Über die Grenzen des Todes und andere unheimliche Geschichten - Michael Schmidt - E-Book

Über die Grenzen des Todes und andere unheimliche Geschichten E-Book

Michael Schmidt

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Beschreibung

Michael Schmidt, Gewinner des Vincent Preises, stellt nach »Teutonic Horror« eine neue Sammlung an Horrorgeschichten vor, die den Leser über die Grenzen des Todes hinausführt und mit seiner Abwechslung punktet. Geschichten, fernab von gewöhnlichen Horrorgeschichten, die gleichzeitig erschrecken und verzaubern.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Michael Schmidt

Über die Grenzen des Todes

und andere unheimliche Geschichten

Impressum

Neuausgabe

Copyright © by Author/Bärenklau Exklusiv

Cover: © by Steve Mayer mit einem eigenen Motiv von edeebee (KI), 2025

Korrektorat: Bärenklau Exklusiv

Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang

www.baerenklauexklusiv.de / [email protected]

Die Handlungen dieser Geschichte ist frei erfunden sowie die Namen der Protagonisten und Firmen. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig und nicht gewollt.

Alle Rechte vorbehalten

Das Copyright auf den Text oder andere Medien und Illustrationen und Bilder erlaubt es KIs/AIs und allen damit in Verbindung stehenden Firmen und menschlichen Personen, welche KIs/AIs bereitstellen, trainieren oder damit weitere Texte oder Textteile in der Art, dem Ausdruck oder als Nachahmung erstellen, zeitlich und räumlich unbegrenzt nicht, diesen Text oder auch nur Teile davon als Vorlage zu nutzen, und damit auch nicht allen Firmen und menschlichen Personen, welche KIs/AIs nutzen, diesen Text oder Teile daraus für ihre Texte zu verwenden, um daraus neue, eigene Texte im Stil des ursprünglichen Autors oder ähnlich zu generieren. Es haften alle Firmen und menschlichen Personen, die mit dieser menschlichen Roman-Vorlage einen neuen Text über eine KI/AI in der Art des ursprünglichen Autors erzeugen, sowie alle Firmen, menschlichen Personen , welche KIs/AIs bereitstellen, trainieren um damit weitere Texte oder Textteile in der Art, dem Ausdruck oder als Nachahmung zu erstellen; das Copyright für diesen Impressumstext sowie artverwandte Abwandlungen davon liegt zeitlich und räumlich unbegrenzt bei Bärenklau Exklusiv. Hiermit untersagen wir ausdrücklich die Nutzung unserer Texte nach §44b Urheberrechtsgesetz Absatz 2 Satz 1 und behalten uns dieses Recht selbst vor. 13.07.2023.

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Das Buch

Über die Grenzen des Todes

Vorwort

Hämatophobie

Femme Fatale

Über die Grenzen des Todes

Holy Diver

Paulas neuer Freund

Die brennenden Männer

Kalaschnikow

Princess of the Dawn

Ronnie James

Das Buch

Michael Schmidt stellt nach »Teutonic Horror« eine neue Sammlung an Horrorgeschichten vor, die den Leser über die Grenzen des Todes hinausführt und mit seiner Abwechslung punktet. Geschichten, fernab von gewöhnlichen Horrorgeschichten, die gleichzeitig erschrecken und verzaubern.

***

Über die Grenzen des Todes

und andere unheimliche Geschichten

Vorwort

2011 erschien meine Sammlung Teutonic Horror. Wie der Titel schon andeutet, Horror ist das Thema dieses Bandes und versammelt waren dort meine bis dahin verfassten und in diversen Publikationen veröffentlichten unheimlichen Geschichten.

Weitere Sammlungen folgten, doch einen zweiten Band mit Horrorgeschichten, sieht man von den beiden Sammelbänden ab, die allesamt in der Stadt Silbermond spielen, folgte nicht. Bis jetzt.

Das Vertrauen von Bärenklau Exklusiv motivierte mich, eine weitere Sammlung unter dem Titel Über die Grenzen des Todes zusammen zu stellen.

Enthalten sind Stories aus den Jahren 2013 bis heute, denn Princess of the Dawn, angelehnt an den Accept Klassiker, ist bisher unveröffentlicht.

Die neun Geschichten sind unterschiedlich in Länge, Thema und Umsetzung. Aber in all ihrer Eigenheit sind sie unverkennbar aus meiner Feder, das werden Sie nach der Lektüre zweifelsfrei erkennen.

Die ursprünglichen Publikationsorte habe ich am Ende der Geschichten aufgeschrieben und man sieht sehr schön, wie unterschiedlich auch diese sind.

Daher macht auch eine Sammlung wie Über die Grenzen des Todes Sinn. Kaum jemand dürfte sonderlich viele der Geschichten vorab gelesen haben. Und falls nicht, hoffe ich., dass die Stories auch bei einer erneuten Lektüre zu überzeugen wissen.

Mit dunklen Grüßen,

Hämatophobie

Am nächtlichen Himmel thronte ein Supermond. Voll und groß, die Nacht war sternenklar. Trotz dieses Umstandes war Robert kaum zu sehen. Einem Schatten gleich jagte er durch die von Büschen gesäumte Ebene, unter seinen Extremitäten spritzten Steine und Dreck zur Seite, als wollten sie ihm ausweichen. Nächtliche Wanderer wie Ratten und Hasen flüchteten vor ihm, denn sie kannten das Grauen, das er repräsentierte, nur zu gut.

Doch kleine Säugetiere waren nicht das Ziel seiner nächtlichen Jagd. Er hatte größere Beute auserkoren.

Die Graslandschaft bot ein irrlichtendes Zwielicht als er abrupt einen Satz nach links machte und Witterung aufnahm. Altes, verbrauchtes Blut. Er zögerte kurz, bereit zum Angriff, entschied sich aber, auf lohnenswertere Beute zu warten. So genoss er das Mondlicht und hetzte weiter, jagte den auseinanderstehenden Häusern entgegen, die am Horizont auf ihn warteten und einen Festschmaus bereithielten.

Kurz kam er von seinem Ziel ab, jagte aus Spaß einem Marder hinterher, den er aus seinem Versteck gescheucht hatte, und grub ihm seine Krallen in die Flanke, nur, um das verletzte Tier wimmernd zurück zu lassen.

Das erste Haus, er roch altes Fleisch und jagte weiter. Auch vom zweiten Haus trat ihm ein schaler Geruch entgegen und so ignorierte er auch diese Behausung.

Das dritte Gebäude versprach alles. Zwei junge, lebensfrohe Gestalten, die eine Wolke der Sexualität umgab, eine Aura der Begierde, die ihn anstachelte und deren Intensität er sofort steigern und umpolen wollte.

Aus Lust würde Angst entstehen, und er würde ein erquickendes Bad in Blut nehmen, von köstlichen Innereien naschen, die nach Panik munden und ihn in Entzücken versetzen würden.

Er setzte zum Sprung an, spannte die Hinterläufe an, als sich plötzlich seine gesamte Muskulatur verkrampfte und ihm die Gefolgschaft verweigerte. Zornig heulte er auf. Robert drehte eine Runde, nahm Anlauf, dem reich gedeckten Tisch entgegen…und versagte erneut.

Sein Geheul machte aus Lust Furcht, doch für das sich liebende Pärchen gab es keinen Grund, sich zu ängstigen und später, wenn sich beide wieder beruhigt hätte, würde der Sex besonders prickelnd sein, doch das würde unser nächtlicher Jäger nicht mehr mitbekommen.

Heulend jagte er in die Dunkelheit, raste die Ebene entlang, um sich auszupowern und den Frust wegzulaufen. Der Druck musste jetzt irgendwo hin und wenn er schon das Blut verschmähte, musste die Verschmelzung mit der Natur herhalten, auch wenn dies nur ein schaler Ersatz war.

Ihm war bewusst, dass dies sein Problem nicht dauerhaft lösen würde. Nicht einmal kurzfristig. Es war an der Zeit, sich ihm zu stellen.

Robert erging es jetzt schon den zweiten Vollmond so. Von Tag zu Tag stieg die Vorfreude. Er lechzte nach Blut, sein Verlangen wuchs zur Gier, und am Tag des Vollmondes, wenn er besonders danach dürstete, traf es ihn wie ins Mark. Allein der Gedanke, seine Zähne in weiches und lebendiges Fleisch zu schlagen, sorgte dafür, dass er am ganzen Körper zitterte und seine Muskulatur ihm den Dienst versagte. Gestern Nacht hatte er es fast überwunden geglaubt, doch gerade, als er soweit war, seine Opfer zu reißen, versagte er kläglich und verschmähte die Beute notgedrungen.

Da er nicht mehr ein und aus wusste, hatte Robert mit seinen Ahnen Kontakt aufgenommen und sie hatten ihm empfohlen, Emil Bolze, den Psychotherapeuten für spezielle Fälle, aufzusuchen.

Robert hatte lange mit sich gehadert, schließlich war so ein Schritt alles andere als leicht. Heute hatte er aber eine Entscheidung getroffen. Er setzte sich in seinen Wagen um das »Hotel spa« zu besuchen. Der Weg in die Karpaten war weit, aber jetzt gab es kein Zurück mehr.

Fast hatte Robert es aufgegeben das Sanatorium zu finden. Tief in den Karpaten solle es liegen, auf einem Berg, der sich kaum von den vielen anderen Bergen unterschied. Inmitten von Wäldern und Seen, knapp zehn Kilometer vom nächsten Ort entfernt, den er ohne Probleme fand. Doch dann fingen seine Schwierigkeiten an. Er fuhr die Straßen gefühlt dreizehn Mal, stieg stellenweise aus und ging Strecken zu Fuß, bevor er wieder ins Auto stieg und die nächste Runde drehte, doch das verdammte »Hotel spa« wollte sich einfach nicht finden lassen. Ob Bolze einen Schutzzauber um den Ort verhangen hatte? Robert hatte sich nicht angemeldet und hatte sich aufs Geradewohl in Marsch gesetzt.

Als er sich schon mehr oder minder entschieden hatte, im Dorf ein Zimmer für die Nacht zu nehmen, sah er plötzlich eine Abfahrt, die er vorher nicht wahrgenommen hatte. Mindestens viermal war er hier entlang gebrettert und niemals hatte er eine Straße entdeckt, doch er konnte es drehen und wenden wie er wollte: Sie existierte.

Er bog ab und nach wenigen hundert Metern fuhr er um eine Kurve und hatte das »Hotel spa« erreicht.

Rechts neben dem Hotel stand abseits ein ungenutztes, heruntergekommenes ehemaliges Wirtschaftsgebäude und genau das zog Robert wie magisch an. Er hielt genau davor, stieg aus und erkannte verblüfft, das Fenster und Türen mit Eisenplatten verriegelt waren. Da war kein Hereinkommen möglich. Ärgerlich wollte er sich schon abwenden, fluchte lauthals, da öffnete sich wie von Zauberhand eine Öffnung in der Eisenplatte, welche das eigentliche Portal verschloss.

Robert war nicht für seine zurückhaltende Art bekannt und so fackelte er nicht lange und nahm die Einladung an.

Im Gebäude überraschte ihn der helle und freundliche Raum, in dem er von einem kleinen Heinzelweibchen begrüßt wurde.

»Herzlich willkommen, lieber Robert, wir haben dich schon erwartet! Ich bin Lotte und werde dich direkt zu unserem Psychotherapeut Emil Bolze bringen.«

»Aber…«

»Fragen wird dir Emil beantworten, jetzt komm bitte!«

Nachdem er sein Zimmer bezogen hatte musste er an den merkwürdigen Empfang denken. Bolze, ein kleiner und zierlicher Mann, hatte ihn schnell abgefertigt und ihm versichert, dass sie schnell eine Lösung für sein Problem finden würden, hatte ihn aber weder untersucht, noch in ein analytisches Gespräch verwickelt.

»Der Fall ist klar und die Lösung nahe«, war seine lakonische Antwort auf Roberts Fragen. Er hatte ja gehört, dass es sich bei Psychotherapeuten um eine ganz eigene Spezies handelte, aber sie dann zu erleben, war eine ganz andere Sache. Bolze schien schon bevor Robert sein Anliegen anbrachte im Bilde zu sein.

Robert beschloss, die dringendsten Fragen auf später zu vertagen und begann die Anlage zu inspizieren. Egal ob der Aufenthalt etwas bringen würde oder nicht, Robert würde das Beste aus dieser Zeit herausholen.

Die Gänge des »Hotel spa« waren hoch und hell, seine Schritte hallten laut, obwohl er eigentlich ein ausgesprochener Leisetreter war.

Der Speisesaal war riesig und kühl, der Aufenthaltsraum mit seinen plüschigen Sesseln und schweren Teppichen dagegen genau nach seinem Geschmack.

»Sind sie neu?«, erklang eine glockenhelle Stimme die zu einem blassen, außerordentlich hübschen Gesicht gehörte. Rote Locken umrahmten einen kleinen Kopf, grüne Augen sahen ihn fragend und auch ein wenig verschmitzt an und erweckten in ihm ungeahnte und längst vergessen geglaubte Gefühle. Ein Kribbeln im Bauch machte sich breit und er genoss das Gefühl, auch wenn es ihn ein wenig erschreckte. Er war doch nicht … Nein, keinesfalls war er …

»Ja, ich bin neu hier. Mein Name ist Robert und ich versuche meine Hämatophobie in den Griff zu bekommen. Mit wem habe ich das Vergnügen?«

Ihm ein strahlendes Lächeln schenkend erwiderte sie: »Ich bin Lilith, Adams erste Frau und hoffe, wir werden eine schöne gemeinsame Zeit im Sanatorium des Emil Bolze verbringen.«

Der Abend verging wie im Flug. Robert erzählte viel von sich, ganz entgegen seiner Gewohnheit. Normalerweise gab er ungern von seiner Vergangenheit preis, doch Lilith hatte die Fähigkeit, ihm auch die allerkleinsten und unwichtigsten Geheimnisse zu entlocken und gab ihm dabei noch das Gefühl, sich gut zu fühlen. Als sie sich in ihre Gemächer zurückzog, brannte das Feuer der Enttäuschung in seinen Eingeweiden, aber es machte sich auch ein weiteres, lange Zeit vermisstes Gefühl in ihm breit.

Die Gier nach Blut. Als der Tag anbrach, legte er sich zu schlafen, doch es war ihm keine Ruhe gegönnt. Alpträume quälten ihn.

Er befand sich mitten im dichten Wald. Seine Sinne waren bis aufs äußerste geschärft. Mit gebotener Vorsicht durchstreifte er das Unterholz, die Ohren gespitzt, die Nase im Wind.

Er roch es. Das Blut. Die Lebensenergie. Nördlich, nicht weit von ihm entfernt. Vorsichtig näherte er sich. Keinesfalls wollte er sein Opfer durch eine Unachtsamkeit verschrecken.

Sein geschmeidiger Körper glitt förmlich auf allen Vieren über den Untergrund und verschmolz mit der Natur.

Weiter, immer weiter schob er sich an sein Opfer ran, der Geruch nach Blut machte ihn schier wahnsinnig. Er schlich weiter, unterdrückte die Gier, die vollständig von ihm Besitz ergriffen hatte.

Plötzlich knackte ein Zweig. Das Startzeichen.

Robert gab seine Zurückhaltung auf und jagte dem Mahl entgegen, doch kaum hatte er sein Opfer erreicht, stieg es in die Luft und Liliths Antlitz sah verschmitzt lächelnd auf ihn herab.

Schweißgebadet erwachte er und sah auf die Uhr. Es war Zeit für das Abendbrot. Auch wenn er nichts Essen würde, die Gesellschaft der anderen, vor allem der einen würde ihm guttun.

Er sehnte sich so sehr nach ihr, dass es fast schmerzte.

Wut stieg in Robert auf. Rasende Wut, die sich fast in den Irrsinn steigerte. Lilith, die zarte Schöne, beachtete ihn nicht.

Keinen einzigen Blick hatte sie auf ihn geworfen seit er den Raum betreten hatte. Ihr Blick hatte ihn nicht einmal gestreift und mit keiner Geste gab sie zu erkennen, dass sie ihn überhaupt kannte.

Stattdessen flirtete sie mit einem hageren Alten, dessen aristokratisches Äußere ihm in den Augen schmerzte. Was wollte sie mit diesem feinen Pinkel, diesem faden Tennisopa? Mühsam unterdrückte er den Impuls, zu dem Alten hinzuspringen und ihm die Kehle zu zerfetzen.

Natürlich sprach er Lilith nicht an, auch wenn alles in ihm danach lechzte, sie an sich zu ziehen und sie anzuschreien. Zu küssen, zu lieben, zu besteigen.

Lilith, warum beachtest du mich nicht?

Die Situation machte ihn rasend.

Während die Gesellschaft im Small Talk vereint war, zog er sich in eine dunkle Ecke zurück und betrachtete angewidert das dekadente Geschehen. Hier standen bunt kostümierte Jünglinge, blass und blutarm. Dort schwadronierte ein blauhäutiger Alien vor einer Gruppe vollschlanker Damen und auf der anderen Seite des Raumes erkannte er Pascal, den Gestaltwandler, ein alter Bekannter von ihm, wie er sich an ein junges Ding heranmachte.

Sein Blut war in Wallung und er musste hier raus, sonst würde ein Unglück passieren. Just in diesem Moment öffnete sich ein Ausgang in der Nische, in der er sich befand und er sah zu, dass er Land gewann.

Kaum war er draußen und roch die Nacht, setzte die Transformation ein. Knochen verschoben sich, der Kiefer knackte und Haare sprossen aus allen Poren. Robert ließ sich auf alle Viere nieder und jagte los. Bäume und Farne, Felsen und Seen zogen an ihm vorbei und seit langem verspürte er endlich wieder die pure Freiheit seiner Wolfsgestalt.

Er hörte das Scharren der Ameisen, das Trippeln der Eichhörnchen und das sanfte Gleiten der Schlange, während er nahezu lautlos durch die Natur streifte.

Seine Nase nahm den Geruch von jungem Blut wahr und mit einem gewaltigen Satz sprang er zwischen das Pärchen, welches sich seinen niederen Trieben hingab.

Blut, Knochen, Innereien, er badete förmlich darin und erst als beide Körper am Erkalten waren, registrierte er, dass seine Hämatophobie verschwunden war.

Triumphierend heulte er den Mond an. Jagte weiter, auf der Suche nach weiteren Opfern. Die Nacht dauerte an und es gab reiche Beute.

Bolze saß ihm in seinem riesigen Büro gegenüber. Die Wände waren mit surrealen Szenen geschmückt und Emil flegelte sich auf einem Knochenthron, der ihm als Sitzgelegenheit diente.

Robert wäre das zu unbequem und er war froh, es sich auf der weinroten Ledercouch breit machen zu dürfen.

»Habe ich zu viel versprochen, lieber Robert. Noch keine vierundzwanzig Stunden und du bist entlassen.«

»Aber wie …«

»Die Frauen sind ein Mysterium. Wir denken immer, ohne sie würde es uns besser gehen, dabei ist das einfach nicht wahr. Ein Mangel an weiblicher Gesellschaft sorgt dafür, dass alles in uns verkümmert. Intellekt, Instinkt, ja, selbst unser Selbst geht verloren. Deine Hämatophobie war eine rein psychosomatische Angelegenheit. Dir fehlt eine Partnerin und Lilith, die ersten Hure, hat genau dort angesetzt und deine Gefühle aus ihrem Kerker befreit.«

»Sie war meine Therapie?«

»Jawohl!«

»Und jetzt bin ich geheilt? Wird mein Ekel vor Blut nicht mehr auftreten?«

»Fürwahr, ein guter Einwand, lieber Robert. Der Moment steht auf deiner Seite und man könnte meinen, du bist jetzt gesundet von dieser Unpässlichkeit. Aber die Gesundung wird nicht von langer Dauer sein. Dein Geist hat dir Warnsignale gesendet. Sehe zu, dass du eine Partnerin fürs Leben bekommst, sonst wird der Rückfall nur eine Frage der Zeit sein. Und denke, nicht jede Frau ist für dich geeignet. Es muss eine sein, die dich bis aufs Blut reizt, die dir ein starker Widerpart ist und die dafür sorgt, dass das tägliche Einerlei nicht von dir Besitz ergreift und deinen Trieb verkümmern lässt.

Du verstehst was ich meine?«

»Du meinst, ich brauche eine Partnerin, die meine niederen Instinkte anspricht?«

»Schiller zu rezitieren und Händchen halten würde die Situation noch verschlimmern. Hämotophobie geht immer mit Lethargie ins Land und sorgt für diese depressiv-lykanthropische Verstimmung. Also suche dir eine echte Sau und du bist wieder mitten im Leben.«

Robert erhob sich und reichte Bolze die Hand.

»Dann werde ich mich auf die Suche begeben. Frauen in der Art von Lilith sind rar gesät, aber ich habe schon eine Idee. Also vielen Dank für die schnelle Behandlung. Wie sieht es mit deiner Entlohnung aus?«

»Nun, lieber Robert, ziehe los und suche dir eine Partnerin. Meinen Lohn werde ich zu gegebener Zeit einfordern. Und sei versichert, ich werde ihn konsequent einfordern.«

So kehrte Robert in sein Revier zurück, voller Jagdtrieb und voller Gier. Und machte sich auf die Suche nach der Begierde seines Lebens. Bereit, gemeinsam auf die große Jagd zu gehen.

Femme Fatale

Erwartungsvoll stand ich am großen, fast die komplette Wand einnehmenden Fenster und wartete, dass die Sonne unterging. Langsam färbte sich der Himmel rot, der Ton wurde dunkler, bis die Finsternis den Tag besiegt hatte.

Unwillkürlich lächelte ich.

Ich war bereit und freute mich auf die kommende Abwechslung.

Einen letzten sehnsüchtigen Blick warf ich durch den Raum. An der gegenüberliegenden Seite standen schwere, alte Schränke, vor mir ein Polstersofa, das aus der Zeit gefallen schien, und das Zentrum bildete ein mächtiger Kronleuchter, der normalerweise ein sanftes Licht verbreitete. Heute hatte ich darauf verzichtet, ihn anzuschalten.

Langsam schritt ich zur Tür, straffte meine Schultern und wartete.

Es läutete.

Ein wenig musste er sich gedulden. Leise nahm ich Abschied von meinem momentanen Heim. Wochenlang würde ich nicht mehr hierher zurückkommen. Vielleicht auch noch länger. Vielleicht sogar gar nicht. Ich kannte mich. Eine kurze Periode verharrte ich, breitete meine Wurzeln aus und bereitete mir ein Heim. Doch es dauerte zumeist nicht lange, bis mich eine innere Unruhe durchdrang und ich weitermusste. Dieser Zeitpunkt war gekommen.

Ehrlich gesagt war das nicht der einzige Grund für eine Veränderung. Mein Problem verschwand nicht von selbst. Zu lange hatte ich es mit mir herumgetragen, hatte gezaudert und gehofft, ein Wunder würde geschehen und mein Problem sich in Luft auflösen. Aber das tat es natürlich nicht. Ich musste selbst einen Schritt machen und die Entscheidung hatte mir Kraft verliehen. Kraft und Zuversicht.

Endlich gab ich mir einen Ruck und öffnete die Tür. Energiegeladen schob ich die Brust vor, verzog die Lippen zu einem leicht spöttischen Grinsen und ließ die Augen blitzen, verheißungsvoll, wie ich an der Reaktion meines Gegenübers erkannte. Was nicht anders zu erwarten war. Ich war mir meiner Wirkung bewusst und setzte sie daher gezielt ein.

Peter Degenhardt, der Fahrer des Psychotherapeuten Emil Bolze, verbeugte sich förmlich, nahm meine Reisetasche entgegen, trug sie zum Kofferraum der schweren Limousine und verstaute sie mit geübten Handgriffen. Galant öffnete er mir die Tür. Seine Blicke flatterten ein wenig, ansonsten hatte er sich gut im Griff.

Noch!

Beim Einsteigen streiften meine Fingerspitzen seine Wange, heiß zuckte die Energie zu ihm herüber. Der Saum meines Kleides hob sich ein wenig unschicklich, natürlich völlig beabsichtigt, als ich mich umständlich in den Fond niederließ und ihn von unten herauf betrachtete. Ein attraktiver Chauffeur als Auftakt, das tröstete mich etwas über den Abschied hinweg.

»Du bist Peter?«, fragte ich mit meiner markanten rauchigen Stimme, die ihre Wirkung prompt entfaltete.

Der Chauffeur errötete.

»Ja, ich bin Peter, und ich bringe Sie zum geheimen Sanatorium.«

»Mich, du bringst mich. Mein Name ist Thea und ich hasse Förmlichkeiten, gerade dann, wenn sie absolut nicht angebracht sind. Ich freue mich. Auf den Aufenthalt. Auf Emil. Und natürlich auf dich. Wir werden viel Spaß miteinander haben«, erwiderte ich mit einem Augenaufschlag.

Peters Gesicht überzog sich mit einem noch intensiveren roten Schimmer. Fast überhastet schloss er die Hintertür und setzte sich ans Steuer, konnte es aber nicht unterlassen, im Rückspiegel einen letzten Blick auf mich zu werfen. Ja, der gute Peter zappelte schon an meinem Haken. Zufrieden lehnte ich mich in die weichen Polster und dachte an das, was mich erwartete.

Ob Bolze mir wirklich helfen konnte?

Mein Schlaf war viel zu kurz. Was für andere spät war, war für mich nur eine helle Nacht. Noch keine elf Uhr und ich hatte bei Bolze anzutreten. Normalerweise stand ich niemals vor Mittag auf, aber Emil hatte mir diesen Termin als absolut spätesten Zeitpunkt für das Einführungsgespräch genannt. Ich hätte ihn ja lieber nach Sonnenuntergang konsultiert, aber mein zukünftiger Psychotherapeut hatte entschieden abgelehnt. Ob er sich vor mir fürchtete?

Kichernd schwebte ich durch die Gänge auf das Therapiezimmer zu. Gerade kam ein anderer Patient heraus. Großgewachsen, ein herber Geruch ging von ihm aus. Ein wahres Schmuckstück von einem Mann!

Er sah mich aus kalten, aber irgendwie feurigen Augen an.

Ich spürte diese animalische Ausstrahlung unter seiner Fassade der Bürgerlichkeit. Da war ein Tier in ihm. Urplötzlich erinnerte ich mich an eine weit zurückliegende Begegnung. An Wilhelm. Er hatte eine ähnliche Präsenz. Es stieg aus den Tiefen meines Gedächtnisses hoch, lange vergessen, aber so intensiv, als wäre es gestern gewesen. Ich erinnerte mich nur zu gut, wie er unter mir lag, seine Fingernägel, die wie Krallen meinen Rücken bearbeiteten und tiefe Risse hinterließen. Die Wunden schienen gerade jetzt wieder aufzubrechen und der Phantomschmerz erregte mich ungemein. In meinem Gegenüber erkannte ich die gleiche wilde Leidenschaft und auch er hatte eine kräftige Behaarung an den Armen und im Gesicht, die sich aufstellte, als ich mich ihm näherte und ihn fragend anschaute.

»Hallo Geist! Bist du ebenfalls ein Patient?« Seine Stimme war tief und rau.

»Ja«, hauchte ich heiser-rauchig. »Mein Gespräch wird nicht lange dauern. Vielleicht hast du danach Zeit für einen kleinen Plausch? Mich hat noch niemand in die Gesellschaft eingeführt.«

Es blitzte auf in seinen Augen. Mir schien es, als sprossen zusätzliche Haare auf seinen nackten Unterarmen, aber vielleicht täuschte ich mich. Er trat nahe an mich heran und seine archaische Ausstrahlung betörte mich. Die Gier stand ihm ins Gesicht geschrieben, doch plötzlich entspannte er sich und lächelte mich nachsichtig an.

»Leider nein. Ich reise jetzt ab. Wenn ich meine Koffer gepackt habe, geht es los.«

»Das ist aber schade.«

»Das finde ich auch. Vielleicht trifft man sich irgendwo noch einmal.«

»Nicht vielleicht. Mit Sicherheit. Das verspreche ich dir.«

Verzückt sah ich ihm nach, als er den Gang hinunter ging und dann um die Ecke verschwand. Er hatte auf mich reagiert. Eindeutig reagiert. Das spürte ich, auch wenn er sich redlich Mühe gab, seine aufkeimende Lust zu verbergen. Und er hatte dieses gewisse Etwas, so wie Wilhelm damals. Dieses Andere, das in ihm schlummerte und darauf wartete, zum Ausbruch zu kommen.

Aber auch er hatte etwas in mir ausgelöst.

Ich stand in Flammen. Es war ewig her, dass ich so intensive Gefühle verspürt hatte. Ich schwor mir, ihn wiederzusehen, so sehr hatte mich die Begegnung aufgerüttelt. Hatte es mich erwischt? – Es fühlte sich anders an als bei meinen üblichen Liebeleien. Verstörender. Heftiger.

Verwirrt klopfte ich an Bolzes Tür und trat ein.

»Ah, Thea, da bist du ja schon.«

»Hallo Emil. Ein schöner Ort. Mir gefällt es hier. Wer war dieser attraktive Mann, den ich leider nicht zum Bleiben überreden konnte?«

---ENDE DER LESEPROBE---