Und Friede auf Erden - Karl May - E-Book

Und Friede auf Erden E-Book

Karl May

4,7

Beschreibung

Das Buch entstand unter dem unmittelbaren Eindruck von Karl Mays großer Orientreise 1899/1900. Die liebevolle Einfühlung in die Gedankenwelt des Ostens spricht aus jeder Seite dieses Alterswerkes, das den Wunsch nach Frieden und Völkerverständigung zu seinem Hauptanliegen macht. Mit einem Nachwort zur Werkgeschichte. Herausgegeben nach der von Roland Schmid und Hans Wollschläger revidierten Fassung.

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KARL MAY’s

GESAMMELTE WERKE

BAND 30

UND FRIEDE AUF

ERDEN

REISEERZÄHLUNG

VON

KARL MAY

Herausgegeben von Roland Schmid

© 1958 Karl-May-Verlag

ISBN 978-3-7802-1530-7

KARL-MAY-VERLAG

BAMBERG • RADEBEUL

AM TOR DES OSTENS

Kairo

„Ich bin Sejjid Omar!“

Wie stolz das klang und wie beweiskräftig die Gebärde war, mit der er diese Worte zu begleiten pflegte! „Ich bin Sejjid Omar“, das sollte sagen: „Ich, Herr Omar, bin ein studierter, schriftkundiger Abkömmling des Propheten, welcher der Liebling Allahs ist. Mein Name wurde mit allen meinen persönlichen Vorzügen in die heilige Stammrolle zu Mekka eingetragen; darum habe ich das Recht, ein grünes Oberkleid und einen grünen Turban zu tragen. Wenn ich sterbe, wird die Kuppel meines Grabmals grün angestrichen und mir die Tür des obersten der Himmel gleich geöffnet sein. Respekt also vor mir!“

Was aber war dieser Sejjid Omar? Ein Eselsjunge! Er hatte seinen ,Stand‘ an der Esbekije in Kairo, dem Hotel Kontinental, in dem ich wohnte, gegenüber. Ein schön und kräftig gebauter, junger Mann von wenig über zwanzig Jahren, war er mir durch seinen steten Ernst und die angeborene Würde seiner Bewegungen aufgefallen. Ich beobachtete ihn gern von meinem Balkon aus, und wenn ich unten auf dem prächtigen Vorplatze des Hotels meinen Kaffee trank, konnte ich ihn sprechen hören. Sein Gesicht zeigte zwar auch jenen Zug von Verschlagenheit, der allen Eselstreibern eigen ist, aber er war nicht aufdringlich und lag seinem Geschäfte in einer Weise ob, als werde jedem, der sich seines Esels bediente, eine ganz besondere Gunst erwiesen. Er gab sich so wenig wie möglich mit Berufsgenossen ab, und wenn sie ihn für diese Zurückhaltung mit spöttischen Redensarten zu ärgern versuchten, bekamen sie nichts als ein verächtliches „Ich bin Sejjid Omar“ zu hören. Wollte ein Fremder mit ihm feilschen oder wurde ihm irgendetwas gesagt oder zugemutet, was er für gegen seine Ehre hielt, so wandte er sich mit einem geringschätzigen „Ich bin Sejjid Omar“ ab und war dann für den Betreffenden nicht mehr zu sprechen.

Die Folge war, dass ich ihm eine ganz besondere Aufmerksamkeit schenkte, obgleich sich mir keine Gelegenheit bot, ihm dies in Beziehung auf sein Geschäft zu beweisen. Aber Blicke ziehen einander bekanntlich an. Ich bemerkte, dass auch er sehr oft zu mir herübersah. Er schien unruhig zu werden, wenn ich mich nach dem Mittag- und Abendessen nicht sofort auf der Terrasse sehen ließ, und sooft ich beim Ausgehen an ihm vorüberkam, trat er, obgleich ich ihn gar nicht zu beachten schien, einen Schritt zurück und legte still grüßend die Hände auf die Brust.

In dem erwähnten Hotel gibt es zu Seiten des Speisesaals zwischen den Säulen kleinere Tische für Gäste, die es nicht lieben, an der Tafel eng gepfercht zu sitzen. Ich hatte mir einen dieser Tische für mich allein reservieren lassen. Der links davon war nicht besetzt; an dem zu meiner rechten Hand gab es seit gestern zwei Fremde, die nicht nur die allgemeine Aufmerksamkeit, sondern auch die meinige auf sich zogen, obgleich ich mir das nicht so wie die andern merken ließ. Sie waren Chinesen, und zwar Vater und Sohn. Ich erriet das zunächst aus ihrer Ähnlichkeit und hörte es dann aus ihrem Gespräch, denn ihr Tisch stand dem meinen so nahe, dass ich jedes ihrer Worte verstehen konnte. Sie waren nicht in heimische Tracht gekleidet, sondern trugen weiße Reiseanzüge nach französischem Schnitt. Ihre Zöpfe wurden von den Tropenhelmen verborgen, die sie nur während der Tafel abzunehmen pflegten. Gleich als sie gestern den Speisesaal betraten, war mir die ebenso tiefe wie herzlich aufrichtige Ehrerbietung aufgefallen, die der Sohn dem Vater entgegenbrachte. Das war eine geradezu rührende Aufmerksamkeit und Dienstfertigkeit, die sogar dem servierenden Kellner jede Handreichung und jeden Griff abzunehmen strebte, um dem Vater Kindesdank und Kindesliebe zu erweisen. Und man sah deutlich, dass dies nichts Gemachtes, nichts Äußerliches war, sondern als etwas frei und gern Gegebenes aus dem Innern kam. Der Vater trug Augengläser in schwer goldenem Gestell, der Sohn hatte keine Brille. Sie speisten genau nach unserer Art und taten dies so geläufig und so fehlerlos, so unhörbar und unauffällig, dass manche der übrigen Gäste sich an ihnen hätten ein Beispiel nehmen können. Der mich bedienende Kellner flüsterte mir in Hoffnung auf ein dafür gebotenes Extratrinkgeld zu:

„Monsieur Fu und Monsieur Tsi aus China. Kommen aus Paris. Sind wahrscheinlich verwandt miteinander.“

„Haben sie sich selbst so eingetragen?“, erkundigte ich mich.

„Nein, aber dem Portier so gesagt.“

Er sprach die beiden Worte nicht in der richtigen Weise aus; aber es war klar, dass Fu Vater und Tsi Sohn bedeutete. Im Chinesischen hat dasselbe Wort oft sehr verschiedenen Sinn. Die beiden Gäste hatten ihre Namen nicht genannt und sich einfach als Vater und Sohn bezeichnet. Da hier im Hause niemand ihrer Sprache mächtig war, so hatte man sie als Monsieur ,Vater‘ und Monsieur ,Sohn‘ in das Fremdenbuch eingetragen und glaubte noch besonders pfiffig zu sein, indem man sie für Verwandte hielt. Sie aber ließen es sich lächelnd gefallen, dass ihr Verwandtschaftsgrad als Name ausgesprochen wurde. Dem Personal gegenüber sprachen sie Französisch, und zwar so vorzüglich, dass eine langjährige Übung mit Gewissheit anzunehmen war.

Was ihre Gesichter betrifft, so trat der mongolische Schnitt nur wenig hervor. Bei dem Sohn mochte diese Milderung eine Folge der Jugend sein; bei dem Vater aber war es ganz entschieden der Wirkung geistiger Tätigkeit zuzuschreiben, dass ihn fast nur der echt chinesisch gepflegte Bart als einen ,Sohn der Mitte‘ verriet. Man brauchte kein Menschenkenner zu sein, um diesem Manne anzusehen, dass sein Arbeitsfeld wohl kaum jemals ein materielles gewesen war.

Nach Tisch wurde draußen im Flur während des allgemeinen Speech die Tatsache festgestellt, dass die beiden Chinesen erstens aus Kanton, zweitens Onkel und Neffe und drittens in Paris gewesen seien, um dort ein Geschäft für Chinawaren einzurichten, dessen Leitung der Neffe übernehmen werde. Er habe den Onkel nur nach Ägypten zurückbegleitet, um die Trennung zu verzögern, werde aber hier von ihm Abschied nehmen und dann direkt nach Paris zurückkehren. Es war mir gleichgültig, wer diese Entdeckung gemacht hatte. Ich konnte mir nicht denken, dass dieser so eigenartig, ich möchte sagen, geheimnisvoll geistreich aussehende ,Monsieur Fu‘ ein Kaufmann sei, dessen Bestreben darin bestehe, billige chinesische Fächer und Vasen in Paris teuer an den Mann zu bringen.

Der Zufall war so gütig, mich schon am nächsten Morgen einen heimlichen Blick in diese Verborgenheit tun zu lassen. Ich wohnte, um möglichst viel Luft und Licht zu haben, zwei Treppen hoch und saß, mit Briefen beschäftigt, auf dem Balkon, als ich die Chinesen aus dem Hotel treten und hinüber zu Sejjid Omar gehen sah. Dieser besorgte ihnen zwei Esel, worauf er mit ihnen davontrabte. Dann hörte ich unter mir Klopfen und Bürsten. Das störte mich und wollte kein Ende nehmen. Ich beugte mich über die Brüstung vor und schaute hinab. Es war nicht, wie ich vermutet hatte, das Zimmermädchen, sondern ein chinesischer Diener, der einen Koffer geöffnet hatte, um den Inhalt einer Säuberung zu unterwerfen. Die Chinesen wohnten also eine Treppe hoch, grad unter mir. Ich ließ den Mann weiter klopfen und bürsten, ohne den Attentäter, wie ich eigentlich beabsichtigt hatte, zur Ruhe zu verweisen.

Dann wurde es still unter mir, doch verriet mir wiederholtes Räuspern, dass der Diener noch da war. Ich schaute wieder hinab. Er war jetzt mit einem anderen, kleinen Koffer beschäftigt, den er geöffnet hatte. Er ordnete da verschiedene Gegenstände mit einer Behutsamkeit, die auf ungewöhnlichen Wert schließen ließ, und versicherte sich von Zeit zu Zeit durch einen Blick nach den benachbarten Balkonen, dass er nicht beobachtet wurde. Der Inhalt dieses Koffers schien also aus Dingen zu bestehen, von denen nicht jedermann wissen durfte. Eben jetzt hatte er einen Gürtel in der Hand, an dem eine goldene, mit Rubinen besetzte Schnalle glänzte. Diese Art von Schnallen dürfen nur Mandarine ersten und zweiten Ranges tragen! Dann sah ich ein Putsu[1] erscheinen, dessen Stickerei einen Storch vorstellte. Nach einer Kugelkette, einer Pfauenfeder und verschiedenen anderen Gegenständen, die ich wegen ihrer Kleinheit nicht deutlich erkennen konnte, kam einer jener Beamtenhüte zum Vorschein, die nur im Sommer getragen und darum ,warme‘ Hüte genannt werden. Er hatte einen glatten, roten, ungeblümten Korallenknopf. Kugelketten dürfen nur von Mandarinen ersten bis fünften Grades um den Hals getragen werden. Pfauenfedern sind besondere Auszeichnungen; aber der Korallenknopf ist nur den Mandarinen ersten Ranges erlaubt. Diese sind entweder Zivil- oder Kriegsmandarine. Die Ersteren haben ein Putsu mit Storch, die Letzteren ein Schild mit dem Bilde des Einhorns zu tragen. Die Zivilbeamten werden mehr als die militärischen geehrt. Ich hatte also erfahren, dass ,Monsieur Fu‘, denn nur auf ihn konnte sich diese Auszeichnung beziehen, ein Zivilmandarin allerhöchsten Ranges war, und nahm mir selbstverständlich vor, dies keinem Menschen mitzuteilen. Mehr zu sehen, wurde mir durch meinen Bleistift unmöglich gemacht. Ich hatte ihn hinter das Ohr gesteckt; er verlor dadurch, dass ich den Kopf vorgebeugt hatte, den Halt, fiel hinab und traf grad vor dem Diener auf das Balkongeländer auf. Der Chinese stieß einen Ruf des Schreckens aus, raffte alles schnell zusammen und war im nächsten Augenblick verschwunden. Auch dieser sein Schreck war ein Beweis, dass seine beiden Herren ihren Stand nicht zu verraten wünschten.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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