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Armin steht am Wendepunkt seines jungen Lebens. Der Tennisplatz ist sein Rückzugsort, seine Ambitionen reichen weit, beruflich wie privat. Als er die leidenschaftliche Romy kennenlernt, scheint das Glück vollkommen. Doch bald reißt die Realität Risse in das romantische Bild. Romy geht für ein Praktikum nach Genf, und während Armin voller Sehnsucht auf ihre Rückkehr wartet, gerät seine Welt aus dem Gleichgewicht. Zwischen einer Karrierechance in München, einer schmerzlichen Trennung und der Begegnung mit Teresa, einer Frau, die ihm Zuneigung schenkt, aber auch emotionale Klarheit abverlangt, beginnt für Armin eine innere Reise. Er erlebt Erfolge und Niederlagen, trifft Entscheidungen, die sein Leben neu ordnen, und begegnet Menschen, die seine Sicht auf die Liebe, die Freundschaft und das Leben verändern. Inmitten persönlicher Umbrüche wird Armin ungewollt in ein Netz aus kriminellen Machenschaften verstrickt und steht plötzlich vor Entscheidungen, die nicht nur seine Zukunft, sondern sein Leben bedrohen. Mit Mut und Instinkt stellt er sich dem Unrecht, riskiert alles, um die Wahrheit aufzudecken und trägt die Konsequenzen am eigenen Leib. Einfühlsam und atmosphärisch wird die Geschichte eines jungen Mannes erzählt, auf der Suche nach sich selbst. Es geht um das Reifen an Erfahrungen, um das Loslassen geliebter Menschen, den Mut zur Wahrheit und das Wiederfinden eigener Stärke. Mit Emotion, Hoffnung und Dramatik zeichnet dieser Roman den Sommer, der alles veränderte.
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Seitenzahl: 343
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Die Handlung und alle handelnden Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen wäre rein zufällig.
PROLOG
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Kapitel 58
Kapitel 59
Kapitel 60
Kapitel 61
Kapitel 62
Kapitel 63
Kapitel 64
Kapitel 65
EPILOG
Die Grenze zwischen Recht und Unrecht ist oft nur ein schmaler Grat – unsichtbar für jene, die das Leben in geordneten Bahnen führt, doch unbarmherzig spürbar für jene, die ins Zwielicht geraten. In dieser Dämmerung zwischen Gut und Böse gibt es keine klaren Regeln, keine einfachen Antworten. Wer einmal den Schritt über diese unsichtbare Linie wagt, erkennt, dass Moral oft nichts weiter ist als eine bequeme Illusion.
Armin Fenning hatte nie vorgehabt, sich in diesen Sog ziehen zu lassen. Er war kein Held, aber auch kein Verbrecher. Er war ein Mann, der sich plötzlich in einem Spiel wiederfand, das größer war als er selbst – ein Spiel, bei dem die Einsätze tödlich sein konnten. Und während die Nacht über Wien hereinbrach, wusste er, dass seine Entscheidungen nicht nur über sein eigenes Schicksal bestimmen würden.
Es war das Jahr, in dem sich alles für Armin zu wenden schien, ein Jahr des triumphalen Aufstiegs. Während dieser Phase des scheinbaren Erfolgs und persönlichen Wandels begannen jedoch die wahren Herausforderungen: innerliche Konflikte, Beziehungen, die auf die Probe gestellt wurden, und die Suche nach Identität in einer Welt, die sich rasch veränderte.
Von einem staubigen Lager, in dem er seit seinem vierzehnten Lebensjahr Ersatzteile verkaufte, bahnte er sich den Weg nach oben. Ein Erfolg, der für ihn eine klare Veränderung darstellte.
Seine Arbeit in einem Unternehmen, das mit Baumaschinen handelte, brachte ihm zwar Anerkennung, aber seine Position in der Hierarchie blieb bescheiden. Er ordnete sich nicht unter und akzeptierte keine Anweisungen, er tat einfach, was getan werden musste. Sein Gehalt stand in keinem Verhältnis zu seiner Leistung, und um seinen Verdienst aufzubessern, arbeitete er zusätzliche Stunden.
Durch seine Anstellung in der Firma konnte er jedoch persönlich davon profitieren, wenn es um die kleinen Tücken seines betagten Citroen ging. Im Falle eines technischen Hiccups an seinem Auto konnte er sich stets an seine versierten Kollegen wenden, die ihm mit Rat und Tat zur Seite standen. In dem technikaffinen Unternehmen tummelten sich zahlreiche Mechaniker, die nicht nur Meister im Umgang mit Maschinen, sondern auch versiert in der Welt der Fahrzeuge waren. Daher wagte er es, den alten Citroen zu erwerben, wohlwissend, dass er im Bedarfsfall auf das Know-how seiner fachkundigen Kollegen zählen konnte.
Die körperlich anspruchsvolle Arbeit im Lager formte seinen Körper, machte ihn muskulös und sehnig. Seine Zeit für Freizeitvergnügungen war begrenzt, anders als bei seinen Freunden und anderen jungen Menschen. Doch trotzdem fand er einen Weg, Sport zu treiben. Schon als Kind hatte er einmal in der Nähe von Schönbrunn Männer beim Tennisspielen beobachtet. Seit diesem Moment faszinierte ihn dieser elegante Sport, und es gelang ihm hin und wieder, auf einem stundenweise mietbaren Tennisplatz zu spielen. Sein Spielpartner war ein älterer Herr, den er zufällig kennengelernt hatte. Dieser Mann, Havel mit Namen, hatte früher wohl ein beeindruckendes Niveau erreicht. Obwohl sein Alter ihm inzwischen Schwierigkeiten bereitete und er oft die Bälle, die außerhalb seiner Reichweite waren, einfach passieren ließ, war sein Schlagstil makellos. Jede seiner Bewegungen verriet seine Technik; seine Schläge waren präzise platziert, niemals zu hart, aber stets genau. Er wurde zu Armins Mentor, erkannte dessen außergewöhnliches Talent und riet ihm, sich im Tennis weiterzuentwickeln, am besten in einem Club, wo sein Potenzial voll zur Geltung kommen könnte.
Armin stellte hohe Ansprüche an die Frauen die ihn umgaben, und diejenigen, die sein Interesse weckten, schienen außerhalb seiner sozialen Reichweite zu liegen. Trotz seines guten Aussehens blieb Armin schüchtern und unerfahren in Liebesangelegenheiten.
Die wenigen Kontakte zum weiblichen Geschlecht endeten abrupt, bevor es zu Intimitäten kommen konnte, und doch lagen die Möglichkeiten offen.
Während seines Militärdienstes in einem Artilleriebataillon erfuhr seine berufliche Reise eine kundige Unterbrechung. Hier fand er nicht nur die Möglichkeit, seine Fertigkeiten im Umgang mit der Waffe zu schärfen, sondern auch, sein Selbstvertrauen zu stärken. Schnell wurde ihm bewusst, dass er sich von seinen Kameraden unterschied. Die meisten von ihnen waren eifrige Raucher, schienen dem Alkohol keineswegs abgeneigt zu sein und pflegten eine rustikale Ausdrucksweise. In diesem Umfeld wurde die Nuance seiner Persönlichkeit offensichtlich, und er erlangte die Anerkennung seiner Kameraden als Primus inter Pares, der Erste unter Gleichen. Diese Anerkennung manifestierte sich nicht nur in formellen Hierarchien, sondern auch im Vertrauen, das seine Mitstreiter in ihn setzten. Sie konsultierten ihn bei privaten Anliegen, als hätten sie in ihm einen erfahrenen Ratgeber gefunden.
Im Gegenzug erwies sich die Kameradschaft als wechselseitig unterstützend. Seine Mitstreiter halfen ihm bei der Inspektion seiner Ausrüstung und Waffen, verhinderten Strafdienste durch sorgfältige Kontrollen und bügelten seine Mängel aus. Nach der intensiven Grundausbildung, die das Beherrschen der Waffe, exaktes Exerzieren und das Taktieren im freien Gelände umfasste, fand er sich überraschenderweise in der Schreibstube wieder.
Dort wurde er zum Sekretär des Adjutanten im Abteilungskommando ernannt, einem jungen Leutnant, der die militärische Laufbahn nicht nur aus Pflichtgefühl, sondern auch aufgrund einer tief verwurzelten Familientradition eingeschlagen hatte. Die Entscheidung, Offizier zu werden, war für ihn nicht nur eine persönliche Wahl, sondern ein Erbe, das bis in die Tage der k.u.k. Armee zurückreichte, als seine Vorfahren bereits die Uniform der Offiziere trugen.
Die Arbeit im Abteilungskommando fiel ihm leicht, hatte er doch während seiner kaufmännischen Ausbildung das Handwerk des Textbearbeitens und Tippen von Dokumenten erlernt. Das Team erhielt zusätzlichen Schwung durch einen Maturanten, der durchaus eine vielversprechende Karriere als Reserveoffizier hätte verfolgen können, jedoch mangelndes Interesse daran zeigte. Dieser junge Mann, von seinen Freunden als Gernot bezeichnet, bevorzugte den lockereren Umgangston und bestand darauf, Gerry genannt zu werden. Zwischen Armin und Gerry entwickelte sich rasch eine Freundschaft.
Gerry, zu dieser Zeit einer der herausragenden Tennisspieler im Land, wurde rasch in den regionalen Tennisclub aufgenommen, um das Team bei Meisterschaftsspielen zu verstärken – und er tat dies äußerst erfolgreich. Tennis galt damals noch als elitäre Sportart, von einer wohlhabenden Gesellschaftsschicht bevorzugt. Durch seine Siege im Tennisclub erfreute sich Gerry großer Beliebtheit, nicht nur bei seinen Mitstreitern, sondern auch bei den Frauen und Mädchen, die dem Club angehörten. Kontakte entstanden, und nach Dienstschluss wartete regelmäßig ein Auto vor dem Kasernenportal, um Gerry zu geselligen Essen oder Feiern zu chauffieren. Gerry lud Armin ein, ihn bei diesen zu begleiten. Seinen alten Citroen nutzte er selten. Dieser stand meist unbenutzt auf dem Parkplatz vor dem Kasernengelände.
Es war im Februar, zur Faschingszeit, als Gerry und Armin zu einem rauschenden Ball des Tennisclubs in einem festlichen Saal in der Nähe des Kurparks eingeladen wurden. Gerry flirte mit einer Dame, die eine reife Ausstrahlung hatte und offensichtlich älter war als er. Armin hingegen warf immer wieder sehnsuchtsvolle Blicke auf eine Blondine, die seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Es war nicht nur ihre äußerliche Schönheit, irgendetwas an ihr berührte ihn tief. Von mittlerer Statur, betonte ihre Figur weibliche Rundungen auf eine beeindruckende Weise. Armin konnte seine Blicke kaum von ihr abwenden. Das Mädchen schien es intuitiv zu spüren und drehte den Kopf, um Armin direkt anzusehen.
Aufstehen und auf sie zuzugehen, um ein Gespräch zu beginnen, empfand er als zu plump, und außerdem fehlte ihm die Zivilcourage dazu. Doch er konnte nicht umhin, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Ihre Anziehungskraft war so überwältigend, dass er seine Hemmungen überwinden und sie ansprechen musste. In dem Moment, als er diesen Entschluss fasste, ertönte plötzlich Tanzmusik, und das Parkett füllte sich mit Paaren. Musik, so hörte er oft sagen, berührt die Seele, und in diesem Augenblick spürte Armin es selbst. Die bezaubernde Musik und das faszinierende Mädchen gaben ihm den notwendigen Anstoß, sich zu erheben.
Er schritt entschlossen auf den Tisch des Mädchens zu, überwältigt von aufkeimenden Gefühlen, die mit jedem Schritt intensiver wurden. Er wusste, jetzt musste er handeln.
„Darf ich Sie um diesen Tanz bitten?“, flüsterte er leise, seine Worte fast von der Musik übertönt.
Das Mädchen wandte sich ihm extrem langsam zu, musterte ihn und schien zu überlegen. Armin spürte, dass sie möglicherweise nicht begeistert von seiner Aufforderung war, und seine Verlegenheit wuchs. Ein Hauch von Röte stieg in sein Gesicht, sein Kopf begann zu glühen. Doch dann, überraschenderweise, erhob sich das Mädchen und schritt zur Tanzfläche, gefolgt von Armin.
Der Disc-Jockey legte eine Platte von „The Cascades“ auf, - "Listen to the Falling Rain". Einige Paare tanzten in offener Haltung, andere eng aneinandergeschmiegt. Armin war unsicher, ob er einen offenen Slow Rock oder einen geschlossenen Tanz wählen sollte. Das Mädchen spürte seine Unsicherheit und, überraschenderweise, lächelte sie. Mit einer gewissen Zurückhaltung ergriff sie Armins Hände und begann sich im Takt der Musik zu bewegen. Armin konnte nicht genau erklären, wie es geschah, aber in dem Moment zog die Unsicherheit wie ein zarter Windhauch an ihm vorbei. Mit jedem Takt stieg die Freude in ihm auf, mit diesem bezaubernden Mädchen zu dieser inspirierenden Musik zu tanzen.
Armin wollte eine Unterhaltung beginnen, doch vorerst galt seine Aufmerksamkeit dem Rhythmus. Ein sorgsames Abtasten zeigte ihm, dass seine Tanzpartnerin ebenso Freude am Tanzen hatte. Als die Melodie in einen Song von Paul Anka wechselte – „Put Your Head On My Shoulder“ –, spürte man, wie diese romantische Musik Emotionen in den Paaren weckte. Viele Mädchen folgten der Aufforderung des Songs und die Paare umschlangen sich. Armin liebte Paul Anka, besonders seine schmachtenden Lieder, die er so meisterhaft vortrug. Ein Gefühlsrausch durchströmte ihn, und diesmal zögerte er nicht. Mit sanftem Druck zog er das Mädchen an sich. Zunächst gab es einen leichten Widerstand, doch dann entspannte sie sich. Ihr Gesicht kam Armin näher, eine Haarsträhne streifte sein Gesicht, der Duft eines feinen Parfums umhüllte ihn, und ihre Wangen glühten leicht. Obwohl sie bisher kein Wort gewechselt hatten, war da zweifelsohne etwas zwischen ihnen, etwas Undefinierbares, wahrscheinlich Anziehungskraft, verstärkt durch die betörende Musik.
Als die letzten Töne verklangen, wandte sich das Mädchen ab, bereit die Tanzfläche zu verlassen. Doch Armin hielt ihre Hand fest.
„Noch einen Tanz, bitte“, flüsterte er leise, aber mit Entschlossenheit in der Stimme. „Ich heiße Armin, wenn ich mich vorstellen darf!“
Sie stoppte, blickte ihn mit einer Mischung aus Verwunderung über die kühne Initiative und Wohlwollen an.
„Ich bin Romy“, sagte sie, während bereits die ersten Takte einer heißen Rock-Nummer erklangen. Jerry Lee Lewis sang „Great Ball Of Fire“. Der mitreißende Rhythmus griff um sich, und viele tanzten wild zu dieser feurigen Musik.
Das erste Mal offen zu tanzen, war immer eine Art Experiment mit dem Tanzpartner. Überraschenderweise harmonierten Armin und Romy perfekt. Ihr Tempo stimmte, und Armin wagte die eine oder andere kreative Figur, während Romy geschickt mitschwang. Der Rock'n'Roll schien in ihr eine unbändige Energie freizusetzen, und sie tanzte mit atemberaubendem Tempo. Romys Beinarbeit war beeindruckend, sie ließ sich von Armin wirbeln, bewegte sich nach vorne und zurück, und ihre Tanzeinlagen beanspruchten das ganze Parkett. Viele der Umstehenden verfolgten fasziniert ihre mitreißende Darbietung.
Als die Musik verstummte, blickten sie sich an und brachen in Lachen aus, beide überrascht von ihrer mitreißenden Performance.
Armin hatte sich fest vorgenommen, diesen Abend mit Romy zu verbringen und darüber hinaus entschlossen, den Kontakt zu ihr aufrechtzuerhalten.
„Darf ich Sie zu einem erfrischenden Glas Sekt einladen?“, warf er die Einladung in den Raum.
Romy zögerte einen Moment. Auf ihrem Gesicht zeichnete sich Unsicherheit ab. „Ich bin mit Freunden hier. Vielleicht sollte ich zu meinem Tisch zurückkehren.“
Normalerweise hätte Armin nicht die Courage gehabt, bei einer solchen Reaktion den Versuch einer Überredung zu starten. Doch die Anziehungskraft, die Romy auf ihn ausübte, war stark genug, um seine Hemmungen zu überwinden.
„Nur auf einen Drink“, beharrte Armin.
Romy schien unentschlossen, gab sich schließlich einen Ruck und folgte Armin zu seinem Tisch.
Endlich konnte Armin sich entspannen, und ein Gespräch mit Romy begann. Die Themen wechselten von Alltäglichkeiten zu tieferen Gedanken, und Armin bemerkte erfreut, wie gut ihre Gedankengänge harmonierten. Ein erstes Zeichen der beginnenden Intimität zeigte sich, als Romy ihm anbot, sie duzen zu dürfen. In diesem Moment machte Armins Herz einen kleinen Freudensprung.
Romy begann von ihrem Leben zu erzählen, von den Eltern, der familieneigenen Apotheke, der Schulzeit und ihrem Pharmaziestudium. Trotz der Wohlhabenheit ihrer Familie wirkte sie bescheiden und bodenständig. Armin fand sich bald darauf, ebenfalls seine Lebensgeschichte zu teilen.
"Derzeit absolviere ich meinen Militärdienst beim Bundesheer", offenbarte er.
"Und welche Pläne verfolgst du sonst? Studierst du oder bist du berufstätig?", erkundigte Romy sich neugierig.
Ein Hauch von Unsicherheit durchzog Armin. Er hatte gerade erfahren, dass Romy aus einer wohlhabenden, vornehmen Familie stammte. Wie würde sie darauf reagieren, wenn er von seinem Job in einem staubigen Ersatzteillager erzählte? Trotzdem tat er es, ohne etwas zu beschönigen.
„Interessant“, ließ sich Romy lapidar vernehmen.
Die Reaktion von Romy hatte er zwar irgendwie erwartet, dennoch war er irritiert.
Die Unterhaltung geriet ins Stocken. Armin, besorgt um Romys Sympathie, wagte einen weiteren Schritt nach vorn. „Wenn du denkst, dass ich einfach gestrickt bin, tut es mir leid, gerade wenn du das denkst, tut es mir sehr leid, Romy“, sagte er niedergeschlagen. „Ein akademisches Studium nachzuholen liegt außerhalb meiner Reichweite, der Zug dafür ist abgefahren. Wenn ich auch meine Seele nicht verkaufen werde, um Reichtum zu erlangen, so werde ich dennoch alles daransetzen, ein angenehmes Leben zu führen. In meinen Träumen male ich mir ein schönes, gemütliches Eigenheim aus.“
Sie hatte nun einige Informationen über ihn gesammelt, genug, um sich eine Meinung zu bilden und ihre Haltung zu ihm zu evaluieren. Er empfand nach seiner offenen Aussage eine gewisse Befreiung, befreit von der Notwendigkeit, etwas zu beschönigen. In diesem Moment der Offenheit griff er nach ihrer Hand.
Sichtlich überrascht schaute sie ihm prüfend in die Augen, ließ es jedoch geschehen. Als sie sich anschickte, den Heimweg anzutreten, erhob er sich ebenfalls, fest entschlossen, Romy nicht ohne ein weiteres Treffen zu verlassen.
„Gehen wir noch ein paar Schritte gemeinsam?“, schlug er vor.
Romy schwieg, hakte sich jedoch bei Armin ein, als er ihr den Arm bot. Gemeinsam schlenderten sie durch den von Laternen erleuchteten Kurpark, und die umliegenden Villen strahlten in einem angenehmen, gelblichen Licht. Armins starke Gefühle übertrugen sich scheinbar auf Romy. Ihre Schritte wurden langsamer, bis beide wie auf einen geheimen Befehl hin stehen blieben und sich küssten.
Armin genoss die weichen Lippen von Romy, ihre warme Umarmung und den Duft ihres Parfums. Die Küsse wurden intensiver, und Armin spürte, wie sich eine tiefe Verbindung zwischen ihnen zu entwickeln begann.
Armin und Romy, von der Nacht der Leidenschaft und der Verwirrung umhüllt, verloren in den Gassen der Stadt. Sein Arm um ihre Hüfte geschlungen, gingen sie dicht aneinander gelehnt, als ob sie sich vor der Welt verbergen wollten.
"Wir müssen jetzt nach Hause fahren, Armin", durchbrach ihre klare Stimme die stille Atmosphäre. Dennoch schlenderten sie träge Arm in Arm zurück. Ein geplantes Treffen am nächsten Tag in einem vornehmen Café stand bevor.
Armin erreichte das Café vor der verabredeten Zeit. Marmortische und bordeauxrote Velours-besetzte Nischen schmückten den Raum. Ungeduldig fixierte er seine Armbanduhr, Zweifel über Romys Gefühle nagten an ihm. Die starken Emotionen des vorherigen Tages hatten seine Unsicherheit nicht vertrieben. Die Angst vor den Unterschieden in ihren Lebensverhältnissen schlich sich zurück.
Schließlich betrat Romy das Café, gehüllt in eine silberne Fuchspelzjacke und ein betont modisches Kostüm. Armin schluckte, Unsicherheit schwelte in ihm. Trotz der Intimität vom Vorabend war er sich nicht sicher, ob Romy seine Gefühle erwiderte.
"Entschuldige bitte meine kleine Verspätung", begann Romy, sich neben Armin auf die gepolsterte Bank setzend. "Eine Mitarbeiterin in unserer Apotheke ist krank geworden. Ich musste meinem Vater helfen und dann für morgen meinen Koffer packen."
"Ich hatte schon große Angst, dass du nicht kommen würdest", gestand Armin.
Romy lachte leicht. "Wie kannst du so etwas denken, Armin."
Der Ober kam, ihre Bestellungen wurden aufgenommen. Armin bestellte einen weiteren Wermut, Romy einen Tee. Inmitten der Höflichkeiten konnte Armin seine Neugier nicht unterdrücken.
"Ich möchte nicht neugierig sein, habe ich mich verhört oder hast du tatsächlich vom Kofferpacken gesprochen?"
Romy bejahte und offenbarte, dass sie für sechs Monate nach Genf reisen würde, zu einem Praktikum, das ihr Vater arrangiert hatte. Die Ankündigung traf Armin wie ein Schlag.
"Wir werden uns bald für längere Zeit nicht sehen können", bedauerte Romy.
Armin kämpfte, seine Fassung zu bewahren. "Was heißt bald, Romy?"
"Ich fahre schon morgen Vormittag, und um dir die ganze Wahrheit zu sagen, ich bleibe sechs Monate in Genf."
Armins Antwort war rau, seine Ängste brachen hervor. "Es ist sicherlich wichtig für dich, aber ich muss das erst verarbeiten. Ich glaube, ich habe mich in dich verliebt."
Eine Stille folgte, dann sagte er bedächtig: "Ich werde auf dich warten."
Romy, von Röte überzogen, umarmte ihn und küsste seine Wange. "Armin, es tut mir leid, wenn dir das nahegeht. Mir geht es eigentlich auch so, aber ich kann das Praktikum nicht aufschieben. Ich komme sicherlich zwischendurch nach Hause, und im Herbst bin ich für immer zurück."
Armin ergriff ihre Hände und sagte eindringlich: "Komm, Romy, gehen wir. Es ist unser letzter Abend. Setzen wir uns in mein Auto und küssen wir uns die ganze Nacht, damit wir uns nie wieder vergessen."
"Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist", zögerte Romy.
Nach der Bezahlung verließen sie das Café, hüllten sich in ihre Mäntel und stiegen in Armins Auto. Als der Motor erwachte, fragte Romy leise: "Wo willst du denn hinfahren, Armin?"
"Irgendwohin."
"Ich hoffe, du weißt, was du tust", sagte sie besorgt.
"Hab keine Angst, Romy. Vertrau mir", versicherte er und lenkte das Auto aus der Stadt.
"Du hast ein großes Auto. Kannst du dir das leisten?"
"Ich habe es gebraucht gekauft. Ein Gelegenheitskauf, mein Freund hat mir dabei geholfen."
Die Stille wuchs. Armin fuhr an einem Gasthaus vorbei und stoppte am Ende der Straße. Nur ein Karrenweg führte in einen Wald. Eine Straßenlaterne beleuchtete das Auto, als er die Scheinwerfer abschaltete.
"Mit wie vielen Mädchen warst du schon hier, Armin?"
"Mit keinem!“
Romy schwieg nachdenklich. Armin wagte einen Annäherungsversuch, küsste sie auf die Wange und nahm ihre Hand. Ein vertrautes Spiel begann.
"Romy, ich liebe dich. Warum musst du mich verlassen? Du brichst mir das Herz."
"Ich komme ja wieder", flüsterte sie. Ein Annäherungsspiel begann, und Armin spürte, wie sich alles in ihm zu drehen begann. Das Verlangen überwältigte ihn, die Kontrolle schwand.
Armin brachte die Rückenlehnen der Vordersitze in eine horizontale Stellung und rückte näher.
"Nein, nein, nein", wehrte sie ab. "Du bist sehr unvernünftig, Armin", fügte sie mit einem Lächeln hinzu.
Armin seufzte. "Ich habe eine Frau noch nie so geliebt wie dich. Aber ich möchte nicht, dass du etwas bereust."
Doch die Leidenschaft überflutete sie erneut und dieses Mal gab es kein Halten. Danach wurden sie sich der Realität bewusst. Verbotene Früchte hatten sie gekostet, Armin spürte leise Schuldgefühle. Er kuschelte sich an Romy, gewärmt von ihrer Jacke.
Romy, als ob sie seine Gedanken las, sagte bedrückt: "Wir haben mit dem Feuer gespielt und haben gebrannt. Ich hoffe, du kannst die Verantwortung übernehmen, wenn unsere Liebe Folgen haben sollte, du weißt, was ich meine?"
Armin umarmte Romy fest. "Romy, ich verlasse dich jetzt nicht mehr. Hab keine Angst, was auch passiert. Ich kann dich jetzt nicht mehr alleine lassen. Und ich kann ohne dich nicht mehr leben."
Liebesbeteuerungen sprudelten aus ihm heraus. "Ich kann und will mich nicht von dir trennen. Wir gehören von jetzt an zusammen. Musst du denn nach Genf fahren? Bleib doch hier!"
Romy schwieg einen Augenblick. Dann sagte sie eindringlich: "Mein Vater hat sich sehr exponiert, damit ich die Stelle in Genf bekomme. Er wäre total blamiert, wenn ich nicht fahren würde. Es ist unmöglich, ich kann jetzt nicht alles umstoßen."
Armin versank in Melancholie. Romy küsste ihn zärtlich. "Armin, Liebster, es ist ja nur für ein paar Monate. Zwischendurch werden wir uns sehen. Ich schreibe dir, wie es mir geht und wann wir uns wiedersehen können. Wir müssen jetzt fahren, so schrecklich es auch ist, dass wir uns trennen müssen", flüsterte sie mit tränenerstickter Stimme.
"Wann fährt dein Zug?", erkundigte sich Armin.
"Um elf Uhr fünfzehn. Aber es ist besser, wenn wir jetzt Abschied nehmen. Morgen begleiten mich meine Eltern, und die kennen dich ja noch nicht."
"Also gut, ich wünsche dir alles Gute, Romy. Ich liebe dich", wiederholte er diese Worte immer wieder, während er Romy umklammert hielt.
"Wir müssen uns jetzt voneinander losreißen. Pass auf dich auf, Liebling, bitte riskiere nichts, vergiss nicht, dass ich dich liebe." Mit einem letzten Kuss verließ sie Armin.
Armin konnte sich nicht aufraffen, den Wagen zu starten. Er schloss die Augen und fragte sich, ob alles nur ein Traum gewesen war.
Armin lag, von Übermüdung geplagt, in der muffigen Stube auf seinem Stockbett. Unruhige Gedanken tanzten durch sein Bewusstsein. Eine Veränderung in seiner beruflichen Laufbahn schien notwendig, ein Weg, um seine soziale Position zu verbessern und vielleicht mehr Anerkennung in den Kreisen von Romy zu finden. Nach dem Ende seiner Militärdienstzeit Mitte Juni wollte er nach einer neuen Arbeitsstelle suchen und vielleicht durch Kurse seine Qualifikation zu verbessern.
Am Wochenende hatte Armin sich Urlaub genommen und durfte die Kaserne verlassen. Ein Mittagessen bei seiner Mutter stand auf dem Plan. Die kleine Wohnung, die sie mit seiner Schwester in einem Wiener Innenbezirk teilte, war für Armin mehr als nur ein Zuhause – es war der Ort seiner Kindheit, wo er jede Gasse und jedes Haus kannte.
Seine Gedanken schweiften zurück in die triste Nachkriegszeit, als seine Mutter mit großem Einsatz versuchte, zusätzliche Lebensmittel zu beschaffen. Bewaffnet mit einem Rucksack voller schwerer Eisennägel, die ihr der Großvater gegeben hatte, tingelte sie von Bauernhof zu Bauernhof. Eier, Butter und Fleisch waren die Tauschobjekte, und so entgingen Armin und seine Schwester trotz der Hungersnot nach dem Krieg mancher Entbehrung.
In ihrer Jugend war seine Mutter eine Schönheit gewesen, eine große Brünette von vornehmem Wuchs. Die jungen Männer der Umgebung zeigten Interesse, solange sie nicht an der Front ihr Leben riskierten. Auch heute, trotz der sichtbaren Spuren des Existenzkampfes in ihrem silberdurchzogenen Haar, strahlte sie Attraktivität aus. Ihre Frisur betonte das schmale Gesicht und verlieh ihr beinahe erhabene Eleganz. Sanftmut und Ruhe spiegelten sich in ihren Augen wider. Nach dem Tod seines Vaters gab es durchaus Männer, die gerne an ihrer Seite gewesen wären, trotz der beiden Kinder. Doch sie nahm keine der Avancen an, denn ihr Leben galt Armin und seiner Schwester.
Andrea, Armins Schwester, war stets die Beste in der Schule gewesen und studierte nun zügig und ohne Zeitverlust Englisch an der Universität. Wenn Armin ruhig und zurückhaltend war, so war seine Schwester das genaue Gegenteil. Ihre lebhafte Art und ihr mitreißender Humor machten sie bei allen beliebt. Als Hobby pflegte sie die Bühnenkunst auf einem Amateurtheater. Mit ihrer imposanten Größe, langen Beinen und einem majestätischen Busen strahlte ihr Körper Vitalität und Unternehmungsgeist aus. Ihr wildes schwarzes Haar, das sich an den Schläfen leicht kräuselte, war meist zu einem Pferdeschwanz gebunden. Helleblaue Augen verrieten Klugheit, während ihre hochgezogenen Mundwinkel Humor und Lebensfreude signalisierten.
Nachdem Armin die Stufen bis zum dritten Stock des alten Bürgerhauses emporgestiegen war betrat er die kleine Küche und ließ sich auf der gemütlichen Eckbank nieder. Seine Schwester empfing ihn mit einem Redeschwall, begierig auf Neuigkeiten. Doch Armin fand nicht sofort die Worte, denn Andrea begann, ohne Unterbrechung über dies und das zu plaudern. Mutter beobachtete ihn diskret, während sie das Essen servierte. Sie gehörte nicht zu den Müttern, die alles über ihre Kinder wissen wollten. Mit Feingefühl und mütterlichem Instinkt spürte sie ohnehin, was sie bewegte. Und sie ahnte vielleicht, welcher Grund für die Veränderung ihres Sohnes verantwortlich war.
Als Armin am Nachmittag die Wohnung verließ und auf die Straße trat, blendete ihn das Sonnenlicht. Es war ein kaltes, weißes Licht, die Strahlen noch zu schwach, um der Kälte Einhalt zu gebieten. Die Zeit der goldenen Sonnenstrahlen, die wärmen und reifen, schien noch fern. Ein schneidiger Wind wehte, Emil zog den Kragen seines Mantels hoch und begab sich zu seiner DS, um in die Kaserne zu fahren und einem einsamen Abend entgegenzublicken.
Seit der Trennung von Romy waren nunmehr fünf Tage vergangen. Endlich war der erste Brief eingetroffen. Sie schrieb, dass ihre Firma für sie ein kleines Zimmer in einem Wohnhaus in der Genfer Altstadt gemietet hatte. Dort arbeitete sie im Labor als Hilfskraft. Die Verständigung bereitete ihr Schwierigkeiten, da sie ihre Französischkenntnisse überschätzt hatte. Glücklicherweise sprachen die meisten Kollegen auch Deutsch. Der Brief endete mit den Worten:
"Mein Geliebter, ich möchte dich so schnell wie möglich wiedersehen. Sobald ich hier einen Überblick gewonnen habe, kannst du mich in Genf besuchen. Du sagtest mir, dass du noch niemals eine Frau so geliebt hast wie mich. Ich sage dir, dass du der erste Mann bist, den ich liebe, und ich keinen anderen mehr lieben kann und werde. Deine Romy." Armin war überglücklich, als er diese Zeilen las. Er griff zu einem Briefbogen. In intensiven Worten versuchte er, seine Sehnsucht nach Romy zu Papier zu bringen, bis seine Finger schmerzten. Er schloss den Brief mit einer leidenschaftlichen Liebeserklärung:
"Romy, Liebling, dein Brief macht mich zum glücklichsten Menschen unter der Sonne. Du bist die Einzige auf Erden, die ich immer lieben werde. Ich hoffe, dass all unsere Träume in Erfüllung gehen, und ich nie irgendwo anders aufwache als in deinen Armen. Ich werde dich immer lieben, denn du bist mein Leben. Dein Armin."
Armin begleitete Gerry wann immer es möglich war, in den Tennisclub. Die Matches von Gerry faszinierten ihn, die eleganten Bewegungen der Spieler und das charakteristische Geräusch, wenn der Ball die Saiten berührte. Die Anziehungskraft dieses Sports hatte ihn auch während seines Militärdienstes nicht losgelassen.
Gerry war ein herausragender Tennisspieler, und genau dieser glückliche Zufall sollte Armins sportliche Entwicklung auf ungeahnte Weise beflügeln. Mit dem Beginn der Open-Air-Saison bot sich Armin die Gelegenheit, mit Gerry zu trainieren – eine Chance, die nicht vielen vergönnt war. Gerry hatte sich einen Ruf als einer der besten Spieler Österreichs erarbeitet, und jeder im Tenniskreis wusste, dass ein Match mit ihm nicht nur eine sportliche Herausforderung, sondern auch eine Lehrstunde in Technik und Taktik war.
Die gemeinsamen Trainingseinheiten mit Gerry wurden für Armin schnell zu einem unschätzbaren Gewinn. Gerry teilte nicht nur sein umfangreiches Wissen über Spielstrategien und Schlagtechniken, sondern auch seine Erfahrung in der mentalen Vorbereitung auf anspruchsvolle Matches. Unter Gerrys Anleitung lernte Armin, seine Schwächen zu erkennen und gezielt an ihnen zu arbeiten. Er gewann an Präzision, seine Schläge wurden kraftvoller, und seine Bewegungen auf dem Platz eleganter und effizienter.
Mehr noch als die technischen Fortschritte war es Gerrys inspirierende Art, die Armin motivierte. Der Enthusiasmus, den Gerry auf den Platz brachte, war ansteckend. Armin fand sich oft dabei wieder, weit über seine bisherigen Grenzen hinauszugehen, getrieben von dem Wunsch, das Beste aus sich herauszuholen. Diese Trainingsstunden machten nicht nur einen besseren Spieler aus ihm, sie formten auch seinen Charakter, lehrten ihn Durchhaltevermögen und die Wichtigkeit von Selbstdisziplin.
Durch diese intensive Zeit mit Gerry machte Armin einen weiteren bedeutenden Sprung nach vorne in seiner sportlichen Entwicklung. Er verbesserte sich nicht nur technisch und taktisch, sondern gewann auch an Selbstvertrauen. Das Training mit einem der Besten hatte ihm gezeigt, dass er das Potenzial hatte, noch viel weiter zu kommen. Es war, als hätte Gerry in ihm eine Flamme entfacht, die nur darauf wartete, zu einem lodernden Feuer zu werden.
Die verbleibenden drei Monaten seiner Dienstzeit wollte er nutzen, seinen sportlichen Horizont zu erweitern und widmete sich intensiv dem Tennistraining unter der Anleitung von Gerry.
Obwohl ihm der Dienst als Schreiber beim Militär nicht missfiel, sehnte er das Ende seiner Militärpflicht herbei. Mitte Juni würde er wieder ins bürgerliche Leben zurückkehren. Doch die Stunden schlichen in der monotonen Routine beim Militär nur zäh dahin, zumindest empfand Armin es so. Seit er sich in Romy verliebt hatte, brannte er darauf, endlich die Freiheit zu haben, über seine Zeit zu verfügen und sie in Genf zu besuchen. Doch es gab noch einen anderen Grund: Er musste dringend seine Situation verbessern, um in der gehobenen sozialen Schicht, zu der Romy gehörte, halbwegs akzeptiert und anerkannt zu werden. Das erforderte, unbedingt eine attraktive und gut bezahlte Stellung zu finden.
Im Grunde herrschte zwischen Armin und seinen Kameraden ein gutes Einvernehmen; bei seinen Zimmerkameraden genoss er sogar große Beliebtheit. Doch in der Einheit gab es auch einige, die eine kriminelle Vergangenheit hatten. Armin bemerkte seit einiger Zeit, dass ein übler Zeitgenosse namens Otto versuchte, ihn zu provozieren. Beim Heraustreten zur Standkontrolle rempelte er Armin absichtlich an, im Waschraum spritzte er ihn sogar an. Da Otto den Ruf eines üblen Raufbolds hatte, vermied Armin eine offene Konfrontation, insbesondere, weil dieser bereits mit dem Gesetz in Konflikt gekommen war. Offensichtlich konnte Otto nicht ertragen, dass Armin beliebt war. Wahrscheinlich war ihm nicht entgangen, dass Armin Tennis spielte und sich in gehobenen Gesellschaftsschichten bewegte – ein Umstand, der Neid und vielleicht sogar Hass in ihm hervorrief. Der Tag kam, an dem Armin Ottos Verhalten nicht länger tolerieren konnte, besonders als dieser sich ihm im Flur entgegenstellte. Armin lächelte mitleidig und schob Otto sanft beiseite. Doch dieser schien nur darauf gewartet zu haben:
„Du hast mich gestoßen“, sagte er und versetzte Armin einen Schlag in die Magengrube. Der Hieb kam überraschend schnell, und Armin hatte keine Chance, sich zu schützen. Der plötzliche Angriff traf ihn unvorbereitet, und er krümmte sich schmerzvoll zusammen. Doch nun war er gewarnt. Als Otto einen weiteren Schlag von unten nach oben ansetzte, um Armin im Gesicht zu treffen, blockte dieser geschickt ab und stieß seinen Kopf gegen die Brust des Angreifers. Otto taumelte zurück, doch mit der Geschwindigkeit eines Tigers sprang er blitzschnell auf Armin zu und schleuderte ihn mit einem kraftvollen Schwinger zu Boden und trat ihn mit den Füßen. Armin, offensichtlich schwer angeschlagen, war den brutalen Fußtritten dieses Wüstlings wehrlos ausgesetzt.
Inmitten der Kameraden, die bisher das Geschehen eher passiv beobachtet hatten, erhob sich plötzlich ein Schutzengel namens Fritz. Die dunkle Aura von Otto, dem schattenhaften Unruhestifter, traf auf die Bestimmtheit und Entschlossenheit von Fritz, einem Mann mit Kampferfahrung im Boxring.
Die Spannung im Flur war greifbar, als Fritz, mit verschränkten Armen und einem finsteren Blick, Otto zur Ordnung rief. "Lass ihn sofort in Ruhe", dröhnte seine Stimme bedrohlich durch den Raum.
Otto, der bisher das Feld beherrscht hatte, geriet ins Stocken. Sein aggressiver Übermut verblasste vor dem selbstbewussten Auftreten des Boxers. "Das geht dich nichts an", zischte Otto und setzte dennoch seine brutalen Tritte gegen Armin fort.
Doch Fritz ließ sich nicht einschüchtern. Mit einer fließenden Bewegung trat er entschlossen zwischen die beiden Kontrahenten. Seine Präsenz und die drohende Gewissheit, dass er sich nicht scheuen würde, selbst einzugreifen, zwangen Otto zur Vernunft.
Armin, noch am Boden liegend und von den vorangegangenen Attacken geschwächt, sah auf, um das dramatische Geschehen zu verfolgen. Fritz hatte sich erfolgreich zwischen ihn und seinen Peiniger gestellt, und Otto wich sichtlich zurück.
Fritz sprach mit ruhiger, bestimmter Stimme: "Wenn du ihn noch einmal anrührst, wirst du es mit mir zu tun bekommen." Die Worte hallten nach und legten sich wie ein Schutzschild um Armin, der erleichtert und dankbar aufatmete.
Otto, trotz seines rebellischen Wesens, war klug genug, der unmissverständlichen Warnung von Fritz Folge zu leisten. Unter den wachsamen Augen des Boxers zog er sich zurück, und die Bedrohung, die von ihm ausging, verlor sich im Flur der Kaserne.
Fritz, der Beschützer in der Not, richtete sich zu seiner vollen Größe auf und ließ einen Blick der Entschlossenheit durch den Raum schweifen. Seine Anwesenheit hatte die Dunkelheit für den Moment vertrieben, und Armin konnte ihm nicht genug danken für die heldenhafte Intervention.
Armin erhob sich mühsam und begutachtete seinen Körper auf mögliche Verletzungen. Sichtlich war er glimpflich davongekommen, er trug einige Prellungen davon und im Gesicht tastete er Schwellungen ab, die sich in blauen Flecken verwandeln würden. Wankend stand er auf seinen Beinen, und Fritz musste ihm Halt bieten.
"Das Mindeste, was du dir verdient hast, ist ein gutes Bier", sagte Armin und spuckte Blut in sein Taschentuch.
"Das machen wir", antwortete Fritz zustimmend. "Aber du solltest den Vorfall dem Batteriekommandanten melden."
Armin verzog das Gesicht. "Was bringt es?" stöhnte er. "Ich sage dir ganz ehrlich, ich möchte mich nicht mit diesem Gauner vor dem Zugsführer herumstreiten. Mir genügt, dass er mich nun in Ruhe lassen wird; er hat zu großen Respekt vor dir."
"Falls er dich noch einmal angreifen sollte, verpasse ich ihm Prügel, die er nie vergessen wird", versicherte ihm Fritz.
Die Verletzungen, die er bei der Auseinandersetzung mit Otto davongetragen hatte, waren nicht zu übersehen. Außerdem hatten viele Kameraden gesehen, wie brutal Otto gegen Armin vorgegangen war. Einige meldeten den Vorfall.
Armin wurde ins Büro des Zugsführers beordert. Dieser informierte ihn, dass Otto bei einer Anzeige empfindlich bestraft würde, diese müsste jedoch von Armin kommen. Doch dieser verzichtete.
„Eine noble Geste“, meinte der Zugsführer. „Wie du willst, aber ich hätte diesen Gauner nicht geschont.“
Umso erstaunter war Armin, als am nächsten Tag Otto in seiner Stube erschien. Von seinem üblichen Imponiergehabe war nichts zu merken; er wirkte bedrückt und verlegen, als er sich an Armin wandte.
„Es tut mir leid, dass ich dir wehgetan habe. Entschuldige bitte“, sagte er kleinlaut. Er reichte Armin eine große Tafel Schokolade. „Es war großartig von dir, dass du von einer Anzeige abgesehen hast. Der Zugsführer hat mir gesagt, welche dramatischen Folgen das für mich hätte.“
Zögerlich streckte Otto Armin die Hand entgegen. Nach kurzem Überlegen schlug Armin ein. „Vergessen wir es“, sagte er.
„Wenn du einmal Hilfe brauchst, egal bei was, zähle auf mich!“, versicherte Otto.
Ein verschmitztes Lächeln huschte über Armins Gesicht. Neue Freunde hatte er gewonnen: Fritz, den furchtlosen Kämpfer, und Otto, den reuigen Sünder.
Nach einigen Tagen, in denen Armin seine Schmerzen überwunden hatte, nahm er mit Gerry das Tennistraining wieder auf.
Die Tage vergingen rasch, und das Ende seiner Zeit im Militärdienst rückte näher. Armin begann bereits, Pläne für seine Rückkehr ins zivile Leben zu schmieden. Obwohl er den Sommer noch als Angestellter im Ersatzteillager verbringen würde, plante er bereits, nach anderen beruflichen Möglichkeiten Ausschau zu halten. Das Tennisspielen bereitete ihm weiterhin Freude, und er beabsichtigte, die Mitgliedschaft in einem Tennisclub zu beantragen.
Die letzten Tage wurden genutzt, um mit den Kameraden, mit denen man sich angefreundet hatte, Adressen und Telefonnummern auszutauschen. Armin verbrachte die Abende nach Dienstschluss mit Gerry und Fritz, spielte Karten und genoss das eine oder andere Glas Bier. Je näher der Abschied vom Militär rückte, desto besser wurde die Stimmung. Otto, der Schläger, suchte offensichtlich Kontakt mit ihnen aufzunehmen, wagte es aber nicht, sie anzusprechen.
Die liebevollen Briefe von Romy, die er regelmäßig erhielt und sofort mit überfließenden Liebesbeteuerungen beantwortete, ließen Armin auf Wolken schweben. Er fieberte dem Tag entgegen, an dem er Romy wiedersehen würde. Es war für ihn keine Frage, bei der ersten Gelegenheit, die sich ihm bot, ins Auto zu steigen und nach Genf zu fahren, um Romy wiederzusehen.
Der Eintritt in das Berufsleben verlief reibungslos, und schon nach den ersten Tagen fühlte er sich wieder fest in den Arbeitsablauf eingebunden. Dennoch setzte er seine Suche nach einem neuen Job fort. Jedes Wochenende durchforstete er die Stellenanzeigen in den großen Tageszeitungen und verfasste Bewerbungen. Die Abende verbrachte er damit, Tennisclubs zu besuchen, um sich um eine Mitgliedschaft zu bewerben. Doch die Möglichkeiten waren begrenzt, und er musste feststellen, dass Tennis eine Sportart war, die nur wenigen zugänglich war. Als er schließlich einen Club gefunden hatte, der ihn aufnehmen würde, stellte er fest, dass der Clubbeitrag recht hoch war. Das überraschte ihn nicht, denn auf dem Parkplatz des Clubs parkten hauptsächlich teure Wagen der Mitglieder.
Armin stand vor einer Zerreißprobe: Das Tennisspiel fortzusetzen und die finanzielle Hürde der Clubmitgliedschaft zu überwinden, oder seinen neuen Leidenschaftsfunken erlöschen zu lassen, gerade als er begonnen hatte, seine Fähigkeiten zu schärfen und eine beachtliche Technik zu entwickeln. Tagelang wogte sein Entschluss hin und her, gefangen zwischen Vernunft und Leidenschaft.
Schließlich gab die Leidenschaft den Ausschlag. Mit einem Gefühl von Vorfreude und einer Spur Nervosität betrat er das Büro der Clubleitung.
Die Leiterin, eine athletische Frau in ihren besten Jahren, deren sonnengeküsste Haut und durchtrainierte Statur unmissverständlich ihre Verbundenheit zum Tennis verrieten, begrüßte ihn mit einem professionellen Lächeln. Während Armin das Aufnahmeformular mit seinen persönlichen Daten ausfüllte, entstand zwischen ihnen ein ungezwungenes Gespräch, das schnell persönlich wurde.
„Seit wann spielen Sie Tennis?“, erkundigte sie sich, eine offene Neugier in ihrer Stimme. Armin zögerte einen Moment, doch dann fand er den Mut zur Wahrheit: „Um ehrlich zu sein, spiele ich erst seit einem Jahr. Doch die Faszination für diesen Sport begleitet mich schon seit meiner Kindheit. Während meiner Zeit beim Militär freundete ich mich mit einem Kameraden an, der zu den Topspielern Österreichs zählt. Er hat mich unter seine Fittiche genommen und ich habe mich gewaltig verbessert.“
In seinen Worten schwang nicht nur Stolz über die neu entdeckte Passion und die Anerkennung durch einen versierten Spieler, sondern auch die Hoffnung, dass seine Begeisterung und sein Engagement eine langjährige Erfahrung aufwiegen könnten.
Die Sekretärin schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. „Sie wissen sicher, dass unser Club in der höchsten Spielklasse, der Staatsliga, antritt. Die Qualität unserer Mitglieder ist dementsprechend hoch, und als Neuling könnten Sie es anfangs schwer haben, Spielgefährten zu finden.“
Armin nickte, die Entschlossenheit in seinen Augen unverkennbar. „Ich bin von diesem Sport fasziniert und möchte mein Spiel nicht aufgeben, gerade jetzt, wo ich mich stark verbessert habe. Es wäre schade, meine Fähigkeiten verkümmern zu lassen.“
„Angesichts Ihres Eifers bin ich überzeugt, dass Sie sich rasch bei uns zurechtfinden werden. Sollten Sie Unterstützung benötigen, stehe ich Ihnen mit Rat und Tat zur Seite.“
Nach dem Gespräch verließ Armin das Büro, seine Gedanken wirbelten chaotisch durcheinander. Die Leidenschaft für Tennis zog ihn unwiderstehlich an, doch die finanzielle Hürde, die er sich selbst gesetzt hatte, und die Befürchtung, nicht in das elitäre Umfeld zu passen, nagten an ihm. Diese Sorgen wurden noch verstärkt, als er seinen alten Citroën DS bestieg und die teuren Sportwagen auf dem Parkplatz betrachtete. Nachdenklich fuhr er die von majestätischen Kastanien gesäumte Allee entlang, in Richtung seines bescheidenen Wohnviertels. Dieses lag am Stadtrand, geprägt von alten Gebäuden und solchen, die hastig aus billigen Materialien nach dem Krieg errichtet worden waren – ein stummer Zeuge der Zerstörungen durch amerikanische Bombenangriffe. Der Kontrast zwischen den Welten, die er gerade verlassen hatte und jener, zu der er zurückkehrte, war beinahe greifbar.
Armin schritt müde die Stufen des alten Mietshauses hinauf, dessen Geschichte bis ins neunzehnte Jahrhundert zurückreichte.
Die Fassade war kunstvoll verziert mit Fensterornamenten und hatte die Bombenangriffe des Krieges unbeschadet überstanden, während das gegenüberliegende Haus dem Schicksal nicht entkommen war. In einer kleinen Wohnung im dritten Stock fand Armin sein Zuhause, mit Fenstern, die nach Westen blickten. Normalerweise erhellte die untergehende Sonne den Raum mit einem warmen goldenen Glanz, den Armin zu schätzen wusste. Doch an diesem Abend nahm er die Schönheit des Lichts nicht wahr. Die Entscheidung, sich in den elitären Tennisclub einzuschreiben, hatte er zwar getroffen, in der Hoffnung, Zugang zu einer gehobenen Gesellschaft zu finden, aber im Moment lastete sie schwer auf ihm. Dazu kam die Sorge um Romy, von der er seit Tagen keine Nachricht erhalten hatte.
Endlich erreichte ihn eine Nachricht von Romy. Sie berichtete ihm, dass sie auf der Suche nach einer eigenen Wohnung sei. Derzeit residierte sie als Untermieterin in einem bescheidenen Kabinett bei einer Arztwitwe. Sobald sie eine passende Bleibe gefunden hätte, könne Armin sie besuchen.
Diese Nachricht war jedoch nicht die einzige angenehme Überraschung, die ihn in diesen Tagen erreichte. Ein internationaler Lebensmittelkonzern suchte einen Disponenten für seine neu gegründete Gesellschaft für den Verkauf und die Distribution ihrer Produkte, vorwiegend Delikatessen aus den Mittelmeerländern und lud ihn zu einem Gespräch ins renommierte Hotel Bristol ein. Als er sich zum vereinbarten Zeitpunkt dort einfand, sank sein ursprünglicher Optimismus abrupt. Im Foyer des Hotels saßen bereits zahlreiche Bewerber, die auf ihre Interviews warteten. Armin gesellte sich zu ihnen, seine Erwartungen waren auf ein Minimum geschrumpft.
Endlich war er an der Reihe. Ein eleganter Herr mit freundlichem Lächeln forderte ihn auf, ihm zu folgen. Sie betraten einen luxuriösen Konferenzraum, wo bereits ein älterer Herr in vornehmer Kleidung auf sie wartete. Seine markanten weißen Haare und die dunkle Brille dominierten sein schmales, längliches Gesicht. Für einen Moment stand er abgewandt am Fenster und ließ die Stille wirken, bevor er sich umdrehte. Man bat Armin sich vorzustellen und seine Beweggründe für die Bewerbung zu erläutern