Überlegungen zur Reputation, zur Loyalität, zu den Umgangsformen und zur Religion - Thomas Hobbes - E-Book

Überlegungen zur Reputation, zur Loyalität, zu den Umgangsformen und zur Religion E-Book

Thomas Hobbes

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Beschreibung

Der englische Philosoph und Staatstheoretiker Thomas Hobbes gilt als Begründer der absoluten Souveränität – und sein "Leviathan" (1651) ist dafür sprichwörtlich geworden. Vier Jahre nach Erscheinen seines Hauptwerkes präsentierte er eine vermeintliche Lösung für ein unlösbares Problem: die Quadratur des Kreises – der Beginn eines über 25 Jahre andauernden Streits mit dem Mathematiker John Wallis, der erst mit Hobbes' Tod ein Ende findet. Mitten in dieser sowohl wissenschaftlichen, politischen als auch persönlichen Auseinandersetzung entstehen Hobbes' "Überlegungen zur Reputation, zur Loyalität, zu den Umgangsformen und zur Religion", ein Meisterwerk polemischer Essayistik, in der er Stellung nimmt zu seinen grundlegenden Gedanken über die Staatstheorie. Die "Überlegungen" entstehen bereits kurz nach der Restauration der britischen Monarchie 1660, werden jedoch erst posthum veröffentlicht und zeugen auch heute noch von einem modernen Demokratieverständnis. Alfred J. Noll übersetzt Hobbes' "Überlegungen" anlässlich des 370. Geburtstages des "Leviathan" erstmalig ins Deutsche und macht so ein Stück Wissenschaftsgeschichte zugänglich.

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ÜBERLEGUNGEN ZUR REPUTATION, ZUR LOYALITÄT, ZU DEN UMGANGSFORMEN UND ZUR RELIGION VON THOMAS HOBBES

geschrieben von ihm selbst als Brief an eine gelehrte Person

Herausgegeben, übersetzt und mit einer Einführung von Alfred J. Noll zum 370. Geburtstag des Leviathan

ÜBERLEGUNGEN ZUR REPUTATION, ZUR LOYALITÄT, ZU DEN UMGANGSFORMEN UND ZUR RELIGION VON THOMAS HOBBES

geschrieben von ihm selbst als Brief an eine gelehrte Person

Herausgegeben, übersetzt und mit einer Einführung von Alfred J. Noll zum 370. Geburtstag des Leviathan

Gedruckt mit Unterstützung der Stadt Wien, Kultur

Hobbes, Thomas: Überlegungen zur Reputation, zur Loyalität, zu den

Umgangsformen und zur Religion / Thomas Hobbes. Alfred Noll (Hg.)

Wien: Czernin Verlag 2021

ISBN: 978-3-7076-0744-4

© 2021 Czernin Verlags GmbH, Wien

Lektorat: Florian Huber

Satz: Mirjam Riepl

Abbildungen: S. 76: Wikicommons, John Michael Wright

S. 96: Wikicommons, Godfrey Kneller

ISBN Print: 978-3-7076-0744-4

ISBN Epub: 978-3-7076-0745-1

Alle Rechte vorbehalten, auch das der auszugsweisen Wiedergabe in Print- oder elektronischen Medien

INHALT

ALFRED J. NOLL

Einführung

THOMAS HOBBES

Überlegungen zur Reputation, zur Loyalität, zu den Umgangsformen und zur Religion

Anmerkungen

The Bookseller’s Advertisement to the Readers

Thomas Hobbes

John Wallis

Chronologie

ALFRED J. NOLL

THOMAS HOBBES VS. JOHN WALLIS

»Mr Hobbes schreibt mir: Es soll mich nicht wunder nehmen, wenn Dr Wallis oder jeder andere, der Mathematik einzig zu dem Zweck studirt, Carriere zu machen, dann, wenn seine Unwissenheit entdeckt wird, seine Studien in Gaukelwerk verkehrt, in den Erwerb von Reputation im Geisterbeschwören, Geheimnis-Entziffern und dergleichen Künsten«,

berichtet John Aubrey, der erste Biograph von Thomas Hobbes (1588–1679).

Der englische Staatstheoretiker und Philosoph ist uns auch heute, beinahe 350 Jahre nach seinem Tod, ein Begriff. – Wer aber war John Wallis?

Im Jahre 1655 veröffentlichte Thomas Hobbes seine Schrift De corpore auf Lateinisch*, und im Kap. XX findet sich Hobbes’ »Lösung« eines Problems, das Geometer seit mehr als 3000 Jahren plagte: die Quadratur des Kreises. Damit gab er John Wallis die Möglichkeit, auf die er aus politischen Gründen gewartet hatte, wie er einem Brief vom 1. Jänner 1659 an den niederländischen Physiker und Astronomen Christiaan Huygens (1629–1695) erklärt:

»Unser Leviathan [sc. Hobbes] greift wütend Universitäten (und nicht nur unsere, sondern alle) und insbesondere Beamten und Geistliche und alle Religionen an und zerstört sie, als ob die christliche Welt kein solides Wissen hätte […], und als ob die Menschen weder die Religion verstehen könnten, wenn sie Philosophie nicht verstünden, noch Philosophie, wenn sie nicht Mathematik könnten. Daher schien es notwendig, dass ein Mathematiker ihm durch den umgekehrten Denkprozess zeigt, wie wenig er die Mathematik versteht, aus der er seinen Mut schöpft; wir sollten uns auch nicht durch seine Arroganz davon abhalten lassen, von der wir wissen, dass sie giftigen Schmutz gegen uns erbrechen wird.«

Für Hobbes ruhte alle Philosophie auf dem Fundament der Mathematik. Doch Wallis war auf diesem Gebiet alles andere als ein Blender, der zusammen mit seinem Kollegen Seth Ward (1617–1689), Professor für Astronomie, das Denken von diesem »Hobbes-Schurken« desavouieren wollte. Während Wallis seine Kritik auf mathematische Fragen konzentrierte, widmete sich Ward dem philosophischen Gehalt von Hobbes’ Publikation. Der Astronom benötigte für seine Antwort ein Jahr, wogegen Wallis seine zynisch-gallige Erwiderung bereits drei Monate nach dem Erscheinen von De corpore veröffentlichen sollte. Obwohl Wallis später behauptete, seine Reaktion sei zunächst von Zorn, dann von Freude und schließlich von Mitleid motiviert gewesen, war in seinen Ausführungen von Letzterem kaum etwas spürbar. Vielmehr bedachte Elenchus Geometriæ Hobbianæ Hobbes’ Definitionen und Methoden mit einer Mischung aus grobem Spott und feierlicher Predigt. Wallis schrieb über Hobbes’ Ungestüm und seinen Stolz, über seine Gefahr für die Kirche und verspottete seinen guten Namen, indem er mit den Worten hop und hobgoblin (Kobold) spielte.

Doch Hobbes ließ sich nicht einschüchtern, sondern folgte der Devise »Angriff ist die beste Verteidigung!«. Eine englische Ausgabe von De corpore versah er etwa mit einem als Six Lessons to the Professors of the Mathematics, one of Geometry, the other of Astronomy betitelten Anhang, der sich zweifellos auf die beiden Professoren Wallis und Ward bezog. Darin widmete er sich nicht nur Wallis’ Elenchus, sondern auch dessen Angel of Contact und seinen Arithmetica Infinitorum (1656), »which two last I have here in two or three leaves wholly and clearly confuted. And I verily believe that since the beginning of the world, there has not been, nor never shall be, so much absurdity written in geometry, as is to be found in those books of his.« In Lektion III dieses Anhangs bezeichnet Hobbes Wallis’ Schriften als »mere ignorance and gibberish«, die Arithmetica Infinitorum erscheint in Lektion IV als »your scurvy book«, wobei man wohl nicht unerwähnt lassen darf, dass dieses »Skorbut-Buch« antizipiert, was später in den Händen von Isaac Newton (1643–1727) und Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) zum Kalkül geformt wurde.

Hobbes wurde, wie Tom Sorell bemerkt, »abused by Wallis for his mathematical inadequacies«. Er sollte als Autor des Leviathan desavouiert werden, indem Wallis ihm einen Fehler bei der Verwendung des griechischen Wortes ΣΤΙΓΜΑΙ attestierte. Im ursprünglichen Griechisch steht es für einen Einstich oder ein Brandzeichen, während Hobbes in Wallis’ Augen eigentlich von stigmē hätte sprechen müssen, das einen mathematischen Punkt ohne Dimension bezeichnet. Für Hobbes hingegen waren die Wörter austauschbar. Er konnte sich weder ausdehnungslose Punkte (Marken) vorstellen noch eine Linie ohne Breite. Unter dem Titel Marks of the Absurd Geometry, Rural Language, Scottish Church Politics and Barbarisms of John Wallis antwortete er auf die neuen Vorwürfe, woraufhin Wallis wiederum in lateinischer Sprache mit einem weiteren Wortspiel – Hobbiani Puncti Dispunctio – reagierte.

Während Hobbes mit der Fertigstellung seiner philosophischen Trilogie beschäftigt war, arbeitete Wallis an seiner 1657 veröffentlichten Mathesis Universalis, bevor der Denker des Leviathan 1660 mit Examinatio et Emendatio Mathematicæ Hodiernæ die Auseinandersetzung mit seinem philosophischen Widersacher erneut aufleben ließ. Die dafür gewählte Form des philosophischen Dialogs veranlasste Wallis zur Bemerkung, die Gesprächspartner A und B seien nichts anderes als Thomas und Hobbes, und ihr Dialog lediglich eine Methode, mittels derer »Thomas commends Hobbes, and Hobbes commends Thomas, and both commend Thomas Hobbes as a third person, without being guilty of self-commendation«.

Hobbes schlug 1666 mit De Principiis et Ratiocinatione Geometrarum zurück, um den Stolz der Geometrieprofessoren endgültig zum Erliegen zu bringen. Zu diesem Zeitpunkt, so gestand er, schien er gegen »fast alle Geometriker« zu kämpfen, um nicht ohne Ironie zu ergänzen: »Either I alone am mad, or I alone am not mad; other alternative there is none, unless, perchance, some one may say that we are all mad together.« Wallis wiederum veröffentlichte in den Philosophical Transactions der schon damals überaus renommierten Royal Society seine Animadversions of Dr Wallis, upon Mr Hobbes’s late Book; der Streit nahm kein Ende …

1669 fasste der über 80-jährige Hobbes seine Lösungen zur Quadratur des Kreises und zu zwei berühmten griechischen Geometrieproblemen (Problem der Inhaltsgleichheit von Würfel und Kugel und der Verdopplung des Würfelvolumens) in einer Publikation zusammen, deren Inhalt erneut von Wallis zerpflückt wurde. Wiederum flogen verbal die Fäuste – 1669, 1671 und 1672.

1678, im Alter von 90 Jahren, brachte Hobbes schließlich sein Decameron Physiologicum heraus, eine Sammlung von zehn Dialogen zu physikalischen Fragen. Er konnte es nicht lassen, erneut auf Wallis einzuschlagen, diesmal anlässlich einer Arbeit über Gravitation, die er 1669 in seinem Traktat De motu (1669) veröffentlicht hatte.

Hobbes starb im Jahr 1679. Geboren unter einem Stern der Scholastik, trug er mit seinem Werk dazu bei, ein mechanistisches Verständnis der Natur zu entwickeln. Dabei blieb er jedoch zeitlebens ein rein deduktiver Wissenschaftler, während die Mitglieder der Royal Society bereits zur experimentellen, induktiven Wissenschaft übergegangen waren.

Hobbes’ Kampf gegen den 1703 verstorbenen John Wallis war mathematisch gesehen völlig aussichtslos – aber er trug uns zuletzt immerhin die im Alter von 74 Jahren geschriebenen Considerations upon the Reputation, Loyality, Manners, and Religion of Thomas Hobbes of Malmesbury ein, ein Glanzstück polemischer Essayistik, das erst postum 1680 erschien und hier erstmals in deutscher Sprache vorliegt.

Man wird dieser Auseinandersetzung nicht gerecht, wenn man die darin steckenden Ambivalenzen verschweigt, die nicht allein der Mathematik, sondern vor allem der Frage nach der richtigen politischen Herrschaftsform geschuldet waren. Die staatspolitische Rigidität von Hobbes, die in der theoretisch-systematischen Durchdringung der Gesellschaftsordnung ihre Grundlage hatte, konnte dem opportunistischen Wallis nur als persönliche Gefährdung erscheinen. So gesehen konnte ihm auch kaum etwas Besseres geschehen, als Hobbes in der Öffentlichkeit wegen seiner mathematischen Unzulänglichkeiten vorzuführen. Hobbes wusste freilich um die politische Dimension dieser Fehde, wie er Ende 1656 gegenüber seinem Freund Sorbière festhielt: »I was dealing […] with all the ecclesiastics of England, on whose behalf Wallis wrote against me. Otherwise I would not consider him the least bit worthy of a reply.« Aber diese Erkenntnis half ihm nichts; Wallis war einer der führenden Mathematiker Europas, auf diesem Gebiet konnte Hobbes nicht gewinnen. Zudem vermochte er auch dem ideologisch-politischen Sieg, den Wallis aus der mathematischen Auseinandersetzung mit Hobbes bezog, nichts entgegenzusetzen. Der Disput sollte für Hobbes in eine umfassende Niederlage münden, an der viele andere persönlich zerbrochen wären. Hobbes wurde selbst von seinen Kollegen als Atheist und Materialist denunziert, als Anhänger purer Bestialität, dessen Lehren einen so großen Anteil an der Ausschweifung seiner Generation hätten, dass ein guter Christ seinen Namen kaum hören könne, ohne seine Gebete zu sprechen. Nur seine mächtigen Gönner und die Achtung des Königs vor seinem alten Lehrer retteten Hobbes, als Seth Ward als Bischof von Sarum im Parlament den Antrag stellte, ihn als Ketzer auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen. Hobbes ertrug diese Schmähungen mit Standhaftigkeit, wobei er nie von seinem Glauben an seinen Leviathan abwich.

Vermutlich haben Hobbes und Wallis einander nie persönlich getroffen. Hobbes besaß wohl schärferen Witz und besseren Stil, aber Wallis nutzte seine Position als Professor in Oxford und seine führende Stellung in der Royal Society