Übungssammlung Frühförderung - Irene Klöck - E-Book

Übungssammlung Frühförderung E-Book

Irene Klöck

0,0
33,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Frühförderung und Heilpädagogik tragen in besonderem Maß zu einer Früherziehung entwicklungsgefährdeter Kinder bei. Gerade im Vorschulalter, einer Zeit extremer Lernfähigkeit, ist es notwendig, Entwicklungsrisiken frühzeitig zu erkennen und gezielt zu behandeln. Das Buch bietet eine Fülle an Fördermöglichkeiten, Übungen und Ideen für die praktische Arbeit. Mit Übungen zur Wahrnehmung, Motorik und Kognition, zu schulischen Fertigkeiten, zum Sozialverhalten und zur Sprache erhalten HeilpädagogInnen und ErzieherInnen immer neue Anregungen für eine abwechslungsreiche Gestaltung der täglichen Förderarbeit. Ein ausführliches Verzeichnis aller Übungen mit zugehörigen Förderbereichen und -methoden erleichtert die praktische Arbeit mit dem Buch.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 292

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Beiträge zur Frühförderung interdisziplinär– Band 16

Irene Klöck / Caroline Schorer

Übungssammlung Frühförderung

Kinder von 0–6 heilpädagogisch fördern

6., durchgesehene Auflage

Mit 114 Abbildungen und 6 Tabellen

Mit einem ausführlichen Übungsverzeichnis

Ernst Reinhardt Verlag München

Irene Heider (geb. Klöck), Schwabmünchen, ist Heilpädagogin und Erzieherin. Sie arbeitet in der schulvorbereitenden Einrichtung in Graben und als Linkshänderberaterin nach Methodik Dr. J. B. Sattler (S-MH®). Ihre Leidenschaft ist die Montessoripädagogik.

Caroline Schorer, Walkertshofen, ist Heilpädagogin, Erzieherin, systemische Beraterin und Entspannungspädagogin. Sie arbeitet als mobile sonderpädagogische Hilfe an der Cäcilien-Schule in Fürstenfeldbruck und ist Dozentin an der Fachakademie für Heilpädagogik und der Fachschule für Heilerziehungspflege in Augsburg.

Beide Autorinnen sind als Referentinnen für pädagogisches Personal in Kindertagesstätten tätig.

Hinweis: Soweit in diesem Werk eine Dosierung, Applikation oder Behandlungsweise erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass die Autorinnen große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen oder sonstige Behandlungsempfehlungen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden.– Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnungen nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Im Ernst Reinhardt Verlag ebenfalls erschienen:

Klöck, I., Schorer, C.: Frühe Förderung von Kindern von 0 bis 3. Eine Übungssammlung (1. Aufl. 2016, ISBN 978-3-497-02639-5)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

ISBN 978-3-497-03224-2 (Print)

ISBN 978-3-497-61801-9 (PDF-E-Book)

ISBN 978-3-497-61802-6 (EPUB)

6., durchgesehene Auflage

© 2023 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung der Ernst Reinhardt GmbH & Co KG, München, unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen in andere Sprachen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Verlag Ernst Reinhardt GmbH & Co KG behält sich eine Nutzung seiner Inhalte für Text- und Data-Mining i.S.v. § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Printed in EU

Cover unter Verwendung eines Fotos von www.digitalstock.de

Satz: Fotosatz Amann, Memmingen

Ernst Reinhardt Verlag, Kemnatenstr. 46, D-80639 München

Net: www.reinhardt-verlag.de E-Mail: [email protected]

Inhalt

Hinweise zur Verwendung der Icons

Vorwort

Grundlagen

1Die ganzheitliche Sichtweise der Heilpädagogik

2Die Heilpädagogin in der Frühförderung

3Heilpädagogische Methoden

3.1Psychomotorik

3.2Montessori-Pädagogik

3.3Heilpädagogische Rhythmik

3.4Entspannungspädagogik

3.5Heilpädagogische Spieltherapie

3.6Pädagogische Kinesiologie

3.7Heilpädagogische Übungsbehandlung

3.8Heilpädagogisches Zaubern

3.9Heilpädagogisches Werken

Übungen und Fördermöglichkeiten

4Wahrnehmung

4.1Basissinne

Taktile Wahrnehmung

Tiefenwahrnehmung

Gleichgewicht

4.2Visuelle Wahrnehmung

Visuomotorische Koordination

Figur-Grund-Wahrnehmung

Wahrnehmungskonstanz

Wahrnehmung der Raumlage/Raumorientierung

4.3Auditive Wahrnehmung

Lautlokalisation

Lautdifferenzierung

Lautinterpretation

Speicherung

Rhythmisches Empfinden

4.4Olfaktorische und gustatorische Wahrnehmung

Olfaktorische Wahrnehmung

Gustatorische Wahrnehmung

4.5Sinnesbehinderung

5Motorik

5.1Grobmotorik

Förderung der Motorik vom 0.–3. Lebensjahr

Förderung der Motorik vom 3.–6. Lebensjahr

5.2Feinmotorik

5.3Körperliche Behinderung

Fördermöglichkeiten zur Körperwahrnehmung

Körper- und Leiberfahrungen

Förderung des Körperausdrucks

Förderung der Selbstständigkeit im täglichen Leben

Förderung der Körperentspannung

6Kognition

6.1Die kognitive Entwicklung

6.2Entwicklungsverzögerung

Förderung des logischen Denkens

Förderung des Gedächtnisses und der Merkfähigkeit

Allgemeine Anregungen zur kognitiven Entwicklung

6.3Lernschwäche, Lernbehinderung

Allgemeine Anregungen für Kinder von 0–3 Jahren

Übungen zum verbalen Anweisungsverständnis

Überkreuzen der Mittellinie

Feinmotorische Übungen

Übungen zur Aufmerksamkeit, Konzentration, Kognition und Wahrnehmung

6.4Geistige Behinderung

Kommunikative und emotionale Anregungen

Fördermöglichkeiten aus der Montessori-Pädagogik

Fördermöglichkeiten im Snoezelenraum

Basale Stimulation

7Umschriebene Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten

7.1Lese-Rechtschreib-Störung

Auditive Wahrnehmung/Förderung des Wortschatzes und Sprachgefühls

Visuelle Wahrnehmung

Raumlage

Förderung der Konzentration und des Sprachgedächtnisses

Fördermöglichkeiten aus der pädagogischen Kinesiologie und der Entspannungspädagogik

7.2Rechenstörung

Mengen und Zahlen

Körperschema/Körperwahrnehmung

Fördermöglichkeiten für die Basissinne

Überkreuzen der Körpermittellinie

8Sozialverhalten

8.1Störungen des Sozialverhaltens

Materialien für die heilpädagogische Spieltherapie

Theater- und Tischspiele mit Hand-, Finger- oder Stabpuppen

Bilderbücher, Karten, Geschichten und Gespräche zur Förderung der sozial-emotionalen Entwicklung

Fördermöglichkeiten aus den Methoden der Psychomotorik, des Zauberns, des Werkens und der Entspannungspädagogik

8.2Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADS) /Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS)

Förderung der Aufmerksamkeit und Konzentration

Förderung bei motorischer Überaktivität

Fördermöglichkeiten zur Körperentspannung

„Die Maus“

9Sprache

9.1Sprachanbahnung

9.2Spiele zur Förderung der Mundmotorik

9.3Fingerspiele und kleine Verse lernen

9.4Sprechzeichnen / Bewegung und Sprache

9.5Hörspiele

9.6Spaß mit Dingen, Wörtern und Geschichten

Anhang

Rezepte für Knetmasse

Arbeitsblätter

Literatur

Bildquellennachweis

Übungsverzeichnis

Sachregister

Hinweise zur Verwendung der Icons

PsychomotorikEntspannungMontessori-PädagogikRhythmikKinesiologieHeilpädagogisches WerkenHeilpädagogisches ZaubernKognitionSinneswahrnehmung

Am Ende des Buches finden Sie alle Übungen in einem alphabetisch sortierten Übungsverzeichnis. Dieses finden Sie zusätzlich auch nach Förderbereichen sortiert auf www.reinhardt-verlag.de.

Vorwort

Die Frühförderung und die Heilpädagogik tragen in besonderem Maß zu einer Früherziehung entwicklungsgefährdeter Kinder bei. Gerade in der Zeit von der Geburt bis zum Schulanfang, einer Zeit extremer Lernfähigkeit, ist es notwendig, Schädigungen, Funktionsschwächen und Entwicklungsrisiken frühzeitig zu erkennen und gezielt zu behandeln. Hierzu bietet die Frühförderung mit der interdisziplinären Kooperation verschiedener Fachkräfte optimale Voraussetzungen. Ein wichtiger Bestandteil dieser Arbeit ist die Elternberatung und die Einbeziehung der wichtigsten Personen für das Kind, der Eltern, in den Förderprozess.

Das fordert von den verschiedenen Disziplinen, insbesondere von den Heilpädagoginnen, beispielsweise: Fachkompetenz, sozial-emotionale und sprachliche Anpassungsfähigkeit an das Kind und dessen Familie, Vernetzung der verschiedenen Personen und Institutionen.

Die Heilpädagogik ist eine Disziplin, die mit ihrem komplexen Arbeiten und Wirken auf die sich verändernden Sichtweisen und zunehmend schwierigeren pädagogischen, sozialen und bildungspolitischen Fragen antworten kann.

Heilpädagoginnen und andere Fachkräfte machen sich viele Gedanken, was oder welche Hilfe zur Selbsthilfe sie den Kindern anbieten können, damit sich die Kinder positiv entwickeln und entfalten können. Gerade in der heutigen Zeit wird die Vor- und Nachbereitungszeit immer geringer und die Anforderungen an das pädagogische Personal immer größer. Heilpädagoginnen müssen über ein riesiges Spektrum an Fachwissen, pädagogischen Kompetenzen, an guter Didaktik, Ideenreichtum und an praktischen Fördermöglichkeiten verfügen, um den Kindern, die zu ihnen kommen, gerecht zu werden.

In der Praxis suchen wir häufig in zahlreichen Büchern nach passenden Anregungen, in den meisten heilpädagogischen Fachbüchern jedoch überwiegt die Theorie.

Diese und andere Feststellungen haben uns dazu veranlasst, praktische Übungen zu sammeln und dieses Buch zu schreiben. Wir haben uns bemüht, innerhalb einer strukturierten Aufteilung viele praktische, leicht verständliche und bildhafte Anregungen darzustellen. Das Buch stellt eine Art Nachschlagewerk dar, das den Heilpädagoginnen, aber auch allen anderen Erziehenden, praktische Anregungen und Übungsbeispiele an die Hand gibt, die ihnen die tägliche Förderarbeit mit Kindern von 0–6 Jahren erleichtert. Dabei dürfen diese Beispiele nicht als für sich stehende Übungen gesehen werden, sondern müssen, wie in Kapitel 1 dargestellt, in ein Feld vertrauensvoller Beziehung eingebunden und immer am Entwicklungsstand des Kindes orientiert werden.

Wir wollten keine wissenschaftliche Abhandlung schreiben, haben die Theorie deshalb kurz gehalten und unseren Schwerpunkt auf die Spiel- bzw. Übungsbeispiele gelegt, mit denen wir gute Erfahrungen gesammelt haben.

Außerdem ist es uns ein Anliegen, nicht in den Bereich einer anderen Berufsgruppe einzudringen, sondern im Gegenteil, wir bedanken uns bei unseren Kolleginnen der Frühförderung Mindelheim, unserem interdisziplinären Team, für den gegenseitigen Erfahrungsaustausch und die gute Zusammenarbeit.

Zum Abschluss möchten wir unseren Dank an alle aussprechen, die uns bei der Entstehung dieses Buches unterstützt haben. Besonders bedanken wir uns bei Dr. Martin Thurmeir, der uns stets mit fachlichen Hinweisen und Anregungen zur Seite stand, bei den Eltern, deren Kinder wir fotografieren durften, und vor allem bei den Kindern, die beim Fotografieren große Freude hatten. Außerdem möchten wir uns bei Katharina Satzger bedanken, die uns die Arbeitsblätter gezeichnet hat.

Mai 2023

Caroline SchorerIrene Heider

Hinweis: Wir verwenden im Buch den Begriff „Heilpädagogin“, möchten damit aber auch männliche Heilpädagogen und alle in der Pädagogik und Medizin tätigen Kollegen mit einschließen.

Grundlagen

1Die ganzheitliche Sichtweise der Heilpädagogik

Die Heilpädagogik im heutigen Sinn ist eine wissenschaftliche Disziplin der Pädagogik und beschäftigt sich mit Menschen, deren Entwicklung unter erschwerten Bedingungen verläuft. Sie wendet sich an Kinder, Jugendliche, Erwachsene und alte Menschen, welche aufgrund von Entwicklungsschwierigkeiten und/oder herausfordernden Verhaltensweisen bzw. Störungen oder Behinderungen einen erhöhten Förderbedarf haben.

Dabei betont die Heilpädagogik eine ganzheitliche Sichtweise des Individuums. Es geht ihr um die Förderung unter Berücksichtigung der Gesamtpersönlichkeit des Menschen mit seinen Ressourcen, Stärken und Schwächen und unter Berücksichtigung seiner familiären Lebenssituation und seines sozialen Umfelds.

Das Wort „heil“ bezieht sich nicht auf Heilung im medizinischen Sinne. Vielmehr wird „heil“ hier im Sinne der alten Bedeutung des Wortes, nämlich „ganz“, verwendet.

Deshalb unterscheidet sich die Arbeit der Heilpädagogik von vorwiegend funktionellen Therapieformen. Sie beinhaltet die Erziehung, Förderung, Begleitung, Beratung, Assistenz und Hilfe des Kindes und dessen Umfelds. Sie „holt das Kind da ab, wo es steht“, d. h. das Kind wird nicht überfordert, unangemessenem Druck oder antrainierendem Üben ausgesetzt. Im Gegenteil, wir arbeiten nach dem Motto Paul Moors (1965, 20),

„Nicht gegen den Fehler sondern für das Fehlende.“

und nach dem Leitsatz von Oy/Sagi (1997),

„Im Zentrum steht das Spiel.“

Die ganzheitliche Sichtweise bezieht sich vor allem auch auf die Heilpädagogin selbst. Sie bringt sich mit ihrer ganzen Person in die Arbeit ein. Sie verfügt über Fähigkeiten wie Empathie und Wertschätzung, Interesse und Verständnis für die Lebenssituation anderer Menschen und bringt Freude an ihrer Arbeit mit Menschen mit. Sie wählt das heilpädagogische Angebot, bzw. die Methode individuell für jedes einzelne Kind aus und bietet die Methode entsprechend ihrem „Wissen“ und ihren „Neigungen“ überzeugend an.

Vom Grundcharakter stellt heilpädagogisches Handeln professionelles pädagogisches Handeln dar. Damit die Heilpädagoginnen ihren Aufgaben eigenständig, selbstverantwortlich und in Zusammenarbeit mit den benachbarten Fachpersonen gerecht werden, verfügen sie über besondere fachliche Kenntnisse aus den wissenschaftlichen Bereichen, wie Pädagogik, Psychologie, Medizin, Rechts- und Sozialwissenschaften und über eine Vielfalt praktischer Handlungsformen für die pädagogische und therapeutische Arbeit.

Die Begleitung kann in Einzel- oder Gruppenförderung angeboten werden. Das Kind wird nicht fremdbestimmt „behandelt“, sondern lernt selbstbestimmt zu handeln und zu lernen. So kann es dem Menschen möglich sein, ein sinnerfülltes und so weit wie möglich selbstständiges Leben zu führen.

2Die Heilpädagogin in der Frühförderung

Die heilpädagogische Förderung in der interdisziplinären Frühförderung ist eine Frühmaßnahme für Kinder ab der Geburt bis zum Schuleintritt. Sie richtet sich an Kinder mit Auffälligkeiten in der Entwicklung, Kinder mit Behinderungen und solche, die davon bedroht sind, sowie deren Eltern und Familien. Die Auffälligkeiten können sich in der geistigen, sprachlichen, motorischen, emotionalen, sozialen Entwicklung und in der Wahrnehmungsentwicklung zeigen.

Nach der Eingangsphase (Erstgespräch, Anamnese, Beobachtung, Diagnostik) wird die Diagnose mitgeteilt. Hierbei geht es darum, den Eltern zu vermitteln, welchen Eindruck die Frühförderin vom Entwicklungsstand des Kindes hat und welche Förderung empfohlen wird. Nach der Behandlungsempfehlung beginnt die eigentliche heilpädagogische Förderung. Die heilpädagogische Förderung kann

■in Einzelförderung in den Räumen der Frühförderung,

■als Hausfrühförderung in der gewohnten Umgebung des Kindes,

■in Kleingruppen,

■in Räumen der teilstationären Einrichtungen, z. B. in den Kindergärten

stattfinden. Eine heilpädagogische Förderstunde findet in der Regel einmal wöchentlich für 1,5 Stunden statt. Die Dauer der heilpädagogischen Förderung richtet sich nach dem Entwicklungsstand des Kindes und den Bedürfnissen der Eltern. Mit jedem Fall endet sie mit dem Schuleintritt. Ziele der heilpädagogischen Frühförderung sind:

■Führen eines sinnerfüllten, autonomen, glücklichen Lebens

■Annahme der eigenen Persönlichkeit, mit all ihren Stärken und Schwächen

■Förderung der Wahrnehmungsleistung

■Verbesserung der Bewegungssteuerung, sowie Förderung der Fein- und Grobmotorik

■Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten

■Steigerung der Konzentration und Ausdauer

■Stärkung des Selbstbewusstseins und der Persönlichkeitsentwicklung

■Förderung der Selbstständigkeit und der Handlungsplanung

■Verbesserung der sozial-emotionalen Kompetenzen

■Anbahnung und Förderung der Sprache, des Ausdrucks und der Kommunikation

■Information und Wegbegleitung der Eltern

■Beratung der Erzieher/innen

■Vernetzung der verschiedenen Einrichtungen und Fachkräfte

Heilpädagogische Förderung

Zu Beginn jeder Förderung wird eine tragfähige Beziehung aufgebaut. Daher ist die erste wichtige Aufgabe der Heilpädagogik der Beziehungsaufbau zum Kind. Bei Kindern mit Beziehungsstörungen kann das auch für eine Weile das Hauptthema sein. Die weitere Beziehungsgestaltung und der Förderverlauf sind für die Kinder und besonders für Kinder mit Beziehungsstörungen wichtig. Sehr wertvoll erachten wir den persönlichen Kontakt zu den Eltern. Neben der Begleitung des Kindes steht die fachliche Begleitung und Unterstützung der Eltern und Erzieher/innen. Die Kooperation aller, die an der Förderung eines Kindes beteiligt sind, ist ein wichtiges Anliegen der Heilpädagogik.

Unter Berücksichtigung der Anamnese, Diagnostik, Beobachtungen sowie des sozialen Umfeldes des Kindes erstellt die Heilpädagogin wenn möglich in Zusammenarbeit mit den Eltern einen individuellen Förder- und Behandlungsplan. Dieser stellt die Grundlage der Förderung dar. Im Förder- und Behandlungsplan wird die Ist-Situation des Kindes mit all ihren Stärken und Schwächen erfasst und es werden Förderziele definiert.

Die heilpädagogische Förderung orientiert sich am jeweiligen Entwicklungsstand des Kindes. Sie knüpft an bestehende Fähigkeiten und Möglichkeiten des Kindes an und entwickelt zusammen mit dem Kind und der Familie neue Handlungs- und Erfahrungsräume. Mit Hilfe der passenden Methode und durch ein ausgewogenes Angebot von Förderimpulsen werden im Spiel neue Kenntnisse, Fähigkeiten und Verhaltensweisen geweckt, entwickelt und gefestigt.

Die heilpädagogische Förderung ist ganzheitlich konzipiert, sie beachtet alle Bereiche der kindlichen Entwicklung. Im Vordergrund steht das „Stärken der Stärken“. Die Förderangebote werden kindgerecht gestaltet, so dass die Kinder die Förderung als motivierend, freudig und spielerisch erleben.

Aufbau einer heilpädagogischen Förderstunde

Ziel ist es, die Förderziele/Schwerpunkte aus dem Förder- und Behandlungsplan Schritt für Schritt umzusetzen. Die Förderschwerpunkte sind sozusagen das „Thema der Stunde“, mit dem wir in die Stunde gehen, was wir dem Kind anbieten.

Jede Förderstunde beginnt mit der Vorbereitung des Raumes und des Materials. Der Raum und das Material sollten je nach Schwerpunkt individuell gewählt werden. Die Reizfülle in einem Raum kann ein Kind beflügeln, ein anderes Kind erdrücken. Bei einigen Kindern muss man ablenkendes Material entfernen und sich nur auf das bereitgestellte beschränken. Bei anderen Kindern muss ganz bewusst verschiedenes Fördermaterial angeboten werden. Findet die Förderstunde zu Hause, also im familiären Umfeld statt, so ist es wichtig, mit den Eltern im Vorfeld zu besprechen, in welchen Räumlichkeiten die Förderung stattfinden kann. Auch sollte besprochen werden, ob die Geschwisterkinder, die Mutter oder die Eltern mit anwesend sind. Dieses gilt es in jedem Fall individuell je nach Schwerpunkt abzuwägen, was dem Kind und dessen Umfeld zu Gute kommt. In einigen Familien macht es Sinn, dass die Mutter die ganze Zeit mit anwesend ist, in einer anderen wiederum wäre es eine gute Lösung, dass die Mutter/das Geschwisterkind etwas später dazu kommen.

Zu Beginn erfolgt stets die Begrüßung zwischen der Heilpädagogin und dem Kind. Rituale können helfen, besonders zu Beginn anzukommen und sich besser in die Stunde einzufinden. Beispielsweise kann immer dieselbe Begrüßungssituation stattfinden, z. B. auf einem Kissen am Boden mit einem kurzen Begrüßungslied, Fingerspiel oder einer Erzählrunde (Wie geht es mir, was habe ich erlebt etc.).

Im Hauptteil der Stunde setzen wir die definierten Ziele im Förder- und Behandlungsplan um. Durch verschiedene Übungen und Spiele, eventuell in mehreren Varianten, versuchen wir Lernziele/Lernerfolge zu ermöglichen. Für das Kind ist es sehr hilfreich, eine thematische Verknüpfung zur vergangenen Stunde herzustellen. Die Einführung, Darbietung oder Erklärung verlangt von der Heilpädagogin eine gute didaktische Planung und Abfolge, sowie eine konzentrierte, gezielte und disziplinierte Haltung.

Die Angebote verlaufen nacheinander, wobei der Spielraum für eigene Aktivitäten des Kindes erhalten bleiben muss. Wir sind stets darauf bedacht, eine Abwechslung von Anspannung (konzentrierte Spielübung mit Material am Tisch oder Boden) und Entspannung (Bewegungs-, Entspannungs- oder Rhythmikübung) herzustellen. Das Üben und Wiederholen haben in einer heilpädagogischen Förderstunde einen hohen Stellenwert, ebenso ist es sehr wichtig, dass das Kind Fehler machen darf. Aus Fehlern lernt man bekanntlich am meisten.

Die Abschlussphase stellt wiederum eine wiederkehrende Situation dar. Das Kind erkennt nun, dass die Stunde dem Ende zugeht. In dieser Phase kann es dem Kind möglich sein, noch ein Spiel oder Material auszusuchen und sich damit zu beschäftigen. Oder aber die Stunde kann mit einer Entspannungseinheit, wie z. B. einer Körpermassage, den Abschluss finden.

Nach der Förderstunde dokumentiert die Heilpädagogin die Stunde und wertet sie aus. Beobachtungen werden schriftlich fixiert. Das Protokoll stellt zugleich den Ausgangspunkt für die Planung und Durchführung der nächsten Stunde dar.

3Heilpädagogische Methoden

Heilpädagogische Methoden sind Maßnahmen, die das Kind in seiner ganzen Person ansprechen und sich an dessen Bedürfnissen und Stärken orientieren.

Wir haben uns auf die Methoden beschränkt, die unseren Eignungen und Neigungen entsprechen, die wir durch Eigenmotivation überzeugend anwenden können und mit denen wir positive Erfahrungen gemacht haben. Außerdem setzen wir die Methoden ein, die uns zur Erreichung unserer Förderziele, individuell am Kind orientiert, am erfolgreichsten erscheinen. Wir wenden diese Methoden hauptsächlich in der Einzelförderung, in der Kleingruppen- sowie in der Vorschulgruppenarbeit an.

Die Einzelförderung findet einmal wöchentlich entweder in unserer Einrichtung, im Kindergarten oder als Hausbesuch statt. Dabei ist das Setting der Einzelkontakt zum Kind. Allerdings arbeiten wir auch in der Elternberatung bzw. wir beziehen die Eltern, häufig die Mutter, in die Förderstunden mit ein.

Unter Kleingruppenarbeit verstehen wir die Arbeit mit zwei Kindern. Vielfach fällt es Kindern schwer, in Kontakt mit anderen Kindern zu kommen, bzw. die größere Gruppe überfordert sie. Deshalb bieten wir die Möglichkeit im Kindergarten an, ein anderes Kind mit in die Stunde zu nehmen, um zunächst Vertrauen und Sozialkontakte im geschützten Rahmen einer Kleingruppe aufzubauen.

Einige Methoden, wie die Psychomotorik, bieten sich vor allem in der Gruppenarbeit an. Wir arbeiten in unserer Frühförderung mit Vorschulgruppen, Spieltherapiegruppen und heilpädagogisch-ergotherapeutischen Gruppen. Diese Gruppen finden einmal wöchentlich statt. In dieser Gruppe befinden sich sechs Kinder, die von zwei Frühförderinnen geleitet werden.

Nachfolgend werden wir die für uns wichtigsten heilpädagogischen Methoden vorstellen.

3.1Psychomotorik

Die deutsche Psychomotorik wurde in den 1950er Jahren von Ernst J. Kiphard begründet. Die Psychomotorik betont die Wechselwirkung zwischen Körper und Seele und ist ein Modell der Persönlichkeitsbildung, die über motorische Lernprozesse geschieht. Sie spricht drei Handlungskompetenzen an, die sich beim Kind entwickeln sollen:

■Ich-Kompetenz

■Sach-Kompetenz

■Sozial-Kompetenz

Ich-Kompetenz bedeutet, sich selbst und seinen Körper zu erleben. Die Sach-Kompetenz drückt aus, sich an die Umwelt mit ihren Materialien, Geräten und Hindernissen anzupassen. Und die Sozial-Kompetenz beschreibt den Lernprozess, sich anderen Kindern anzupassen, dabei auch in echter Kommunikation eigene Bedürfnisse durchzusetzen (Kiphard zitiert nach Eitle 2003, 162).

So kann die Psychomotorik als ein pädagogisches Konzept betrachtet werden, das die ganzheitliche Sichtweise des Menschen beachtet. Die Ausrichtung der Förderschwerpunkte und der Einsatz verschiedener Elemente richten sich nach dem jeweiligen Klientel.

Die Psychomotorik richtet sich an Kinder, die hyperaktiv, hypoaktiv und sozial auffällig sind, die Wahrnehmungs- und Bewegungsauffälligkeiten zeigen und dadurch Leistungsanforderungen meiden oder überfordert sind, die ein negatives Selbstbild entwickelt haben und durch auffälliges Verhalten Schwierigkeiten bei Sozialkontakten haben.

Ziel der Psychomotorik ist, über Bewegungserlebnisse zur Stabilisierung der Persönlichkeit beizutragen und so das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu stärken. Sie soll aber auch eine Förderung der Motorik ermöglichen sowie die Probleme des Kindes mit sich selbst und seiner Umwelt aufzeigen.

Eine psychomotorische Förder- oder Spielstunde ist eine sich ständig ändernde und nicht planbare Veranstaltung. Der allgemeine Rahmen wird vom Übungsleiter durch evtl. Geräte- und Materialangebote und durch die grobe Strukturierung der Stunde vorgegeben. Grundsätzlich haben die Teilnehmer die Möglichkeit, sich aktiv an der Gestaltung jeder einzelnen Stunde zu beteiligen und sich mit ihrer Individualität einzubringen (Beudels et al. 2001).

Der Handlungsansatz betont nicht die Schwächen, sondern die Stärken des Kindes. Er soll Spaß an der Bewegung vermitteln, und vor allem durch selbstbestimmtes Handeln und Ausprobieren Misserfolge vermeiden, damit das Kind durch Erfolgserlebnisse zu mehr Selbstvertrauen findet.

Psychomotorisch arbeiten wir hauptsächlich mit unseren Vorschulgruppen. Die Gruppe besteht aus sechs Kindern, und die Stunde findet einmal wöchentlich im Motorikraum der Einrichtung statt. Die Geräte und Materialien wählen wir nach den Förderschwerpunkten für die jeweiligen Kinder aus. Der Ablauf einer Sequenz gliedert sich meist in eine Anfangsphase mit Gesprächskreis und Aufwärmspiel. Es schließt sich die Erfahrungsphase mit den Förderschwerpunkten an und zuletzt endet die Stunde mit der Abschlussphase, d. h. wie beende ich die Stunde, um die Kinder gut in ihre „Lebenswelt“ zurückzuführen. Wir achten auf den Wechsel zwischen Spannung und Entspannung sowie Ruheeinheiten und Aktion. Der Übungsleiter sollte die Kinder motiviert und klar verständlich anleiten.

3.2Montessori-Pädagogik

Die Montessori-Pädagogik ist ein reformpädagogisches Bildungsangebot, das sich unmittelbar am Kind orientiert und konsequent die Bedürfnisse des Kindes berücksichtigt. Das Konzept umfasst die gesamte kindliche Entwicklung von Geburt an bis hin zum Eintritt in das Erwachsenenalter.

Maria Montessori war die erste Frau Italiens, die Medizin studierte. 1906 gründete Maria Montessori im römischen Elendsviertel „San Lorenzo“ das erste Kinderhaus. Sie machte es sich zur Aufgabe, sich um verwahrloste, normale und gestörte Kinder zu kümmern. Sie stellte Fördermaterialien her, die für Kinder ansprechend waren, sie beschaffte sich Möbel, die den kindlichen Maßen angepasst waren und sie verschaffte den Kindern Freiheit und Frieden zur Arbeit, zum Sammeln von verschiedenen Erfahrungen, sich zu bewegen. Eine neue Pädagogik war geboren (Anderlik 1999, 15–18). Maria Montessoris Grundprinzipien lauten:

■Das Kind in seiner Persönlichkeit achten, es als vollwertigen Menschen sehen.

■Seinen Willen entwickeln helfen, indem man ihm Raum für freie Entscheidung gibt, ihm helfen, selbstständig zu denken und zu handeln.

■Ihm Gelegenheit bieten, den eigenen Lernbedürfnissen zu folgen, denn Kinder wollen nicht nur irgendetwas lernen, sondern zu einer ganz bestimmten Zeit etwas ganz bestimmtes.

■Ihm helfen, Schwierigkeiten zu überwinden statt ihnen auszuweichen.

Ziel der Montessori-Pädagogik ist ein verständnisvoller, liebevoller Umgang zwischen Erwachsenen und Kindern. Maria Montessori stellt das Kind mit seinen Bedürfnissen in den Mittelpunkt ihres pädagogischen Bemühens. Den Ausspruch eines Kindes:

„Hilf mir es selbst zu tun“

machte Maria Montessori zum Leitsatz ihrer Pädagogik. Ihr Konzept ist so aufgebaut, dass das Kind lernt, selbstständig zu werden. Wichtig ist es, dem Kind eine Umgebung zu schaffen, die seine Entdeckerfreude, seinen Lernwillen, und seinen Drang nach Selbstständigkeit unterstützt. Maria Montessori spricht hierbei von einer „vorbereiteten Umgebung“. Sie sollte auf die Körpergröße, den Entwicklungsstand und die Interessen und Bedürfnisse der Kinder abgestimmt sein. Das Material sollte in verschiedene Bereiche aufgeteilt und immer nur einmal vollständig am gleichen Platz stehen.

Die Angebote der vorbereiteten Umgebung orientieren sich an den Bedürfnissen und Interessen der Kinder. Dies setzt eine genaue Beobachtung der Kinder, ebenso die Kenntnis und das Erkennen von „sensiblen Phasen“ voraus. Maria Montessori bezeichnet die sensiblen Phasen als Zeiträume innerhalb der kindlichen Entwicklung, in denen das Kind besonders aufnahmebereit ist für all jene Eindrücke, die einen ganz bestimmten Entwicklungsschritt erleichtern oder ermöglichen. Während der sensiblen Phasen kann ein bestimmter Lernschritt leicht, freudvoll und geradezu spielerisch erfolgen, während dasselbe Lernangebot das Kind zu einem anderen Zeitpunkt über- oder unterfordern, unter Druck setzen oder langweilen würde. Die Montessori-Pädagogik betrachtet die sensiblen Phasen daher als Lernchance und unterstützt die Kinder dabei, diese Zeiträume optimal für ihre Entwicklung zu nutzen.

Das von Maria Montessori selbst entwickelte Material ist eine didaktische Sammlung, welche sich zur Förderung der Selbsttätigkeit und Selbstständigkeit des Kindes durch Übungen der Sinne, der Bewegungen, des praktischen Lebens und des handelnden Umgangs auszeichnet. Kennzeichen des Materials sind die spielerische Fehlerkontrolle, der hohe Aufforderungscharakter, die einfache Erfassung der Aufgaben sowie die Herausarbeitung der Schwierigkeiten. Das Material gliedert sich in folgende Bereiche:

■Übungen des täglichen Lebens

■Sinnesmaterial

■Sprachmaterial

■Mathematikmaterial

■Material zur kosmischen Erziehung

Das Arbeiten mit dem Material scheint fast wie eine meditative Vertiefung. Maria Montessori bezeichnet dies als „Polarisation der Aufmerksamkeit“. Dem Kind gelingt es, die gesamte Aufmerksamkeit zu sammeln und sich in eine Sache so zu vertiefen, dass die ganze Umgebung rundherum vergessen scheint.

Die Montessori-Pädagogik ist aber nicht nur weltweit für das „normale Kind“ einsetzbar, sondern auch für „Kinder mit besonderen Bedürfnissen“. In der heilpädagogischen Förderung versuchen wir bereits im frühen Entwicklungsalter, fehlende Möglichkeiten auszugleichen und verwenden dabei dieselben Ansätze aus der Montessori-Pädagogik. Für Kinder mit besonderen Bedürfnissen müssen allerdings die Art und Weise, das Tempo, die Intensität für das jeweilige Kind verändert werden. Das ansprechende Montessori-Material bietet eine große Hilfestellung, Lernen zum Anfassen oder wie Maria Montessori sagt: „Vom Greifen zum Begreifen“. Gerade bei Kindern mit Lernschwächen, mit Schwächen im Vorstellungsvermögen und in der Merkfähigkeit ist das Material hervorragend geeignet, um bestimmte Lerninhalte zu vermitteln und diese zu verinnerlichen.

3.3Heilpädagogische Rhythmik

Die heilpädagogische Rhythmik wurde von Mimi Scheiblauer (1865–1948) begründet. Sie arbeitete mit Menschen mit einer Sinnesbehinderung, einer geistigen Behinderung oder herausfordernden Verhaltensweisen, aber auch mit Menschen ohne Behinderung . Ihr Weg war es nicht durch Erkennen etwas zu Erleben, sondern durch Erleben etwas zu Erkennen. Das ist dem Kind angemessen und für Kinder mit Behinderungen ein gangbarer Weg, Lerninhalte zu erfahren (von Oy/Sagi 1997).

Die heilpädagogische Rhythmik stellt eine vielseitige Methode dar. Sie bietet vielfältige Möglichkeiten, um grundlegende Fähigkeiten bei Kindern anzusprechen und zu fördern. Der Schwerpunkt liegt beim Selbermachen und selbst Ausprobieren. Zu den Inhalten gehören Spiellieder, Lieder, Tänze, Geschichten, die Verwendung von Instrumenten, verschiedene Bewegungsarten, die Verwendung von Masken, Kostümen und Tüchern, Musik von Tonträgern und vieles mehr. Für ihre Rhythmikstunden wählte Mimi Scheiblauer Materialien, die einen hohen Aufforderungscharakter haben und deren Handhabung nicht von vornherein festgelegt ist. Dieses Material ist als das Scheiblauer-Material bekannt und in fast jeder pädagogischen Einrichtung zu finden. Dazu zählen: Bälle, Seile, Tücher, Reifen, Stäbe, Sandsäcke, Holzstäbe, Tamburin, Rasseldosen, Triangel und vieles mehr.

Der Schwerpunkt rhythmischer Erziehung liegt entsprechend darauf, Erfahrungsprozesse in Gang zu setzen sowie Spiel- und Handlungsräume zu ermöglichen. Musik, Bewegung, Sprache und Material sind die methodischen Grundpfeiler der rhythmisch-musikalischen Förderung. Vor allem Kinder, die nicht über ausreichende kognitive Fähigkeiten, mentale und körperliche Umsetzungsfähigkeiten verfügen, können in Rhythmikstunden mit besonders elementarer Freude am Musizieren, Singen und Tanzen agieren. Gleichzeitig werden die Wahrnehmung, die Motorik, die Sprache und das Sozialverhalten gefördert.

Mimi Scheiblauer hat als erste die rhythmischen Übungen in fünf Bereiche eingeteilt. In diesem Werk möchten wir die sechs Erfahrungsfelder nach Isabelle Frohne aufzeigen, da sie die Bereiche der Mimi Scheiblauer neu überarbeitet und um einen wichtigen Punkt erweitert hat, nämlich den der Fantasie und Kreativität. Ihre Einteilung kann sowohl als Inhalt wie auch als methodischer Weg der Rhythmik verstanden werden (Peter-Führe 1996).

1. Übungen zur Sensibilisierung: Hierbei liegt der Schwerpunkt auf der Entwicklung und Differenzierung der Wahrnehmungsfähigkeit. Damit ist nicht nur die Selbst-, sondern auch die Fremdwahrnehmung gemeint. Kinder erhalten die Möglichkeit, Aufmerksamkeit und Konzentration auf ausgewählte Sinnesreize zu erleben. Beispielsweise beim Summen gibt es im eigenen Körper einiges zu spüren, aber auch bei Übungen mit verschiedenem Material (Oberfläche, Größe, Beschaffenheit).

2. Übungen zur Orientierung: Bei diesen Übungen geht es um die Orientierung, dem Zurechtfinden in Raum und Zeit. Dieses stellt eine tägliche Aufgabe dar. Es ist sehr wichtig, im Spannungsfeld „eigener Rhythmus“, dem eigenen inneren Tempo und der „äußeren Zeit“ im familiären und gesellschaftlichen Umfeld einen Bogen zu spannen. Ebenso geht es hierbei auch um die Wahrnehmung des inneren und äußeren Raumes. Der Körper stellt stets den Bezugspunkt zur Umwelt dar.

3. Übungen zur Expressivität: Übungen zur Expressivität sind Übungen zur Förderung der Ausdrucksfähigkeit. In der rhythmischen Arbeit ist es wichtig, dass Kinder ihre Möglichkeiten zum Körperausdruck entdecken und erweitern können. Dieses kann je nach Alter oder Übung bewusst oder unbewusst geschehen. Durch das Arbeiten mit Gegensätzen können Kinder Verhaltensweisen entdecken, die nicht ihrem Charakter entsprechen, es aber auffordern, das Anderssein zu erleben. Hierbei kann ein Kind im Tanz oder im Spiel beispielsweise eine Lebendigkeit zulassen, die es bisher im Alltag noch nicht zeigen konnte.

4. Übungen zur Flexibilität: Hierbei geht es um die Entwicklung des Vermögens, sich in andere hineinzuversetzen, den Ausdruck, die Gefühle und die Stimmungen, Einstellungen und Verhaltensweisen nachzuempfinden und verstehen zu können. Des Weiteren geht es darum, eine Balance zu finden zwischen der Bereitschaft, zu führen und der Bereitschaft, zu folgen. Dem Kind soll es möglich sein, zwischen der eigenen Aktion und der Reaktion des anderen umschalten zu können, wenn sich die Bedingungen im Spannungsfeld plötzlich verändern. Flexibel sein bedeutet fähig sein, eigenes Verhalten adäquat zu steuern, um sich im Verhältnis „Ich“ und „Umfeld“ wohl zu fühlen.

5. Übungen zur Kommunikation und Interaktion: Bei diesen Übungen wird die soziale Kontaktfähigkeit angeregt und gepflegt. Das tägliche Miteinander, das Sprechen, Spielen, Handeln fordert kontinuierlich konstruktive Lösungen. Wir brauchen Mitmenschen, um die eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Das Leben in einer Gruppe bedeutet sich einzubringen und zu erleben, wie diese Impulse auf einen selbst zurück schwingen. Wenn es gelingt, kann dies zu einem tiefen Erleben von sich selbst führen. Dieses Ich-Erleben kann in Partner- oder Gruppenübungen umgesetzt werden.

6. Übungen zur Fantasie und Kreativität: Einen wichtigen Platz in der Rhythmik hat die Anregung der schöpferischen Ideen sowie die Mitgestaltung der Stunde. Fantasie und Erfindungssinn sind schon bei kleinen Kindern zu beobachten. Unaufgefordert gehen sie mit sich, mit Material und mit Sprache auf vielfältige Weise um. Im kreativen Tun können Kinder eigene Fähigkeiten erleben, erfahren und weiterentwickeln. Darüber hinaus ist die Freude an der eigenen Gestaltung eine Kraft, die aufbauend wirkt.

Die Heilpädagogische Rhythmik ist demnach ein anregendes, kreatives Konzept, das praxisnah mit viel Freude umgesetzt werden kann. Sie fördert die physischen und psychischen Entwicklungsprozesse eines Kindes und unterstützt die Harmonisierung der Persönlichkeit.

3.4Entspannungspädagogik

Der Begriff „Entspannung“ ist heutzutage in aller Munde und umfasst viele Methoden, wie z. B. Yoga, autogenes Training, Progressive Muskelrelaxation, Massage und vieles mehr.

Entspannungsmöglichkeiten sind für Kinder genauso notwendig wie für Jugendliche oder Erwachsene. Allerdings ist es sinnvoll, die passende Entspannungsmethode für jeden einzelnen Menschen zu finden. Für den einen kann es Yoga sein, den anderen spricht das autogene Trai-ning oder eine Entspannungsmassage an. Ausreichende Erholungsphasen erhöhen unsere Lebensqualität, machen uns ausgeglichener, kreativer, mutiger und stärken unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit. Sie ermöglichen uns neue Erfahrungen und steigern unsere Lernfähigkeit.

Wir beschränken uns auf einige wenige Anwendungen in unserem Praxisbuch, die wir als hilfreich, effektiv und für Kinder von 0–6 Jahren geeignet erlebt haben. Außerdem ist es uns wichtig, den Kindern, die genauso wie wir Erwachsene permanentem Druck und Stress ausgesetzt sind, zu helfen, um sich erholen zu können. Wir wenden Atemübungen, Kinderyoga, kleine Fantasiereisen, taktile Wahrnehmungsgeschichten, freies Malen, freies Bewegen und Tänze nach Musik an.

Beginnen wir mit der Atmung: Viele Kinder und Erwachsene atmen nicht richtig, sie atmen flach und an der Oberfläche. Atemspiele helfen, tief in den Bauch zu atmen und alle Organe mit Sauerstoff zu versorgen. Die Kinder werden ruhiger und entspannter. Außerdem erleben sie Stille, für die heute kaum mehr Zeit und Raum ist. Die Kinder lernen, in sich hinein zu hören, Geräusche wahrzunehmen und sich besser zu konzentrieren.

Die Atemübungen bilden häufig die Einstiegsphase beim Kinderyoga. Dabei trainieren die Kinder ohne Leistungsgedanken ihre Körperbewegungen. Sie zeigen eine gezielte, aufrechtere Körperhaltung und der Körper wird mit neuer Kraft versorgt. Yoga schult die Ausdauer und Konzentration, die Geduld, das Gleichgewicht und vor allem das Selbstbewusstsein. Die Wahrnehmungsfähigkeit verbessert sich ebenfalls.

Wenn Reize aufgenommen und verarbeitet werden, spricht man von Wahrnehmung. Wichtig sind dabei die Basissinne, die Propriozeption, die taktile Wahrnehmung und das Gleichgewicht. Darf das Kind über alle seine Sinne lernen, also vom „Greifen zum Begreifen“, so lernt das Kind am nachhaltigsten und effektivsten. Außerdem werden sensorische Erlebnisse leichter durch spielerische Wahrnehmungsangebote, durch eigene aktive Bewegungen vermittelt. Gute Erfahrungen haben wir mit Massagespielen gemacht. Aber auch Fantasiereisen helfen den Kindern, eins zu werden mit ihrem Körper und ihrem Geist. Sie erleben An- und Entspannung, fühlen sich wohl in ihrer „Haut“ und wachsen in ihrer Persönlichkeit.

Die Musik ist unserer Meinung nach ein weiterer wichtiger Baustein, der in der Entspannungsarbeit eingesetzt wird. Sei es durch ruhiges Zuhören, durch freies Bewegen nach Musik oder durch Tänze. Wir alle kennen die Kraft der Musik, sie kann uns beruhigen, entspannen, fröhlich machen und zur Bewegung animieren. Sie hilft uns und den Kindern, Ärger und Wut zu verarbeiten und offener für die eigenen Gefühle und daraus resultierend für die Gefühle anderer zu werden.

Folgende Elemente sind eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Entspannungsarbeit:

■heller, freundlicher Raum

■angenehme Temperatur

■harmonische Farben

■beruhigende Bilder

■Wolldecken, Matten und Kissen

■genügend Platz um sich zu bewegen

■eine Musikanlage und geeignete CD’s

■eine Hängematte

■ein Trampolin

■Malutensilien

3.5Heilpädagogische Spieltherapie

Die heilpädagogische Spieltherapie ist eine Methode, die hauptsächlich bei Kindern mit herausfordernden Verhaltensweisen oder emotionaler Deprivation eingesetzt wird.

Sie geht davon aus, dass jeder Mensch Selbstheilungskräfte besitzt, die es zu aktivieren gilt. In der heilpädagogischen Spieltherapie bedient sich die Heilpädagogin der Ausdrucksform des kindlichen Spieles und der spielbegleitenden Sprache.

Ein Merkmal ist die non-direktive Vorgehensweise, wie sie auch Carl Rogers in seinem Buch „Die nicht-direktive Beratung“ (1972) beschrieben hat. Allerdings werden in der Spieltherapie mehr das Spiel und die Handlung eingesetzt als das Wort. Die nicht-direktive Spieltherapie geht davon aus, dass jedes Kind die Fähigkeit besitzt, seine Probleme eigenständig und zufriedenstellend zu lösen. Außerdem ist der Mensch Reifungsimpulsen unterworfen, die ihm erlauben, reiferes Verhalten als befriedigender anzusehen.

Die Heilpädagogin sollte dabei die therapeutischen Grundprinzipien, die von Virginia Axline entwickelt wurden, beachten (zitiert nach Eitle 2003, 141):

■Der Therapeut nimmt eine warme und freundliche Beziehung zum Kind auf.

■Er nimmt das Kind an, so wie es ist.

■Er schafft eine Atmosphäre des Gewährens.

■Der Therapeut spiegelt die Gefühle des Kindes.

■Er bleibt bei allem, was das Kind tut, im Hintergrund. Das Kind weist den Weg.

■Er setzt nur dort Grenzen, wo sie notwendig sind.

Im Vergleich zur therapeutischen Spieltherapie vollzieht sich die heilpädagogische Spieltherapie bewusst im pädagogischen Bereich. Sie ist realer und nicht psychoanalytischer Partner. Die Heilpädagogin spiegelt die Erlebnisinhalte und Gefühle des Kindes. Sie greift durch die gestaltete Umgebung oder durch Spielangebote ein. Außerdem formuliert sie Zielsetzungen und nimmt wenn nötig lerntheoretische Ansätze zur Hilfe (Eitle 2003).

Die gestaltete Umgebung ist bei uns in der Frühförderung ein Spielzimmer, das hell und freundlich ist. Die Kinder sind wenig durch Außengeräusche abgelenkt und das Zimmer bietet verschiedene Ecken und Aktionsräume, die mit folgenden Materialien ausgestattet sind:

■Doktorkoffer

■Puppenhaus

■Puppen, Puppenkleider, Stofftiere

■Kasperltheater, Handpuppen, Fingerpuppen

■Holz- und Plastiktiere

■Batacas (Aggressionsübungsschläger aus Schaumstoff), Boxsack

■Verkleidungskiste

■Sandkasten, Knete, Ton

■Wasserfarben, Fingerfarben, Wachsmalkreiden, Kleber, Schere, Tapeten, große Papiere

■große Tafel, Kreiden

■Bücher (s. Buchvorschläge)

■Wesco-Teile (vielseitig einsetzbare Quader)

■Hängematte, Decken, Kissen

■Kaufladen mit Kasse und Utensilien

■Gesellschaftsspiele (s. Spielvorschläge)

■Schminkutensilien

Die Spielmaterialien besitzen einen großen Aufforderungscharakter und animieren das Kind, ins Rollenspiel zu gehen. Durch die Vielfalt der Spielmaterialien kann das Kind frei, entsprechend seiner momentanen Bedürfnisse wählen und im Spiel ansprechen, was es bewegt.

3.6Pädagogische Kinesiologie

Kinesiologie ist die Lehre von der Bewegung. Diese so genannte Angewandte Kinesiologie wurde Anfang der 1960er Jahre als ganzheitliche Heilmethode für Körper, Geist und Seele von dem amerikanischen Chiropraktiker Dr. George Goodheart entwickelt.

Die pädagogische Kinesiologie, oder auch Edu-Kinestetik genannt, wurde vor mehr als 25 Jahren von Dr. Paul Dennison und seiner Frau Gail weiterentwickelt. Paul Dennison schöpfte dabei aus seinen Erfahrungen als Leiter eines heilpädagogischen Zentrums. Bei seiner Arbeit mit Kindern mit herausfordernden Verhaltensweisen und Jugendlichen mit Lernproblemen machte er die Erfahrung, dass Konzentrations- und Lernprobleme dann auftraten, wenn im Körper die Energiebalance gestört war. Er stellte fest, dass sich diese Energieblockaden durch bestimmte Bewegungsabläufe lösen lassen. So entwickelte er unter dem Namen „Brain-Gym“– Gymnastik für’s Gehirn– eine Vielzahl von Übungen, die helfen, die Lernblockaden zu lösen und die Lernfähigkeit und damit die Lebensqualität zu verbessern.

Dennison spricht von drei Dimensionen, in denen Bewegen und Denken im Gehirn stattfindet: Links – Rechts; Oben – Unten; Vorne – Hinten. Ist unsere Bewegung und unser Denken in allen drei Dimensionen im Gleichgewicht, ist der Mensch in der Lage, das geistige Potenzial voll auszuschöpfen. Besteht ein Ungleichgewicht, so können sich Blockaden wie beispielsweise eine Lese-Rechtschreib-Schwäche, Konzentrationsschwierigkeiten, Hyper- oder Hypoaktivität, Unflexibilität, schlechte Organisation etc. zeigen.