Undinge - Byung-Chul Han - E-Book

Undinge E-Book

Byung-Chul Han

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Beschreibung

Minima Moralia der Informationsgesellschaft  Heute bewohnen wir nicht mehr Erde und Himmel, sondern Google Earth und Cloud. Informationen beherrschen unsere Lebenswelt. Wir berauschen uns regelrecht an Kommunikation. Byung-Chul Hans Kritik der Informationsgesellschaft klärt uns über die Folgen unseres Informations- und Kommunikationsrausches auf. Schon vor Jahrzehnten stellte der Medientheoretiker Vilém Flusser fest: »Undinge dringen gegenwärtig von allen Seiten in unsere Umwelt, und sie verdrängen die Dinge. Man nennt diese Undinge Informationen.« Die Dinge rücken heute immer mehr in den Hintergrund der Aufmerksamkeit. Die Welt als Infosphäre überlagert die Welt als Dingsphäre. Der Übergang vom Ding zum Unding verändert massiv unsere Wahrnehmung und Weltbeziehung. Byung-Chul Hans neuer Essay kreist um Dinge und Undinge. Er entwickelt sowohl eine Philosophie des Smartphones als auch eine Kritik der Künstlichen Intelligenz aus ungewohnter Perspektive. Gleichzeitig wendet er sich der Magie der Dinge zu und reflektiert über die Stille, die im Informationslärm verlorengeht.

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Undinge

Der Autor

Byung-Chul Han, geboren 1959, studierte in Freiburg im Breisgau und in München Philosophie, deutsche Literatur und katholische Theologie. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher, darunter »Müdigkeitsgesellschaft«, »Transparenzgesellschaft« , »Die Errettung des Schönen«, »Psychopolitik« und »Die Austreibung des Anderen«.

Das Buch

Minima Moralia der Informationsgesellschaft Heute bewohnen wir nicht mehr Erde und Himmel, sondern Google Earth und Cloud. Informationen beherrschen unsere Lebenswelt. Wir berauschen uns regelrecht an Kommunikation. Byung-Chul Hans Kritik der Informationsgesellschaft klärt uns über die Folgen unseres Informations- und Kommunikationsrausches auf. Schon vor Jahrzehnten stellte der Medientheoretiker Vilém Flusser fest: »Undinge dringen gegenwärtig von allen Seiten in unsere Umwelt, und sie verdrängen die Dinge. Man nennt diese Undinge Informationen.« Die Dinge rücken heute immer mehr in den Hintergrund der Aufmerksamkeit. Die Welt als Infosphäre überlagert die Welt als Dingsphäre. Der Übergang vom Ding zum Unding verändert massiv unsere Wahrnehmung und Weltbeziehung. Byung-Chul Hans neuer Essay kreist um Dinge und Undinge. Er entwickelt sowohl eine Philosophie des Smartphones als auch eine Kritik der Künstlichen Intelligenz aus ungewohnter Perspektive. Gleichzeitig wendet er sich der Magie der Dinge zu und reflektiert über die Stille, die im Informationslärm verlorengeht.

Byung-Chul Han

Undinge

Umbrüche der Lebenswelt

Ullstein

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Ullstein ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH © 2021 by Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: Rudolf Linn Autorenbild: © privat E-Book powered by pepyrus.com ISBN 978-3-8437-2539-2

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Inhalt

Der Autor / Das Buch

Titelseite

Impressum

Vorwort

Vom Ding zum Unding

Vom Besitz zum Erlebnis

Smartphone

Selfies

Künstliche Intelligenz

Ansichten der Dinge

Tücken der Dinge

Rücken der Dinge

Gespenster

Magie der Dinge

Dingvergessenheit in der Kunst

Heideggers Hand

Herzensdinge

Stille

Ein Exkurs zur Jukebox

Anmerkungen

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Vorwort

Vorwort

In ihrem Roman Hisoyaka na Kesshô erzählt die japanische Schriftstellerin Yoko Ogawa von einer namenlosen Insel. Seltsame Vorfälle beunruhigen die Inselbewohner.

Unerklärlicherweise verschwinden dort die Dinge, und zwar unwiederbringlich. Wohl duftende Dinge, flirrende, schimmernde, wundersame Dinge: Haarbänder, Hüte, Parfüm, Glöckchen, Smaragde, Briefmarken, auch Rosen und Vögel. Die Menschen wissen nicht mehr, wozu all diese Dinge gut gewesen sind. Mit den Dingen verschwinden auch Erinnerungen.

Yoko Ogawa beschreibt in ihrem Roman ein totalitäres Regime, das mithilfe einer Erinnerungspolizei, die Orwells Gedankenpolizei ähnelt, Dinge und Erinnerungen aus der Gesellschaft verbannt. Menschen leben im ewigen Winter des Vergessens und der Verluste. Wer heimlich Erinnerungen nachgeht, wird verhaftet. Auch die Mutter der Protagonistin, die die bedrohten Dinge in einer geheimen Kommode vor ihrem Verschwinden bewahrt, wird von der Erinnerungspolizei verfolgt und getötet.

Hisoyaka na Kesshô lässt sich in einer Analogie zu unserer Gegenwart lesen. Auch heute verschwinden fortwährend die Dinge, ohne dass wir es eigens bemerken. Die Dinginflation täuscht uns das Gegenteil vor. Im Gegensatz zu Yoko Ogawas Dystopie leben wir nicht in einem totalitären Regime mit Gedankenpolizei, das den Menschen brutal ihre Dinge und Erinnerungen raubt. Es ist vielmehr unser Kommunikations- und Informationsrausch, der die Dinge zum Verschwinden bringt. Informationen, also Undinge, legen sich vor die Dinge und lassen diese ganz verblassen. Wir leben nicht in einer Gewaltherrschaft, sondern in einer Herrschaft der Information, die sich als Freiheit gibt.

In Ogawas Dystopie wird die Welt sukzessiv entleert. Sie verschwindet letzten Endes. Alles wird vom Verschwinden, von einer fortschreitenden Auflösung erfasst. Auch Teile des Körpers verschwinden. Am Ende schweben allein körperlose Stimmen ziellos in der Luft herum. Die namenlose Insel der verlorenen Dinge und Erinnerungen ähnelt in mancher Hinsicht unserer Gegenwart. Heute entleert sich die Welt zu Informationen, die genauso gespenstisch sind wie jene körperlosen Stimmen. Die Digitalisierung entdinglicht und entkörperlicht die Welt. Sie schafft auch Erinnerungen ab. Statt Erinnerungen nachzugehen, speichern wir Unmengen von Daten. Die Erinnerungspolizei wird also durch digitale Medien ersetzt, die völlig gewaltlos und ohne großen Aufwand ihre Arbeit erledigen.

Im Gegensatz zu Ogawas Dystopie ist unsere Informationsgesellschaft nicht ganz so monoton. Informationen täuschen Ereignisse vor. Sie leben vom Reiz der Überraschung. Der Reiz hält aber nicht lange. Schnell entsteht ein Bedürfnis nach neuen Reizen. Wir gewöhnen uns daran, die Wirklichkeit auf Reize, auf Überraschungen hin wahrzunehmen. Als Informationsjäger werden wir blind gegenüber stillen, unscheinbaren Dingen, ja Gewöhnlichkeiten, Nebensächlichkeiten oder Üblichkeiten, denen der Reiz fehlt, die uns aber im Sein verankern.

Vom Ding zum Unding

Die terrane Ordnung, die Ordnung der Erde, besteht aus Dingen, die eine dauerhafte Form annehmen und eine stabile Umgebung für das Wohnen bilden. Sie sind jene »Weltdinge« im Sinne von Hannah Arendt, denen die Aufgabe zukommt, »menschliches Leben zu stabilisieren«.1 Sie geben ihm einen Halt. Die terrane Ordnung wird heute durch die digitale Ordnung abgelöst. Die digitale Ordnung entdinglicht die Welt, indem sie sie informatisiert. Schon vor Jahrzehnten bemerkte der Medientheoretiker Vilém Flusser: »Undinge dringen gegenwärtig von allen Seiten in unsere Umwelt, und sie verdrängen die Dinge. Man nennt diese Undinge Informationen.«2 Wir befinden uns heute im Übergang vom Zeitalter der Dinge zum Zeitalter der Undinge. Nicht Dinge, sondern Informationen bestimmen die Lebenswelt. Wir bewohnen nicht mehr Erde und Himmel, sondern Google Earth und Cloud. Die Welt wird zusehends unfassbarer, wolkiger und gespenstischer. Nichts ist hand- und dingfest.

Die Dinge stabilisieren insofern menschliches Leben, als sie ihm eine Kontinuität verleihen, die »sich daraus herleitet, dass der gleiche Stuhl und der gleiche Tisch den jeden Tag veränderten Menschen mit gleichbleibender Vertrautheit entgegenstehen«.3 Dinge sind Ruhepole des Lebens. Sie sind heute gänzlich von Informationen überlagert. Informationen sind alles andere als Ruhepole des Lebens. Es ist nicht möglich, bei Informationen zu verweilen. Sie haben eine sehr schmale Aktualitätsspanne. Sie leben vom Reiz der Überraschung. Schon aufgrund ihrer Flüchtigkeit destabilisieren sie das Leben. Unsere Aufmerksamkeit wird heute von ihnen permanent in Anspruch genommen. Der Tsunami der Information versetzt das kognitive System selbst in Unruhe. Informationen sind keine stabile Einheit. Ihnen fehlt die Festigkeit des Seins. Niklas Luhmann charakterisiert die Information wie folgt: »Ihre Kosmologie ist eine Kosmologie nicht des Seins, sondern der Kontingenz.«4

Die Dinge rücken heute immer mehr in den Hintergrund der Aufmerksamkeit.5 Die gegenwärtige Hyperinflation der Dinge, die zu deren explosiver Vermehrung führt, deutet gerade auf die zunehmende Gleichgültigkeit gegenüber den Dingen hin. Unsere Obsession gilt nicht mehr den Dingen, sondern Informationen und Daten. Wir produzieren und konsumieren inzwischen mehr Informationen als Dinge. Wir berauschen uns regelrecht an Kommunikation. Libidinöse Energien wenden sich von den Dingen ab und besetzen Undinge. Infomanie ist die Folge. Wir sind inzwischen alle infoman. Vorbei ist es wohl mit dem Dingfetischismus. Wir werden zu Informations- und Datenfetischisten. Inzwischen ist sogar von »Datasexuals« die Rede.

Die industrielle Revolution verfestigt und erweitert die Dingsphäre. Sie entfernt uns nur von Natur und Handwerk. Erst die Digitalisierung beendet das Ding-Paradigma. Sie unterwirft die Dinge den Informationen. Hardwares sind devote Unterlagen der Softwares. Sie sind sekundär gegenüber Informationen. Ihre Miniaturisierung lässt sie immer weiter schrumpfen. Das Internet der Dinge macht diese zu Informationsterminals. Der 3D-Drucker entwertet die Dinge in ihrem Sein. Sie werden zu materiellen Derivaten der Information degradiert.

Was wird aus Dingen, wenn sie von Informationen durchdrungen werden? Die Informatisierung der Welt macht aus Dingen Infomate, nämlich informationsverarbeitende Akteure. Das Auto der Zukunft wird kein Ding mehr sein, mit dem sich Phantasmen von Macht und Besitz verbinden, sondern ein mobiles »Verteilungszentrum von Informationen«, eben ein Infomat, das mit uns kommuniziert: »Das Auto spricht zu Ihnen, informiert Sie ›spontan‹ über seinen allgemeinen Zustand – und über den Ihren (vielleicht weigert es sich, zu funktionieren, falls Sie nicht gut funktionieren), es erteilt Ratschläge und trifft Entscheidungen, es ist Partner in einer umfassenden Verhandlung darüber, wie zu leben sei […].«6

Heideggers Daseinsanalyse von Sein und Zeit bedarf einer Revision, die der Informatisierung der Welt Rechnung trägt. Heideggers »In-der-Welt-sein« vollzieht sich als »hantierender Umgang« mit den Dingen, die entweder »vorhanden« oder »zuhanden« sind. Die Hand stellt eine zentrale Figur der Heideggerschen Daseinsanalyse dar. Heideggers »Dasein« (die ontologische Bezeichnung für Mensch) erschließt sich die Umwelt mittels der Hand. Seine Welt ist eine Dingsphäre. Wir leben aber heute in einer Infosphäre. Wir hantieren nicht an den Dingen, die passiv vorliegen, sondern wir kommunizieren und interagieren mit den Infomaten, die selbst als Akteure agieren und reagieren. Der Mensch ist nun kein »Dasein«, sondern ein »Inforg«7, der kommuniziert und Informationen austauscht.