Unser Essen - Killer und Heiler - Dr. med. Matthias Riedl - E-Book

Unser Essen - Killer und Heiler E-Book

Dr. med. Matthias Riedl

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Beschreibung

Falsche Ernährung ist eine der häufigsten Todesursachen. Als Ernährungsmediziner mit über 30-jähriger Expertise kennt Bestsellerautor Dr. Matthias Riedl die wahren Hintergründe ernährungsbedingter Zivilisationskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes – und fordert auf dieser Basis umfassende Veränderungen: Unser Essen – Killer und Heiler richtet den Blick aufs Ganze, deckt krankmachende Mechanismen in Industrie, Politik und Krankenkassen auf und bietet Lösungsvorschläge, die Millionen Betroffenen eine Last von den Schultern nehmen: Gesundwerden ist nicht allein Patientensache! Aufklärung ist der erste Schritt zur Veränderung und damit zur Heilung.

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Seitenzahl: 142

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Impressum

© eBook: 2022 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

© Printausgabe: 2022 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

GU ist eine eingetragene Marke der GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, www.gu.de

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie Verbreitung durch Bild, Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Projektleitung: Elke Sieferer

Lektorat: Kathrin Gritschneder

Korrektorat: Susanne Bodensteiner

Covergestaltung: ki 36 Editorial Design, Sabine Krohberger, München

eBook-Herstellung: Maria Prochaska

ISBN 978-3-8338-8693-5

1. Auflage 2022

Bildnachweis

Fotos: Porträfotos Dr. Matthias Riedl: Andreas Sibler; Icons auf den Kapitelaufmachern: The Noun Project; Coverfoto (Gummibär, nachträglich bearbeitet) und Hinterlegungen der Icons auf den Kapitelaufmachern: shutterstock; Rezeptfotos: Maria Grossmann und Monika Schuerle

Syndication: www.seasons.agency

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» Lassen Sie uns gemeinsam aktiv werden und Essen wieder zu dem machen, was es sein sollte: ein wirkmächtiger Helfer auf dem Weg zu einem langen, gesunden Leben. «

Dr. med. Matthias Riedl

Vorwort

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

dieses Buch ist mein bislang persönlichstes – schließlich geht es darum, meine Essenz aus 30 Jahren als Ernährungsmediziner aufzuschreiben. Natürlich gehören dazu Erkenntnisse rund um mein Konzept der artgerechten Ernährung. Zur Frage also, welche positive Wirkmacht unser Essen haben und so zum Heiler werden kann.

Zugleich gehören in solch eine Essenz aber auch – leider – Beobachtungen zur Frage, warum diese heilenden Kräfte bislang nur so wenige Menschen nutzen. Und wieso Nahrung umgekehrt im Alltag so vieler zum Killer wird, der weltweit pro Jahr mehr Menschen tötet, als es Alkohol und Verkehrsunfälle tun.

Eines vorab: Die Ursache dieser Misere liegt nicht in mangelnder Selbstdisziplin von Menschen, die aus vermeintlich freien Stücken einfach lieber zu Fruchtgummi greifen als zu Brokkoli. Sondern an einem krankmachenden System, an politisch-gesellschaftlichen Verhältnissen, die den Einzelnen nicht ausreichend schützen, etwa vor den Machenschaften der Lebensmittelindustrie.

Deshalb steckt in diesem Buch auch ein gehöriges Stück Empörung, mitunter sogar Wut. Ich habe das Genfer Ärztegelöbnis abgelegt – und damit unter anderem geschworen, dass die Gesundheit meiner Patienten das oberste Gebot meines Handelns ist. Zu diesem Gebot gehört für mich ganz klar, in aller Deutlichkeit über die Missstände aufzuklären. Und dafür zu kämpfen, dass jeder von uns Zugang zu wirklich gesundem Essen erhält.

Es gibt aktuell viele entsetzliche Krisen, die uns ohnmächtig zurücklassen, von Kriegen über Pandemie und Inflation bis hin zum Klimawandel. Den Kampf gegen die todbringende Katastrophe auf unseren Tellern aber können wir aktiv führen – und auch gewinnen. Allerdings nur gemeinsam!

Für besseres Essen zu kämpfen, lohnt sich übrigens nicht nur für Sie persönlich im Kleinen. Eine veränderte Ernährung nützt auch im Großen – weil sie hilft, nachhaltiger zu leben, so den Klimawandel zu begrenzen und dem Ziel der Ernährungsgerechtigkeit weltweit näherzukommen.

Deshalb: Lassen Sie uns gemeinsam aktiv werden und Essen wieder zu dem machen, was es sein sollte: ein wirkmächtiger Helfer auf dem Weg zu einem langen, gesunden Leben.

Herzlich Ihr

 1 

Warum unsere aktuelle Ernährung ein Desaster ist

Von Killer-Nahrung und den Gründen dahinter

Manche Patienten bleiben einem besonders in Erinnerung. Nicht unbedingt deshalb, weil sie besonders krank gewesen wären – und ihre Erfolge mit der Ernährungstherapie entsprechend spektakulär. Sondern weil sich in ihrem Alltag und ihrer Ernährung das gesamtgesellschaftliche Elend spiegelt, dem wir tagtäglich ausgesetzt sind. Wenn ich anfange, von diesem Elend zu sprechen und von meinen Forderungen, wie der Misere zu begegnen sei, sagen mir Menschen immer wieder: »Geht es nicht eine Nummer kleiner? Das ist doch übertrieben!« Nein, es geht nicht kleiner. Auf keinen Fall.

Denn unsere aktuelle Ernährungssituation ist ein Skandal, der nicht nur das Essen auf unseren Tellern betrifft. Wie in einem Brennglas vereint er unhaltbare Zustände, die uns als Individuen und als Gesellschaft insgesamt unsagbar belasten – und zwar weltweit. Doch anders als etwa der Klimawandel bleibt dieses Drama weitgehend unbemerkt: Keiner geht für eine bessere Ernährung auf die Straße. Doch das wird sich ändern, so meine große Hoffnung.

Claudia und Markus – die Musterpatienten

Um die Katastrophe unserer alltäglichen Ernährung etwas zu verdeutlichen, möchte ich Ihnen von Claudia erzählen. Claudia hat mich vor etwa zwei Jahren aufgesucht und gehört zu jenen Fällen, die ich nicht vergessen kann. Sie ist Altenpflegerin, inzwischen 50 Jahre alt, verheiratet und Mutter dreier Kinder. Eine Frau, die auf Anhieb sympathisch wirkt, mit ihrem kräftigen Händedruck, dem klaren Blick und diesem gelassenen Tonfall in der Stimme, der so viele Norddeutsche auszeichnet. Claudia kam nicht wegen sich selbst – auch wenn sie ein klein wenig übergewichtig war und entzündete Haut hatte. Sie kam wegen Markus, ihrem Mann. Das ist eine typische Situation in meiner Praxis: Frauen erlebe ich Ernährungsveränderungen gegenüber meist aufgeschlossener als Männer. Falls Männer eine Anpassung vornehmen, werden sie häufig von ihren Partnerinnen angetrieben. Das hat positive Folgen: Statistisch betrachtet leben Männer länger, wenn sie in einer guten, mitfühlenden Beziehung mit einer Frau zusammenleben. Wieder mag es für einige übertrieben klingen, aber es ist so. Von allein kommen kranke Männer in der Regel erst zu mir, wenn sie die kleine Treppe zu meinem Behandlungsraum kaum noch schaffen.

40 % der Frauen essen täglich Gemüse, bei Männern sind es nur 24 %. Fleisch oder Wurstwaren konsumiert knapp jede fünfte Frau und jeder dritte Mann täglich.

QUELLEN: RKI, STATISTA

Auch bei Claudias Ehemann Markus war die Situation schon dramatisch: Seit Jahren litt er an Typ-2-Diabetes und spritzte Insulin, doch der Langzeitzuckerwert stieg immer weiter. Dazu wurde der 48-Jährige zusehends schwächer und antriebsloser, er konnte sich gerade noch aufraffen, zur Arbeit zu gehen. Claudia selbst musste daheim immer mehr erledigen. Und wenn sie für Markus kochte, wusste sie gar nicht mehr, was sie ihm noch vorsetzen konnte. »Gesundes« mochte er nicht. Außerdem war ihr nicht klar, was wirklich gesund wäre – da würde ja auch jeder etwas anderes sagen. »Soll das jetzt immer so weitergehen, wird einfach immer alles schlimmer?«, fragte mich meine Patientin irgendwann. »So habe ich mir mein Leben nicht vorgestellt.« Das war der Moment, in dem dieser zupackenden Frau Tränen in die Augen stiegen.

Die Gründe hinter dem Ernährungsskandal

Ich habe an diesem Nachmittag alle weiteren Termine abgesagt. Weil mir klar wurde: Ich war hier nicht mehr nur als Arzt gefragt, sondern auch als Mensch, der einfach zuhört, die richtigen Fragen stellt, ab und an mal nickt, weil er die Missstände kennt – und selbst oft an ihnen verzweifelt. Am Ende haben wir knapp zwei Stunden miteinander gesprochen. Und ich weiß noch, dass ich anschließend dachte: Jemand wie Claudia müsste eigentlich jeden Abend in einer Talkshow sitzen. Weil ihre Geschichte und die ihres Mannes so beispielhaft stehen für die Katastrophe, die sich täglich abspielt. Eine Katastrophe, deren Folgen – anders als etwa beim Klimawandel – schon jetzt bei jedem Einzelnen angekommen sind. Lassen Sie es mich in aller Klarheit sagen: Was wir aktuell essen, bringt Millionen Deutsche vorzeitig ins Grab.

Die zentralen Punkte, um die sich diese Katastrophe dreht, lassen sich am Beispiel von Claudias Familie klar schildern. Jeden einzelnen zu ändern, ist die gesamtgesellschaftliche Aufgabe!

Die moderne Ernährung liefert viel zu viel Energie: Claudia und Markus haben ihr Leben lang das gegessen, was hierzulande die meisten Menschen zu sich nehmen – Brötchen am Morgen, Kartoffeln mit Fleisch oder Fisch und ein bisschen Gemüse am Mittag, Brot mit Wurst und Käse am Abend. Dazwischen mal ein Keks, mal ein Apfel, abends ein paar Chips. Als Getränke gab es oft Cola oder Limo. Bis zu acht Mal am Tag essen und snacken auch die meisten anderen Deutschen inzwischen. Häufig überschreiten sie damit die empfohlene Tageshöchstmenge an Zucker deutlich, schaffen aber die ideale Gemüsemenge für einen Tag in einer ganzen Woche nicht.Eine solche Ernährung sorgt zum einen dafür, dass wir mehr Energie aufnehmen als wir verbrennen. Und zum anderen dafür, dass wir von den guten Nährstoffen zu wenig bekommen. Damit ist die typisch westliche Ernährung Ausgangspunkt Dutzender Krankheiten – und verschlimmert fast alle Beschwerdebilder.

Die Industrie verschärft die Katastrophe: Wie die meisten von uns waren auch Markus und Claudia an Fertigprodukte und Snacks gewöhnt – von Kindheit an. Kein Wunder: Die Industrie nutzt die vielen ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, um uns von Chips und Co. buchstäblich abhängig zu machen. Mit greller Werbung etwa, die sich häufig an Kinder richtet. Mit immer neuen Kreationen, die teils evolutionär verankerte Gelüste in uns triggern. Mit Lügen über vermeintlich gesunde Snacks (»health washing«) – und natürlich mit viel Chemie in Form von Zusatzstoffen. Außerdem sorgen die Hersteller der krankmachenden Produkte über intensive Lobbyarbeit dafür, dass sie an all dem kaum gehindert werden.

Die Politik schützt die Menschen nicht: Es gäbe viele Möglichkeiten, die alltägliche Ernährung über Maßnahmen »von oben« zu verbessern und Menschen wie Claudia und Markus so den Zugang zu einer artgerechten, gesunden Ernährung zu erleichtern. Doch die Regierenden in Deutschland scheinen diese Verantwortung mitunter zu scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Sie verschließen die Augen vor der unfassbar steigenden Zahl an Übergewichtigen und ernährungsbedingt Kranken – ähnlich wie sie es lange beim Klimawandel oder auch dem Artensterben getan haben.Statt etwas zu unternehmen, überlässt uns die Politik also einem ungünstigen Umfeld, das zwangsläufig zur Fehlernährung der Massen führen muss. Das Krasse: Bei all dem kommen die Verantwortlichen bislang sogar gut weg. Denn noch immer glauben und verbreiten viele Menschen hierzulande die Mär, wonach der Einzelne schuld sei an seiner Fettleibigkeit und den ernährungsbedingten Beschwerden – nicht aber die Nahrungsmittelindustrie oder eine Regierung, die dieser Industrie das Allermeiste durchgehen lässt. Dabei zeigen die Regale in den Supermärkten sehr genau, wo das Problem liegt: Über 80 Prozent der Produkte sind maßlos überzuckert. Schuld ist der, der zugreift? Wie kann man so etwas auch nur denken!

Das Gesundheitssystem bietet keine Hilfe: Obwohl inzwischen klar ist, wie krank die moderne westliche Ernährung uns macht und wie gut eine Ernährungstherapie gegen die allermeisten Krankheiten hilft, wird diese Option meist ignoriert. So bekam Markus von seinem Arzt keine Ernährungstherapie angeboten, um den Diabetes zu behandeln – obwohl damit nachgewiesenermaßen sogar eine Heilung möglich ist! Stattdessen verschrieb der Arzt ihm nur mehr Insulin. Und bescherte Markus, obwohl er selbst übergwichtig war, noch wenig motivierende Kommentare wie: »Versuchen Sie es einfach mal mit ein paar Gummibärchen weniger.« Als Markus irgendwann, von Claudia instruiert, selbst eine Ernährungstherapie vorschlug, zog der Arzt nur die Augenbrauen hoch und lachte: »Da können Sie ja gleich Globuli nehmen.« Und die Krankenkasse erklärte, die Kosten einer Ernährungstherapie nicht zu übernehmen.Solche Systemfehler sorgen dafür, dass Patienten mit den verschiedensten Krankheitsbildern eine Odyssee von Arzt zu Arzt hinter sich bringen müssen, ehe sie im besten Fall in einer ernährungsmedizinischen Schwerpunktpraxis landen. Dabei haben die meisten Krankheiten, von Adipositas und rheumatoider Arthritis über Neurodermitis und Reizdarm bis hin zu Gicht, häufig ihre Ursache (auch) in einer falschen Ernährung. Die günstigste Behandlung in Form einer Ernährungstherapie wird aber meiner Erfahrung nach oft um bis zu 20 Jahre verschleppt. Das ist deshalb besonders fatal, weil sich einige Krankheiten durch eine rasch nach der Diagnose eingeleitete Ernährungsanpassung nicht nur bessern, sondern sogar heilen lassen.

Unser Lebensumfeld macht alles noch schwerer: Markus hatte oft versucht, sein Leben in Eigenregie zu ändern, also beispielsweise aktiver zu werden und mit dem Fahrrad statt dem Auto ins Büro zu fahren. Doch weil die Radwege so schlecht waren, griff er nach ein paar Tagen wieder zum Autoschlüssel. Beim Stopp an der Tankstelle kaufte er häufig wie ferngesteuert einen Schokoriegel, der so verführerisch an der Kasse lag. Besonders oft dann, wenn er gestresst war, etwa, weil er sich mal wieder über seinen Chef geärgert hatte. Denn etwas Süßes half gegen den Frust immer ganz gut!Dass uns negative Gefühle und Stress zu einem ungünstigen Essverhalten verleiten, hat Markus nie jemand erklärt. Auch nicht, dass es Möglichkeiten gibt, diesen sogenannten hedonistischen Hunger (s. >) loszuwerden – ebenso wie die Verhaltenssucht, die häufig damit einhergeht. Verwundern kann das nicht: Denn selbst Ärzte wissen oft nicht um diese Zusammenhänge zwischen Ernährung und Gefühlslage.

Gesunde Ernährung ist auch eine Geldfrage: Einmal hatte Claudia Markus auf einen Wochenmarkt geschleppt, um regionale Bio-Produkte zu kaufen. Doch nach ein paar Minuten machten sie direkt wieder kehrt: Von jetzt auf gleich das Doppelte für Essen ausgeben? Das kam Markus buchstäblich nicht in die Tüte. Er dachte an die Lebenshaltungskosten, die stärker stiegen als sein Lohn. Der war eh schon nicht üppig – und dann hatten die beiden Söhne ja gerade angefangen zu studieren!

Basales Ernährungswissen fehlt: In der Schule hat Markus gelernt, wie Vektorrechnung geht. Nicht aber, dass eine artgerechte Ernährung mit vielen pflanzlichen Produkten seinen Diabetes heilen könnte – und ihn vor vielen anderen Krankheiten bewahren. Und so aß Markus trotz Diabetes weiter wie bisher. Claudia dagegen las Dutzende Ratgeber zum Thema gesunde Ernährung. Doch während der eine Pseudo-Experte ein Low-Fat-Konzept predigte, setzte der andere auf Paleo. Verwirrt und frustriert ließ Claudia zuletzt alles beim Alten. Schließlich wurden viele Menschen auch mit dieser Ernährung ja sehr alt!

Quasireligiöse Eiferer verhärten die Fronten: Markus’ ältester Sohn war Veganer. Was seine Eltern im Alltag aßen, widerte ihn an. Und so sorgte eine Mahlzeit inzwischen nicht mehr wie früher für Gemeinschaft, sondern für Streit innerhalb der Familie. Ein normales Gespräch übers Essen war kaum noch möglich – wie bei vielen anderen Themen, etwa gendergerechter Sprache, auch nicht.

Für die Kinder wird es noch schlimmer: Am Ende unseres Gesprächs erzählte Claudia noch von ihrer Tochter. Die damals zwölfjährige Nachzüglerin hatte schon 13 Kilo Übergewicht! Sie schien nach Markus zu kommen – nur dass der in ihrem Alter noch sehr schlank gewesen war. Auch diese Entwicklung belastete Claudia enorm. Zu Recht: Wer in jungen Jahren übergewichtig ist, hat es nach der Pubertät viel schwerer, abzunehmen – verglichen mit jenen, die erst im Erwachsenenalter zu viel wiegen. Die aktuell junge Generation wird die Katastrophe also noch viel heftiger treffen: Falsche Ernährung von Kindesbeinen an droht die Lebenserwartung drastisch zu verkürzen. Und weil sie Zivilisationskrankheiten fördert, werden die Lebensjahre, die man hat, weniger angenehm sein.

Eine Situation zum Verzweifeln

Nachdem Claudia und ich uns ausgetauscht hatten und sie den ganzen Schlamassel verstanden hatte, war sie total erschöpft. Meine Aufgabe: ihr das Licht am Ende des Tunnels aufzeigen und gangbare Lösungsmöglichkeiten präsentieren. Ich erklärte ihr daher als erstes, dass ihre Situation für mich nicht unlösbar war, sondern leider Alltag. Dann beschrieb ich ihr Methoden, Wege und Hilfestellungen, die es ihr ermöglichen würden, ein erreichbares Ziel zu definieren und sich selbst zu helfen. Wie bei den meisten Patienten weckte das auch bei Claudia neue Kraft. Und so verließ sie meine Praxis motiviert – mit einem genauen Plan für eine folgende Ernährungstherapie.

Ernährungsbedingte Krankheiten – die Misere in Zahlen

57 % der erwachsenen Männer und 53 % der Frauen hierzulande sind übergewichtig.Fast ein Viertel der Deutschen leidet an Adipositas – Tendenz seit Jahren steigend.63 Mrd. Euro (in-)direkte Kosten entstehen dem deutschen Gesundheits- und Sozialsystem durch Adipositas pro Jahr – u. a. Behandlungskosten sowie Sozialleistungen bei Arbeitsunfähigkeit und Frühverrentung.Gut 8 Mio. Deutsche sind an Diabetes erkrankt, 60–80 % der Fälle wären vermeidbar – und damit auch Folgeerkrankungen.90 % aller Todesfälle in Deutschland gehen auf nichtübertragbare Krankheiten zurück, 70–80 % letzterer sind ernährungsbedingt.20 % der Todesfälle weltweit (ca. 11 Mio. pro Jahr) gehen auf ungesunde Ernährungsmuster zurück, etwa den häufigen Konsum stark verarbeiteter Lebensmittel.

Quellen: Global Burden of Disease Study, Dt. Allianz nichtübertragbare Krankheiten

Und wie jetzt weiter?

Abgesehen von Ernährungsmedizinern, Ökotrophologen, einigen Anti-Lobbyismus-Aktivisten und immer mehr ernährungsbedingt Kranken empört dieser ganze Skandal bislang niemanden groß. Die Masse bleibt – noch – still, wenn es darum geht, für eine gesündere Ernährung zu kämpfen. Für eine bessere Versorgung von Kindern, Kranken und Alten. Für ein Gesundheitssystem, das wirklich gesund macht – und nicht krank hält. Das ist doppelt und dreifach schade: Denn Maßnahmen für eine artgerechtere Ernährung würden nicht nur uns Menschen helfen, sondern wären auch automatisch nachhaltig.

Weiterhin würden sie Veränderungen bewirken, die uns als Gesellschaft insgesamt weiterbrächten – etwa im Hinblick auf soziale Gerechtigkeit. So aber gehört es zu meinem Job, alltäglich Schicksalen wie dem von Claudia zu begegnen. Und zu wissen: Viele dieser Lebensläufe hätten ein anderes Drehbuch, wenn unsere Ernährung in der Gesellschaft den Stellenwert bekäme, den sie verdient. Und wenn das, was man inzwischen über die Wirkmacht guter Lebensmittel weiß, endlich in Maßnahmen übersetzt würde.

Das Gute: Es gibt einen Ausweg!