Unbesieg-Bar - Jürg P. Keller - E-Book

Unbesieg-Bar E-Book

Jürg P. Keller

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Beschreibung

Mit dem Titel "Unbesieg-Bar" spielt der Autor auf ein Hemingway-Zitat an, was nicht weiter verwunderlich ist, spielt der 1960 gestorbene Amerikaner anerkannter weise sowohl bei den Kurzgeschichten wie auch in der Bar-Szene eine wichtige Rolle.

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Seitenzahl: 94

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Jürg P. Keller wurde 1957 in Zürich geboren und studierte Amerikanistik, Romanistik (italienische Linguistik) und Publizistik an der Universität Zürich.

Seine bisherigen Veröffentlichungen umfassen ein Sachbuch über die amerikanische Literatur, erschienen im Paul Lang Verlag, sowie zwei Englisch-Lehrmittel im h.e.p. und im klv-Verlag. Der erste Poesieband erschien 2017 im Baier-Verlag, Cralsheim unter dem Titel „Logomumaints“

Zurzeit unterrichtet Dr. J. P. Keller an verschiedenen Schulen im Engadin, Schweiz.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung: Etwas Bar-Philosophie

So sicher nicht!

- Mission Impossible

Der Berg ruft!

- Amaretto Sunrise

Sweater Weather

- Sweater Weather

Das Apartment in Manhattan

- Manhattan

Silvester im Schnee

- Silver Sky Mountains

Herr Meier und der Blumenstock

- Margarita

7 & 7 mit Country & Western

- Seven & Seven

Paul und das Rot im Pool

- Swimming Pool

In Memoriam

- Gin Sling

Kein Applaus für Bertram

- Applause

Jeder auf seine Art

- Dry Martini

Zwei Weihnachtsgeschichten

- Bloody Mary

Der Fahrplan

- Cuba Libre

Irgendwo in Kentucky

- Painkiller

Natürlich im Terminus

- The Long Goodbye

Adams Flucht in Edens Garten

- Paradise

Neulich, in Concord, Mass.

- Cemetery Cider

Der Nachen des Charon

- Moon River

Übersicht Zutaten

Gläserwahl

Übersicht „Locations“

Einleitung: Etwas Bar-Philosophie

Unbesieg-Bar - Ernest Hemingway’s “You can be destroyed, but you can’t be defeated“ (The Old Man and the Sea) steht als Epitaph über allen 18 Kurzgeschichten, deren Gemeinsamkeit durch einen Ort ausgedrückt wird, nämlich die Bar. Und welcher Literat, wenn nicht Hemingway, kannte sich wohl am besten mit den Bartheken dieser Welt aus?

Noch immer steht „Papa“ als Bronze-Figur an der Theke des legendären „La Floridita“ in Kubas Hauptstadt Havanna und auf Key West schmücken vergilbte schwarzweisse Aufnahmen von ihm zahlreiche Bars; Venedig wäre weniger berühmt, gäbe’ es dort nicht „Harry’s Bar“ und die Pariser Bistros hätten in den 20er und 30er Jahren wohl einiges weniger an Umsatz erbracht ohne Hemingway. Hemingway und Bars – (nicht immer) ein erfolgreiches Paar!

Darum sei an dieser Stelle auch gleich ein Wort des Warnens angefügt: in keiner Weise soll die Bar zu einem heroischen Ort hochstilisiert werden. Zu viele Dramen spielten und spielen sich nach einer durchzechten Nacht an eben dieser Stätte ab. Der gesittete Besuch einer Bar und ein gepflegtes Nippen an einem Drink, ob nach einem Kino-, Theater- oder Musicalbesuch, oder als friedvolles „Loungen“ vor einer geplanten Abendaktivität, kann durchaus zu einem erhebenden Erlebnis werden. Dabei soll der Alkohol nie eine dominierende Rolle einnehmen. Aus diesem Grunde wurde jedem beschriebenen – und titelgebenden – Drink, auch eine alkoholfreie Variante dauzuges(t)ellt.

Das Kernobjekt einer jeden philosophischen Annäherung an die Bar ist und bleibt dessen Herz: die Theke! Unzählige Szenen sind uns unauslöschlich in Erinnerung geblieben, sei es durch eigene Erfahrungen, sei es aus Ausschnitten cineastischer Meisterleistungen: Unvergesslich die Szenen mit Jack Nicholson an der Theke des verlassenen Hotels im Film „Shining“, an der er im alten Barkeeper seinen einstigen Freund wieder erkannte – gruselig und faszinierend zugleich. Oder der Klavier-spielende Richard Gere in Pretty Woman, oder Humphrey Bogart in Casablanca mit („play it again,“) Sam am Klavier.

Bezeichnenderweise sind es meistens Männer, die sich aus den verschiedensten Gründen an die Bar begeben; oft, um sich (nach Enttäuschungen) zu betrinken, oder um sich Mut anzutrinken, um eine bevorstehende Bewährungsprobe zu bestehen. Somit vereint die Bar die jeweiligen Orte des Vor und Danach und lässt es offen, wie der Barkunde mit der sich ihm öffnenden Situation umgeht.

Dennoch wäre es völlig falsch, die folgenden Geschichten (allesamt „Short-Stories“ im besten Hemingway’schen Sinne) nur den Männern zu widmen, denn auch die Frauen spielen jeweils eine gewichtige Rolle.

Es ist kein Wunder, dass sich zwei Geschichten um die Stadt New York drehen. Die Dichte an historischen, modernen, extravaganten oder mit den schönsten Aussichten ausgestatteten Bars ist im Stadtteil Manhattan - wenn vielleicht auch nicht am höchsten – so doch am spektakulärsten auf der ganzen Welt. Andere Geschichten spielen sich in weiteren Großstädten, aber auch kleineren Dörfern irgendwo auf der Welt ab. Und jede Geschichte könnte sich genauso gut auch irgendwo sonst zugetragen haben.

1. So sicher nicht! (Mission Impossible)

„Das kannst Du schlichtweg nicht machen!“ rief mein Freund, Germanist und Buchkritiker A. K. aus. Er sass neben mir auf einem Barhocker des ältesten amerikanischen Restaurants, des Union Oyster House in Boston. Wir trafen uns hie und da an dieser Theke, um jeweils das Eine oder Andere zu besprechen. An jenem Tag sprachen wir über mein neustes Projekt, einer Reihe von Kurzgeschichten, die sich alle um Bars, Cocktails und Longdrinks drehten.

Als er die erste meiner Kurzgeschichten, ich hielt sie persönlich für die beste, fertiggelesen hatte, war seine Reaktion darauf niederschmetternd:

„Das kannst Du doch so nicht machen!“ sagte er nochmals.

„Eine Geschichte in der der Hauptdarsteller am Schluss Selbstmord begeht? Und dann meinst Du noch, das würden Leute in einer Lounge gerne lesen? Warum, meinst Du, kommen denn diese Leute in erster Linie hierher? Um zu lesen, wie sich alte Männer umbringen, fremd-gehende Frauen im Selbstmitleid ersaufen oder halb-verstümmelte Kriegsveteranen im Rollstuhl ihr Dasein fristen?“

Und, als ich keine Antwort bereit hatte, fuhr er fort:

„Sie kommen an einen solchen Ort, um zu geniessen, den Alltag zu vergessen und nicht um sich in den Problemen Deiner Protagonisten wiederzufinden!“

Das hatte etwas an sich; so wie immer, wenn A. K. etwas anzumerken hatte. Doch so schnell gab ich nicht auf. Ich versuchte zu bemerken, dass es durchaus tröstlich sein könne, wenn man die Situation anderer Leute sähe, denen es noch viel schlimmer gehen würde. Doch A. K. wischte meine Entgegnung mit einer Handbewegung weg.

„Es geht hier nicht um Trost, es geht hier um das Doppel-G, um das ‚Gute Gefühl‘. Das muss aufkommen bei den Lesern. Geborgenheit, nicht Trost; eine gewisse Grund-Empathie, nicht billige Mache – das bringt nichts!“

Und da A. K. sicher recht hatte, bestellte ich gleich nochmals zwei von diesen feinen Kaffee-Likör-Drinks.

So sinnierten wir eine Weile vor uns hin und nippten gedankenverloren an unseren Drinks. Keiner von uns sprach. Ich war der erste, der sich vom Blick nach innen lösen konnte. Ich schaute umher, schaute die Leute an, die sich hier aufhielten. Irgendwie stimmte es schon: sie waren hier, weil sie sich unterhalten wollten, mit ihren Freunden und Kolleginnen anstossen wollten. Sie hatten sich etwas zu erzählen. Ich konnte keinen einzigen vereinsamten Menschen ausfindig machen, der sich ins Elend getrunken hätte.

Ich merkte, dass auch mein Freund sich umschaute.

„Siehst Du, was ich meine?“ fragte er mich. „Ich sehe hier niemanden, dem es hier nicht gefällt; der hierhergekommen ist, um einsam zu sein!“

Und wie um einen Beweis anzufügen, ging gerade eine Gruppe gutgelaunter Geschäftsleute an uns vorbei. Ich hatte sie zuvor schon an der Bar stehen sehen. Sie alle hatten farbenfrohe Drinks in den Händen. Offenbar warteten sie auf ihren Tisch. Und nun stand er bereit. Sie setzten sich und schauten sich in Ruhe die Speisekarte an. A. K. schaute mich an, sagte aber nichts. Doch ich konnte sein Gesicht lesen. Überall stand in grossen Lettern: „Siehst Du, hab’s Dir doch gesagt!“

Sollte ich nochmals einen Versuch wagen, mich und meine Geschichten zu verteidigen? Ich wollte gerade etwas sagen, als A. K. aufstand und sagte, er müsse ‘mal für Königstiger. Schon stand er auf und ging hinüber zur Treppe, die zu den Toiletten hochführte.

Ich überlegte mir Auswege zu dieser verzwickten Situation. Was sollte ich nun mit meinen Kurzgeschichten tun. In der Tat endeten vier meiner Geschichten auf eine Art, die mir nun ganz und gar unmöglich erschienen. Also war alles umsonst? Soll ich sie mit ganz neuen Stories ersetzen? Oder konnte ich das Ende umschreiben, so dass sie eine neue, eine horizont-erweiternde Wendung nähmen?

Als A. K. einige Minuten später wieder zum Barhocker zurückkehrte, glaubte ich, eine Veränderung in seinem Gesicht feststellen zu können. Offenbar war er mit seinen Gedanken weit weg von diesem Ort, vielleicht sinnierte er ja ebenfalls über einen Ausweg für meine Geschichten. Schweigend setzte er sich wieder neben mich und wollte den Rest aus seinem Glas trinken, als er plötzlich, weissen Schaum vor dem Mund, mit dem Kopf unsanft auf die Theke knallte. Sein Körper lag wie leblos da und drohte, jeden Moment vom Hocker auf den Boden hinabzusacken. Sofort packte ich ihn am Revers und legte ihn vorsichtig auf den Boden. Obwohl dieser sehr schmutzig war, hatte eine horizontale Lage für ihn jetzt oberste Priorität. Ich löste ihm sofort den Kravattenknopf, drehte ihn in die Seitenlage und öffnete ihm den Mund, auf dass der Schaum ausfliessen konnte. Entfernt nahm ich eine Pfefferminz-Note wahr, die aus seinem Mund ausströmte. Da seine Augen wild zu zwinkern begannen, sprach ich ihn an.

„Hallo, komm wieder zu Dir! Hey, wach auf!“ und tätschelte ihn leicht auf seine Wangen. Aber er schien nicht zu atmen, also riss ich sein Hemd auf und begann mit den Erste Hilfe Massnahmen, wie man sie eben so ‘mal gelernt hat.

Langsam begannen die umstehenden Leute auf uns aufmerksam zu werden und einer bot sogar an, die Herzmassage zu übernehmen, wenn ich mit der Beatmung weiterführe. Ich dankte ihm für sein Angebot und wollte noch etwas vom Rhythmus sagen, als A. K. die Augen öffnete, etwas belämmert dreinschaute und sich langsam erhob. Kurze Zeit später sass er wieder auf seinem Hocker.

Die Leute, die alles mitgekriegt hatten und nun erleichtert um uns herumstanden applaudierten und bejubelten mich – es war mir gar nicht recht. Ich hatte ja gar nichts getan, A. K. kam ja von selbst wieder zu sich; hatte er dies alles nur gefaked?

„Siehst Du“, sagte A. K. dann, taufrisch, „das sind die Stories, die Deine Leserschaft interessieren! Wenn es um entschlossene Taten, um Darsteller mit grossen Herzen oder um puren Altruismus geht, dann hast Du Dein Publikum auf Deiner Seite!“

Ich glaube, das hat etwas an sich; so wie immer, wenn A. K. an meinen Geschichten etwas anzumerken hat.

Mission Impossible:

2 cl Bailey’s Irish Cream

2 cl Kahluha

1 cl Génépy

Mission Quite Possible:

3 cl kalter Ristretto

1 cl Kräuter-Sirup

1 cl (Halb)Rahm

etwas Wasser

2. Der Berg ruft! (Amaretto Sunrise)

Sie hatten ihr Auto unten an der kurvigenen Bergstrasse beim alten Brunnen parkiert und stiegen nun schweigend den Berg hinan. Einer marschierte hinter dem anderen. Sie wechselten kaum Worte; vielleicht ein „Achtung, ein Ast!“ Oder:

„Vorsicht, der Stein ist rutschig“ oder eine ähnliche Warnung. Ansonsten waren sie vor allem mit sich selbst beschäftigt.

Die drei wollten zunächst eine alte Kultstätte, eine mittelalterliche Einsiedelei mit Kapelle aufsuchen, die sich auf etwa halber Höhe des Berges befand. Anschliessend würden sie ganz hinauf zur Spitze gehen, wo sie etwa bei Sonnenaufgang eintreffen wollten.

Schon nach einer knappen Stunde erreichten sie die Kapelle von San Cerbone, wo sie planmässig ihren ersten Halt einschalteten. Sie entledigten sich ihrer Rucksäcke und entnahmen ihm etwas zu trinken und ein Stück Brot. Dann ergriff Christian, der älteste der drei, das Wort.