier ein unerwünschter Gast zu sein. Doch seien Sie gewiss, dass wir Ihr Etablissement auch künftig meiden werden.« Sie warf den Kopf zurück und nahm ihren Enkel an der Hand. »Komm, Maximilian, wir warten im Auto, bis der Opa die Angelegenheit geregelt hat.«

Ohne den Schlossherrn noch eines Blickes zu würdigen, ging sie zur Tür. Dort blieb sie jedoch stehen und wandte sich nochmals um. »Sie sollten Ihre Einstellung zu Kindern ernsthaft überdenken, Graf Rüdenshausen. Sie sind ein Geschenk des Himmels. Ohne sie gäbe es keine Zukunft, und ohne sie gibt es auch keine Freude.«

Der Graf senkte betroffen den Blick. Bevor er sich jedoch abermals rechtfertigen konnte, legte Baron Trentow begütigend die Hand auf seine Schulter.

»Machen Sie sich nichts draus, verehrter Graf«, meinte der ältere Herr leichthin. »Meine Ariane hat nun mal eine spitze Zunge, und wenn es um ihren Enkel geht, reagiert sie gern übertrieben. Ihre Argumente haben mich überzeugt. Sobald sich meine Frau wieder beruhigt hat, wird auch sie einsehen, dass es für uns alle nur das Beste ist, wenn der Kleine mit Gleichaltrigen herumtollen kann, statt sich hier in diesem Altenheim zu Tode zu langweilen.«

Der Graf zuckte pikiert zusammen. So abfällig hatte sich noch niemand über das vornehme Schlosshotel geäußert. Doch der Gleichmut des Barons, sein schalkhaftes Lächeln, verriet, dass er es nicht böse meinte. Seine direkte Art war nur gewöhnungsbedürftig.

Eleonore von Stein griff zum Telefon, wählte die Nummer des Kronenhotels und reservierte eine Suite auf den Namen des Barons. Dann lächelte sie verbindlich. »Selbstverständlich werden wir Ihnen die Unannehmlichkeiten in Form eines Gutscheins für Ihren nächsten Aufenthalt in unserem Haus vergüten.«

»Brechen Sie sich mal keine Verzierung ab, junge Frau«, erwiderte der Baron, diesmal mit leicht ironischem Unterton in der Stimme. »Mir müssen Sie nichts versüßen, und was meine Gemahlin betrifft … Nun, wir werden sehen.« Er nahm seine Tasche mit den Papieren an sich, nickte dem Grafen verabschiedend zu und ging eiligen Schrittes davon. Dann blieb er nochmals auf halben Weg stehen und meinte über die Schulter hinweg: »Ach, vergessen Sie nicht, mir die Rechnung für dieses monströse Ding zuzuschicken, das kaputtgegangen ist, sobald Sie den Wert haben schätzen lassen.« Wieder klang seine Stimme herablassend und verriet, dass er sich nun doch an der kinderfeindlichen Einstellung des Hotels störte.

Eleonore nickte, senkte den Kopf und strich mit frustrierter Miene die Reservierung des Barons aus dem Zimmerplan.

Auch Graf Wolfram blickte verdrossen. Es war ungerecht, ihm zu unterstellen, er wäre ein Kinderfeind. Er liebte Kinder über alles, hatte aber einen Grund, sie nicht in seinem Hotel zu dulden. Es lag jedoch nicht darin, dass ein wertvolles Stück zu Bruch gehen könnte, wie es Baroness Eleonore bejammerte, oder sich die Gäste gestört fühlten. Das ließ ihn nur bedingt zögern, auch Familien Quartier zu gewähren. Ein Trauma in seiner Kindheit hielt ihn zurück. Er seufzte leise.

*

»Von welchem Ding ist hier die Rede?«, erkundigte sich der Graf bei seiner Managerin, nachdem der Baron das Foyer verlassen hatte. Er hatte den Zwischenfall nicht bemerkt.

»Sein Enkel hat die große Vase fallen lassen, die dort drüben auf dem Sockel stand«, erwiderte die Baroness missmutig und zeigte zu der Stelle. »Ein großer Verlust. Sie …«

»Das monströse Gefäß, das aussah wie eine überdimensionale Urne?« Graf Wolfram runzelte die Stirn. »Du willst den Schaden doch hoffentlich nicht wirklich Baron Trentow in Rechnung stellen?«

Eleonore zog hörbar die Luft auf. Ihre eisblauen Augen blickten vorwurfsvoll. »Willst du etwa darauf verzichten? Es war ein kostbares Stück aus der Mingdynastie, dessen wahren Wert ich erst schätzen lassen muss. Einer deiner Urahnen hatte es persönlich vom Kaiser von China geschenkt bekommen, wie die Chronik überliefert. Er …«

»Vergiss es«, winkte Graf Wolfram verärgert darüber ab, dass die Freundin so wenig Fingerspitzengefühl zeigte. »Wir werden uns bei Baron Trentow in einem Brief für die Unannehmlichkeiten des Umzugs in ein anderes Hotel entschuldigen und ihm unser Bedauern ausdrücken, dass sein Enkelsohn durch einen ungesicherten Gegenstand in unserem Haus fast zu Schaden gekommen ist. Selbstverständlich gehen alle Kosten zu unseren Lasten. Zum Schluss drücken wir nochmals die Hoffnung aus, dass wir den Baron und seine Gemahlin trotz der Differenzen auch weiterhin als Gäste in unserem Haus begrüßen dürfen.« Er hob die Schulter. »Das ist eine weit noblere Geste, als den Baron für das Ärgernis, nun nicht die gebuchten Räumlichkeiten beziehen zu können, auch noch zur Kasse zu bitten.« Als studierter Jurist wusste er sich auszudrücken und kannte alle Finessen.

»Wie du willst«, erwiderte Eleonore schnippisch und warf den Kugelschreiber in die Ablageschale. »Aber wenn du bei jedem Gast, der einen Schaden verursacht, so großzügig bist, wirst du die Kostbarkeiten des Hotels bald mit billigem Ramsch ersetzen müssen, was bestimmt nicht unserem Image zuträglich wäre.« Sie konnte so offen reden, es war niemand in der Nähe. Die meisten Gäste dinierten gerade im Rittersaal.

Der Graf antwortete nicht und ließ demonstrativ seinen Blick umherschweifen. »Es steht auch viel zu viel Gerümpel herum«, urteilte er grimmig. »Kein Wunder, dass dieses Ding zu Bruch ging.«

»Gerümpel!« Die Baroness schnappte nach Luft, widersprach aber nicht weiter. Sie wusste, dass der Graf aus unerfindlichen Gründen das Schloss seiner Ahnen ablehnte. Er hätte es auch veräußert, hätte er einen Käufer dafür finden können. Letztendlich war sie es gewesen, die ihn auf die Idee mit dem Hotel gebracht hatte.

Sie waren seit Jahren eng befreundet und bei offiziellen Anlässen war Eleonore stets an der Seite des Grafen, weshalb sie in der Gesellschaft schon als künftige Gräfin von Rüdenshausen angesehen wurde. Sie selbst war ebenfalls der Ansicht, dass ihr wegen ihres Engagements, mit dem sie das Hotel mit aufgebaut hatte und nun leitete, dieser Titel auch gebührte. Zudem war sie als Tochter eines Barons, wenn auch aus verarmtem Adel, durchaus standesgemäß.

Aber leider schien Graf Wolfram mit Leidenschaft Junggeselle zu sein. Bisher hatte er noch nicht die geringsten Anstalten gemacht, sie um ihre Hand zu bitten. Dabei war Eleonore überzeugt, dass er sie auf seine Art liebte. Sie selbst brachte ihm ebenfalls Zuneigung entgegen, wenn auch keine innige Liebe. Zu dieser war sie nicht mehr fähig, seit der Mann ihres Herzens sie in jungen Jahren wegen einer anderen sitzen gelassen hatte. Aber gegenseitige Achtung, ein freundschaftliches Miteinander und ihr gemeinsamer Traum, das Hotel, waren ebenfalls eine solide Grundlage für eine gute Ehe. Sie ergänzten sich auch wunderbar: Sie war die geborene Managerin, während der Graf mit seiner Persönlichkeit und seinem vornehmen Auftreten für das richtige Flair in dem exklusiven Schlosshotel sorgte.

Sie ignorierte seine Schmähung und wechselte das Thema. »Du hättest ruhig etwas diplomatischer vorgehen können, Wolfram«, tadelte sie. »Warum hast du dich nicht erst vergewissert, ob der Junge schwimmen kann, bevor du den See als Grund für die Zurückweisung vorgeschoben hast? Das war plump und hat die Baronin in ihrem Stolz verletzt.«

Der Graf zuckte mit der Schulter. »Ich konnte in diesem Alter noch nicht schwimmen. Außerdem kennst du meine Sorge.«

Eleonore ging nicht darauf ein und fuhr indigniert fort: »Viel wichtiger wäre es gewesen, nochmals auf die Besonderheit unseres Hauses hinzuweisen. Letztendlich steigen viele Gäste bei uns ab, weil sie die Oase der Ruhe genießen wollen, die wir ihnen in allen Bereichen bieten.«

»Warum hast du die Angelegenheit nicht selbst geregelt, wenn du mich doch bloß kritisierst?«, konterte Graf Wolfram spöttisch und rückte seine Krawatte zurecht. »Sonst brauchst du doch meine Hilfe auch nicht, um einen lästigen Gast loszuwerden.«

Die Baroness funkelte den Freund empört an, beherrschte sich aber, als Gäste das Foyer betraten. Erst als diese sich wieder entfernt hatten, knüpfte sie mit gedämpfter Stimme an ihr Gespräch an: »Baron Trentow ist alles andere als ein lästiger Gast. Er genießt in der Gesellschaft einen hervorragenden Ruf. Eine negative Äußerung seinerseits würde uns nur schaden. Deshalb wollte ich, dass der Herr des Hauses die Entscheidung trifft. Das kommt besser rüber. Ich bin zwar die Managerin dieses Hotels, aber du bist immer noch der Boss, was ich auch anerkenne.«

»Jetzt stell dein Licht nicht unter den Scheffel, Eleonore«, erwiderte der Graf und verzog ironisch die Mundwinkel. »Wir wissen beide, wer hier im Grunde das Sagen hat. Du bist der Kopf und ich der schöne Schein, wobei das nicht unbedingt wörtlich zu nehmen ist.« Jetzt grinste er. »Immerhin bist du die attraktivere Person von uns beiden.«

Das traf nur bedingt zu. Eleonore von Stein war zwar eine Schönheit und von großer Eleganz, aber ohne jede Ausstrahlung. Ihr langes blondes Haar trug sie zu einer Banane geschlungen, was ihr klares Gesicht noch strenger erscheinen ließ, und die Brille, die an einer Schnur von ihrer Brust baumelte, unterstrich ihre Geschäftsmäßigkeit. Auch sonst war sie sehr kühl und reserviert, brachte nur selten ein Lächeln zustande und wenn doch, fehlte ihm die Herzlichkeit.

Kühl wie eine Marmorstatue, dachte Graf Wolfram bei sich, als sein Schmerz nicht einmal ein Zucken ihrer Mundwinkel bewirkte. Er schätzte die Baroness als Freundin, sie war ihm eine unerlässliche Hilfe im Hotel und bei offiziellen Anlässen mit ihrer Noblesse, ihrer Wortgewandtheit und ihrem sicheren Auftreten, die ideale Begleiterin. Trotzdem zögerte er noch immer, sie zu ehelichen, wie es eigentlich naheliegend war. Er war in einem Alter, wo er eine Gemahlin an seiner Seite haben sollte.

Doch war Eleonore wirklich die Richtige? Noch zögerte er, denn hinter seiner förmlichen Fassade versteckte sich ein Mann mit einem weichen Herzen. Seine lieblose Kindheit und die Erziehung in einem puritanischen Internat hatten es ihm jedoch unmöglich gemacht, die Hülle des überkorrekten, blasierten Schlossherrn abzustreifen. Tief in seinem Innern sehnte er sich aber nach Liebe und Zärtlichkeit und hoffte, eines Tages doch noch die Frau zu finden, die ihm dieses innige Gefühl der Geborgenheit vermitteln konnte, das er so sehr vermisste, seit seine Mutter schon so früh von ihm gegangen war und die Stiefmutter ihm auch noch die Liebe des Vaters geraubt hatte. Nein, Eleonore war dazu wohl nicht geeignet.

*

Am nächsten Tag brütete Graf Wolfram am Schreibtisch seines Arbeitszimmers über einem Kostenplan, als Eleonore hereinkam. Sie legte einen Brief vor ihn hin. »Das Schreiben war heute in der Post.« Sie zog mokant die Augenbrauen hoch. »Wusste gar nicht, dass du Kontakte in Brasilien hast.«

Graf Wolfram hob verdutzt den Kopf, nahm das Schreiben an sich und besah es näher. Es war ein Luftpostbrief, der eine brasilianische Marke trug und dessen Absender eine Anwaltskanzlei war. »Mein Cousin Edward von Stollenberg lebt in Brasilien«, bemerkte er stirnrunzelnd, nahm einen kleinen Dolch und öffnete das Kuvert. Seine Miene wurde immer fassungsloser, während er las.