Und die Moral von der Geschicht' - Holger Rust - E-Book

Und die Moral von der Geschicht' E-Book

Holger Rust

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Beschreibung

Von den biblischen Händlern im Tempel über die harten kalten Herzen des Märchens bis hin zu Dallas und Denver Clan...Die Reichen sind als Motiv in Literatur, Film und Fernsehen unentbehrlich - und fast immer spielen sie die Bösen. Dichtung oder Wahrheit? Verdirbt Geld wirklich den Charakter, oder wird den Begüterten der Schwarze Peter aus Neid untergeschoben? Der Autor hat sich auf die Suche nach den Motiven gemacht. Pointiert, witzig, belesen, und gewürzt mit einer Prise Bosheit durchstreift er Literatur und Kultur der letzten Jahrtausende, um die Wurzeln bloßzulegen. Was er dabei entdeckt ist ebenso vergnüglich wie tiefgründig. Ein vielfältiges, launiges und spannendes Lesebuch für alle, die auch in ihrer Freizeit nicht ganz auf "Nutzwert" verzichten wollen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 329

Veröffentlichungsjahr: 2013

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Holger Rust

UND DIE MORALVON DER GESCHICHT’…

 

Fabrikanten, Bosseund Manager inLiteratur und Unterhaltung

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

Nachdruck 2013

© 2012 by Redline Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

© 1999 by Wirtschaftsverlag Carl Ueberreuter, Wien/Frankfurt

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlaggestaltung: Münchner Verlagsgruppe GmbH

Druck: Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN Print 978-3-86881-438-5

ISBN E-Book (PDF) 978-3-86414-411-0

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86414-816-3

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.redline-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter

www.muenchner-verlagsgruppe.de

eBook by ePubMATIC.com

INHALTSVERZEICHNIS

Erstes Kapitel

Wirtschaft im Kopf: Man sollte wieder mal ein Buch lesen, und zwar eines, das in der Welt der Wirtschaft spielt

Zweites Kapitel

Die Moral von der Geschieht’? Trau Fabrikanten, Bossen, Unternehmern nicht, und denen nicht, die reich sind

Drittes Kapitel

Jeder will reich sein: Deshalb will jeder Lottomillionär werden, denn Lottomillionäre zahlen keine Steuern

Viertes Kapitel

Wunderwelt des Geldes: Geld macht glücklich, leider meist die anderen, weshalb das Volk nur am Schaufenster steht

Fünftes Kapitel

Ungerechter Mammon: Zu ebener Erde und im ersten Stock – das ist seit Jahrhunderten das Motiv in der Literatur

Sechstes Kapitel

Zwischen den Zeilen: „Geld, Macht, Habgier, Korruption“ versprechen die Buchverlage. Das Versprechen halten sie

Siebtes Kapitel

Bildschirmbösewichte: Ein „Tatort“-Kommissar beklagt sich bitter, daß man solche Typen bei ihren dreckigen Geschäften auch noch schützen muß

Achtes Kapitel

Kämpfer für Gerechtigkeit: „Columbos Engagement ist vor allem die befriedigende, fast universale Auseinandersetzung ‚Arm gegen Reich‘“

Neuntes Kapitel

Realität als Vorbild: Am Ende einer dramatischen Karriere fällt ein Medienzar von Bord seiner Yacht und ertrinkt

Zehntes Kapitel

Gordon Gekkos Generation: Yuppies – oder: Wie aus dem Nichts die Guten und aus denen die Bösen wurden

Elftes Kapitel

Aufstand der Unternehmer: Wie US-Konzerne versuchten, gegen die kapitalismuskritische Fernsehserie „Dallas“ vorzugehen

Zwölftes Kapitel

Althergebrachte Grundmotive: Ein Testament für die Ewigkeit, Vermächtnis für die Unterhaltungsindustrie der Jahrtausende

Dreizehntes Kapitel

Bibelsprüche: Nur das einfache Leben bietet Rettung vor der Versuchung des schnöden Mammons

Vierzehntes Kapitel

Gesundes Volksempfinden: Wie die biblischen Weissagungen als Gewißheiten in die Weisheit des Volkes eingehen

Fünfzehntes Kapitel

Akademische Variationen: Auch die Soziologie ist nichts anderes als die alte Erzählung von der Ungerechtigkeit des Reichtums

Sechzehntes Kapitel

Klassenlagen: „Atlas bundesdeutscher Obszönitäten der Reichtumsund Verarmungspolitik, journalistisch brillant aufgearbeitet.“

Siebzehntes Kapitel

Sumpflandschaften: Jetzt wissen wir endlich, daß es hinter den Mauern der Elfenbeintürme auch nicht anders aussieht

Achtzehntes Kapitel

Mütter und Lehrer: Wie die Wirtschaftserziehung in der Schule bislang auf eine Kultur der Unternehmensgründungen vorbereitete

Neunzehntes Kapitel

Alles Absahner: Statistische Befunde darüber, wie die Jungen und Mädchen über Wirtschaft und Unternehmer denken

Zwanzigstes Kapitel

Einfache Erzählung: Märchenhafte Wirtschaftserziehung – oder: Die Inszenierung der Welt als Fabel vom bösen Verkäufer

Einundzwanzigstes Kapitel

Vom Reichtum gezeichnet: In Comics sind Reiche so verderbt, daß sie selbst beim Schiffeversenken noch betrügen

Zweiundzwanzigstes Kapitel

Naturbelassene Charaktere: Tarzan als Prototyp des edlen Wilden und als Gegenbild zum degenerierten Manager

Dreiundzwanzigstes Kapitel

Böse Mädchen: „Brich die Regeln, lebe nach deinen eigenen Gesetzen, schwimme immer gegen den Strom!“

Vierundzwanzigstes Kapitel

Edel sei der Reiche: Er hat trotzdem keine Chance. Man glaubt ihm auch die edelsten Motive nicht

Fünfundzwanzigstes Kapitel

Selber schuld? Warum hackt eigentlich alles ständig auf den Unternehmern herum? Weil sie zu laut jammern

Sechsundzwanzigstes Kapitel

Die Moral von dieser Geschieht’: Wie am Ende Nutzwert und Vergnügen ihre höchst vergnügliche und nutzbringende Synergie entfalten

Erstes Kapitel

WIRTSCHAFT IM KOPF

Man sollte wieder mal ein Buch lesen, und zwar eines, das nicht in der Welt der Wirtschaft spielt

Man sollte wieder einmal ein Buch lesen.

Das schlechte Gewissen nagt.

Denn man hat schon lange kein Buch mehr gelesen.

Dabei gibt es so viele neue.

Die Autoren schreiben mittlerweile offensichtlich schneller, als man lesen kann.

Es ist schon eigenartig mit diesen Büchern. Eigentlich meint man ja – man hat es gelernt –, daß ein Buch das Ergebnis eines langen und mühsamen Prozesses intensiven Nachdenkens sei, in einsamen Nächten von verzweifelten Autoren auf eine kleine Ewigkeit hin geschrieben, eine schmerzliche Geburt nach langer intellektueller Schwangerschaft sozusagen. Es heißt doch immer, daß ein Mann drei Dinge in seinem Leben zu tun habe: einen Sohn zu zeugen (mittlerweile darf es auch Tochter sein), ein Haus zu bauen (mittlerweile darf es gern auch ein Unternehmen sein) und einen Baum zu pflanzen – in neuerer Zeit: ein Buch zu schreiben.

Das dürfen inzwischen auch Frauen.

Beide, Männer und Frauen, haben sich also zumindest diesen neuen, dritten Teil des einstigen großbürgerlichen Ehrenkodex zu Herzen genommen: Sie schreiben Bücher in Serie. Und neben dem Schreiben scheinen sie auch noch mit den jeweils neuesten Methoden vertraut zu sein, wie man Firmen erfolgreich führt. Denn die Titel der in dieser ungeheuren Geschwindigkeit auf den Markt geworfenen Bücher enden in den meisten Fällen mit zwei Worten, zwei verführerischen Worten: „…für Manager“. Betrachtet man nur einmal die verhaltenstechnische Neuentdeckung des Jahrzehnts – die emotionale Intelligenz: Siebenundzwanzig Bücher in munterem Reigen – selbst der Urheber dieser Gefühlsschwemme, Daniel Goleman, produziert in geradezu zwanghafter Folge Bücher –, in denen immer wieder dasselbe steht. Nämlich das, was die Autoren in anderen Büchern gelesen haben. Fraktal nennt man das wohl, seit Gerd Gerken und Gertrud Höhler die Chaosforschung entdeckt (und gleich auch darüber Bücher geschrieben) haben. Fraktal heißt Selbstähnlichkeit. Auf die Wirtschaft umgelegt ist das zwar ein ziemlicher Unsinn, aber der eigene Markt der immer wieder gleichen Auslassungen läßt sich gut damit beschreiben. Gertrud Höhler hat übrigens ein Buch zur emotionalen Intelligenz geschrieben, das achtundzwanzigste.

Für Manager.

Was immer an Philosophen intellektuell zu exhumieren ist – für Manager. Die Klassik der Literatur, rauf und runter – für Manager. Jedes noch so kleine sozialpsychologische Theoremchen, das irgendeinem Wissenschaftler in den letzten vierzig Jahren einmal in einem Vortrag in einem Halbsatz entschlüpft ist – für Manager. Aufbereitet wie eine Sammlung von Kalendersprüchen oder Aphorismen oder Regelwerke mit Schnellesetips. Am Rand steht noch einmal das Notwendigste. Der Stil ist meist verkünderisch, zumindest aber pädagogisch. Denn die Leserschaft (also die Manager) bewegt sich ja offensichtlich auf dem intellektuellen Niveau zurückgebliebener Dreizehnjähriger. Deshalb sind diese Bücher oft in Schritte eingeteilt, die dann auch wieder einen Teil des Titels ausmachen: „Die zwölf wichtigsten Regeln des Marketing“, „Die sechs Hüte des Denkens“, „Sieben Geheimnisse des Erfolgs“ und so fort.

Doch irgendwie beschleicht den abstinenten Geist, der endlich wieder Nahrung aufnehmen will, das Gefühl, das seien keine richtigen Bücher. Das seien nur zusammengestoppelte Zitate, Kalendersprüche, Halbwahrheiten, intellektueller Modeschmuck.

So ist es.

Das sind die Bücher von heute: Suppenwürfel für die geistige Zwischenmahlzeit. Mit dem Versprechen eines kleinen Sättigungsgefühls. In allen Geschmacksrichtungen. Deshalb liest man die bereits vorgefertigten Querlesereien („Kant in neunzig Minuten“) noch einmal quer, so daß geübte Leserinnen und Leser es schaffen, „Kant in neunzig Minuten“ auf sechsunddreißig Minuten zu komprimieren.

Quickies.

Aber es bleibt das Gefühl der mangelnden Befriedigung – naheliegende Analogien sollen hier nicht weiter ausgeführt werden, können aber verdeutlichen, was gemeint ist.

Denn, das haben ernsthafte Psychologen herausgefunden: daß mehr Frustrationen durch Unterforderung als durch Überforderung entstehen, daß die Arbeitswelt mehr Unterforderte als Überforderte kennt und der Mensch dann am glücklichsten ist, wenn er sinnvoll gefordert wird und mit immer neuen Herausforderungen zu kämpfen hat. Das gilt wohl auch fürs Lesen. Denn das, was da für den schnellen Gebrauch in der U-Bahn oder der Business Class angeboten wird, stillt vielleicht den kleinen Hunger, niemals aber den großen Appetit.

Dazu kommt, daß die Moral dieser Geschichten eine sehr seltsame ist: Manager und Unternehmer werden offensichtlich für Idioten gehalten, die vor allem das nicht können, was ihr Beruf ist. Überhaupt hat man sich ein Buch eigentlich immer anders vorgestellt.

Gute Freunde raten zu guten Büchern

An dieser Stelle folgt dann der Ratschlag eines guten Freundes, regelmäßig, unausweichlich, und es ist immer derselbe: Fahr ein Wochenende in die Berge und lies ein Buch. Und in diesem Ratschlag schwingt ein Adjektiv mit, man braucht es eigentlich gar nicht mehr eigens dazuzustellen: Lies ein gutes Buch! Sehr schön. Also wählt man ein gutes Buch aus, greift wieder einmal zu Musils „Mann ohne Eigenschaften“, denn: Wenn schon ein gutes Buch, dann richtig.

Und scheitert wieder einmal daran.

Denn immer wieder laufen die Gedanken aus dem Ruder. Angst ergreift das furchtsame Managerherz, es könne etwas verpassen, während der Zeit des Lesens. Oder man kann es einfach nicht ertragen, diese seltsame Leere durchzustehen, die man Freizeit nennt oder Urlaub oder Muße, ohne daß man irgend etwas mit sich führt, das einen – und sei es noch so ein kleiner – Nutzwert besitzt. Man hat immer das Gefühl, die anderen eilen weiter, während man zum dritten Mal einen Absatz liest, ohne ihn wirklich aufzunehmen. Also liest man doch wieder Manager-Traktätchen mit vermeintlichem Nutzwert, mehrere auf einmal natürlich. Damit aber entsteht wieder das Gefühl, man müßte irgendwann einmal ein gutes Buch lesen.

Wie kommt man da raus?

Indem man die Bücher (und andere Unterhaltungsangebote) so auswählt, daß sie Spaß machen und gleichzeitig einem intelligenten Nutzwert unterworfen werden. Nutzwert: Dieses Wort ist ja die moderne Variante des altertümlichen Wörtchens der Moral von der Geschieht’. Was kann man anfangen mit der Sache? So lautete die Frage früher. Wo liegt der Nutzwert? lautet sie heute. Aber es ist dieselbe Frage. Und sie soll hier beantwortet werden: Der Nutzwert der Lektüre solcher Bücher liegt in der Moral.

Geht es nicht allemal um das alte moralische Dilemma des Geldverdienens?

Ja, es geht allemal um das alte moralische Dilemma des Geldverdienens. Natürlich gibt es eine Menge Bücher, die sich nicht um Wirtschaft drehen. Die meisten Bücher drehen sich nicht um Wirtschaft. Auch die meisten Filme, Comics, Theaterstücke und Fernsehserien drehen sich nicht um Wirtschaft. Aber wenn sie sich um die Wirtschaft drehen, wenn auch nur ein einziger Fabrikant, ein Unternehmer, ein Spitzenmanager, ein Reicher zu den personae dramatis zählt, dann steht die Wette zehn gegen eins, daß die Charaktere der Protagonisten von dubioser Dunkelheit sind.

In solchen Büchern geht es um die Konfrontation von Geschäft und Lebenssinn.

Es geht um die letzten Fragen, manchmal auch um die vorletzten.

Es geht um Ethik.

Es geht um persönliche Konflikte, um Raffgier, um tragische Verstrickungen und Läuterungen, um Tod und Teufel.

Die Vergeblichkeit des emsigen Tuns

Und sehr schnell wird klar, was sich da in der Literatur abspielt. Sehr schnell wird deutlich, daß da eine ganz andere Welt, eine Gegenwelt inszeniert ist, nicht nur, weil die, die schreiben, Muße haben und ob der graugesichtigen Sklaven hohnlachen, die an die Bürosessel und Konferenzstühle gefesselt sind; weil die, die schreiben, sich noch einmal im Bett umdrehen, bis die Inspiration sie ereilt; weil die sich, wenn der gestreßte Manager Meetings über sich ergehen läßt, in einer lauschigen Gartenlaube an den Laptop setzen und mitunter sogar Millionen verdienen mit etwas, das man nicht einmal anfassen kann; weil die, die schreiben, wissen, daß das Publikum diese Inhalte will: böse Reiche, intrigante Unternehmer, mobbende Manager, Abgründe. Eben erst ist wieder einer dieser Bestseller mit großem Werbeaufwand lanciert worden: John Le Carré, der einst die Düsternis menschlicher Abgründe in den unergründlichen Tiefen der Politik und der Spionage fand, findet sie nun im Reich der Hochfinanz, „Single & Single“. Diese Motive gibt es schon lange. Sie sind sorgsam aufbereitet und kommen aus immer derselben Schubalde, mit nur geringfügiger Modifikation: Mammon, und die, die ihn scheffeln.

Schaut doch hinein in die Bibel, vor allem ins Neue Testament. Schaut hinein in die Romane der Klassiker und in die Bestseller unserer Tage. Schaut hinein mit wachem Geist in die seltsamen Auslassungen des gegenwärtigen Weltgeistes (der sich seltsam ermattet zeigt), in die Filme und Fernsehserien, die Theaterstücke und Comics. Denn wenn man erst einmal aus der Lektüre der Bücher den Gedanken der „intellektuellen Wertschöpfung“ destilliert hat, läßt er sich leicht auch auf Fernsehen und Kino anwenden, auf „Columbo“ und die 67 Mörderinnen und Mörder, die er gefangen hat, auf Marcello Mastroianni in „Dolce Vita“ und David Niven in „Bonjour Tristesse“, auf „Derrick“, „Dallas“, „Dynasty“, oder Filme, deren bekanntester wohl „Wall Street“ sein dürfte, der Film über den verbrecherischen Broker Gordon Gecko und die Yuppies, jene Brut geldgieriger Youngsters, die nicht nur in Romanen und Filmen vorkamen, sondern auch in der Wirklichkeit eine kollektive Biographie hinlegten, wie sie sich nur ein Romanautor hätte ausdenken können. Denn auch das wird klar: Manchmal kommt die Wirklichkeit den Büchern, den Filmen, den biblischen Mahnungen und Sprüchen sehr, sehr nah. In einigen Kapiteln dieses Buches wird man nicht mehr wissen, ob ein Roman erzählt wird oder das, was gestern erst geschehen ist.

Überall das Motiv des „ungerechten Mammons“. Das Motiv vom „Kamel, das eher durchs Nadelöhr geht, als daß der Reiche in das Reich Gottes kommt“, das Motiv der „Unzufriedenheit“, das Motiv von den Händlern, die das Haus des Herrn verunreinigen, überall Gier, Karrierismus und am Ende – am Ende die Leere.

Überall das Motiv des „Jedermann“, das jährlich, vom Wiener Regisseur Gernot Friedl inszeniert, auf dem Domplatz in Salzburg die Vergeblichkeit des emsigen Tuns beschwört, besucht vor allem von Leuten, die sehr viel Geld haben und großen Wert darauf legen, später als Repräsentanten von Reichtum und Kultur in den gehobenen Klatschblättern abfotografiert zu sein. Die nun zusätzlich noch sommers nach Hamburg fahren, um diese neue Fassung von Michael Gatz zu sehen, den „Hamburger Jedermann“, der in der einmaligen Kulisse der Speicherstadt nun schon im sechsten Jahr in der Produktion des Hamburg Art Ensembles in einem tristen Existenzialismus versinkt.

Erster Exkurs

Der Hamburger Jedermann

Das Stück

Das Volksstück, das wir seit 1906, als Friedrich von Holweck ein uraltes Motiv des Theaters aufgriff und modernisierte, unter dem Namen „Jedermann“ kennen, zählt heute vor allem in der Fassung von Hugo von Hofmannsthal zu den besinnlichen Elementen der Festspielkultur. In Salzburg. Oder in einer besonders aparten Bearbeitung, in der der Teufel am Ende die Seele nicht bekommt, im „Hamburger Jedermann“.

Es ist die letzte (oder vielleicht auch vorletzte) der Jahrhunderte umfassenden Inszenierung vom hartherzigen Reichen, der für Geld seine Seele verpfändet. Von 1477, dem Jahr der mutmaßlichen Niederschrift eines Volkstheaterstücks, über die erste nachweisliche Druckfassung im Jahre 1495, über französische und englische Adaptionen und die 1905 eröffnete Fassung „Wir alle“ und Hofmannsthals „Jedermann“ 1911 bis eben hin zu dieser Hamburger Aufführung 1998 spannt sich der Bogen des immer wieder faszinierenden Motivs. Den letzten Weg gehst du allein.

Das letzte Hemd hat keine Taschen, wie Hans Albers sang.

Da wenden sich Reichtum, Freundschaft, Werbung, Markt, Leistung, da wendet sich alles ab, was das Leben des Reichen begleitet hat, der Jedermann ist, aber eben mit dem Attribut des Reichtums ausgestattet wird, damit um so dramatischer deutlich wird, daß sich niemand der Verantwortung wird entziehen können, sosehr er auch auf die Macht des Diesseitigen, des Materiellen vertrauen mag. Der „Hamburger Jedermann“ hält noch eine besondere Delikatesse bereit: Es gibt kein Jenseits, kein Endgericht, keinen Gott. Es ist die existenzialistische Variation des alten Motivs. Nicht einmal zur Hölle fährt der Reiche mehr. Es ist sinnlos. Und Jedermann würde unbegleitet sterben, wären da nicht ein paar einfache Leute. Aber noch lebt er und enthusiastisch stimmt er zu, als der Teufel nur seine Seele für die Speicherstadt verlangt.

Merksätze

Jedermann, der von sich behauptet, nicht einmal aufgeschreckt zu sein, hätte ihm jemand seine Seele, das Ding, „vom Arsch geleckt“, überlegt nicht lange, als es darum geht, seine Seele für „die ganze Speicherwelt“ einzutauschen.

„Die Sache gilt. Ich brech den ganzen Schutt da weg.

Hier geht es um Milliarden!

Es knallen meine Chancen!

Jeder Tag macht mir Avancen!

Und ich sag: Na dann!

Der Name ist Jedermann!“

Es ist eine interessante Variation, Impuls zum Gespräch: Wo es keinen Gott außer dem Geld gibt, gibt es keinen Teufel, nur den Verlust.

Wo bleibt der Sinn?

Wo war er in den alten Fassungen?

So beginnt man zu sammeln, die „Jedermann“-Variationen vom 12., 13. Jahrhundert und so fort bis heute. So durchforstet man die Literatur nach diesem Motiv und summt immer wieder einmal das Lied vom letzten Hemd von Hans Albers, wahlweise auch „La Paloma“. Auch darin heißt es ja sehr tief und metaphorisch: Einmal muß es vorbei sein.

Wo man mit dem Sammeln begonnen hat, gibt es kein Halten mehr. Denn plötzlich wird klar: Das Jedermann-Motiv findet sich ja nicht nur in den verschiedenen Adaptionen des Theaterstücks. Es ist modifizierter Kerngedanke in Hunderten von Büchern und Filmen. Jedermann lauert in jeder Buchhandlung hundertfach.

Erstes Buch einer Unternehmensbibliothek

Stellen Sie sich also vor, Sie haben eine Unternehmensbibliothek zu füllen, in der es um die moralischen Auseinandersetzungen mit der Wirtschaft geht, weil Sie fortan das intellektuelle Kapital Ihrer Mitarbeiter (davon hört man jetzt so viel) etwas pfleglicher behandeln wollen. Weil alle etwas lesen sollen, mit dem sie auch in der Freizeit nicht ganz aus dem Berufsleben gescheucht werden. Und da Sie gewohnt sind, ohnehin alles selber zu machen, müssen Sie, weil Vorbild, auch alles selber gelesen haben. Etwa Sinclair Lewis, Martin Walser, John Grisham, Tim & Struppi, das Lukasevangelium, Jean-Jacques Rousseau, Saul Bellow, Heinrich von Kleist, Bohumil Hrabal, Heinrich Mann, Ken Follett, Friedrich Dürrenmatt, Peter Turrini, das Alte und das Neue Testament, David Lodge und Paul Theroux, Armistead Maupin, den Autor der berühmten Stadtgeschichten aus San Francisco, Cesare Pavese und immer wieder Jedermann, Jedermann, Jedermann, und dann wieder zur Erleichterung Peter Mayle, der Sonderbares über die Exzesse der Reichen zusammengetragen hat; und auch Autoren, die kaum jemand kennt und die man als eigene Entdeckungen zum Thema lesen kann, was sich eventuell in Festreden am Ende ganz gut macht. Auch zu diesem Zweck läßt sich dieses Buch lesen. Es ist also wieder eines dieser Bücher, die nicht an und für sich Buch sind, sondern Medium: Buch über Bücher. Aber: Dieses Buch wird den Kompromiß inszenieren. Es geht um den Impuls, selber zur Literatur zu greifen und sie nicht aus den wenigen Zeilen, die hier zur Verfügung stehen, komprimiert für den zitierfähigen Gebrauch zu entnehmen. Zwar sind Merksätze, Titel und Kurzbeschreibungen eingestreut, Informationen über Autoren und Romane, über Theaterstücke und anderes, ja. Und immer wieder möchte der Autor die Leserinnen und Leser durch Exkurse zu besonders lesenswerten oder besonders drastischen oder besonders bekannten oder besonders zu Unrecht unbekannten Büchern einen Augenblick aus dem Fortgang der Gedanken reißen, um sie an literarischen Beispielen in aller Verdichtung noch einmal zu spiegeln. Irgendwo muß man ja anfangen mit dem Lesen. Am besten gleich hier.

Man kann natürlich über diese kleinen Exkurse hinweglesen.

Oder man spart sie sich auf für später, überfliegt sie fürs erste nur und behandelt sie als eine abschließende Anthologie, die man noch einmal im Zeitraffer liest, weil sie ja das Buch insgesamt noch einmal in sich tragen. Denn die „Merksätze“, hintereinander weggelesen, ergeben eine eigentümliche neue Lektüre. Mit demselben Ergebnis, mit derselben Einsicht.

Zweites Kapitel

DIE MORAL VON DER GESCHICHT’?

Trau Fabrikanten, Bossen, Unternehmern nicht, und denen nicht, die reich sind

Dieses Buch faßt die Einsichten zusammen. Dieses Buch zieht die Bilanz. In diesem Buch wird die Moral von der Geschicht’, und zwar von dieser Art Literaturgeschichte, gezogen. Und die Moral ist diese: Wir leben in einer eigenartigen Welt, in der junge Menschen händeringend aufgefordert werden, Unternehmen zu gründen. Gleichzeitig aber werden in der mächtigsten kulturellen Instanz unseres Alltags – der Unterhaltung – mit wohligem Schauer Raffgier, Bösartigkeit, Korruption, Intriganz, Rücksichtslosigkeit, Borniertheit und Kleinbürgerlichkeit, Verschwendungssucht, Unmenschlichkeit der Bosse, der Fabrikanten, der Unternehmer und der Reichen im allgemeinen inszeniert. Und wir? Wir sitzen mit ebenso wohligem Schauer davor. Und manchmal sehen wir die Leute, die in diesen Büchern, Filmen, Comics, Theaterstücken und Spruchweisheiten überführt werden, gar im Spiegel.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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